Datenschutz & Sicherheit
Für Netzsperren braucht es jetzt einen Gerichtsentscheid
Die 18-jährige Abiturientin Lina hat sich mit den ganz Großen angelegt. Mit der Musikverwertungsgesellschaft Gema, der Deutschen Fußball Liga, den sechs größten deutschen Internetprovidern, dem Bundesverband Musikindustrie, dem Verband der deutschen Games-Branche, dem Fernsehsender Sky und weiteren Unternehmen und Verbänden. Und sie hat gesiegt.
Die Clearingstelle Urheberrecht im Internet (CUII), in der sich die Genannten organisieren, lässt Websites wegen mutmaßlicher Urheberrechtsverletzungen sperren. Künftig wird sie das nur noch tun, wenn es dazu einen Gerichtsentscheid gibt. Genau dafür hat Lina ein Jahr lang gekämpft. „Wenn eine private Organisation ohne Anhörung von Richter*innen entscheiden kann, welche Internetseiten sie sperrt, dann ist das ein Problem“, sagte sie zu Beginn ihres Kampfes zu netzpolitik.org.
Lina hat im August 2024 die eigentlich geheime Liste der Websites veröffentlicht, die in Deutschland wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen gesperrt sind. Einer der Internetprovider hatte die Liste aus Versehen offen ins Netz gestellt, ein Freund von Lina ist durch Zufall darauf gestoßen. Lina hat sie daraufhin auf einer eigenen Website gespiegelt.
Netzsperren mit mangelnder Sorgfalt
Mithilfe dieser Liste wies Lina nach, dass die Netzsperren nicht mit der gebotenen Sorgfalt ausgeführt wurden. So fand sie zum Beispiel heraus, dass viele Netzsperren länger wirkten als erlaubt. Daraufhin hoben die Internetprovider 39 unberechtigte Netzsperren wieder auf. Als nächstes fand Lina heraus, dass die Provider Seiten sperrten, die gar nicht mehr verfügbar waren.
Anfang 2025 begannen die Provider zu behaupten, dass die gesperrten Seiten nicht existieren würden. Auch das machte Lina öffentlich. Und nachdem der Provider 1&1 die versehentlich veröffentlichte Sperrliste gelöscht hatte, wies Lina auf dessen Fauxpas hin.
Lina hat dafür gesorgt, dass die CUII immer wieder im Fokus berechtigter Kritik stand. Der Bundesnetzagentur, die das Treiben der CUII beaufsichtigt, war das jetzt wohl zu viel.
Die Bundesnetzagentur will nicht mehr
„Die Bundesnetzagentur hat der CUII mitgeteilt, dass sie sich in Zukunft auf Ihre Pflichtaufgaben fokussieren möchte“, heißt es auf der kürzlich aktualisierten CUII-FAQ-Seite. Daher habe die Bundesnetzagentur die CUII gebeten, die Überprüfung mutmaßlich urheberrechtsverletzender Seiten künftig gerichtlich vornehmen zu lassen.
„Das große Problem der CUII war, dass es sich um eine private Organisation handelte, die den Rechtsweg umging und im Interesse von großen Firmen entschieden hat, wer was im Internet sehen darf. Dass diese Macht nun nicht mehr bei Konzernen liegt, sondern vor Gericht gehört, ist ein überfälliger Schritt“, sagt Lina dazu.
Jan Bernd Nordemann, Vorsitzender des Steuerungskreises der CUII, wird in einer CUII-Pressemitteilung so zitiert: „Für die CUII hat oberste Priorität, dass nur berechtigte Sperren umgesetzt werden. Das neue gerichtliche System gewährleistet das auch in der Zukunft.“
Die letzte Website, die die CUII den bei ihr versammelten Internetprovidern zur Sperrung empfohlen hatte, war nox.to. Die Empfehlung wurde am 28. Mai ausgesprochen. Es war schon keine Empfehlung mehr, wie man sie von der CUII bislang kannte – denn zur Sperrung von nox.to gab es tatsächlich eine Gerichtsentscheidung.
Ganz gibt die CUII nicht auf
Das finale Einknicken der CUII konnte Lina live verfolgen. Sie hatte sich ein Skript geschrieben, das die CUII-Seite alle 30 Sekunden auf Änderungen überprüft. „Vor fünf Minuten wurde die Seite der CUII-Empfehlungen geupdatet“, schrieb sie netzpolitik.org am 16. Juli. Auf der Seite steht nun: „Die auf dieser Seite veröffentlichte Liste erfasst die strukturell urheberrechtsverletzenden Webseiten, für die eine gerichtliche Sperranordnung erlassen wurde, mit dem Aktenzeichen der gerichtlichen Entscheidung. Die Liste enthält zudem die Empfehlungen des Prüfauschusses der CUII nach dem alten CUII-Verhaltenskodex (bis 06/2025).“
Damit war klar, dass die CUII ihre alte Praxis aufgibt, Websites ohne Gerichtsbeschluss sperren zu lassen. Eigentlich könnte sie sich jetzt auch auflösen. Denn die Sperrempfehlungen zu beschließen, war ihr zentraler Zweck. Ganz so weit wollen die versammelten Konzerne aber wohl doch nicht gehen. Kurz nach der Seite mit den Sperrempfehlungen wurde auch die Hauptseite geupdatet. Als künftige Aufgabe der CUII wird dort genannt: „koordiniert die Durchführung gerichtlicher Sperrverfahren und die Umsetzung von gerichtlichen Sperranordnungen.“ Außerdem kümmere sich die CUII, so die neuen FAQ, um die Entsperrung von nicht mehr rechtsverletzenden Domains. Ob sie dabei gründlich vorgeht, will Lina weiterhin dokumentieren.
Die CUII-Sperren sind übrigens ziemlich leicht zu umgehen. Eine Anleitung, wie das funktioniert, gibt es ebenfalls auf Linas Website.
Datenschutz & Sicherheit
KW 29: Die Woche, in der die Netzsperr-Institution aufgegeben hat
Die 29. Kalenderwoche geht zu Ende. Wir haben 17 neue Texte mit insgesamt 119.146 Zeichen veröffentlicht. Willkommen zum netzpolitischen Wochenrückblick.

Liebe Leser*innen,
Lina rockt. Über die 18-jährige Abiturientin habe ich inzwischen sieben Texte geschrieben. Denn Lina legt sich mit den ganz Großen an. Mit der Musikverwertungsgesellschaft Gema, der Deutschen Fußball Liga, den sechs größten deutschen Internetprovidern, dem Bundesverband Musikindustrie, dem Verband der deutschen Games-Branche, dem Fernsehsender Sky und weiteren Unternehmen und Verbänden.
Die Clearingstelle Urheberrecht im Internet (CUII), in der sich die Genannten organisieren, beschloss seit 2021, welche Domains in Deutschland wegen Urheberrechtsverletzungen gesperrt werden sollen. Lina, Fan der Netzneutralität, fand es nicht gut, dass sie dies ohne richterliche Kontrolle tun durfte. Deswegen hat Lina immer wieder auf Missstände bei der CUII aufmerksam gemacht. Und sie hat wohl letztlich gesiegt.
Die CUII hat diese Woche verkündet, dass ihr die Bundesnetzagentur angetragen habe, „dass sie sich in Zukunft auf Ihre Pflichtaufgaben fokussieren möchte“. Das heißt, sich um gerichtlich angeordnete Sperren zu kümmern.
Lina feiert das hart. Und wir ehrlich gesagt auch. Denn selbst wenn die Bundesnetzagentur es mit der Konzentration aufs Kerngeschäft erklärte, so hat das Vorgehen vielleicht auch etwas mit der schlechten Presse zu tun, für die Lina immer wieder gesorgt hat.
Wie genau der Beschluss zustande kam, dazu werden wir hoffentlich bald Details erfahren – und natürlich werden wir das aufschreiben. Denn Lina hat eine Informationsfreiheitsanfrage zur Kommunikation zwischen Bundesnetzagentur und CUII gestellt. Lina lässt nicht locker. Und das beeindruckt mich. Ich hatte mit 18 Jahren ehrlich gesagt nur Quatsch im Kopf. Diese junge Frau dagegen stürzt sich mit vollem Engagement und Durchhaltevermögen in den Kampf zur Durchsetzung ihrer ethischen Prinzipien. Respekt.
Es ist mir eine Freude, Linas wichtige Recherchen bekannt zu machen. Und auch ihr könnt es unterstützen, dass wir immer wieder über Linas Tun berichten und für die Freiheitsrechte kämpfen. Gerade läuft eine Kampagne, mit der wir stabile Spender*innen suchen, also Menschen, die bereit sind, unsere Arbeit mit einem kleinen Betrag monatlich zu unterstützen. Unsere Hoffnung ist, dass 300 Leute mitmachen. Bist du dabei?
Es würde mich sehr freuen!
Martin
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Cyberangriff auf Polizei-Server in MV: Politiker diskutieren Konsequenzen
Die Cyberattacke auf einen Server für Polizei-Diensthandys wird im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern weiterhin lebhaft diskutiert. Die Oppositionsparteien CDU und AfD erneuerten in Schwerin ihre Forderungen nach konsequenter Aufklärung der Hintergründe. Damit die IT der Polizei künftig besser geschützt ist, fordern sie technische Konsequenzen. Allerdings fanden weder der Maßnahmenkatalog der CDU noch die Forderung der AfD nach Einsetzung eines Sonderermittlers eine Mehrheit im Parlament.
Innenminister Christian Pegel (SPD) räumte erneut ein, dass Defizite im internen Meldesystem den Erfolg des Hackerangriffs begünstigt hatten. Warnhinweise zu Lücken in der Betreibersoftware des Servers für die Polizei-Handys seien mit deutlicher Verzögerung bei den zuständigen Stellen im Land angekommen. Gegenmaßnahmen seien so zu spät erfolgt. „Wir werden, und das ist unstreitig, in der Landespolizei künftig durch weitergehende organisatorische Absicherungen sicherstellen müssen, dass solche Warnmeldungen die zuständigen Beteiligten sicher erreichen“, sagte Pegel.
Server nicht mehr nutzbar
Nach seinen Angaben arbeitet eine Task Force aus Computerspezialisten des Landeskriminalamtes (LKA) weiterhin daran, Wege, Umfang und Auswirkungen des vermutlich von China aus erfolgten Hackerangriffs zu ermitteln. Der infiltrierte Server werde ersetzt, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass dort dauerhaft Schadsoftware installiert wurde, die einen illegalen Datenabfluss ermöglicht.
Unklar sei auch noch, ob tatsächlich Daten abgegriffen wurden, sagte Pegel. Immerhin sei sicher, dass keine sensiblen Ermittlungsakten nach außen gelangten, da diese auf besonders gesicherten, separaten Servern lägen. Zurzeit werde weiter untersucht, welche Auswirkungen der Hackerangriff auf die Polizei-Handys hatte, die aktuell nicht verwendet werden. Falls die rund 4000 Smartphones aus Sicherheitsgründen ersetzt werden müssen, ginge der Schaden in die Millionen. Für den neuen Server ist laut Pegel ein „niedriger sechsstelliger Betrag“ erforderlich.
Kritik von der Opposition
Die CDU-Abgeordnete Ann Christin von Allwörden warf der Landesregierung vor, unzureichend auf Hinweise zu „Defiziten in der IT-Sicherheitsarchitektur“ reagiert zu haben. Schwachstellen seien offenkundig nicht beseitigt worden. Allwörden forderte, die IT-Sicherheitsorgane im Land sowohl personell als auch technisch angemessen auszustatten. Zudem müsse das Frühwarnsystem zur Erkennung und Abwehr von Cyberangriffen verbessert werden.
Jens-Holger Schneider von der AfD äußerte Zweifel daran, dass LKA-Mitarbeiter als Unterstellte des Innenministeriums völlig unabhängig an der Aufklärung möglicher Fehler arbeiten könnten. Um alle Defizite aufzudecken und das Vertrauen in die IT-Sicherheit bei der Polizei wieder herzustellen, sei ein unabhängiger externer Sonderermittler nötig.
Anfang Juni hatte das Innenministerium über den Hackerangriff berichtet – über den Server, der die Polizei-Handys, die sogenannten mPol-Geräte, vernetzt. Mit den Handys können Streifenbeamte laut Ministerium telefonieren, Mails empfangen und verschicken, online Fahrzeughalter abfragen und Ausweispapiere prüfen. Zudem war auch die private Nutzung erlaubt. Ob das auch künftig so sein wird, werde geprüft, sagte Pegel.
(dwi)
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Wo war die Empörung, bevor es Deepfakes gab?
Viele Jahre lang haben Betroffene und Verbände vor bildbasierter Gewalt gewarnt. So nennt man es, wenn Menschen sexualisierte Aufnahmen ohne Einverständnis der Gezeigten verbreiten. Viele Jahre lang haben Journalist*innen immer wieder alarmierende Fälle bildbasierter Gewalt enthüllt. Nun hat auch die große Politik das Thema für sich entdeckt. Endlich.
Bildbasierte Gewalt hat es in eine EU-Richtlinie geschafft, in den schwarz-roten Koalitionsvertrag, und auch der Bundesrat und die Justizminister*innen der Länder machen inzwischen Druck.
Ein entscheidender Faktor für die neue Aufmerksamkeit dürfte der KI-Hype sein, genauer gesagt: die Sorge vor sexualisierten Deepfakes, also künstlich generierten Nacktaufnahmen. Sie sind die neuste Erscheinungsform bildbasierter Gewalt. „Deepfake“ ist ein massenkompatibler, geradezu modischer Begriff. Er klingt nach Zukunft, Cyber und technologischem Fortschritt. Kurzum, das Wort ist attraktiv für Massenmedien und Politik.
Vor Jahren war vermehrt von „Rachepornos“ die Rede. Gemeint waren damit oftmals intime Aufnahmen, die während einer Beziehung entstanden sind und danach von Ex-Partner*innen verbreitet wurden. Viele Betroffene lehnen diesen Begriff aber ab. Sie wollen ihre Aufnahmen nicht als „Porno“ verstanden wissen; und das Wort „Rache“ kann den Anschein erwecken, die Täter*innen hätten ein legitimes Motiv. So etablierte sich stattdessen der Begriff bildbasierte, sexualisierte Gewalt.
Deepfakes machen Kampf gegen bildbasierte Gewalt attraktiv
Anscheinend war es jedoch schwer, mit diesem Begriff größere politische Aufmerksamkeit zu bekommen. Wahrscheinlich war (und ist) er für manche zu nüchtern-technisch oder zu feministisch. Immerhin geht es um die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen, denn bildbasierte Gewalt ist oftmals geschlechtsspezifisch. In einer nach wie vor patriarchal geprägten Welt dürften manche allein schon deshalb einen Bogen um das Thema machen.
Mit Deepfakes hat sich die Situation verändert. Nicht-einvernehmliche Nacktfotos lassen sich inzwischen kostenlos im Browser generieren; als Vorlage genügt ein Foto aus sozialen Medien. Das ändert nicht nur die Verfügbarkeit bildbasierter Gewalt, sondern auch ihr Image. Auf einmal ist bildbasierte Gewalt eine der vielen Gefahren durch sogenannte generative Künstliche Intelligenz. Und KI ist das internationale Hype-Thema, befeuert durch Milliarden-Investitionen der reichsten Konzerne der Welt.
Es gibt noch einen Faktor, der den Kampf gegen Deepfakes für Politik und Medien attraktiv macht: Zum Ziel von nicht-einvernehmlichen, sexualisierten Deepfakes werden auch Promis wie Taylor Swift. Solche Fälle lösen Wellen an Solidarität aus. Zwar verdienen unbekannte Menschen ebenso Schutz wie weltbekannte Stars; dennoch dürfte dieser Promi-Faktor dazu beitragen, das Bewusstsein dafür zu pushen. Selbst die rechtsradikale Trump-Regierung, die für ein feministisch gelesenes Thema niemals den Finger rühren würde, setzt sich gegen nicht-einvernehmliche Deepfakes ein.
Die Gefahr von Trend-Politik
Nun könnte man sagen: Egal, wie oberflächlich die Gründe sind – Hauptsache, bildbasierte Gewalt bekommt endlich mehr Aufmerksamkeit. Da ist auch etwas dran. Andererseits tritt dabei auf verstörende Weise zutage, wie sehr sich politisches Momentum an Hypes orientiert statt an den tatsächlichen Bedürfnissen von Menschen.
Hinzu kommt eine weitere Gefahr: Der aktuelle Fokus auf Deepfakes kann andere Formen bildbasierter Gewalt in den Hintergrund drängen und damit die Anliegen der Betroffenen unsichtbar machen. Die Kopplung an den KI-Trend birgt zudem das Risiko, dass politische Bemühungen versanden, sobald der Hype verklingt.
Justizminister*innen fordern mehr Schutz gegen bildbasierte Gewalt
In ihrem jüngsten Beschluss schreiben die Justizminister*innen der Länder, bildbasierte Gewalt sei „nicht zuletzt durch den Einsatz künstlicher Intelligenz zu einem zunehmend relevanten Phänomen geworden“. Die Relevanz ist jedoch kein Ergebnis von KI-Einsatz. Bildbasierte Gewalt, bei der Täter*innen oftmals systematisch intime Aufnahmen ohne Einverständnis verbreiten, gibt es seit Jahren im Netz.
Während mit Pornhub und xHamster zwei der weltgrößten Pornoseiten inzwischen umfassend gegen anonyme Uploads vorgehen und das Problem auf ihren Seiten eindämmen, weichen Täter*innen auf weniger bekannte Plattformen aus.
Der Fall „D.“
Wie das konkret aussehen kann, zeigt das Beispiel von „D.“. Er war einer der besonders aktiven Nutzer auf einer Pornoseite, die laut Impressum auf Zypern registriert ist. Dort hat er rund 10 Millionen Bilder veröffentlicht, bevor sein Account eines Tages offline ging. In seiner öffentlichen Account-Beschreibung schrieb er auf Englisch, keine der Aufnahmen gehöre ihm. „Fühlt euch frei, JEGLICHE meiner Inhalte zu teilen“, schrieb er.
Die inzwischen gelöschten Uploads erweckten nicht den Anschein, aus professionellen Shootings zu stammen, sondern eher aus privater Quelle. Das ist typisch für online zur Schau gestellte Sammlungen bildbasierter Gewalt. Die Aufnahmen können etwa von gehackten Fotodiensten kommen; von versteckten Kameras aus Umkleidekabinen und öffentlichen Toiletten – oder von Ex-Partner*innen, die Fotos aus der ehemaligen Beziehung ins Netz gestellt haben.
D. hatte die Aufnahmen in durchnummerierten Ordnern sortiert: 45.465, 45.466 und so weiter. Auf Anfrage erklärte D., er habe alles händisch hochgeladen, es sei „eine Menge Arbeit“. Warum das alles? „Ich denke, es ist etwas, das mit der Zeit gewachsen ist, und man könnte sagen, es ist wirklich eine Herzensangelegenheit“. Unrechtsbewusstsein ließ er nicht erkennen, weitere Fragen beantwortete er nicht.
Untypisch am Fall D. ist allein die hohe Anzahl seiner Uploads. Abgesehen davon ist er nur einer von unzähligen Männern im Netz, die Nacktfotos als Beute und Sammelware betrachten; sie massenhaft horten und verbreiten. Für Betroffene lässt sich kaum nachverfolgen, wo ihre Aufnahmen kursieren.
KI-Fokus wird Problem nicht gerecht
Beispiele wie der Fall D. rücken die aktuellen Debatten um bildbasierte Gewalt in ein anderes Licht. Deepfakes verstärken bildbasierte Gewalt, aber auch ohne Deepfakes ist das Ausmaß bildbasierter Gewalt enorm. Der Fokus auf das Hype-Thema KI wird dem Problem nicht gerecht. Wer nahelegt, dass bildbasierte Gewalt erst durch Deepfakes ein alarmierendes Ausmaß annehme, könnte ungewollt die Marginalisierung der Betroffenen verstärken.
Strengere und passende Gesetze, wie sie derzeit diskutiert werden, können Betroffenen lange erwartete juristische Werkzeuge an die Hand geben. Die Flut an bildbasierter Gewalt können diese Gesetze aber auch nicht stoppen. Die Wurzel des Problems dürfte weitaus tiefer liegen, und zwar in der offenkundigen Entmenschlichung von Frauen durch oftmals männliche Täter. Und damit kommen wir zu einem Begriff, der leider nicht so massenkompatibel ist wie Deepfakes. Es ist der nach wie vor bitternötige Kampf gegen: Sexismus.
Rat und Hilfe für Betroffene sexualisierter Gewalt gibt es in Deutschland bei bundesweiten Frauenberatungsstellen und Frauennotrufen, in der Schweiz bei der Frauenberatung, in Österreich beim Frauennotruf.
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