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Datenschutz & Sicherheit

Google schmeißt kritische Berichterstattung wegen Fake-Beschwerden aus der Suche


Unbekannte nutzen Googles Beschwerdesystem für Urheberrechtsverletzungen, um im Internet gegen kritische Berichterstattung über das Glücksspielunternehmen Soft2Bet vorzugehen. Wie Investigate Europe heute berichtet, habe es mehr als 50 fingierte Urheberrechtsbeschwerden gegeben, die dazu führten, dass Artikel mehrerer europäischer Medien nicht mehr über die Web-Suche des Marktführers auffindbar waren.

Die Vorgehensweise ist so simpel wie effektiv. In der Mehrheit der Fälle haben Unbekannte sich gegenüber Google schlicht als Investigate Europe ausgegeben und vorgegeben, dass die bei Partnermedien erschienen Artikel oder auch nur Zitate Verletzungen des Urheberrechts am Originaltext seien.

In anderen Fällen kopierten Unbekannte die Berichte einzelner Medien über Soft2Bet und posteten sie selbst als Tumblr-Beiträge. Dann setzten sie das Datum der Posts auf dem Microblogging-Dienst zurück und reichten Beschwerden bei Google ein. Dabei behaupteten sie, die Tumblr-Beiträge seien der Originalinhalt. Sobald die echten Artikel aus dem Such-Index entfernt wurden, löschten sie die Tumblr-Seiten wieder.

Während die auf der Website von Investigate Europe veröffentlichte Version der Recherche nie aus dem Index genommen wurde, verschwanden die Beiträge von Partnermedien wie Amphora Media aus Malta, FrontStory aus Polen, Reporters United aus Griechenland und Delfi aus Estland aus den Google-Suchergebnissen.

Rückdatierung als „bekannte Taktik“

Die anonymen Takedown-Requests sind in der Lumen-Datenbank dokumentiert. Die Anfragen wurden nach dem US-Urheberrechtsgesetz Digital Millennium Copyright Act gestellt. Ein Blick auf die Benachrichtigen an die betroffenen Medien zeigt, dass viele der Beschwerden leicht als unauthentisch erkennbar gewesen wären. Dass Google sie trotzdem durchgewunken hat, legt den Verdacht nahe, dass der Prozess großteils automatisiert abläuft und der Konzern keine wirksame menschliche Prüfung vornimmt.

„Wir bekämpfen aktiv betrügerische Löschungsversuche, indem wir eine Kombination aus automatisierter und manueller Überprüfung einsetzen, um Anzeichen für Missbrauch zu erkennen, darunter auch uns bekannte Taktiken wie die Rückdatierung“, teilt Google auf Anfrage von netzpolitik.org mit. „Wir sorgen für umfassende Transparenz und melden Löschungen an Lumen, um die Antragsteller zur Verantwortung ziehen zu können.“

Wie es in dem konkreten Fall zur massenhaften Sperrung legitimer Inhalte kommen konnte, erklärt Google nicht. Der Konzern weist jedoch darauf hin, dass Websites Gegendarstellungen einreichen, wenn sie der Meinung seien, dass Inhalte fälschlicherweise entfernt wurden. Die Artikel der betroffenen Medien sind inzwischen wieder über die Google-Suche auffindbar.

Die Recherche

Im Kreuzfeuer der gefakten Urheberrechtsbeschwerden steht eine gemeinsame Recherche von Investigate Europe mit mehreren europäischen Medien zum Online-Glücksspielunternehmen Soft2Bet und seinem Inhaber Uri Poliavich. Das Unternehmen mit Sitz auf Malta und Zypern ist in der Branche eine feste Größe und gewann mehrere Preise der Glücksspielindustrie. Ein neues Büro von Soft2Bet wurde 2024 vom maltesischen Wirtschaftsminister eröffnet.

Derweil werden immer wieder Vorwürfe laut, dass Soft2Bet Spieler:innen durch unfaire Methoden in den Ruin treibe und zahlreiche Spielplattformen ohne benötigte Genehmigung betreibe. Im März deckte Investigate Europe auf, dass Inhaber Poliavich und Geschäftspartner mindestens 114 Online-Casinos gegründet haben, die in verschiedenen europäischen Ländern wegen Betriebs ohne Lizenzen auf die schwarze Liste gesetzt wurden.

Die Beteiligung von Soft2Bet wurde hinter Offshore-Briefkastenfirmen verschleiert, von denen einige nach Klagen von ausgenommenen Spieler:innen Insolvenz anmelden mussten. Die Personen aus Deutschland und Österreich hatten mehrere hunderttausend Euro auf den Plattformen verloren und diese wegen fehlender Lizenzen erfolgreich verklagt. Nach Recherchen von Investigate Europe ist die Bundesrepublik einer der wichtigsten Märkte für Soft2Bet.

In Estland war die reichweitenstarke Nachrichten-Website Delfi Partner der Investigate-Europe-Recherche. Sechs Tage vor der Urheberrechtsbeschwerde über Delfis Artikel schaltete jemand Marketinginhalte auf der Seite, um für Soft2Bet zu werben. Das führt dazu, dass man bei einer Google-Suche nach Delfis Berichterstattung über das Unternehmen weiterhin positive Inhalte statt der kritischen Recherche findet.


Texttafel: Werbefreier Journalismus. 24 Stunden am Tag. 365 Tage im Jahr. Nur möglich dank deiner Unterstützung. Spende jetzt.

Wir haben Soft2Bet gefragt, ob es in irgendeiner Verbindung zu den Urheberrechtsbeschwerden steht. Das Unternehmen hat uns nicht geantwortet.

Zensur dank Urheberrecht

Die Instrumentalisierung des Urheberrechts gegen unliebsame Inhalte – sogenanntes Zensurheberrecht – ist kein neues Phänomen. Bereits 2020 deckte netzpolitik.org auf, wie eine deutsche Firma mit Verbindungen zur albanischen Regierungspartei unter Verweis auf das Urheberrecht in dem südosteuropäischen Land regierungskritische Videos löschen ließ. 2023 berichtete OCCRP über gefälschte Urheberrechtsbeschwerden, die gegen Berichterstattung über einflussreiche Personen in Äquatorialguinea und Kamerun gerichtet waren.

„Diese Art von Missbrauch ist keine Seltenheit“, sagt Aljosa Ajanovic von der europäischen Digital-Rights-Organisation EDRi. „Das entwickelt sich zu einer gängigen Taktik gegen Journalismus, der sich mit unregulierten Branchen, Betrug oder organisierter Kriminalität befasst.“ Große Technologieplattformen hätten durch ihre Untätigkeit und Intransparenz dazu beigetragen, dass dies möglich ist.

Google zufolge kommen die meisten Takedown-Anfragen von tatsächlichen Reporter:innen, die bereits mehrere berechtigte Beschwerden eingereicht hätten. Man bemühe sich bei dem System um eine Balance zwischen einfacher Nutzbarkeit für Rechteinhaber:innen und der Bekämpfung von Betrug.

Doch auch der EU-Abgeordnete Tiemo Wölken äußert sich kritisch zu dem Fall. „Böswillige Akteure nutzen Urheberrechtsschutzsysteme, um die Presse online zu zensieren. Das ist wirklich besorgniserregend“, sagt der SPD-Politiker. Plattformen sollten sich bei der Bewertung von Urheberrechtsansprüchen nicht so stark auf KI und automatisierte Filter verlassen. „Diese Systeme sind eindeutig nicht für diese Aufgabe geeignet. Sie machen Fehler und darunter leiden die Meinungs- und Pressefreiheit.“

Soft2Bet unterdessen hat einen Weg gefunden, für bessere Presse zu sorgen. So kaufte das Glücksspielunternehmen kurz nach den kritischen Berichterstattung mehrere Advertorials bei großen Medien wie Reuters und CBS News, in denen es unter anderem um die Wohltätigkeitsaktivitäten von Gründer Uri Poliavich geht.

Transparenzhinweis: Maxence Peigné ist Autor der Investigate-Europe-Recherche, die das Ziel der Urheberrechtsattacken wurde.



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Datenschutz & Sicherheit

Die Woche, in der sich die Überwachungspläne bei uns stapelten


Fraktal, generiert mit MandelBrowser von Tomasz Śmigielski

Liebe Leser*innen,

in Berlin ist zwar die Ferienzeit angebrochen. Sommerliche Ruhe will aber nicht so recht einkehren. Denn auf unseren Schreibtischen stapeln sich die neuen Gesetzesentwürfe der Bundesregierung. Und die haben’s in sich.

Beispiele gefällig?

  • Staatstrojaner: Künftig soll die Bundespolizei zur „Gefahrenabwehr“ Personen präventiv hacken und überwachen dürfen, auch wenn „noch kein Tatverdacht begründet ist“.
  • Biometrische Überwachung: Bundeskriminalamt, Bundespolizei und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sollen Personen anhand biometrischer Daten im Internet suchen dürfen. Auch Gesichter-Suchmaschinen wie Clearview AI oder PimEyes können sie dann nutzen.
  • Palantir: Bundeskriminalamt und Bundespolizei sollen Datenbestände zusammenführen und automatisiert analysieren dürfen. Das riecht gewaltig nach Palantir – was das Innenministerium in dieser Woche bestätigt hat.

Auch in vielen Bundesländern wird über Palantir diskutiert. In Baden-Württemberg sind die Grünen soeben umgekippt. Keine gewagte Prognose: Andere werden ihre Vorsätze auch noch über Bord werfen.

Die gute Nachricht: In allen drei Bundesländern, die Palantir einsetzen – Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen -, sind jeweils Verfassungsbeschwerden gegen die Polizeigesetze anhängig. Und auch die Überwachungspläne der Bundesregierung verstoßen ziemlich sicher gegen Grundgesetz und EU-Recht. Wir bleiben dran.

Habt ein erholsames Wochenende!

Daniel


2025-07-14
1074.12
88


– für digitale Freiheitsrechte!



Euro für digitale Freiheitsrechte!

 



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Datenschutz & Sicherheit

Bauarbeiten und wie das Bargeld auf Reisen geht


Drei Menschen machen ein Selfie am Tisch
Martin, Sebastian und Chris im Studio. CC-BY-NC-SA 4.0 netzpolitik.org


Diese Recherche hat für enorm viel Aufsehen gesorgt: Über Monate hinweg hat sich Martin damit beschäftigt, wie Polizeibehörden, Banken und Unternehmen unser Bargeld verfolgen und was sie über die Geldströme wissen. Die Ergebnisse überraschten auch uns, denn sie räumen mit gängigen Vorstellungen über das vermeintlich anonyme Zahlungsmittel auf. Die Aufregung um diese Recherche rührt vielleicht auch daher, dass Behörden nicht gerne darüber sprechen, wie sie Bargeld tracken. Martin selbst spricht von einer der zähsten Recherchen seines Arbeitslebens.

Außerdem erfahrt ihr, wie wir solche Beiträge auf Sendung-mit-der-Maus-Niveau bringen und warum man aus technischen Gründen besser Münzen als Scheine rauben sollte. Wir sprechen darüber, wie wir trotz schlechter Nachrichten zuversichtlich bleiben und warum wir weitere Wände im Büro einziehen. Viel Spaß beim Zuhören!

Und falls wir es in dieser Podcast-Folge noch nicht oft genug erwähnt haben sollten: Wir freuen uns über Feedback, zum Beispiel per Mail an podcast@netzpolitik.org oder in den Ergänzungen auf unserer Website.


In dieser Folge: Martin Schwarzbeck, Sebastian Meineck und Chris Köver.
Produktion: Serafin Dinges.
Titelmusik: Trummerschlunk.


Hier ist die MP3 zum Download. Wie gewohnt gibt es den Podcast auch im offenen ogg-Format. Ein maschinell erstelltes Transkript gibt es im txt-Format.


Unseren Podcast könnt ihr auf vielen Wegen hören. Der einfachste: in dem Player hier auf der Seite auf Play drücken. Ihr findet uns aber ebenso bei Apple Podcasts, Spotify und Deezer oder mit dem Podcatcher eures Vertrauens, die URL lautet dann netzpolitik.org/podcast.


Wir freuen uns auch über Kritik, Lob, Ideen und Fragen entweder hier in den Kommentaren oder per E-Mail an podcast@netzpolitik.org.

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Datenschutz & Sicherheit

Sicherheitsupdates: IBM Db2 über verschiedene Wege angreifbar


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It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Aufgrund von mehreren Softwareschwachstellen können Angreifer IBM Db2 attackieren und Instanzen im schlimmsten Fall vollständig kompromittieren. Um dem vorzubeugen, sollten Admins die abgesicherten Versionen installieren.

Am gefährlichsten gilt eine Sicherheitslücke (CVE-2025-33092 „hoch„), durch die Schadcode schlüpfen kann. Die Basis für solche Attacken ist ein von Angreifern ausgelöster Speicherfehler. Wie ein solcher Angriff konkret ablaufen könnten, ist bislang unklar. Davon sind einer Warnmeldung zufolge die Client- und Server-Editionen von Db2 bedroht. Das betrifft die Db2-Versionen 11.5.0 bis einschließlich 11.5.9 und 12.1.0 bis einschließlich 12.1.2.

Um Systeme gegen die geschilderte Attacke zu rüsten, müssen Admins in der Warnmeldung verlinkte Special Builds installieren.

Eine weitere Schwachstelle (CVE-2025-24970) ist mit dem Bedrohungsgrad „hoch“ eingestuft. Sie betrifft das Application Framework Netty. An dieser Stelle können Angreifer Abstürze provozieren. Auch hier soll ein Special Build Abhilfe schaffen.

Die verbleibenden Schwachstellen sind mit dem Bedrohungsgrad „mittel“ versehen. An diesen Stellen können Angreifer meist ohne Authentifizierung DoS-Zustände erzeugen, was Abstürze nach sich zieht. Die dagegen gerüsteten Versionen finden Admins in den verlinkten Warnmeldungen (nach Bedrohungsgrad absteigend sortiert):


(des)



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