Connect with us

Datenschutz & Sicherheit

Umgang mit psychischen Erkrankungen: Es muss etwas passieren


„Wir können erst etwas tun, wenn etwas passiert ist.“ Das ist ein Satz, den Annette Lindt-Lange häufig gehört hat, als sie bei verschiedenen Stellen Unterstützung gesucht hat. „Und dann ist eben irgendwann ‚etwas passiert‘“, sagt sie am Telefon. Ein psychisch erkrankter Angehöriger von ihr hat eine Straftat begangen und ist im Maßregelvollzug gelandet.

Lindt-Lange ist Sozialpädagogin und engagiert sich im Vorstand des hessischen Landesverbandes der Angehörigen und Freunde von Menschen mit psychischen Erkrankungen. Dorthin wandte sie sich nach der Unterbringung ihres Familienmitglieds.

„Wir hatten damals schon eine fünf Jahre lange Vorgeschichte hinter uns. Immer wieder Zwangseinweisungen, immer wieder Entlassungen ohne Nachbetreuung“, erzählt sie. Ein klassischer Weg der „Forensifizierung“, sagt Lindt-Lange heute. Damit meint sie: Erkrankte werden immer wieder kurzfristig in psychiatrischen Kliniken untergebracht, eine langfristige, niedrigschwellige Hilfe, die zu ihnen passt und sie stabilisiert, finden sie dabei häufig nicht.

Weil die Betroffenen zudem oft schlechte Erfahrungen mit Zwangshospitalisierungen machen, hält sie das teils davon ab, sich selbst in Behandlung zu begeben. Es kommt zu Behandlungs- und Therapieabbrüchen und einer möglichen Chronifizierung ihrer Erkrankungen – im schlimmsten Fall kann das am Ende zu einer Eskalation führen, bei der sie sich selbst oder anderen schaden.

Eskalation mit Schlagzeilen

Dass Menschen mit einer psychischen Erkrankung straffällig und insbesondere gewalttätig werden, ist sehr selten. Laut Forschenden wie der kanadischen Sozialepidemiologin Heather Stuart ist der Zusammenhang zwischen psychischen Erkrankungen und Gewalttaten in der öffentlichen Wahrnehmung überschätzt. „Es ist sehr viel wahrscheinlicher, von einem psychisch gesunden Menschen verletzt zu werden“, schreibt die Bundespsychotherapeutenkammer. Nur bei einigen wenigen Erkrankungen ist das Risiko für eine Gewalttat erhöht, beispielsweise bei Substanzmissbrauch oder in psychotischen Phasen, vor allem wenn die Betroffenen nicht in Behandlung sind.

Kommt es zu entsprechenden Gewalttaten, machen Eskalationen teils bundesweit Schlagzeilen. In den letzten Monaten ist das mehrmals passiert: ein Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Magdeburg, ein Messerangriff in einem Aschaffenburger Park, Brandsätze auf eine Synagoge. In all diesen und weiteren Fällen berichteten Medien nicht nur über die Taten, sondern auch über die psychiatrische Vorgeschichte der Verdächtigen.

Einige waren bereits zuvor aufgefallen, waren teils bereits wegen Straftaten verurteilt worden oder kurz zuvor aus einer psychiatrischen Klinik entlassen worden. In einigen Fällen wurden die Verdächtigen nach ihrer Festnahme nicht in Untersuchungshaft, sondern in ein psychiatrisches Krankenhaus gebracht. So wurden die Taten in der öffentlichen Wahrnehmung mit mutmaßlichen Erkrankungen verknüpft.

Das führte zu Fragen: Wieso konnten die Taten nicht verhindert werden? Hätte nicht auffallen müssen, dass die mutmaßlichen Täter:innen sich in einer psychischen Krise befunden haben? Hätte nicht irgendjemand eingreifen können? Und wie lässt sich so etwas in Zukunft verhindern?

Schnelle Antworten auf komplexe Probleme

Vermeintlich schnelle Antworten auf diese komplexen Probleme hatten nach den Ereignissen vor allem Politiker:innen parat: CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann forderte im Januar ein Register für „psychisch kranke Gewalttäter“, verpflichtende Meldungen psychisch kranker „Gefährder“ wollte Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD). Seitdem diskutiert die Innenministerkonferenz über einen intensiveren Datenaustausch zu erkrankten Personen zwischen Gesundheits-, Sicherheits-, Justiz- und Ausländerbehörden sowie ein „integriertes Risikomanagement“.

„Menschen mit psychischer Erkrankung sind viel häufiger Opfer von Gewalttaten, als dass sie Täter werden“, sagt Andreas Jung. Er ärgert sich über solche Diskussionen. Jung war in der Vergangenheit selbst mehrmals wegen einer psychischen Erkrankung in einer Klinik. Heute setzt er sich für die Interessen von Psychiatriebetroffenen ein, als Mitglied im Psychiatriebeirat Hessen, als zertifizierter Genesungsbegleiter und Mitarbeiter der unabhängigen Marburger Psychiatrie-Beschwerdestelle.

Den Einwand von Jung bestätigen mehrere Datenerhebungen. Eine Befragung aus Großbritannien unter Menschen in psychiatrischer Behandlung etwa kam zu dem Ergebnis, dass schwer psychisch erkrankte Frauen im Vergleich zu einer Kontrollgruppe einem vier Mal so hohen Risiko ausgesetzt sind, Opfer von sexualisierter Gewalt zu werden. Bei einer anderen Auswertung zeigte sich, dass sich Opfer von Tötungsdelikten überdurchschnittlich oft vorher in psychiatrischer Behandlung befunden hatten.

Ein falscher Eindruck

Über diese Missstände gibt es kaum Berichte und noch weniger öffentliche Diskussionen. Das ist ein Problem. In einem Leserbrief, den die unabhängige Beschwerdestelle Psychiatrie in Marburg im Juni an hessische Medien richtete, heißt es: Durch die Berichterstattung über vermutete oder gesicherte psychische Erkrankungen von Täter:innen werde „der Eindruck erweckt, dass von Menschen mit einer psychischen Erkankung eine besondere Gefahr ausgehe“. Das kritisiert die Beschwerdestelle. Wenn medial immer wieder ein Zusammenhang zwischen Taten und psychischer Verfassung hergestellt werde, könne das zu einer „feindseligen Stimmung“ gegenüber kranken Personen führen.

Wozu die Diskussionen über vermeintliche Gefahren noch führen: Es wirkt, als sei die psychische Verfassung von Menschen vor allem ein Thema für die Sicherheitspolitik geworden. Und so bekommen Forderungen nach Datenaustausch und „Risikomanagement“ mehr Aufmerksamkeit als Kritik an der psychosozialen Versorgung für Betroffene.

Hessen, wo sowohl Andreas Jung als auch Annette Lindt-Lange wohnen, ist dabei besonders aktiv. Seit Beginn des Jahres arbeitet dort eine Taskforce des Landeskriminalamts daran, 1.600 psychisch erkrankte Personen, die in einer Polizeidatenbank entsprechend markiert sind, zu überprüfen und das mit ihnen verbundene Risiko zu bewerten. „Psychisch Auffällige / Vielschreiber / Gewalttäter“ ist der Name der Arbeitsgruppe.

Nach einem Gesetzentwurf von CDU und SPD sollen künftig außerdem Polizei und Ordnungsamt informiert werden, wenn eine unfreiwillig hospitalisierte Person aus einer Psychiatrie entlassen wird und Ärzte ohne medizinische Betreuung eine Fremdgefährung fürchten.

Andreas Jung ist sich sicher, dass dies zu einer Verschlechterung für hilfesuchende Menschen führen würde. „Solche Regelungen haben schwere Folgen für das Vertrauensverhältnis vom Patienten zum Arzt“, sagt er. „Das stört die Behandlung, baut Barrieren auf und macht es noch schwieriger, Hilfe zu suchen.“

Wie es sich anfühlt, wenn solche Barrieren entstehen, hat Volker Scherer erlebt. Er ist psychiatrieerfahren und war das letzte Mal vor anderthalb Jahren freiwillig für einige Tage in einer Klinik. Scherer erlebt immer wieder technische Einmischungen und erzählt im Gespräch, dass er mit Schalltriggern angegriffen werde. „Eine Kombination von Kriminalität und Überwachung“, sagt er. Er selbst schreibe wegen deswegen viele Briefe an Behörden und frage sich, ob er nun auch als „Vielschreiber“ gilt. „Da werden nur die Menschen als Problem gesehen und gar keine äußeren Umstände betrachtet.“

Bei seinem letzten Klinikaufenthalt habe er eine rechtliche Betreuung „reingeknallt bekommen“, sagt Scherer. Eine solche Betreuung soll je nach Einzelfall dabei unterstützen, beispielsweise Behördendinge und Wohnungsangelegenheiten zu regeln. Ganz unzufrieden war Scherer am Ende damit nicht, es habe ihm „etwas geholfen“, sagt er. Später wurde die Betreuung auf seinen Antrag hin wieder aufgehoben.

Eine psychosoziale Unterstützung wurde ihm zwar auch angeboten, aber „da ging das Vertrauen wieder verloren“. „Man war nicht bereit, dort meine Probleme und die Schalleinmischungen ernst zu nehmen“, sagt er.

Unklare Kriterien

Der Genesungsbegleiter Andreas Jung sieht noch ein Problem für das Vertrauensverhältnis: „Die Kriterien für die Meldungen, die in Hessen künftig gemacht werden sollen, sind völlig unklar.“ Und warum sollte eine Person überhaupt aus einer Klinik entlassen werden, wenn ein Arzt davon ausgeht, dass sie noch selbst- oder fremdgefährend sein könnte? „Wenn ein untergebrachter Patient nicht kooperativ und einsichtig ist, wird in der Regel sowieso der Beschluss zu seiner Unterbringung verlängert“; wirft Jung ein.

Manche Ärzte würden künftig vielleicht kaum etwas melden, weil sie das Vertrauen ihrer Patient:innen nicht gefährden wollen. Andere wiederum könnten die Behörden über sehr viele Entlassene informieren – um auf Nummer sicher zu gehen. Das zumindest vermutet Constantin von Gatterburg. Er hat viele Jahre beim sozialpsychiatrischen Dienst des Gesundheitsamtes im hessischen Kreis Bergstraße gearbeitet. Nun ist er im Ruhestand, engagiert sich aber weiterhin unter anderem als Sprecher der hessischen Landesarbeitsgemeinschaft der Gesellschaft für Soziale Psychiatrie.

„Psychiatrie ist zu wesentlichen Teilen Beziehungsarbeit, Vertrauen ist zentral für die Genesung“, sagt von Gatterburg. „Das steht für den Arzt im Vordergrund, nicht, dass er noch mehr sicherheitsrechtliche Aufgaben übernimmt.“ Von Gatterburg hat zwar nicht prinzipiell etwas dagegen, dass sich verschiedene Institutionen über erkrankte Personen austauschen. Ihm ist aber wichtig: „Das muss unter dem Aspekt der Hilfe passieren und nicht für eine Gefährdungsanalyse.“

Denn klar ist: Um Erkrankte bei einer Genesung und Stabilisierung zu unterstützen und das Risiko zu verringern, dass sie sich oder anderen Schaden zufügen, braucht es vor allem passende Behandlungsangebote und Prävention. Doch daran fehlt es überall.

Es fehlt an allen Stellen

Wenn man beispielsweise Annette Lindt-Lange fragt, was Betroffenen und Angehörigen helfen würde, fallen der Angehörigen einer Person im Maßregelvollzug schnell viele Dinge ein: flächendeckende, aufsuchende Krisendienste zum Beispiel. Die könnten Erkrankte zu Hause besuchen und sie in ihrem eigenen Umfeld unterstützen.

Es fehlten auch mehr Angebote für betreutes Wohnen, sagt sie. Therapien seien mit hohen Wartezeiten verbunden. Sich einen Platz zu suchen, erfordert viel Eigenmotivation von den Erkrankten. Problematisch sei auch, was nach Aufenthalten in einer Psychiatrie passiert. Der Übergang führe oft zu Problemen. „Manche Menschen werden in die Obdachlosigkeit entlassen“, sagt Lindt-Lange. „Nach ihrer Klinikzeit haben sie dann gar keinen Halt mehr.“

Das kann Andreas Jung bestätigen: „Das Entlassmanagement funktioniert überhaupt nicht. Oft ist unklar, was nach dem Klinikaufenthalt passiert, Menschen warten monatelang auf einen ambulanten Therapieplatz.“ Das führe, so Jung, vielerorts zu einer „Drehtürpsychiatrie“, bei der Klinikaufenthalte sich mit Entlassungen abwechseln.

Die eine passende Lösung für alle Betroffenen gibt es aber nicht. „Die Betreuung nach der Klinik muss zu der jeweiligen Person passen“, sagt von Gatterburg. Manche bräuchten eine Tagesbetreuung, andere würden von aufsuchenden Hilfen profitieren.

Woran scheitern psychosoziale Angebote?

Ein Problem beobachtete er in seiner Arbeit immer wieder: „Krisen passieren oft in Zeiten, wo die klassischen Dienstleister und Angebote nicht aktiv sind.“ Um beispielsweise rund um die Uhr erreichbare Krisendienste einzurichten, müsste es aber erst eine gesicherte Finanzierung geben.

Der psychiatrische Notdienst in Darmstadt beispielsweise, der an Wochenenden und Feiertagen abends erreichbar ist, wird zwar finanziell von Stadt und Landkreis unterstützt, ist aber darüber hinaus auf Spenden angewiesen. Und nicht überall gibt es überhaupt flächendeckende Akutangebote. Ein wenig besser ist die Situation beispielsweise in Bayern, wo es ein Netzwerk an Krisendiensten gibt, das 24 Stunden am Tag telefonisch erreichbar ist.

Scheitert so etwas in Ländern wie Hessen am verfügbaren Budget? Annette Lindt-Lange vermutet, dass es daran eigentlich nicht liegen könne. Denn wenn es im schlimmsten Fall zu einer Eskalation kommt, ist das zum einen zuallererst tragisch und schockierend für alle Betroffenen. Aber eben auch sehr kostspielig. „Die Unterbringung im Maßregelvollzug ist extrem teuer“, sagt Lindt-Lange. Mehr als 300 Euro pro Tag zahlt das Land Hessen für eine untergebrachte Person, die Einrichtungen sind überbelegt. „Prävention ist immer günstiger“, so die Angehörige.

Dafür bräuchte es ihrer Meinung nach eine Strategie und Prioritätensetzung aus der hessischen Landesregierung. Doch auf die wartet sie vergeblich. Stattdessen diskutieren vor allem Innenministerien und Sicherheitsbehörden über den Umgang mit psychisch erkrankten Straffälligen. „Dabei sollte das etwas sein, womit sich vor allem die Sozial- und Gesundheitsministerien beschäftigen“, wünscht Lindt-Lange sich. Damit etwas passiert. Aber diesmal etwas, was Betroffenen hilft und Eskalationen vorbeugen kann.



Source link

Datenschutz & Sicherheit

Trugbild: Plastik, Parasiten und Paranoia


In der Antike deuteten Wahrsager aus den Eingeweiden von Opfertieren die Zukunft. Von großer Bedeutung war die Leberschau – die Leber galt als Organ, das den Zustand der Welt widerspiegelt. Für seherische Weissagungen brauchen wir heute glücklicherweise keine Tierkadaver mehr. Die dauerausgestellten Idealkörper unserer Stars sind für alle sichtbar und ihre prophetischen Deutungen erreichen täglich Tausende Menschen.

So auch der alarmierende Orakelspruch von Heidi Klum: „Wir haben anscheinend alle Parasiten und Würmer“, sagte die Model-Mama jüngst in einem Interview mit dem Wall Street Journal. Sie unterziehe sich daher mit Ehemann Tom Kaulitz einer langwierigen „Parasiten-Reinigung“.

Doch nicht nur bei Heidi ist der Wurm drin. Als „der Mann, der unsterblich sein will“ geistert Bryan Johnson schon seit einigen Jahren durch die Medien. Der US-amerikanische Geschäftsmann und „Langlebigkeits-Influencer“ stellte in seinem Podcast fest: „Unsere Eltern sind voll mit Asbest, wir sind voller Mikroplastik“. Johnson zählt sich selbst zu den „Top 1 %“, gemessen an seiner „Entzündungsrate“ und der Anzahl seiner „nächtlichen Erektionen“.

Die Katastrophe scheint also unausweichlich. Gift und Gewürm geben sich im sonst über alle Maßen gepflegten Promi-Body die Klinke in die Hand. Können uns da Mikroplastik-Tests und Wurmkuren noch retten?

Der Feind in uns

Wenn Klum und Johnson die allumfassende Verseuchung verkünden, sprechen sie gern im Plural. Wir alle sind schwer belastet durch Luftverschmutzung, Mikroplastik und UV-Strahlen, sind gezeichnet von Süchten und Faulheit. Oben drauf kommen Hass und Hetze, schlechte Kunst und mieser Content. Der Gesellschaft bleibt also gar nichts anderes übrig, als den eigenen Körper und die Umwelt als feindlich wahrzunehmen.

Dagegen „helfen“ sollen die verschiedensten Produkte: Atemschutzmasken mit eingebauten Noise-Cancelling-Kopfhörern, „Serum“ mit Lichtschutzfaktor 50 aus Südkorea, Stanley Cups für ausreichend Hydration und einen strahlenden Teint. Für die Feinde im eigenen Kopf und Körper – alternde Zellen, ansetzendes Fett, Einsamkeit oder ein undisziplinierter Geist – gibt es proteinreiche Ernährung, Pillen, Hormontherapien, Dating– und Fitness-Apps.

Die Aussicht auf die nahende Katastrophe oder gar die Todesangst der eigenen Kunden sind immer gut für das Geschäft. Das wissen die Wurm-Gurus auf TikTok, die teure Anti-Parasiten-Tinkturen vertreiben, ebenso wie die Beauty-Industrie und am besten wohl Bryan Johnson, der am regressiven Wunsch nach Unsterblichkeit kräftig mitverdient.

Sauber bleiben in einer schmutzigen Welt

Johnson und Klum verkaufen die Idee eines ewigen Lebens an verzweifelnde Kunden – und das in einer zunehmend schmutzigen Welt, die langsam aber sicher an ihrem eigenen Müll erstickt. Zwar lässt sich Mikroplastik im Gegensatz zu Heidis Parasiten nachweisen, fürs menschliche Auge aber ist es unsichtbar.

Von der eisigen Antarktis bis in die Tiefen des Marianengrabens, ob in Sperma, Uterus oder Gehirn, ob Biomarkt oder Discounter – die winzig kleinen Plastikteilchen sind bereits überall. Und wenn gesundheitsbewusste und zahlungskräftige Kunden auf das Problem aufmerksam gemacht werden, boomt das Geschäft für Johnson und Konsorten.

Johnson selbst hat bereits mit der Entplastifizierung des Körpers begonnen und seine Plastikwerte angeblich um ein Vielfaches gesenkt. Für Normalsterbliche ist das noch nicht möglich. Aber wer jetzt schon wissen mag, wie viel Mikroplastik im eigenen Blut herumschwimmt, dem verkauft Johnson Mikroplastik-Tests für 135 Dollar das Stück. Der Zweck des Produktes richtet sich dabei – wie gewohnt – auf die Bekämpfung der Symptome, nicht ihrer Ursachen.

Wiederkehr verdrängter Schuld

Gleichzeitig arbeiten diejenigen, die vor den Konsequenzen ihres eigenen Treibens am besten geschützt sind, fleißig an der kulturellen und physischen Zersetzung der Welt mit. Parasiten-Prophetin Heidi Klum, die im People Magazine verkündete, dass „Älterwerden okay ist“ und sich „total für Botox“ ausspricht, hat immerhin fünf Jahre lang für die Fast-Food-Kette McDonalds geworben.

Wen wundert es angesichts dieser Ambivalenz, dass Heidi bei ihrer berühmt-berüchtigten Halloween-Party als Riesenwurm auftrat. War das grandiose Kostüm unbewusster Ausdruck der eigenen Todesangst und des verdrängten schlechten Gewissens?

Wir sind ein spendenfinanziertes Medium

Unterstütze auch Du unsere Arbeit mit einer Spende.

Die Würmer folgen der armen Heidi nun selbst in die virtuelle Heimat. Im persönlichen Social-Media-Feed setzt sich die grausige Thematik fort, wie sie im Wall-Street-Journal-Interview verrät: „Gerade ist mein kompletter Instagram-Feed voll mit Würmern und Parasiten“.

Ähnliche Widersprüche tun sich bei Johnson auf. Der Influencer sagt zwar, dass „wir die Welt in Plastik gebadet haben“. Seine Olivenöl-Hausmarke „Snake Oil“ verkauft er aber dennoch in reisetauglichen Plastiksäckchen zu je 15 Milliliter.

Die Langlebigkeits-Jünger loben das Schlangen-Öl in zahlreichen Kommentaren auf der Verkaufs-Website: „Kein Problem mit dem Geschmack, ich nehme jeden Morgen problemlos einen Esslöffel ein. Das Flaschendesign gefällt mir sehr.“ Und ein anderer schreibt: „Ich trinke gerade meine fünfte Flasche Olivenöl.“ Amerikaner eben.

Madige Aussichten

Wer den Menschen Parasiten andichtet und sie glauben machen will, dass die Mikromenge an „Polyphenolen“ in Olivenöl ewiges Leben verheißt, der ist kein Seher, sondern ein Scharlatan.

Und während die tatsächliche Plastikwerdung von Umwelt und Körper voranschreitet, sind Klum und Johnson vermutlich die Ersten, die sich von Verkaufsschalter und Behandlungstisch auf ihre vom Plebs abgeschirmten Yachten oder in sterile Bunker flüchten.

Grund zur Hoffnung gibt es trotzdem. Für die Verwurmten unter uns hat die Model-Mama immerhin noch einen Hausmittel-Tipp parat: „Der Parasit hasst Nelken. Er hasst auch die Samen einer Papaya.“





Source link

Weiterlesen

Datenschutz & Sicherheit

Die Woche, in der wir ordentlich gewachsen sind


Fraktal, generiert mit MandelBrowser von Tomasz Śmigielski

Liebe Leser:innen,

zu Beginn dieser Woche hab ich zufällig ein kurzes Video über Bambus angeschaut. Wusstet ihr, dass einige Arten pro Tag fast einen Meter in die Höhe schießen? Man kann ihnen buchstäblich beim Wachsen zusehen.

Ich bin dann in ein Wurmloch gefallen und hab erfahren, dass Bambus es bei der Zugkraft mit Stahl aufnehmen kann. Dass er weit mehr Sauerstoff freisetzt als Bäume. Und natürlich essen ihn süße Pandabären.

Ein weit weniger erbauliches Bild zeigt die zurückliegende (netz-)politische Woche. Vorratsdatenspeicherung, Daten-Rasterfahndung, biometrische Live-Videoüberwachung – die ungeheuerlichsten Überwachungspläne sprießen gerade so aus dem Boden. Gleichzeitig will die Bundesregierung die Zivilgesellschaft unter Extremismus-Generalverdacht stellen, um ihr die Mittel und Rechte zu beschneiden. Und daneben fällt ihr nichts Besseres ein, als den Druck auf marginalisierte Menschen einmal mehr zu erhöhen – mit weiteren Streichungen und noch härteren Sanktionen.

Mir war klar, dass die Bäume mit Schwarz-Rot nicht in den Himmel wachsen werden. Dass die Regierung aber so rasch und beherzt Richtung Autoritarismus und Überwachungsstaat marschiert – wie auch Lena Rohrbach und Philipp Krüger von Amnesty International mit Blick aufs geplante Bundespolizeigesetz konstatieren –, habe ich dann doch nicht erwartet.

Zurück zum Bambus. Auch wir sind diese Woche ordentlich gewachsen. Drei neue Menschen gehören seit dem 1. September unserem Team an. Timur ist unser erster Volontär und macht nebenher noch Beiträge für KiKA. Bahn-Nerd Ben ist für die nächsten 12 Monate unser Bundesfreiwilliger. Und Fio unterstützt uns ab sofort bei der Social-Media-Arbeit. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit!

Verabschieden mussten wir uns von Lilly, die uns ein Jahr lang tatkräftig als Bundesfreiwillige unterstützt hat. Wie sie auf ihre Zeit bei uns zurückblickt, erzählt sie in der aktuellen Folge unseres Podcasts Off/On. Hört gerne rein. Und vielen Dank für alles, Lilly!

Habt ein schönes Wochenende

Daniel

Wir sind ein spendenfinanziertes Medium

Unterstütze auch Du unsere Arbeit mit einer Spende.

Seit Monaten protestieren Microsoft-Mitarbeitende in den USA dagegen, dass ihr Unternehmen Geschäftsbeziehungen zum israelischen Militär und der israelischen Regierung unterhält. Microsoft hat einige demonstrierende Angestellte entlassen. Zugleich will das Unternehmen prüfen, ob israelische Streitkräfte die Azure-Plattform zur Überwachung von Palästinenser:innen nutzen.

Lesen Sie diesen Artikel: Microsoft entlässt Mitarbeitende nach Protesten



Source link

Weiterlesen

Datenschutz & Sicherheit

Wie unsere jüngsten Team-Mitglieder auf unsere Arbeit und Soziale Medien blicken


Drei Menschen mit großen Kopfhörern lächeln in die Kamera
Ingo, Karoline und Lilly bei der Arbeit


Karoline ist seit zwei Monaten Praktikantin bei uns. Lilly war seit September 2024 unsere Bundesfreiwillige im Rahmen eines „Freiwilligenjahres Beteiligung“. In der neuen Ausgabe Off The Record erzählen die beiden, was sie bei uns erlebt haben. Welche Tätigkeiten haben sie übernommen? Was haben sie gelernt? Und wie ist das so als junger Mensch in einem älteren Team?

Außerdem gibt’s eine kleine Meme-Nachhilfestunde. Wir sprechen nämlich auch über ihre Erfahrungen mit unserer Community und über die Rolle Sozialer Medien. Lilly hat im letzten Jahr unseren Instagram-Account betreut, Karoline hat sich im Studium intensiv mit Social Media beschäftigt. Was denken die beiden: Sollten wir den Insta-Account unserer Redaktion dichtmachen?


In dieser Folge: Ingo Dachwitz, Karoline Tanck und Lilly Pursch.
Produktion: Serafin Dinges.
Titelmusik: Trummerschlunk.


Hier ist die MP3 zum Download. Wie gewohnt gibt es den Podcast auch im offenen ogg-Format. Ein maschinell erstelltes Transkript gibt es im txt-Format.


Unseren Podcast könnt ihr auf vielen Wegen hören. Der einfachste: in dem Player hier auf der Seite auf Play drücken. Ihr findet uns aber ebenso bei Apple Podcasts, Spotify und Deezer oder mit dem Podcatcher eures Vertrauens, die URL lautet dann netzpolitik.org/podcast.


Wir freuen uns über Kritik, Lob, Ideen und Fragen entweder hier in den Kommentaren oder per E-Mail an podcast@netzpolitik.org.


Links und Infos

    Blattkritik

    • Karolines Text über verschwundene Porno-Games
    • Ingos Text über den Wasserverbrauch von Rechenzentren: Immer noch nicht erschienen…

    Hausmitteilungen

    Aus dem Maschinenraum

    Postfach



Source link

Weiterlesen

Beliebt