Datenschutz & Sicherheit
Was tun, wenn der Computer nicht für Windows 11 geeignet ist?
Heute ist der letzte Tag des Supports für das Betriebssystem Windows 10. Der Anbieter Microsoft empfiehlt einen Umstieg auf Windows 11. Eine Gnadenfrist gibt es für Windows-10-Geräte noch, wenn man sich für das Programm Extended Security Updates (ESU) registriert. Aber auch dieses Programm endet unweigerlich, nämlich am 13. Oktober 2026.
Windows-10-Nutzer stehen vor einem Problem: Nach Ablauf des Software-Supports durch Microsoft erhalten sie keine Sicherheitsupdates mehr und werden dadurch unweigerlich mit erheblichen Sicherheitsproblemen konfrontiert. Denn längst nicht jeder Computer ist für ein Update auf Windows 11 tauglich. Millionen Menschen müssen daher eigentlich voll funktionsfähige Computer ersetzen, wenn sie die hohen Anforderungen des Updates nicht erfüllen.
Aber Microsoft ist nicht alternativlos. Wer sich von Windows verabschieden und dem Open-Source-System Linux schon immer mal eine Chance geben und es ausprobieren wollte, hat gerade viele Möglichkeiten, sich dabei helfen zu lassen. Denn weil das zeitliche Ende von Windows 10 gekommen ist, bieten sich mehr Gelegenheiten als sonst, dabei praktische Hilfe zu bekommen.
Das liegt an Menschen wie Harald Reingruber. Er hat Informatik an der TU Wien studiert und kümmert sich beruflich um die Entwicklung von 3D-Visualisierungsmodulen für Krankenhaussoftware. Er hilft außerdem dabei, ältere Hardware wieder benutzbar zu machen, und organisiert mit weiteren Helfern ein Repair-Café in Oberösterreich. Und er engagiert sich bei der Kampagne „End of 10“, die Umstiegswillige unterstützt, wenn sie ihren Computern mit Linux eine erste oder zweite Chance geben wollen.
Wir haben mit Harald Reingruber über den Umstieg auf Linux und über die Initiative „End of 10“ gesprochen. Er erzählt, wie er solche Veranstaltungen zur Umstiegshilfe gestaltet und was typische Fragen sind. Wie fragen ihn auch, was die Motivationen der Menschen sind, die Windows hinter sich lassen wollen.
Was ist „End of 10“?
netzpolitik.org: Harald Reingruber, wie kamst Du zu der Initiative „End of 10“ und was machst Du dabei?
Harald Reingruber: Ich bin dazugestoßen über ein Reparatur-Initiativen-Netzwerk in Deutschland. Dort war ein Webinar darüber ausgeschrieben worden, wie man mit Linux das Windows-10-Update-Problem lösen kann für die Computer, die Windows 11 nicht unterstützen. Das war speziell für Repair-Cafés, denn das ist deswegen ein Thema, weil mit Ende von Windows 10 viel Elektroschrott auf uns zukommt.
So bin ich dazugestoßen und habe gesehen, wie man mitmachen kann, und mich in den Community-Chat reingehängt. Ich habe angefangen, Workshops für Repair-Cafés zu planen, und bin dann gefragt worden, ob ich mitmachen will. So bin ich da reingewachsen, das hat super gepasst.

netzpolitik.org: Wer steckt hinter der Initiative „End of 10“?
Harald Reingruber: Angestoßen wurde sie von KDE Eco, einer Gemeinschaft von Leuten, die Freie Software unterstützen. „End of 10“ ist Distro-unabhängig, also offen für verschiedene Linux-Varianten. Es ist der Versuch, aus dem ganzen Free-Software- und Linux-Umfeld die Kräfte zusammenzuziehen. Wir geben keine speziellen Distro-Empfehlungen ab.
netzpolitik.org: Wenn Du in einem Repair-Café Leuten Hilfe zum Umstieg auf Linux anbietest, wie gehst Du vor?
Harald Reingruber: Meistens erkläre ich ihnen, wenn sie es nicht ohnehin schon wissen, dass und warum ihr Computer nicht für Windows 11 geeignet ist. Manche interessieren sich aber einfach nur für Linux, das kommt auch manchmal vor. Ich versuche dann auch, schnell einmal ein Linux vom USB-Stick zu booten. Das ist ja das Geniale, dass man das schnell zeigen kann.
Das Erklären ist sonst oft abstrakt. Viele haben schon mal von Linux gehört, aber können sich nicht wirklich was darunter vorstellen. Man kann es in ein paar Minuten einfach direkt am Laptop sehen, dann bekommt das eine ganz andere Dimension.
netzpolitik.org: Wie vielen Leuten gleichzeitig kannst Du Hilfe anbieten?
Harald Reingruber: Wir schauen, dass es immer nur so eine Handvoll Teilnehmer sind. Je nachdem, wie die Gruppe drauf ist, schauen wir uns zwei oder drei verschiedene Distros an, also Linux-Varianten. Manche Distros haben sich schon herauskristallisiert, weil sie speziell für Windows-Umsteiger praktisch sind und auch gut funktionieren auf verbreiteter Hardware.
Ich versuche meistens, gleich einen Eindruck davon zu geben. Das hat für viele einen Wow-Effekt, dass man einfach einen USB-Stick ansteckt und dann läuft das auf ihren Rechnern und hat nichts mit dem Windows zu tun, was dort installiert ist. Manche sind überrascht, dass die Unterschiede weniger krass sind, als sie erwartet haben. Es gibt ja viele Mythen um Linux. Viele sind auch positiv überrascht, dass auch LibreOffice ziemlich vertraut wirkt.
„Fast nur Linux Mint“
netzpolitik.org: Welche Distros, also Varianten von Linux, empfiehlst Du Menschen, die gewöhnt sind, Windows zu benutzen?
Harald Reingruber: Wir haben in meinem Repair-Café fast nur Linux Mint installiert. Das hat einige Vorteile, denn es ist stark verbreitet. Das heißt, man findet leicht jemanden, der Erfahrung damit hat. Und die Oberfläche ist sehr intuitiv, die Installationsprozesse sind relativ einfach.
Linux Mint läuft auch auf älteren Geräten überraschend gut. Wenn nicht, würde ich eine MX-Linux-Variante ausprobieren. Nach dem Booten vom USB-Stick kann man einen Browser mit einer etwas anspruchsvolleren Website öffnen. Dann hat man normalerweise schon einen guten Eindruck.
netzpolitik.org: Wenn die Leute dann einen Blick auf Linux Mint oder eine andere Linux-Variante geworfen haben, was sind die typischen Fragen, die kommen?
Harald Reingruber: Die erste Frage ist oft: Wie kriegt man die Daten drauf? Da hat sich bei uns bewährt, dass wir ein paar Festplatten auf Vorrat gekauft haben. Wir bieten meistens an, gegen Selbstkosten die Festplatte zu tauschen und in ein externes Gehäuse zu geben.
Das ist relativ preiswert: Eine 250-Gigabyte-Festplatte, was für die meisten Leute reicht, kostet um die zwanzig Euro, plus etwa zehn Euro für das Gehäuse. Da kann man auch mit geringem finanziellen Aufwand ein paar Festplatten auf Vorrat kaufen. Das hat auch noch folgenden Vorteil: Falls irgendwas nicht klappt, kann man relativ rasch auch wieder die alte Festplatte benutzen.
Digitale Unabhängigkeit
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Wie viel Zeit braucht man?
netzpolitik.org: Wie lange dauert so ein Workshop zum Umstieg auf Linux?
Harald Reingruber: Unsere Veranstaltungen dauern drei bis vier Stunden. Meistens ist die Datenmigration der aufwendigste Teil. Die Installation auf der Festplatte geht relativ flott. Falls unerwartete Probleme auftreten, etwa ein Gerät oder ein Treiber nicht unterstützt wird, kann man wieder zurückgehen. Wir geben auch dem Benutzer die Festplatte mit. Das heißt, er hat auch drei Wochen später noch die Möglichkeit, auf sein altes System zurückzugehen, wenn er das will. Bis jetzt ist das zum Glück noch nicht vorgekommen.
netzpolitik.org: Wer kreuzt bei solchen Veranstaltungen auf, was sind das für Menschen?
Harald Reingruber: Das ist wirklich ganz unterschiedlich. Altersmäßig kommen viele Ältere, weil ihnen wichtig ist, Geräte zu reparieren und lange zu nutzen. Das sind Werte, die ihnen wichtig sind, sie brauchen oft nicht immer die neuesten Gadgets. Aber Dreißigjährige kommen genauso.
Manche kommen mit einem neuen Laptop und sagen, dass sie sich sowieso schon länger für Linux interessieren und entschieden haben, es einfach auf dem neuen Gerät auszuprobieren, weil da noch keine Daten drauf sind. Einige kommen dann bei einem zweiten Termin auch noch mit einem zweiten Rechner, weil der erste Eindruck sehr gut war.
Eine neue Art zu leben
Wie kommt man auf die Website von „End of 10“?
netzpolitik.org: Auf der Website von „End of 10“ findet man eine Menge verschiedener Veranstaltungen, europaweit, eigentlich sogar weltweit, aber mit einem Fokus auf Europa. Wollte man jetzt selbst so eine Veranstaltung anbieten und Leuten helfen, auf Linux umzusteigen: Wie kommt man auf die Liste auf der Website?
Harald Reingruber: Man kann das direkt über einen Pull-Request machen, es gibt eine Anleitung dazu im Repo. Aber es gibt auch eine E-Mail-Adresse. Wer jetzt mit Git und Pull- und Merge-Requests nicht so vertraut ist, der schreibt die Daten von der Veranstaltung in eine E-Mail. Das wird innerhalb von ein paar Tagen auf die Website gestellt.
netzpolitik.org: Gibt es irgendwelche Einschränkungen? Welche Veranstaltungen sind nicht für eure Liste geeignet?
Harald Reingruber: Ein Individuum allein kann sich nicht anmelden. Man sollte sich als eine Gruppe anmelden, also etwa ein Repair-Café oder eine Linux User Group oder ein Verein. Wenn man ein Business betreibt, kann man das auch angeben.
Die Website unterscheidet zwischen „Events“, also Veranstaltungen , und „Places“, also Orten. Je nachdem, ob man einmalig spezielle Veranstaltungen anbietet oder ob man das regelmäßig anbietet, mit regelmäßigen Öffnungszeiten, kann man sich auch als Ort registrieren.
Auf Vertrauensbasis
netzpolitik.org: Generell gesprochen: Wer also dabei hilft, von Windows 10 umzusteigen, der ist bei euch richtig?
Harald Reingruber: Ja. Wir machen aber keine Qualitätssicherung, sondern setzen auf eine Vertrauensbasis. Wenn eine Veranstaltung nicht hilfreich war oder jemand unerwartet schlecht oder falsch beraten hat, dann kann man das natürlich auf der Website melden. Aber bisher gab es solche Probleme nicht.
netzpolitik.org: In den letzten Tagen gab es die Nachricht darüber, dass sich der Stichtag für das Windows-10-Ende insofern verschiebt, dass bei einer Registrierung für das Microsoft-ESU-Programm bis zum 13. Oktober 2026 nun doch noch Support für Windows 10 angeboten wird. Denkst Du, Microsoft reagiert damit auch auf solche Initiativen wie eure? Was könnte der Hintergrund sein für die Entscheidung, das Ende ein bisschen hinauszuschieben?
Harald Reingruber: Darüber kann ich natürlich nur spekulieren. Die europäischen Verbraucherschutzorganisationen haben auch Druck gemacht, was wahrscheinlich etwas bewirkt hat. Vielleicht bemerkt Microsoft, dass sich viele Leute nach Alternativen umschauen.
Wir wollen klar sagen: Ein Jahr ist es nur aufgeschoben. Man muss auch seinen Windows-10-Rechner mit dem Microsoft-Konto verknüpfen, damit man den „Gratis Extended Support“ bekommen kann. Die Frage ist, warum man warten sollte, denn ein Jahr später kommt das Problem ja wieder. Es lohnt sich also, auf eine mittelfristige oder langfristige Lösung hinzuarbeiten. Aber es nimmt vielleicht ein bisschen den Druck raus. Man kann sich ein bisschen Zeit nehmen, wenn man die Möglichkeit mit dem Microsoft-Konto nutzen will, und sich Linux einmal genau anschauen und ausprobieren.
Sehr viele Geräte müsste man aus dem Verkehr ziehen
netzpolitik.org: Hat die Verschiebung durch Microsoft auch eine Auswirkung auf Leute, die beim Umstieg auf Linux helfen wollen?
Harald Reingruber: Diejenigen, die sich jetzt auch engagieren wollen in ihrem Hackspace oder in ihrem Repair-Café oder vielleicht auch an der Uni, wenn sie dafür Räume haben, um sowas anzubieten, könnten natürlich jetzt die Chance nutzen. Denn die Frist ist verlängert, ich sehe das jetzt mal positiv.
Das Windows-10-Problem verschwindet nicht mit dem 14. Oktober von der Bildfläche. Es ergibt auch im nächsten Jahr noch Sinn, Umstiegsveranstaltungen anzubieten, wahrscheinlich auch darüber hinaus.
netzpolitik.org: Du hast vorhin Elektroschrott erwähnt. Siehst Du darin das größte Problem durch das Support-Ende von Windows 10 oder was ist aus Deiner Sicht das Übelste daran?
Harald Reingruber: Bei jeder Windows-Version wurde nach einigen Jahren der Support eingestellt. Das größte Problem ist diesmal eigentlich, dass die neuen Windows-Anforderungen so hoch gesetzt sind und Rechner, die gerade mal fünf Jahre alt sind, diese Anforderungen schon nicht mehr erfüllen. Das ist Elektroschrott quasi, denn sehr viele Geräte müsste man einfach aus dem Verkehr ziehen. Der größte CO²-Verbrauch entsteht ja in der Produktion und nicht in der Nutzung von einem Laptop. Kollegen von unserer „End of 10“-Kampagne haben herausgefunden, dass man ein Gerät eigentlich zwanzig oder dreißig Jahre nutzen müsste.
IT-Sicherheit als Argument zum Umstieg
netzpolitik.org: Ich würde jetzt vermuten: Du bist ein langjähriger Linux-Nutzer, nicht wahr?
Harald Reingruber: Ja, ich bin aber berufsbedingt und teilweise auch privat noch viel mit Windows unterwegs. Ich bin ein bisschen wie ein Raucher, der eigentlich schon weiß, dass er aufhören will.
netzpolitik.org: Das heißt aber auch: Du kennst auch beide Systeme. Das ist ja vielleicht ein Vorteil bei der Umstiegshilfe, oder?
Harald Reingruber: Ja, das ist schon ein Vorteil. Ich bin auch nicht „religiös“, was Linux oder Windows angeht, ich finde die Open-Source-Vorteile aber sehr groß. Auch aus politischer Sicht ist in öffentlichen Institutionen Open-Source-Software zu bevorzugen, auch mit Blick auf die Lizenzkosten. Würde man diese Gelder in die Weiterentwicklung von offener Software investieren, dann würde auch viel mehr Wertschöpfung in Europa bleiben.
netzpolitik.org: Hast Du den Eindruck, dass die Leute, die zu Dir kommen und denen Du hilfst, auch ein ökonomisches Problem lösen wollen, weil die Kosten eines Neugeräts oder generell die Kosten, die mit Windows und dem Update verbunden sind, ihnen zu hoch sind? Kommen sie auch, weil sie es einfach nicht bezahlen können oder wollen?
Harald Reingruber: Den Eindruck habe ich nicht, die Motivation ist schon eher politisch oder ökologisch. Ich beobachte, dass die Leute es oft so sehen: Das Gerät funktioniert ja noch, das will ich eigentlich nicht wegwerfen. Teilweise wissen sie auch noch gar nicht, ob sie es dann selber weiternutzen oder andere Verwendungszwecke dafür finden, sei es jetzt für Kinder oder Bekannte oder als Zweitgerät.
netzpolitik.org: Ist IT-Sicherheit auch ein Argument für die Leute?
Harald Reingruber: Die Fragen nach IT-Sicherheit kommen, das können Laien aber nicht so gut einschätzen. Dass Linux sicherheitsmäßig Vorteile hat und eine sehr sichere Umgebung ist, das ist den meisten vorher nicht klar. Ich glaube, das ist schon ein starkes Argument.
netzpolitik.org: Vielen Dank für das Gespräch!
Datenschutz & Sicherheit
25 EU-Staaten wählen den billigen Weg
Vertreter*innen von 25 EU-Staaten sowie Norwegen und Island haben eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet. Es geht um Maßnahmen zum Schutz von Minderjährigen im Netz. Nur von Estland und Belgien fehlt eine Unterschrift. Angestoßen hat die sogenannte Jütland-Erklärung die dänische Ratspräsidentschaft. Im Mittelpunkt stehen Forderungen nach neuen EU-Regeln. Sie sollen mehr strenge Alterskontrollen und ein Mindestalter für sozialen Medien vorschreiben.
Für die deutsche Regierung haben Digitalminister Karsten Wildberger (CDU) und Familienministerin Karin Prien (CDU) unterschrieben. Das irritiert, schließlich hatte sich das Kabinett im September darauf geeinigt, dass zunächst eine eigens eingesetzte Kommission aus Expert*innen ein Jahr lang Lösungen erarbeiten soll. Die Unterschriften der deutschen Minister*innen nehmen das Ergebnis der Kommission zwar nicht vorweg. Sie werfen aber die Frage auf, wie sehr sich die Regierung für die Arbeit der Kommission interessiert.
Die Illusion wirksamer Alterskontrollen
Die Jütland-Erklärung fügt sich ein in internationale Bestrebungen nach strengeren Alterskontrollen im Netz. Inhaltlich bringt sie die Debatte um Jugendmedienschutz jedoch nicht weiter, im Gegenteil. Der Fokus auf Alterskontrollen senkt das Niveau der Debatte. So heißt es in der Erklärung, aus dem Englischen übersetzt:
Es besteht die Notwendigkeit nach wirksamer und datenschutzfreundlicher Altersverifikation in sozialen Medien und anderen relevanten digitalen Diensten, die ein erhebliches Risiko für Minderjährige darstellen.
Mit diesen Worten beweisen die Unterzeichner*innen, das sie weiterhin einer Illusion erliegen. Es existiert nämlich keine Technologie, die Alterskontrollen wirksam und datenschutzfreundlich möglich macht. Um solche Kontrollen auszutricksen, genügen kostenlose Werkzeuge für digitale Selbstverteidigung, darunter VPN-Dienste, der Tor-Browser oder alternative DNS-Server. Das zeigt etwa der sprunghafte Anstieg der VPN-Nutzung in Großbritannien, wo Alterskontrollen jüngst auf Grundlage des Online Safety Acts verschärft wurden.
Datenschutzfreundliche Alterskontrollen sind zwar technisch denkbar, in der Praxis können sie aber nicht überzeugen. Selbst der als internationales Vorbild entworfene Prototyp der EU-Kommission setzt aktuell noch immer auf pseudonyme statt anonyme Kontrollen, und steht damit nicht im Dienst von Datenschutz und Privatsphäre. Bis Ende des Jahres will die Kommission allerdings nachbessern.
Zudem zeigt der jüngste Hack auf geschätzt 70.000 Ausweisdaten von Discord-Nutzer*innen, wie Alterskontrollen in der Praxis zum Datenschutz-Albtraum werden können. Ein frisches Gutachten aus Australien zeigt: Das ist kein Einzelfall. Wie sollen Nutzer*innen wissen, ob sie es gerade mit einem vertrauenswürdigen Kontrollsystem zu tun haben oder nicht?
Fachleute: Alterskontrollen kein Wundermittel
Hinzu kommt: Derzeit gibt es im EU-Recht kaum Spielraum für pauschale Alterskontrollen, wie sie den EU-Mitgliedstaaten offenbar vorschweben. Stattdessen bieten einschlägige Gesetze wie das Gesetz über digitale Dienste (DSA) und die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-RL) differenzierte Ansätze, je nach Art des Dienstes und des Risikos für Minderjährige.
Die Unterzeichner*innen der Jütland-Erklärung fordern deshalb neue und strengere EU-Gesetze. Konkret heißt es: „Es besteht Notwendigkeit zu prüfen, ob weitere Maßnahmen erforderlich sind, um den DSA zu ergänzen.“
Für das exakte Gegenteil argumentiert eine jüngst veröffentlichte Analyse der gemeinnützigen Denkfabrik Interface. „Denken Sie zweimal darüber nach, bevor Sie Alterskontrollen in verbindliches Recht auf EU-Ebene aufnehmen“, warnt darin Analystin Jessica Galissaire. Ihr Papier stellt die in der Jütland-Erklärung behauptete Notwendigkeit solcher Regeln in Frage.
Was Kinder im Netz erleben, und was Politik daraus lernen kann
Ausführlich beschreibt sie, dass selbst sehr große Plattformen wie Instagram, TikTok, Roblox oder YouTube bereits existierende Regeln schleifen lassen. Aufsichtsbehörden fehle es an Mitteln zur Durchsetzung, Zuständigkeiten seien unklar. Plattformen wiederum würden die rechtlichen Unschärfen ausnutzen, um weiter ihr eigenes Süppchen zu kochen. Alterskontrollen, warnt Interface, können und sollten nicht als Wundermittel („silver bullet“) behandelt werden.
Heiße Luft statt Argumente
Tatsächlich sind die Risiken für Kinder und Jugendliche zu vielfältig, um sie mit einer Maßnahme aus dem Weg räumen zu können. Zu nennen sind nicht nur potenziell verstörende Inhalte, sondern auch manipulative und süchtig machende Designs, Kontaktaufnahme durch böswillige Fremde oder Cybermobbing. Für diese und weitere Risiken braucht es spezifische Maßnahmen – und dafür wurden schon Grundlagen geschaffen.
So sieht das relativ junge Gesetz über digitale Dienste (DSA) vor, dass Dienste ihre jeweiligen Risiken einschätzen und eindämmen müssen, sonst drohen Strafen. Wie Maßnahmen aussehen können, hat die EU jüngst in DSA-Leitlinien ausbuchstabiert. Es geht etwa um Einschränkungen von unendlichem Scrollen und von Push-Benachrichtigungen und um sichere Voreinstellungen für Kontaktaufnahmen.
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Diese Vielfalt der Risiken versucht die Jütland-Erklärung einzufangen, argumentiert jedoch unschlüssig. So seien „wirksame“ Alterskontrollen (die es wohlgemerkt nicht gibt) ein essentielles Werkzeug, „um die negativen Auswirkungen von illegalen und nicht altersgerechten Inhalten, schädlichen Geschäftspraktiken, süchtig machenden oder manipulativen Designs sowie übermäßiger Datenerhebung – insbesondere bei Minderjährigen – zu verringern.“
Das Zitat erweckt den Anschein einer Argumentation, entpuppt sich bei näherer Betrachtung jedoch als heiße Luft. So schützen Alterskontrollen nicht „insbesondere“ Minderjährige, nein, sie schützen, wenn überhaupt, ausschließlich Minderjährige. Denn wer eine Alterskontrolle überwindet, wird vor den aufgezählten Risiken ganz und gar nicht geschützt.
„Illegale“ Inhalte sind, wie das Wort es schon sagt, bereits illegal. Warum sollten Plattformen, die nicht konsequent gegen illegale Inhalte vorgehen, konsequent gegen Zugriff durch Minderjährige vorgehen? Ebenso sind Risiken wie süchtig machende und manipulative Designs und übermäßige Datenerhebung auf Grundlage anderer EU-Gesetze wie etwa dem DSA oder der DSGVO bereits reguliert.
Forderung ist Zeichen politischer Schwäche
Es scheint, als wollten die Mitgliedstaaten einmal großzügig Alterskontrollen über allerlei Missstände bügeln, gegen die es bereits Regeln gibt. Das ist weder angemessen noch erforderlich – und damit keine seriöse Grundlage für Gesetzgebung. Zugleich ist die Forderung nach Alterskontrollen ein Zeichen politischer Schwäche. Es ist teuer und mühsam, die Einhaltung bereits bestehender Gesetze durchzusetzen. Es ist dagegen bequem und billig, sich neue Gesetze auszudenken.
Behörden müssen oftmals vor Gericht ziehen, weil sich betroffene Unternehmen mit aller Macht gegen gesetzliche Einschränkungen wehren; vor allem, wenn sie deren Einnahmen schmälern könnten. Gerade bei Verbraucher- und Datenschutz müssen Aufsichtsbehörden oftmals für die Grundrechte der EU-Bürger*innen kämpfen.
Von echtem Kampfgeist ist in der Jütland-Erklärung jedoch keine Spur. Eher symbolisch merken die Vertreter*innen an, es sei „notwendig“, dass süchtig machende und manipulativen Designs „adressiert“ werden. Wie und von wem auch immer. Eltern solle man der Erklärung zufolge informieren, aber auch nicht in die Verantwortung nehmen. Dabei hätte niemand mehr Einfluss auf das Wohlbefinden von Kindern als Eltern und Aufsichtspersonen.
Strengere Regeln zu Alterskontrollen sollen es also richten, noch bevor die gerade erst geschaffenen Instrumente des DSA ihre Wirkung entfalten konnten. So sieht das aus, wenn Politiker*innen einen bequemen und billigen Weg einschlagen.
Datenschutz & Sicherheit
77 Prozent betroffen: Kleine Unternehmen jetzt ohne MS-Office-Support
Heute endet der Herstellersupport für Microsoft Office 2016 und 2019 – und stellt damit viele kleine Unternehmen in Deutschland vor ein Sicherheitsrisiko. Laut der aktuellen KMU-Studie des Groupware- und Security-Anbieters Intra2net erhalten nun 77 Prozent dieser Betriebe keine Sicherheitsupdates mehr für ihr Office-Paket.
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Grund dafür ist die schleppende Migration auf aktuelle Versionen: Office 2016 und 2019 sind mit einer Installationsquote von 65 Prozent weiterhin die dominierenden On-Premises-Pakete, folglich stehen Nutzer jetzt unter unmittelbarem Handlungsdruck. Auffällig ist, dass der Marktanteil von Office 2016 im vergangenen Jahr stabil geblieben ist, während weitere 12 Prozent der Unternehmen sogar noch ältere Versionen wie Office 2010 oder 2013 einsetzen, die seit Jahren ohne Support laufen. Ihr Anteil ging seit einem Jahr ebenfalls nur knapp zurück.
(Bild: Intra2net AG)
Die Studie zeigt, dass bei einem Wechsel zumeist direkt auf Office 2024 migriert wird. Das neueste On-Premises-Paket kommt derzeit auf einen Marktanteil von 8 Prozent, hauptsächlich durch Umsteiger aus Office 2019. Office 2021 spielt hingegen bei aktuellen Migrationen kaum noch eine Rolle, die Suite konnte sich nicht etablieren.
Nicht nur Office
Intra2net-Vorstand Steffen Jarosch sieht dringenden Handlungsbedarf: „Die Ergebnisse sind alarmierend, aber keine Überraschung. Viele kleine Unternehmen haben die letzten zwölf Monate nicht genutzt, um ihr Office-Paket rechtzeitig zu aktualisieren. Zusammen mit dem Supportende von Windows 10 entsteht ein massiver Migrationsdruck – zumal Microsoft für Office keine kostenpflichtige Übergangslösung mit erweiterten Sicherheitsupdates anbietet.“
Neben MS Office und Windows 10 steht Nutzern außerdem mit dem Supportende von Exchange 2016 sowie 2019 aktuell weiterer dringender Migrationsaufwand an. Für die Analyse wertete Intra2net im September 2025 Daten aus 1.567 PC-Arbeitsplätzen in 104 deutschen Unternehmen mit jeweils 10 bis 49 Mitarbeitern aus. Berücksichtigt wurden dabei ausschließlich Betriebe ohne Hosted Exchange oder Microsoft 365. Informationen zur Studie finden sich hier.
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(fo)
Datenschutz & Sicherheit
Jetzt patchen: Veeam Backup & Replication anfällig für Remote Code Execution
In mehreren Versionen von Veeams Backup & Replication klaffen zwei kritische Sicherheitslücken, die die Backup-Lösung verwundbar für Remote Code Execution (RCE), also Schadcode-Ausführung aus der Ferne, durch authentifizierte Domain User machen. Ein Patch schließt die Lücken CVE-2025-48983 und CVE-2025-48984, die jeweils mit einem CVSS-v3.1-Score von 9.9 bewertet wurden und damit kritisch sind.
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Von den RCE-Lücken betroffen sind laut Sicherheitshinweis der Entwickler alle Veeam Backup & Replication-Versionen der 12-er Reihe bis einschließlich 12.3.2.3617. Der am heutigen Dienstag veröffentlichte Patch 12.3.2.4165 bannt die Gefahr (siehe Release-Informationen). Zügiges Handeln ist ratsam.
Veeam Agent für Windows ebenfalls abgedichtet
Des Weiteren haben die Entwickler dem Veeam Agent für Windows ein Sicherheitsupdate spendiert. Von der dabei beseitigten Sicherheitslücke CVE-2025-48982 ging ein hohes Risiko aus (CVSS-Score 7.3); sie hätte unter bestimmten Voraussetzungen zur Rechteausweitung missbraucht werden können.
Die Lücke steckt in allen Versionen bis inklusive 6.3.2.1205 und wurde mit dem Build 6.3.2.1302 behoben. Details und Download-Links sind ebenfalls dem aktuellen Sicherheitshinweis zu entnehmen.
(ovw)
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