Der von einem Meteoriten niedergestreckte Papst hat Maurizio Cattelan berühmt gemacht. Seither tourt der Italiener durch die Museen der Welt – mit provokanter Kunst und einem surrealen Toiletpaper-Design-Universum, das zurzeit in Berlin zu sehen ist.
Toiletpaper im Fotografiska Berlin
Ausgerechnet in einem Warschauer Museum streckte Maurizio Cattelan 1999 Papst Johannes Paul II. mit einem Meteoriten nieder. Lebensecht krümmte der Heilige Vater sich auf dem Fußboden. Die Museumsdirektorin musste daraufhin gehen und der einstige Schreiner und heutige Kunststar, wurde dadurch berühmt.
Maurizio Cattelan liebt den Skandal und provozierte zuletzt mit einer Banane, die er 2019 auf der Art Basel mit einem Klebeband auf die Wand klebte und 120.000 Dollar dafür verlangte.
Ersteigert wurde sie 2024 bei Sotheby’s in New York schließlich für sagenhafte 6,2 Millionen Dollar und das von dem Gründer der chinesisch-amerikanischen Kryptowährungsplattform Tron.
Zeigt das einmal mehr, dass Maurizio Cattelan ein smarter Konzeptkünstler ist, der dem Kunstzirkus den Spiegel vorhält? Oder ist er einfach ein geschickter Geschäftsmann?
Die Meinungen sind geteilt.
Toiletpaper im Fotografiska Berlin
Alles so schön bunt hier!
Auf jeden Fall aber ist Maurizio Cattelan ein einfallsreicher Designer, wie er seit 2010 gemeinsam mit Pierpaolo Ferrari beweist.
Da gründeten die beiden Toiletpaper, ein Magazin, das in hyperrealen und knalligen Bildern zusammenbringt, was eigentlich nicht zusammengehört und die einen verblüffen und gleichzeitig jede Interpretation auf der hochpolierten Oberfläche ins Rutschen bringen.
Alle zwei Jahre erscheint das Magazin, das einzig aus den kunterbunten und surrealen Bildern besteht. Es will, wie der Titel schon zeigt, provozieren – und ist heute ein Business samt alljährlich ausverkauften Wandkalendern und jeder Menge Merchandise.
Die ikonischen Toiletpaper-Damenfinger, die mit rotem Nagellack lackiert sind und vor stylisch leuchtend blauem Hintergrund schweben, finden sich auf Tablets, auf Spiegeln und auf Thermoskannen. Es gibt T-Shirts mit einem lächelnden Mund und Zähnen auf die das Wort »Shit« gepinselt ist, Toiletpaper Düfte und ein Körperöl, gepunktete Socken und Badetücher mit Toiletpaper-Schriftzug, Toiletpaper-Spülmittel, Schlafanzüge und Reisepantoffeln.
Toiletpaper im Fotografiska Berlin
Selfie-Parcours
Was mal als überraschendes Spiel mit Konsum-Ästhetik und als Marketing-Satire begann, ist mittlerweile selbst zur Marke geworden.
Und die präsentiert sich im Fotografiska Berlin jetzt als begehbare Collage, als 3D-Magazin durch das man mit seinem Smartphone im Anschlag wandeln kann. Schön bunt ist es hier und dabei reiht sich ein fantastisches Selfie-Motiv an das nächste.
Diese reichen von einem mit Plastikbananen gefülltem Swimmingpool zu Spaghetti-Vorhängen, skurrilen Grabsteinen hin zu gestreiften Tapeten, die mit überlebensgroßem Obst überzogen sind – und führen schließlich in den besten Museumsshop der Stadt.
Der bietet den perfekten Abschluss für diese Persiflage, die heute selber Produkt ist. Eins, das per Hand in Mailand gefertigt wurde, Stück für Stück und als Gegenpol zum Digitalen. Das aber durchaus auch mit einem ästhetischen Verfallsdatum versehen ist, wie man dieser Schau trotz ihres Unterhaltungswerts anmerkt.
ToiletFotoPaperGrafiska, bis zum 31. August 2025 bei Fotografiska Berlin.
Toiletpaper im Fotografiska BerlinToiletpaper im Fotografiska BerlinToiletpaper im Fotografiska BerlinToiletpaper im Fotografiska BerlinToiletpaper im Fotografiska Berlin
Spatial Computing in der Designszene › PAGE online
Was ist das und welche Möglichkeiten ergeben sich für Kreative? PAGE hat mit Lea Pahne, Head of Strategy bei Demodern, über Spatial Computing und Immersion gesprochen. Ihre Antworten machen direkt Lust darauf, in immersive Kreativprojekte einzutauchen.
Lea Pahne, Head of Strategy bei Demodern
Von Augmented Reality (AR) über Virtual Reality (VR) bis Augmented Virtuality (AV) – das Begriffe-Universum der immersiven Technologien erweitert sich ständig. Die Genannten sind bekannt, aber was sich hinter dem Begriff »Spatial Computing« verbirgt, wissen die wenigsten. Wir fragen eine Expertin.
Lea Pahne entwickelt bei der Digitalagentur Demodern strategische Produktansätze und übersetzt Innovationsziele in konkrete Konzepte. Dabei liegt ihr Fokus auf immersiven Technologien, Mixed Reality und nutzerzentrierten Lösungen. Neben ihrer Tätigkeit bei Demodern ist sie stellvertretende Leiterin des Technology Labs der Fokusgruppe Immersive Experiences im BVDW.
Wir sprachen mit Lea Pahne über die Potenziale von Spatial Computing, seine Einsatzbereiche und die kreative Challenge, eine neue Dimension zu eröffnen.
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Frauen an die Macht – mit Haltung, Stärke und Illustrationen › PAGE online
Einen Businessanzug, ernste Miene und alles andere, was männliche Macht ausmacht, haben die Frauen von »Dear Monday« nicht nötig. Viel lieber setzt sich die Female Leadership-Weiterbildung von Gewohntem ab – und das mit einem ausgelassenen Branding von Arndt Benedikt.
»I don’t like Mondays?«, das gilt für die Frauen der digitalen Führungskräfte-Akademie »Dear Monday« nicht. Ganz im Gegenteil.
Der neue Name der »Female Leadership Academy«, die 2018 gegründet wurde, zeigt bereits, dass diese Frauen die Herausforderung lieben und den ungeliebten Wochenstart zum Karriere-Startpunkt macht.
Und das mit einem Branding der Frankfurter Kreativagentur Arndt Benedikt. Auch am Naming arbeiteten die Kreativen mit. Allerdings gab es den Begriff »Dear Monday« bereits in der Academy und setzte sich dann schließlich als neuer Unternehmensname durch.
Verspielt und hoch motiviert schreitet »Dear Monday« voran und zeigt mit der neuen Visual Identity, dass die Academy sich in den letzten Jahren stetig zu einer Community entwickelt hat, die über die Weiterbildung hinaus, Sichtbarkeit und Austausch schafft – und dabei ganz ihren ganz eigenen Weg geht.
Wortmarke, die zusammenrückt
Und »Dear Monday« geht den ganz eigenen Weg mit einem Redesign, das smart und emotional, selbstbewusst und so flexibel ist, dass es analog und digital gleichsam Aufmerksamkeit schafft.
Schließlich ist das klar formulierte Ziel ein systemischer Wandel. Und der soll mit Coachings, mit Seminaren, mit einem Podcast und starken, selbstbewussten Frauen vorangetrieben werden. Es geht um Selbstverständnis und darum, neue Wege zu ebnen.
Und das drückt das neue Branding schon allein durch sein mutiges Anderssein aus.
Nicht nur der Montag wird neu gedacht, sondern dessen Logo gleich mit: In bubbliger Serifenschrift, prägnanten Ligaturen und mit einem Komma dahinter, mit dem weit über die liebevolle Anrede hinaus gedacht wird.
Der Blick ist auf die Community, das Zusammenrücken und die Zukunft gerichtet. Eine Wortmarke, »die an hochwertige Buchgestaltung erinnert«, heißt es von Arndt Benedikt selbst. Und dazu trifft eine klare Headline-Schrift auf eine universelle Sans.
Identity mit Character(s)
Empowerment-Slogan wie »Own Your Power«, »Love What you Do«, »Clap For Yourself« oder »I Do Love Mondays« ziehen sich durch das Erscheinungsbild.
Dazu treffen kräftiges Rot, Orange oder Blau auf sanfte Töne – und auf gleich eine ganze Community von »Mondies«.
Auf illustriere Character mit wachen Augen und in expandierenden Formen, mit fein linierten Mündern, Sommersprossen und Grübchen. Sie lassen ihre Armen fliegen und zeigen das Victory-Sign, gestreifte Hosen und behaarte Beinen, tragen ein Partyhütchen oder Katzen auf dem Kopf und sind Blume, Flamme, Herzchen oder Apfel und auch rasender Laptop.
Sie feiern die Individualität und die Gemeinschaft und das mit unbändiger und ausgelassener Energie, inklusiv und divers. Ganz so wie die ergänzende Fotografie und der lustige Merch.
Die neue Schriftfamilie der Foundry Underware, ist nicht nur Teil von Microsoft Office, es gibt sie auch in einer dynamischen Variante, bei der der Eindruck entsteht, jemand würde gerade in diesem Moment etwas schreiben.
Schulkinder haben es nicht leicht. Erst werden sie beim Lesenlernen mit geometrischen Serifenlosen gequält, deren Buchstaben sich nicht immer gut unterscheiden lassen. Dann werden sie (und die Eltern) in ihrer Schullaufbahn mit unzähligen Einladungen zu Elternabenden, Sommer- und Sportfesten bombardiert – allesamt in der grässlichen Comic Sans oder einer anderen niedlichen Kinderschrift gesetzt. Nach all den Jahren mit schulpflichtigen Kindern hat sich bei mir ein ziemliches Comic Sans-Aversions-Potential entwickelt.
In den letzten Jahren sind zum Glück in paar Schriften für Kinder auf den Markt gekommen, die es deutlich besser machen. Die Österreichische Schulschrift Prima von Dr. Titus Nemeth und Martin Tiefenthaler etwa oder Playpen Sans von TypeTogether, die sich nicht nur für Lese- und Schreibanfänger eignet, sondern auch für Brandings oder Packagings. Seltsamerweise alles Schriften, an deren Entwicklung Typedesigner beteiligt waren…
In der dynamischen Variante der Kermit sind die Buchstaben genauso konstruiert wie Kinder mit der Hand schreiben lernen – Strich für Strich, im richtigen Rhythmus.
Kürzlich erschien mit der Kermit nun eine richtige tolle Kinderschrift. Sie kommt von der Foundry Underware, das sind Akiem Helmling (Den Haag), Bas Jacobs (Amsterdam) und Sami Kortemäki (Helsinki). Kermit schlägt ein ganz neues Kapitel des Typedesigns auf, denn es gibt die Familie nicht nur in 42 statischen Schnitten, sondern auch in einer dynamischen Variante, bei der der Eindruck entsteht, dass eine reale Person gerade in diesem Moment etwas schreibt. Kurz nach ihrem Erscheinen ist Kermit außerdem bereits ein kommerzieller Erfolg, denn drei Schnitte sind neuerdings Teil von Microsoft Office, die anderen 39 sollen demnächst folgen. Und in den Learning Tools (für Kids) wird dann auch irgendwann die schreibbare Variante eingebaut.
Mit 42 statischen Schnitte ist die Kermit Schriftfamilie sehr gut ausgebaut und für viele Anwendungen denkbar. | Screenshot
Digitalen Text flüssig schreiben
Mit der Frage, wie sich digitaler Text flüssig schreiben lässt, beschäftigt Underware sich schon sehr lange, mit der Schrift Scribo Write brachten die drei Typedesigner dynamische Fonts zur Serienreife. Die Technik basiert auf der Variable Font Technologie. Diese ist nicht nur geeignet, um Fettegrade oder Neigung per Schieberegler zu verändern, auch Farbe, Stil oder sogar die Form eines Buchstabens lassen sich variieren und so die Schrift animieren. »Die Mathematik hinter variablen Schriften, die als lineare Interpolation bezeichnet wird, erschwert allerdings die Animation, da sich die Punkte auf dem Umriss des Buchstabens mit konstanter Geschwindigkeit in einer geraden Linie bewegen müssen. Für eine natürlich wirkende Animation durch Kurven ist eine höhere mathematische Ordnung erforderlich,« so Akiem Helmling.
Als Workaround könnte man Punkte entlang vieler kleiner Linien verschieben, sodass sie ganz natürlich um eine Kurve zu fließen scheinen. Das würde jedoch erfordern, dass Designer Dutzende von Versionen jedes Buchstabens zeichnen – ähnlich wie früher Zeichentrickfilmer. Glücklicherweise hatten die Designer von Kermit eine clevere mathematische Idee: Sie kombinierten unabhängige lineare Teile einer variablen Schriftart, um höhere mathematische Funktionen zu erstellen. Sie nennen dies »Higher Order Interpolation« oder kurz HOI – was in den Niederlanden, wo Underware seinen Sitz hat, lustigerweise Hallo bedeutet. HOI ermöglichte es den Designern, flüssige Animationen zu erstellen, so wirkt Kermits Animation, als würde sie ganz natürlich mit einem Stift gezeichnet.
Die anatomischen Illustrationen der Kermit lassen die Komplexität hinter den Buchstaben erahnen. | Screenshot
Wie Kermit das Lesen & Schreiben vereinfachen soll
Underware entwickelte die Schriftfamilie Kermit anlässlich des 50-jährigen Bestehens von Microsoft. Der spielerische und freundliche Font verfolgt ein klares Ziel: Lesen und Schreiben für Kinder einfacher, unterhaltsamer und attraktiver zu machen. Zum einen durch klare Formen und exzellentes Typo-Handwerk, zum anderen durch die schreibbare Variante, in der die Buchstaben genauso konstruiert sind, wie Kinder mit der Hand schreiben lernen – Strich für Strich, im richtigen Rhythmus. Leseanfänger, aber auch Kinder zum Beispiel mit Legasthenie erleben so nicht nur das Endergebnis, sondern ebenfalls den Prozess des Schreibens. Das hilft ihnen, ein Verständnis für die Buchstaben zu bekommen und Wörter leichter zu erkennen.
Das gedruckte Heft »Time to play« ist nicht nur für Kinder, es ist auch ein Reflexion über den aktuellen Stand der Typografie – und natürlich ein Schriftmuster der Kermit. Für 25 Euro kann man es es bei idea books bestellen. | Credit: jhoeko Bild: jhoeko
Dafür eignet sich »Kermit«
Die schreibbare Version kann man online benutzen, entweder man wählt die Variable Font based Variante oder die HOIVG Variante (Higher Order Interpolatable Vector Graphics). »HOIVG ist Javascriop based, und hat gegenüber der Variable Font basierten Lösung den Vorteil, das sie viel schneller lädt, und mehr Möglichkeiten bietet«, erklärt Akiem Helmling. »Es geht hier nur um wenige Millisekunden, aber beim initial load einer Website zählt ja bekanntlich jede Millisekunde.«
Kermit ist für Kinder gemacht, was aber nicht bedeutet, dass man sie nicht auch für alle möglichen anderen Zwecke einsetzen kann, Branding, Packaging, Editorial Design… Zumal sie mit sieben Strichstärken von Thin bis Extrabold sowie einer normalen, einer Condensed und einer Expanded Variante ausgezeichnet ausgebaut ist. Wer nicht warten will, bis Microsoft alle Schnitte in Office integriert (oder kein Office Abo hat), kann Kermit auch ganz normal bei Underware lizensieren. An die Foundry wenden muss sich ohnehin, wer sich für die dynamische Variante interessiert.
Der Charakter der Kermit ist freundlich und warm und sie ist sehr gut lesbar. Das kommt Kindern zugute, aber auch Brandings, Packagings oder Editorial Designs. | Screenshot
Und wer sich Kermit erstmal genauer anschauen und etwas schreiben möchte, kann das auf Kermit-font.com tun. Demnächst will Underware Kermit in seine Scriobmat Website einbauen. Dort kann man Text in verschiedenen Underware Schriften eingeben, zwischen fünf Schreibgeschwindigkeiten wählen und das Ganze in verschiedenen Animationsformaten downloaden.
Wie toll, wenn demnächst auf Websites oder in Social Media Kampagnen der Claim wie von menschlicher Zauberhand geschrieben wird – als Schrift mit all ihren Vorteilen wie etwa Unicode-Unterstützung, flüssiger Bildrate und scharfen Outlines.
Wäre schon cool, wenn künftig alle Schriften dynamisch daherkommen würden und sich Text stets on the fly schreiben ließe. | Screenshot