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Stadt Kenzingen will Geld für Demonstration


Am 5. Juni gibt es Proteste in der südbadischen Kleinstadt Kenzingen. Die Demo vor dem Rathaus richtet sich gegen eine Erhöhung der Kindergartengebühren, welche am selben Tag im Gemeinderat behandelt wird. Auf der Demo protestieren nach Angaben des Veranstalters 150 Menschen. Bilder zeigen Familien, große und kleine Menschen, jung und alt, ein Querschnitt der Bevölkerung. Sie tragen bunte Schilder, auf denen eine bezahlbare Kinderbetreuung gefordert wird: „Kinder dürfen kein Luxus sein!“ steht da auf einem selbstgemalten Plakat, ein anderes fordert ein „Herz für Familien“. Ein Zeichen lebendiger Demokratie, auch wenn die Proteste am Ende die Erhöhung nicht verhindern konnten.

Die Demonstration hat der Familienvater und Unternehmer Alexander Feldberger ordnungsgemäß, wenn auch kurzfristig beim zuständigen Landratsamt Emmendingen angemeldet. Das Landratsamt, das hier als Versammlungsbehörde agiert, forderte in den Auflagen für die Versammlung eine Vollsperrung der Kundgebungsfläche – und liefert einen so genannten „Verkehrszeichenplan“ mit, auf dem die Sperrung samt Verkehrszeichen kartiert ist. Diese angeordnete Sperrung setzt die Stadt Kenzingen am 5. Juni kurzfristig um. Sie schickt den örtlichen Bauhof los, um die Schilder und Absperrungen aufzustellen.

Plötzlich kostet die Demo 374 Euro

Knapp drei Wochen später flattert bei Organisator Feldberger eine Rechnung ins Haus: 374 Euro soll er dem Betriebshof für die Absperrung zahlen, aufgeteilt in sieben Arbeitsstunden à 50 Euro und zwei Stunden Nutzung eines Mercedes Sprinters à 12 Euro. Plötzlich soll das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit Geld kosten.

Feldberger wundert sich. Er weiß, dass bei einer Demo im Februar dieses Jahres gegen das Einreißen der Brandmauer zur rechtsextremen AfD durch Friedrich Merz keine Kosten auf die Veranstalter zukamen. Die überraschenden Gebühren begründet die Stadt Kenzingen mit der kurzfristigen Anmeldung der Demo: „Die Gebührenerhebung stützt sich maßgeblich darauf, dass die Versammlung entgegen der in § 14 VersammlG vorgesehenen Frist nicht mindestens 48 Stunden vorher angemeldet wurde, sondern erst am selben Tag“, heißt es in einem Schreiben an den Anmelder, das netzpolitik.org einsehen konnte. Die Stadt besteht darin auch darauf, dass eine „frühere Anmeldung ohne Weiteres“ möglich gewesen sei.

Dem widerspricht Feldberger entschieden. Die konkreten Zahlen der Gebührenerhöhung seien erst am 2. Juni im Ratsinformationssystem veröffentlicht worden, am 3. Juni hätten die Elternbeiräte gemeinsam einen Brief an den Bürgermeister geschrieben, dieser habe am 4. Juni einen Dialog per Mail abgelehnt. Daraufhin kündigte Feldberger telefonisch der Stadt Kenzingen die Demo an und meldete diese beim Landratsamt an. Am 5. Juni, dem Tag der Gemeinderatssitzung und des Protestes, kam dann der Bescheid mit der Absperr-Auflage aus Emmendingen.

„Gefährlicher Präzedenzfall“

„Was hier passiert, ist ein gefährlicher Präzedenzfall: Wenn Kommunen anfangen, Proteste finanziell zu sanktionieren, wird aus Meinungsfreiheit ein Kostenrisiko. Das kann und darf doch in einem demokratischen Rechtsstaat nicht Schule machen“, sagt Feldberger gegenüber netzpolitik.org.

Feldberger steht mit dieser Meinung nicht alleine. Der Rechtsanwalt David Werdermann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hält es bereits für zweifelhaft, ob das baden-württembergische Gebührenrecht eine Grundlage für Kostenbescheide an Versammlungsleiter:innen enthält. Aus seiner Sicht könnten Versammlungsleiter:innen nur in Anspruch genommen werden, wenn sie selbst für eine Gefahr verantwortlich sind, die durch eine polizeiliche Maßnahme abgewehrt wird.

„Das ist hier erkennbar nicht der Fall“, sagt Werdermann gegenüber netzpolitik.org. „Der Aufbau der Absperrungen sollte offenbar den reibungslosen Ablauf der Versammlung gewährleisten. Das ist eine originäre Polizeiaufgabe, die wahrscheinlich auch angefallen wäre, wenn der Leiter die Versammlung 48 Stunden vor ihrem Beginn angemeldet hätte“, so der Jurist weiter.

„Einschränkende und einschüchternde Wirkung“

Bisher sei die Pflicht für Nichtverantwortliche, entstehende Kosten zu tragen, nur ausnahmsweise bei kommerziellen Großveranstaltungen anerkannt, insbesondere bei Fußballspielen. Hier dürfen die Veranstalter auf Grundlage einer speziellen gesetzlichen Grundlage auch für Polizeikosten herangezogen werden, wenn sie selbst nicht für die Gefahren verantwortlich sind, erklärt Werdermann. Das habe das Bundesverfassungsgericht Anfang des Jahres entschieden – das sei aber nach wie vor sehr umstritten.

„Auf Versammlungen ist das nicht übertragbar. Im Gegenteil: Das Bundesverfassungsgericht betont an mehreren Stellen, dass sich aus speziellen Freiheitsrechten strengere Anforderungen ergeben“, so Werdermann weiter. Das Bundesverfassungsgericht verweist zudem auf eine Entscheidung von 2007. Darin heißt es: „Eine grundsätzliche Gebührenpflicht für Amtshandlungen aus Anlass von Versammlungen würde dem Charakter des Art. 8 Abs. 1 GG als Freiheitsrecht widersprechen“.

Auch der Staats- und Verwaltungsrechtsprofessor Clemens Arzt hält die Gebührenerhebung mindestens für umstritten. Zwar habe der Verwaltungsgerichtshof Mannheim 2009 eine Gebührenerhebung für zulässig erklärt, dem stünden jedoch andere Urteile entgegen, so Arzt gegenüber netzpolitik.org. „Ein Rückgriff auf das Landesgebührenrecht, in dem Artikel 8 des Grundgesetzes nicht zitiert wird, ist mit Blick auf die faktischen Auswirkungen einer Gebühr und deren einschränkender und einschüchternder Wirkung mit Blick auf die Versammlungsfreiheit aus Sicht des Verwaltungsgericht Karlsruhe nicht zulässig.“


2025-07-14
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– für digitale Freiheitsrechte!



Euro für digitale Freiheitsrechte!

 

„Alles getan, um Demo stattfinden zu lassen“

Wir haben beim Landratsamt Emmendingen und der Stadt Kenzingen nachgefragt. Wir wollten wissen, warum nicht einfach die Polizei den Verkehr rund um die Demonstration geregelt habe, so wie das normalerweise bei Demonstrationen üblich ist, und ob der Anmelder im Vorfeld informiert wurde, dass und welche Kosten ihm entstehen würden. Wir wollten wissen, warum Gebühren trotz einschlägiger Urteile und der bekanntermaßen einschränkenden Wirkung auf die Versammlungsfreiheit erhoben wurden. Das Landratsamt hat innerhalb der Frist nicht geantwortet.

Geantwortet hat der Kenzinger Bürgermeister Dirk Schwier (parteilos). Er verweist auf die Auflagen des Landratsamtes, an die sich die Stadt halten musste, damit die Demo ordnungsgemäß stattfinden konnte. „Durch die Kurzfristigkeit der Anmeldung und Eingang des Bescheides (wenige Stunden vor der Demonstration) haben wir alles getan, um diese Auflagen zu erfüllen und die Demo stattfinden zu lassen“, so Schwier gegenüber netzpolitik.org. Die Stadt habe wie auferlegt gehandelt, man habe auch keine eigenen Polizisten.

„Ich verwehre mich strikt gegen die Aussage, wir wollen durch Gebühren die Versammlungsfreiheit einschränken – im Gegenteil: wir haben sie durch unser schnelles Handeln ermöglicht“, sagt Schwier. Dass die Stadt Gebühren verlangt habe, begründet der Bürgermeister mit Gleichbehandlung. Auch gegenüber Vereinen würden bei Absperrungen Gebühren erhoben. Zudem seien nicht alle Kosten auferlegt worden.

Klärung „notfalls vor Gericht“

Die Stadt habe dem Anmelder ein Kulanzangebot vorgelegt, das dieser jedoch ausgeschlagen habe. Derzeit bewerte die Stadt die rechtliche Situation und prüfe die nächsten Schritte. Auch einen eingegangenen Antrag auf vollständigen Erlass der Rechnung prüfe man wohlwollend.

Alexander Feldberger hat mittlerweile Einspruch gegen den Gebührenentscheid erhoben. Doch es geht in dem Fall auch um Grundsätzliches. Das Land Baden-Württemberg bewege sich mit seiner Gebührenpraxis bei Versammlungen in einer juristischen Grauzone, sagt Feldberger. „Ich finde, dass eine abschließende Klärung überfällig ist, notfalls vor Gericht!“



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Die Woche, in der wir ordentlich gewachsen sind


Fraktal, generiert mit MandelBrowser von Tomasz Śmigielski

Liebe Leser:innen,

zu Beginn dieser Woche hab ich zufällig ein kurzes Video über Bambus angeschaut. Wusstet ihr, dass einige Arten pro Tag fast einen Meter in die Höhe schießen? Man kann ihnen buchstäblich beim Wachsen zusehen.

Ich bin dann in ein Wurmloch gefallen und hab erfahren, dass Bambus es bei der Zugkraft mit Stahl aufnehmen kann. Dass er weit mehr Sauerstoff freisetzt als Bäume. Und natürlich essen ihn süße Pandabären.

Ein weit weniger erbauliches Bild zeigt die zurückliegende (netz-)politische Woche. Vorratsdatenspeicherung, Daten-Rasterfahndung, biometrische Live-Videoüberwachung – die ungeheuerlichsten Überwachungspläne sprießen gerade so aus dem Boden. Gleichzeitig will die Bundesregierung die Zivilgesellschaft unter Extremismus-Generalverdacht stellen, um ihr die Mittel und Rechte zu beschneiden. Und daneben fällt ihr nichts Besseres ein, als den Druck auf marginalisierte Menschen einmal mehr zu erhöhen – mit weiteren Streichungen und noch härteren Sanktionen.

Mir war klar, dass die Bäume mit Schwarz-Rot nicht in den Himmel wachsen werden. Dass die Regierung aber so rasch und beherzt Richtung Autoritarismus und Überwachungsstaat marschiert – wie auch Lena Rohrbach und Philipp Krüger von Amnesty International mit Blick aufs geplante Bundespolizeigesetz konstatieren –, habe ich dann doch nicht erwartet.

Zurück zum Bambus. Auch wir sind diese Woche ordentlich gewachsen. Drei neue Menschen gehören seit dem 1. September unserem Team an. Timur ist unser erster Volontär und macht nebenher noch Beiträge für KiKA. Bahn-Nerd Ben ist für die nächsten 12 Monate unser Bundesfreiwilliger. Und Fio unterstützt uns ab sofort bei der Social-Media-Arbeit. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit!

Verabschieden mussten wir uns von Lilly, die uns ein Jahr lang tatkräftig als Bundesfreiwillige unterstützt hat. Wie sie auf ihre Zeit bei uns zurückblickt, erzählt sie in der aktuellen Folge unseres Podcasts Off/On. Hört gerne rein. Und vielen Dank für alles, Lilly!

Habt ein schönes Wochenende

Daniel

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Seit Monaten protestieren Microsoft-Mitarbeitende in den USA dagegen, dass ihr Unternehmen Geschäftsbeziehungen zum israelischen Militär und der israelischen Regierung unterhält. Microsoft hat einige demonstrierende Angestellte entlassen. Zugleich will das Unternehmen prüfen, ob israelische Streitkräfte die Azure-Plattform zur Überwachung von Palästinenser:innen nutzen.

Lesen Sie diesen Artikel: Microsoft entlässt Mitarbeitende nach Protesten



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Wie unsere jüngsten Team-Mitglieder auf unsere Arbeit und Soziale Medien blicken


Drei Menschen mit großen Kopfhörern lächeln in die Kamera
Ingo, Karoline und Lilly bei der Arbeit


Karoline ist seit zwei Monaten Praktikantin bei uns. Lilly war seit September 2024 unsere Bundesfreiwillige im Rahmen eines „Freiwilligenjahres Beteiligung“. In der neuen Ausgabe Off The Record erzählen die beiden, was sie bei uns erlebt haben. Welche Tätigkeiten haben sie übernommen? Was haben sie gelernt? Und wie ist das so als junger Mensch in einem älteren Team?

Außerdem gibt’s eine kleine Meme-Nachhilfestunde. Wir sprechen nämlich auch über ihre Erfahrungen mit unserer Community und über die Rolle Sozialer Medien. Lilly hat im letzten Jahr unseren Instagram-Account betreut, Karoline hat sich im Studium intensiv mit Social Media beschäftigt. Was denken die beiden: Sollten wir den Insta-Account unserer Redaktion dichtmachen?


In dieser Folge: Ingo Dachwitz, Karoline Tanck und Lilly Pursch.
Produktion: Serafin Dinges.
Titelmusik: Trummerschlunk.


Hier ist die MP3 zum Download. Wie gewohnt gibt es den Podcast auch im offenen ogg-Format. Ein maschinell erstelltes Transkript gibt es im txt-Format.


Unseren Podcast könnt ihr auf vielen Wegen hören. Der einfachste: in dem Player hier auf der Seite auf Play drücken. Ihr findet uns aber ebenso bei Apple Podcasts, Spotify und Deezer oder mit dem Podcatcher eures Vertrauens, die URL lautet dann netzpolitik.org/podcast.


Wir freuen uns über Kritik, Lob, Ideen und Fragen entweder hier in den Kommentaren oder per E-Mail an podcast@netzpolitik.org.


Links und Infos

    Blattkritik

    • Karolines Text über verschwundene Porno-Games
    • Ingos Text über den Wasserverbrauch von Rechenzentren: Immer noch nicht erschienen…

    Hausmitteilungen

    Aus dem Maschinenraum

    Postfach



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Familienministerin will Demokratieprojekte mit Verfassungsschutz durchleuchten


Während die AfD in aktuellen Umfragen neue Höchstwerte verzeichnet, schießt sich die Bundesregierung ausgerechnet auf jenen Teil der Zivilgesellschaft ein, der für demokratische Werte und gegen den Rechtsruck kämpft. In einem Brief an die „Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag“ versichert Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU), dass sich im Programm „Demokratie leben“ nun „Grundlegendes ändern“ werde. Unter anderem sollen NGOs einer „breit angelegten Verfassungsschutzprüfung“ unterzogen werden. Den Brief veröffentlichen wir als PDF-Dokument.

Die Familienministerin stellt sich damit in ein unselige Tradition. Nicht nur die rechtsextreme AfD versucht seit Jahren, die demokratische Zivilgesellschaft unter Generalverdacht zu stellen. Auch Hetzportale wie Nius und rechte Medien wie Cicero, NZZ, Welt oder Focus kolportieren seit Langem, dass Deutschland von linken Nichtregierungsorganisationen quasi unterwandert sei und der Staat diese auch noch alimentiere.

Mit Kulturstaatsminister Wolfram Weimer hat diese Erzählung inzwischen einen Vertreter in der Regierung gefunden. Weimer treibt die Debatte kulturkämpferisch voran und hat bereits erste Maßnahmen gegen vermeintlich linke Medienprojekte ergriffen.

Attacken auf demokratische Zivilgesellschaft

Die Debatte um die Zivilgesellschaft geht inzwischen so weit, dass sich jüngst auch die als liberal geltende Wochenzeitung „Die Zeit“ zu der reißerischen Überschrift „Der Staat päppelt die Linken“ hinreißen ließ – nur um im Artikel Rechtsaußen-Rechtsanwalt Joachim „Natürlich bin ich ein Arschloch“ Steinhöfel zu Wort kommen zu lassen und im Verlauf des Textes die These der Überschrift halbwegs zu revidieren.

Auch die Union selbst hatte bereits zu Jahresbeginn ins gleiche Horn gestoßen. Ende Januar hatten CDU und CSU einen Antrag zur Verschärfung der Migrationspolitik in den Bundestag eingebracht und dabei mindestens billigend eine Mehrheit durch Stimmen der AfD in Kauf genommen. Daraufhin riefen zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen zu Protesten auf.

Offenbar als Reaktion darauf reichte die Union nur wenige Wochen später eine Kleine Anfrage im Bundestag ein. In einem umfangreichen Fragenkatalog erkundigte sie sich nach unter anderem nach der staatlicher Förderung für gemeinnützige NGOs. Die Anfrage wurde innerhalb der Zivilgesellschaft als Einschüchterungsversuch verstanden. Wissenschaftler:innen und Organisationen zeigten sich zutiefst beunruhigt durch das Vorgehen der Unionsfraktion, mehr als 500.000 Menschen unterzeichneten einen Appell an die Bundesregierung.

Grundlegende Änderungen angekündigt

Die Debatte ist nun wieder erstarkt. Und nachdem das Kabinett Ende August die Gelder für das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ bewilligt hatte, sah sich Familienministerin Karin Prien offenbar genötigt, sich für diese Entscheidung zu rechtfertigen und gleichzeitig anzukündigen, dass sich nun „Grundlegendes ändern“ werde.

In dem Brief von Prien an die CDU/CSU-Fraktion heißt es:

Wir stärken die Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden und der wissenschaftlichen Extremismusforschung und berücksichtigen deren Erkenntnisse in der Programmsteuerung besser. Wer Zuwendungen des Bundes zum Schutz unserer Demokratie erhält, muss selbst Vorbild sein! Es gibt mehr als 400 direkte Partner und mehr als 3000 Projekte als Letztempfänger der Bundesmittel. Wir werden durch klare Strukturen und Verfahren sicherstellen, dass das Ziel, unsere freiheitlich demokratische Grundordnung zu schützen, von allen angestrebt und auch erreicht wird. In einem ersten Schritt – nach wochenlanger Arbeit und mit dem Bundesministerium des Innern abgesprochen – wurde bereits eine breit angelegte Verfassungsschutzprüfung im sogenannten „Haber-Verfahren“ eingeleitet.

„Breit angelegte Verfassungsschutzprüfung“

Das Haber-Verfahren sieht vor, dass die jeweiligen Ressorts zunächst aus ihnen zugänglichen Quellen, wie etwa die jährlichen Verfassungsschutzberichte des Bundes und der Länder, jene Organisationen prüfen, die sie mit dem Programm fördern. „Soweit hiernach eine Klärung nicht möglich sein sollte, können die Ressorts ihre Anfragen zu möglichen verfassungsschutzrelevanten Erkenntnissen über Organisationen, Personen und Veranstaltungen, über deren materielle bzw. immaterielle Förderung das Ressort zu entscheiden hat, unmittelbar an das BfV und nachrichtlich an das BMI richten“, heißt es in einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages.

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Der Wunsch aus der Union, Initiativen der demokratischen Zivilgesellschaft gegen Rechtsextremismus unter Generalverdacht zu stellen, ist keineswegs neu. Im Jahr 2011 führte die damalige CDU-Familienministerin Kristina Schröder die sogenannte „Extremismusklausel“ bei Demokratieförderungsprogrammen ein. Diese Klausel sah vor, dass sich Initiativen zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung verpflichten mussten. Diese Verpflichtung erschwerte unter anderem eine zivilgesellschaftliche Bündnisarbeit etwa bei Protesten gegen Rechtsextremismus, weil geförderte Organisationen für ihre Bündnispartner in Mithaftung genommen wurden. Anfang 2014 wurde die Klausel wieder abgeschafft.

In Vergangenheit hunderte NGOs vom Verfassungsschutz überprüft

Die Durchleuchtung aber ging weiter. Zwischen den Jahren 2015 und 2018 wurden zahlreiche zivilgesellschaftliche Projekte vom Verfassungsschutz geprüft. Bei insgesamt 51 Projekten leitete das Familienministerium damals Daten an den Inlandsgeheimdienst weiter, dem damals noch Hans-Georg Maaßen als Präsident vorstand. Maaßen wird heute selbst vom Bundesamt für Verfassungsschutz als Rechtsextremer geführt und beobachtet.

In den Jahren 2018 und 2019 soll der Verfassungsschutz dem Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages zufolge im Rahmen des Haber-Verfahrens ebenfalls „hunderte Nichtregierungsorganisationen“ durchleuchtet haben.

Familienministerium mauert

Wir haben beim Bundesfamilienministerium nachgefragt, was hinter der Ankündigung der Ministerin steckt – und ob dies „eine Änderung der bisherigen Überprüfungspraxis“ darstellt. Außerdem wollten wir wissen, wie viele Überprüfungen durch den Verfassungsschutz im laufenden Jahr sowie in den vergangenen fünf Jahren erfolgt seien.

Nach drei Tagen und mit wiederholter Fristverlängerung schickte uns eine Sprecherin des Ministeriums folgende Antwort, die keine unserer Fragen beantwortet:

Über das allgemein Zugängliche hinaus können keine näheren Informationen zum Prüfverfahren mitgeteilt werden. Die Wirkung des Verfahrens könnte ansonsten beeinträchtigt werden. Im Übrigen wurde und wird keine statistische Erhebung im BMBFSFJ zu Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden geführt.



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