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Datenschutz & Sicherheit

2025: Das Jahr in Zahlen


Im Jahr 2025 ist das Team von netzpolitik.org gewachsen. Im Januar kam David Giwojno als Werkstudent für die Technik-Administration dazu, im September folgten Lucas Fiola, der ebenfalls als Werkstudent unsere Social-Media-Präsenz aufmöbelt, und Timur Vorkul, unser erster Volontär. Ab Dezember unterstützt uns unsere vorherige Bundesfreiwillige Lilly Pursch bei der Spenden-Verwaltung. Als neuer Freiwilliger ist seit September Ben Kumi im Team und als feste Freie sind seit diesem Jahr auch Anna Ströbele Romero in Brüssel und Esther Menhard an Bord.

Damit sind wir 13 feste Redakteur:innen, die von mehreren freien Autor:innen, Kolumnist:innen und unserem Podcast-Produzenten unterstützt werden. In der Regel macht außerdem eine Person pro Quartal ein Praktikum in der Redaktion. In der IT arbeiten derzeit zwei Menschen, in Finanzen und Verwaltung ebenfalls, genau wie zu den Themen Kreation, Campaigning und Social Media. Eine Person sorgt dafür, dass unser Büro jede Woche blitzeblank erstrahlt. Und ein Mensch absolviert bei uns sein Freiwilligenjahr und lernt so ziemlich alle unsere Arbeitsbereiche kennen. Macht insgesamt 22 Einträge auf der Team-Seite.

11 Millionen Zeichen

All diese Menschen haben dafür gesorgt, dass wir im Jahr 2025 bis zum 19. Dezember 970 Texte auf unserer Seite veröffentlichen konnten. Die bestehen zusammen aus rund 1,87 Millionen Wörtern oder auch genauer: 11.029.782 Zeichen. Bei einer angenommenen durchschnittlichen Vorlesegeschwindigkeit von 150 Wörtern pro Minute bräuchtet ihr etwa 12.500 Minuten, um alle Texte des Jahres einzusprechen. Das sind mehr als 200 Stunden.

Die meisten Texte (209) gab es mittwochs, im Wochendurchschnitt waren es 2,7 pro Tag. Auch wenn es uns nicht so vorkam, im August sieht man ein kleines Sommerloch. In dem Monat erschienen die wenigsten Texte, nämlich 68 insgesamt.

Am Wochenende erscheint traditionell weniger, insgesamt 131 Artikel zur Lektüre gab es da. Sonntag ist der Tag für die meisten unserer Kolumnen, 36 gab es davon an der Zahl. Immer dabei war der Wochenrückblick, der jede Woche am Samstag erscheint – macht 52 bis zum Jahresende. Diesen Rückblick verschicken wir auch als Newsletter an mittlerweile 17.486 Mail-Adressen. Im Vergleich zum Vorjahr sind das mehr als 3.000 neue Abonnent:innen.

Wer noch öfter von uns Post bekommen will und Wert auf einen regelmäßigen Überblick zu neuen Texten legt, kann sich auch alle zwei Werktage „Auf den Punkt“ mit einem knackigen Vorspann in die Inbox holen. 148 Ausgaben verschickten wir bisher in diesem Jahr an 2.128 Postfächer.

Neben vielen Analysen, Recherchen, Leaks und Meldungen gab es 2024 23 Interviews und 47 Kommentare. Außerdem erschienen 15 Ausgaben unseres Podcasts „Off/On“, den wir in diesem Jahr mit einem neuen Konzept überarbeitet haben.

Inhaltlich lagen – zumindest laut unserer Schlagwort-Analyse – genau wie letztes Jahr Texte zum Thema EU-Kommission (73) an der Spitze des Häufigkeits-Rankings, gefolgt von Chatkontrolle (55) und Donald Trump (47). Eher auf die Textgattung bezogene Schlagworte wie etwa „Kolumne“ haben wir in dieser Übersicht weggelassen.

2.698 Ticker

Doch nicht nur unsere Artikel erscheinen auf der Seite. Ihr habt uns 6.439 freigeschaltete Ergänzungen verfasst. Die meisten (79) stehen unter Markus Reuters Kommentar „Oh, wie schön ist Abschiebung“ zu einem Frontex-Kinderbuch. Aber auch als Martin Schwarzbeck das neue Berliner Polizeigesetz mit „Berlin wirft die Freiheit weg“ kommentierte, hat euch das zu 60 Beiträgen bewegt, dicht gefolgt von der Recherche zu 1.600 polizeilichen Überprüfungen psychisch erkrankter Menschen in Hessen mit 58 Ergänzungen.

Schon 2024 haben wir damit begonnen, euch in unserem News-Ticker mit kurzen und knappen Einordnungen auf lesenswerte Texte von anderen hinzuweisen. 2.698 Tickermeldungen sind das dieses Jahr bis zum 19. Dezember geworden, vom Hinweis auf eine unterhaltsame Randnotiz bis zur ernsten Analyse. Am häufigsten nahmen wir Artikel von heise online in unseren Ticker auf (242), gefolgt von der taz (125) und The Guardian (118).

Dass wir Links auf spannende und aufschlussreiche Quellen mögen, merkt man auch in unseren eigenen Artikeln. Im gesamten Jahr haben wir 9.639 Inhalte verlinkt, davon waren rund 2.977 interne Verweise auf netzpolitik.org, der Rest ging nach außen. Das sind rund 10 Links pro Text.

109 Millionen Aufrufe

Wir haben ja schon erwähnt, dass wir dieses Jahr Social-Media-Unterstützung bekommen haben. Besonders nutzen wir Mastodon, Bluesky und Instagram, wo uns jeweils 50.000, 35.000 und 25.800 Accounts folgen. Wir posten aber beispielsweise auch auf Pixelfed und LinkedIn.

Viel mehr Menschen besuchen uns aber weiterhin direkt auf netzpolitik.org oder haben unseren Feed abonniert. Laut unserer Statistik wurden Artikel aus dem Jahr 2025 rund 13,7 Millionen Mal aufgerufen, wenn man die individuellen Aufrufe zählt. Insgesamt – inklusive der Feeds, Artikel voriger Jahre, Datei-, Podcast- und sonstiger Downloads – gab es 2025 rund 109 Millionen Seitenaufrufe, davon 60,5 Millionen unique pageviews. Dabei wird nicht gezählt, wenn jemand die Seite zweimal direkt hintereinander lädt.



Uns fehlen dieses
Jahr noch 156.678 Euro.


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Aber Obacht: Das waren sicher nicht alles menschliche Leser:innen. Da wir auf Tracking verzichten, können wir Aufrufe von Bots nicht zuverlässig aussortieren. Stattdessen messen wir serverseitig Seitenzugriffe und auch WordPress bietet uns Zahlen an, die in der gleichen Größenordnung liegen.

Am meisten gelesen habt ihr laut unserer WordPress-Statistik den Text zum Real-o-Maten – einer Wahl-o-Mat-Alternative, die auf das Abstimmungsverhalten von Parteien im Bundestag schaute. Rund 780.000 Mal wurde dieser Text geklickt. Für eine knappe Meldung ist das eine sehr ungewöhnliche Zahl und für die gibt es eine einfache Erklärung: Bei Google wurde unser Text zeitweise über der eigentlichen Real-o-Mat-Website in den Suchergebnissen angezeigt – und Leute, die direkt zum Wahl-Test wollten, landeten erstmal bei uns. Ein Musterbeispiel dafür, wie ein Suchmaschinen-Ranking die Reichweite beeinflussen kann.

18 lebende Büropflanzen

Weitere statistische Einblicke gibt es dazu, wie häufig wir mit Informationsfreiheitsanfragen versuchen, an Informationen zu gelangen. 38 öffentliche Anfragen via FragDenStaat stellte das Team dabei im letzten Jahr.

Dieses Jahr haben wir außer den harten Textfakten außerdem gezählt, wie viele Pflanzen uns den Büroalltag ein wenig grüner machen. 18 Töpfe mit lebendigen Exemplaren stehen in unseren Räumen verteilt. 3 Töpfe sind leider leer, da unter anderem eine Grünlilie an zu viel Wasser verging und der Rettungsversuch für eine Kokospalme am Straßenrand zu spät kam.

Rettungsversuche gab es auch für einen neuen Bürorechner. Nach drei Rücksendungen und Reparaturversuchen beim Versender wird er bald ein viertes Mal in die Post gehen – diesmal aber ohne Rückschein.

Die Zahl, die uns aktuell am meisten beschäftigt, zum Schluss: 157.000 Euro. So viel Geld fehlt uns noch, um unsere Arbeit für das Jahr gut zu finanzieren. Wenn ihr dazu beitragen wollt und könnt, findet ihr hier alle Möglichkeiten.





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Datenschutz & Sicherheit

„Karvi-geddon“: Mangelhafte Sicherheitsarchitektur bei Lieferdienst-Plattform


Hunderte Restaurant-Websites der Firma Karvi Solutions weisen weiterhin zahlreiche Sicherheitslücken auf. Dadurch werden Daten von zehntausenden Kunden öffentlich zugänglich – von Anfang 2024 bis heute. Betroffen sind vollständige Namen, Adressen, E-Mail-Adressen, Handynummern und Bestelldetails, wie „!!!!!! Ohne Jalapenos !!!!!!!!!“. Trotz mehrfacher Hinweise scheint das Unternehmen die Lücken nicht angemessen zu beheben.

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SMS von der API

SMS von der API

Über eine ungesicherte API lassen sich nach wie vor SMS verschicken.

(Bild: heise medien)

Die Analyse des Quellcodes „Karvi-geddon: How a Restaurant Ordering Platform Became a Security Catastrophe“ zeigt grobe Mängel in der Sicherheitsarchitektur. Am 15. Dezember 2025 ist wohl eine SMS an Betroffene verschickt worden zu sein, mit dem Hinweis auf ein Git-Repository, das eine Analyse der Schwachstellen enthält: „Es gibt ein Datenleck bei Karvi Solutions. Erneut. Mehr Details auf GitHub“. Noch immer lassen sich SMS über eine ungesicherte API an Kunden verschicken. Auch aktive API-Schlüssel für die von Karvi eingesetzten Cloud-Plattformen Twilio und AWS sind weiterhin zugänglich.

Experten bezeichnen die Sicherheitsarchitektur als fahrlässig abgesichert. Das System speicherte laut Codeanalyse zudem möglicherweise vollständige Kreditkartennummern, Ablaufdaten und die dreistelligen Prüfnummern (CVV), wobei letzteres gegen die Sicherheitsstandards der Kreditkartenindustrie (PCI DSS) verstößt.


Fazit des Sicherheitsexperten

Fazit des Sicherheitsexperten

„Was wir hier festgestellt haben, geht über Inkompetenz hinaus. Die völlige Weigerung, auf Sicherheitsmeldungen zu reagieren, in Verbindung mit der dokumentierten Historie von Sicherheitsmängeln lässt auf ein Unternehmen schließen, das sich einfach nicht um die Sicherheit oder den Schutz der Daten seiner Kunden kümmert.“

(Bild: Github)

Die Software enthält Schwachstellen, die SQL-Injection erlauben. Nutzereingaben werden so ungefiltert in Datenbankabfragen eingefügt. So können Angreifer die Datenbank vollständig auslesen oder manipulieren. Ferner ermöglicht eine fehlerhafte Funktion zur Sprachdateiverwaltung eine vollständige Übernahme des Servers: Angreifer laden ohne Anmeldung beliebigen PHP-Code hoch und führen ihn aus.

Untersuchungen zeigen, dass eine Website Bestellbestätigungen als ungeschützte Textdateien auf dem Server speichert. Die Dateinamen sind leicht zu erraten. Dadurch lassen sich Bestelldetails wie Name, Adresse, Telefonnummer und Zahlungsinformationen einfach abrufen. Zwischenzeitlich war auch der komplette Quellcode als zip-Archiv öffentlich erreichbar.

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Wegen der anhaltenden Sicherheitsmängel bereitet der Hamburgische Datenschutzbeauftragte, Thomas Fuchs, rechtliche Schritte vor. Eine Sprecherin erklärte: „Wir befinden uns mit Karvi Solutions in einem bereits länger laufenden Prozess, in dem es darum geht, Sicherheitslücken zu schließen, und der auch zu gewissen Verbesserungen geführt hat. Trotzdem stellen wir weiterhin Schwachstellen fest, die einen Zugriff auf personenbezogene Daten von Kund:innen ermöglichen. Wir bereiten daher jetzt rechtliche Schritte gegen das Unternehmen vor, um die erforderlichen Maßnahmen durchzusetzen.“

Bereits Anfang 2025 machte der Chaos Computer Club auf gravierende Sicherheitslücken aufmerksam. Sie betrafen über 500 Restaurants, die Software von Karvi Solutions einsetzten. Schon zu diesem Zeitpunkt reichten die Probleme von ungeschützten Backends über SQL-Injection bis zu frei zugänglichen Backups mit Quellcode und Kundendaten. Geschäftsführer Vitali Pelz erklärte damals, alle Lücken seien geschlossen.

Karvi Solutions weist die Vorwürfe zurück. Das Unternehmen spricht, wie schon im Sommer, von einer gezielten Kampagne zur Rufschädigung. Nach eigener Darstellung wurden die Daten über Schwachstellen bei Drittanbietern oder über Restaurant-APIs abgegriffen. Die Kernsysteme seien laut Karvi Solutions nie kompromittiert worden.

Auch die Speicherung von Kreditkartendaten bestreitet die Firma. Zahlungen würden ausschließlich über Pop-ups von Zahlungsdienstleistern erfolgen. Die gefundene SQL-Injection-Lücke sei ein Einzelfall auf einer alten Kundenwebsite. Die GitHub-Analyse bezeichnet das Unternehmen als „übertrieben“ und „manipuliert“. Man habe sämtliche Websites überprüft. Nach eigenen Angaben bestehen seit Mitte des Jahres keine Sicherheitslücken mehr. Diese Darstellung widerspricht jedoch sowohl unseren technischen Analysen als auch den Aussagen der Datenschutzbehörde.


(mack)



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Festplattenfunde im Heizungskeller: Gemeinde erklärt sich


Mitte Dezember hatte heise online über einen Datenschutzvorfall in der bayerischen Gemeinde Markt Kipfenberg berichtet. Zweimal binnen zwei Jahren waren dort kommunale Datenträger mit mutmaßlich sensiblen Einwohnerdaten in offen zugänglichen Kellerräumen eines Wohnhauses aufgetaucht. Ein Anwohner hatte die Ereignisse dokumentiert und uns davon berichtet.

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Nachdem wir deshalb Ende November bei der Gemeinde angefragt hatten, kamen offenbar einige Dinge ins Rollen. Am 11. Dezember besuchten Mitarbeiter des bayerischen Landesdatenschutzbeauftragen zusammen mit dem Bürgermeister den Ort. Die Aufsichtsbehörde hatte uns bereits zuvor bestätigt, eine Vor-Ort-Prüfung durchführen zu wollen.

Am 17. Dezember, also einen Tag, nachdem der Artikel auf heise online erschienen war, äußerte sich Christian Wagner, Bürgermeister von Markt Kipfenberg, auf der Homepage der Gemeinde zu den Vorfällen: „Aufgrund des Rathausumbaus“ seien „im Jahr 2023 Kartons mit Datenträgern fälschlicherweise im Heizraum eines Mietshauses der Gemeinde gelagert“ worden, erläutert er. Auch danach sei versäumt worden, „die Datenträger zu entsorgen und so kam es im Herbst dieses Jahres erneut dazu, dass die Datenträger von einem Mitarbeiter in den Heizraum gestellt wurden, da in dem Raum, in dem die Datenträger versperrt gelagert wurden, von einem Techniker Arbeiten ausgeführt werden mussten“.

Der folgende Satz ist etwas missverständlich geraten, soll aber mutmaßlich bedeuten, dass die Gemeinde einen Abfluss der Daten in Richtung Unbefugte nicht ausschließen kann: „Dadurch, dass der Heizraum teilweise nicht abgesperrt wurde, kann nicht zu 100 Prozent gewährleistet werden, dass Daten in die Hände Dritter gelangt sind. Leider befanden sich auf den Datenträgern auch personenbezogene Daten der Bürgerinnen und Bürger von Kipfenberg.“

Diese Ausführungen lassen vermuten, dass ein „voraussichtlich […] hohes Risiko für die persönlichen Rechte und Freiheiten natürlicher Personen“ gemäß Art. 34 DSGVO besteht. Daraus würden Informationspflichten der Gemeinde gegenüber den Bürgern folgen. Die Meldung auf der Homepage würde da eher nicht genügen, denn laut Art. 34 Abs. 2 DSGVO müsste die Gemeinde als Verantwortlicher „den Namen und die Kontaktdaten des Datenschutzbeauftragten oder einer sonstigen Anlaufstelle für weitere Informationen“ nennen, sowie „eine Beschreibung der wahrscheinlichen Folgen der Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten“ (Art. 33 DSGVO, Abs. 3b und 3c) liefern. Beides fehlt in der Meldung an die Einwohner.

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Bereits Ende November hatten wir einige Fragen an die Gemeinde zu den Vorfällen geschickt. Silvia Obermeier, Geschäftsleiterin der Gemeinde Markt Kipfenberg, hatte uns erklärt, man wolle erst Stellung beziehen, wenn die Sachlage mit dem Landesdatenschutzbeauftragten geklärt sei. Am 18. Dezember, also nach dem Vor-Ort-Termin im Heizungskeller, haben wir sie daran erinnert, bis heute aber keine Antwort erhalten.


(hob)



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Justizministerium veröffentlicht Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung


Die Bundesregierung nimmt den dritten Anlauf für eine Vorratsdatenspeicherung in Deutschland. Das Justizministerium von SPD-Ministerin Stefanie Hubig hat einen Gesetzentwurf erarbeitet und heute veröffentlicht.

Erneut versucht die Bundesregierung, den Begriff „Vorratsdatenspeicherung“ zu vermeiden. Das Justizministerium nennt den Gesetzentwurf „IP-Adressspeicherung“. Tatsächlich geht es wieder um eine verpflichtende und anlasslose Speicherung von Daten aller Internet-Nutzer in Deutschland auf Vorrat. Und es geht um weit mehr Daten als nur IP-Adressen.

Die Vorratsdatenspeicherung ist ein zentraler Streitpunkt in der deutschen Netzpolitik. Vor 20 Jahren haben zehntausende Menschen dagegen protestiert.

Anlasslose Vorratsdatenspeicherung

Das neue Gesetz soll Internet-Zugangs-Anbieter verpflichten, IP-Adressen und Port-Nummern sämtlicher Nutzer drei Monate lang zu speichern. Das betrifft jeden Internet-Anschluss in Deutschland, ohne Anlass und ohne Verdacht auf eine Straftat.

Ermittler sollen anhand dieser Daten die Endnutzer identifizieren und ihre Bestandsdaten erhalten. Das passiert auch ganz ohne Vorratsdatenspeicherung. Im vergangenen Jahr hat allein die Deutsche Telekom fast 290.000 Abfragen zu IP-Adressen bekommen – wegen mutmaßlicher Urheberrechtsverletzungen im Internet.

Das Justizministerium hat beim Erarbeiten des Gesetzes mit den vier großen Mobilfunk-Netz-Betreibern gesprochen. Es gibt aber viel mehr Anbieter für Internet-Zugänge. Das Gesetz spricht von „circa 3.000 Verpflichteten, eine Marginalgrenze ist nicht vorgesehen“. Lokale WLAN-Anbieter wie Hotel-Betreiber sind ausgenommen. Ob öffentliche WLAN-Netze wie Freifunk betroffen sind, wird der weitere Gesetzgebungsprozess zeigen.

Kein Nachweis für Notwendigkeit

Die Vorratsdatenspeicherung ist ein Zombie der Netzpolitik. Es gab bereits eine EU-Richtlinie und zwei deutsche Gesetze. Alle Gesetze haben behauptet, die Vorratsdatenspeicherung sei notwendig und verhältnismäßig. Alle Gesetze waren unverhältnismäßig und rechtswidrig und wurden von höchsten Gerichten gekippt.

Statt die Daten aller Menschen ohne Anlass zu speichern, könnte man auch potentiell relevante Daten schnell einfrieren. In Österreich gibt es ein solches „Quick Freeze“-Verfahren. In Deutschland wurde das nie ausprobiert. Vor einem Jahr hat die Ampel-Regierung ein solches Gesetz vorgeschlagen. Es wurde jedoch nie beschlossen.

Das Justizministerium behauptet erneut, dass ihre anlasslose Vorratsdatenspeicherung notwendig sei. Dafür gibt es jedoch keinen wissenschaftlichen Nachweis. Das Max-Planck-Institut für Strafrecht hat Strafverfolgung in Deutschland mit und ohne Vorratsdatenspeicherung untersucht. Das Ergebnis: Es gibt ohne Vorratsdatenspeicherung keine Schutzlücken in der Strafverfolgung.

Kein Nachweis für Verhältnismäßigkeit

Selbst wenn die anlasslose Datenspeicherung notwendig wäre, müssen Umfang und Dauer der gespeicherten Daten auch verhältnismäßig sein. Das Gesetz schreibt eine Speicher-Dauer von drei Monaten vor. Diese Frist wird im Gesetz nicht konkret begründet.

Drei Monate sind ein politischer Kompromiss. In den Koalitionsverhandlungen wollte die Union sechs Monate, die SPD einen Monat, also haben sie sich auf drei Monate geeinigt. Laut Bundeskriminalamt „wäre eine Speicherverpflichtung von zwei bis drei Wochen regelmäßig ausreichend“.

Die neue Vorratsdatenspeicherung soll nicht überprüft werden: „Eine eigenständige Evaluierung ist nicht erforderlich.“

E-Mails, Messenger und Apps

Das neue Gesetz geht weit über IP-Adressen bei Internet-Zugangs-Anbietern hinaus. Ermittler sollen auch Internet-Dienste dazu verpflichten dürfen, Verkehrs- und Standortdaten mit einer „Sicherungsanordnung“ zu speichern. Das Gesetz spricht explizit von Over-The-Top-Diensten wie Messengern und Sprachanruf-Apps als Nachfolger von SMS und Telefonanrufen.

Zu den verpflichteten Diensten gehören auch E-Mail-Anbieter. Die sollen beispielsweise speichern, wann sich welche IP-Adresse bei welchem E-Mail-Postfach eingeloggt hat, die E-Mail-Adressen von Sender und Empfänger einer E-Mail sowie „die Daten aus dem Header der E-Mail“.

Eine solche „Sicherungsanordnung“ soll schon greifen, wenn die Ermittler diese Daten noch gar nicht „erheben“ dürfen. Die Dienste sollen diese Daten auf Zuruf bereits extra abspeichern, damit Ermittler die später abrufen können, auch wenn beispielsweise „der Kunde seinen Account […] selbst löscht“.

Funkzellenabfrage ohne Bundesgerichtshof

Darüber hinaus ändert das Gesetz auch die Vorgaben für die Funkzellenabfrage. Bei einer Funkzellenabfrage erhalten Ermittler alle Verbindungsdaten aller Mobilfunkgeräte, die in bestimmten Funkzellen eingeloggt waren.

Der Berliner Datenschutzbeauftragte hatte 2012 festgestellt, dass die Funkzellenabfrage regelmäßig Gesetze verletzt. Der Bundesgerichtshof hat vergangenes Jahr geurteilt, dass die Funkzellenabfrage nur noch bei besonders schweren Straftaten eingesetzt werden darf.

Das Gesetz dreht jetzt das Urteil des Bundesgerichtshofs zurück. Die Funkzellenabfrage soll wieder bei „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ eingesetzt werden dürfen. „Dies entspricht dem Verständnis der Praxis, bis die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ergangen ist.“

Mehr Regulierung als EU

Das erste deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung hatte die Bundesregierung damals noch mit einer EU-Richtlinie begründet. Diese gilt seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht mehr.

EU-Kommission und EU-Staaten arbeiten aktuell an einer Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung. Die deutsche Bundesregierung hätte die EU-Gesetzgebung abwarten können, statt kurz vorher ein deutsches Gesetz zu machen.

In anderen Politikbereichen fordert die Regierung weniger Bürokratie und weniger Regulierung für Unternehmen. Nun aber schafft die Bundesregierung neue Regulierung und neue Belastung – gegen den expliziten Willen aller beteiligten Unternehmen und Anbieter.

SPD steht für Vorratsdatenspeicherung

Die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland steht und fällt mit der SPD. Das erste deutsche Gesetz 2007 verantwortete SPD-Justizministerin Brigitte Zypries. Das Bundesverfassungsgericht hat es 2010 gekippt. Das zweite deutsche Gesetz 2015 verantwortete SPD-Justizminister Heiko Maas. Das Bundesverfassungsgericht hat es 2023 gekippt.

Jetzt versucht es SPD-Justizministerin Stefanie Hubig zum dritten Mal. Erneut behauptet das Justizministerin, das Gesetz stehe „in Einklang mit Verfassungsrecht“ und sei „mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar“.

Das Gesetz geht jetzt ins Kabinett, dann in den Bundestag – und dann wieder vor das Bundesverfassungsgericht.



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