Digital Business & Startups
Die Gen Z tickt anders – und Startups merken es (zu) spät
Lange Zeit war klar: Wer jung, digital und ambitioniert war, ging ins Startup. Oder wollte “was mit Medien” machen. Auch Agentur-Jobs galten als valide Option. Stichwort: Steile Lernkurve! Selbstverwirklichung, MacBook, Berlin-Mitte – das war der Berufsplan A. Handwerk? Pflege? Ausbildung? Plan B, bestenfalls. Oder: gar keiner. Doch dieser Kompass verliert seine Peilung. Und das schneller, als viele merken.
Die neuen Generationen, die auf den Berufsmarkt strömen, denken anders. Wir analysieren monatlich Millionen Nutzungsdaten – von Suchverhalten über Bewerbungen bis hin zu Matching-Ergebnissen. Wir sehen die frühen Anzeichen einer Veränderung von Nachfrage und Haltung junger Menschen. Die Gen Z verabschiedet sich in ihrer Berufsorientierung von bestehenden Narrativen und entdeckt andere Wege für ihr Berufsleben. Damit müssen sich Startups auseinandersetzen, um weiterhin ‘Digital Talents’ zu rekrutieren und attraktiv zu bleiben.
Der Shift beginnt nicht im Arbeitsmarkt – sondern am Küchentisch
Die Gründe für diese Veränderung sind vielfältig. Die Gen Z ist die erste echte Krisengeneration der Gegenwart. Pandemie. Krieg. Inflation. Klimakrise. Ihre prägenden Jahre waren erfüllt von Unsicherheit und von einer neuen Sicht auf Arbeit. “Systemkritische Berufe” waren plötzlich omnipräsent in den Medien, in Talkshows, in Familiengesprächen. Klatschen für Pflegekräfte und “Essential Workers”, die funktionieren müssen, damit unsere Gesellschaft funktioniert.
Und nach Corona? Hat jede und jeder eine Geschichte wie diese zu erzählen: Monate auf den Handwerker warten. Keine Pflegekraft für die Eltern finden. Kitaschließung wegen Personalmangel.
Berufe, die lange als “weniger attraktiv” oder verallgemeinernd als “blue collar” abgetan wurden, rückten ins Zentrum der Debatte:
- Das Berufscluster mit dem stärksten Wachstum ist das Handwerk: +50 Prozent.
- Systemrelevante Berufe: +43 Prozent
- Digitale Berufsbilder schneiden dagegen oft deutlich schlechter ab:
- Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung: + 16 Prozent
- Duales Studium Informationstechnik: +9 Prozent
- Duales Studium digitale Verwaltung: -12 Prozent
Wie lässt sich das interpretieren?
Wer heute in einer Phase der Berufsorientierung ist, entscheidet anders. Der Sinn bleibt zwar wichtig, wird aber neu definiert. Weniger “ich” und “Karriere”, mehr “Wir” und “echter Beitrag”. Sicherheit gewinnt an Boden. Jobgarantie, Klarheit, Alltagstauglichkeit – das sind die neuen Attraktivitätsfaktoren. Hinzu kommt ein Zukunftsgefühl, das kaum planbar scheint: Wird mein Job durch KI, Automatisierung oder durch globale Krisen ersetzt? Die kommende Generation ist nicht mehr Digital Native, sondern Gen-AI.
Hand hoch, wer noch nicht versucht hat ein Berufsfeld zu finden, welches nicht droht, durch Künstliche Intelligenz obsolet zu werden. Auch in diesem zynischen Spiel schneiden Berufe tendenziell besser ab, in denen nicht-digitale Tools im Vordergrund stehen. Handwerkliche, anfassbare Berufe signalisieren in dieser Unsicherheit Stabilität. Und: wirtschaftlich lohnt es sich auch. Ein Meisterabschluss kann heute sechsstellige Gehälter ermöglichen. Das alles sind noch so genannte “weak signals”, aber sie zeigen eine Zukunft auf, in der sich der “War for Talents” gerade als “War for Tech-Talent” noch einmal verschärfen wird.
Und Startups?
Startups waren lange der Inbegriff von Selbstverwirklichung: flache Hierarchien, Purpose, Bewegung. Doch wenn wir die Daten dem gegenüberstellen, bleibt die Frage: Was bedeutet das für die künftige Gewinnung von Young Talents?
Im Recruiting konkurrieren Startups heute mit anderen Weltbildern, anderen Lebensentwürfen, anderen Sicherheiten. Hinzu kommt die demografische Realität: 2024 gibt es rund 10 Prozent weniger Schulabgänger:innen als 2010. Eine wachsende Anzahl an Abiturient:innen wählt den Weg in die Ausbildung: etwa jede:r Dritte. Die Recruiting-Funnel vieler Startups, deren Beuteschema oft Uni-Absolventen und Absolventinnen sind, verengen sich. Bisher haben die wenigsten darauf eine Antwort.
Wer sich nicht positioniert, verliert
Im Kern erleben viele Startups gerade das, was sie sonst selbst proklamieren: Sie werden von einer neuen Realität disruptiert, von den Erwartungen einer neuen Generation. Von einem Arbeitsbegriff, der sich gerade neu erfindet. Das bedeutet, Startups müssen umdenken. Wer Talente gewinnen will, muss sich selbst challengen, nicht nur kommunikativ, sondern strukturell.
Ansprache optimieren: Arbeitgeberattraktivität neu begründen
Die klassische Startup-Erzählung – jung, dynamisch, purpose-driven – überzeugt nur noch eingeschränkt. Entscheidend ist heute nicht mehr das Image, sondern die Substanz: Welche konkreten Gründe sprechen dafür, genau hier zu arbeiten? In einer Generation, die mit Unsicherheit sozialisiert wurde, gewinnen Kriterien wie Stabilität, Planbarkeit und Verlässlichkeit massiv an Bedeutung. Startups, die sich als Arbeitgeber behaupten wollen, müssen diese Perspektiven bewusst in den Vordergrund stellen.
Den Job als Produkt denken – mit allen 4Ps
Lange lag der Fokus im Employer Branding auf “Promotion” und “Place”. Sichtbarkeit und Inszenierung. Doch wer heute Talente gewinnen will, muss tiefer gehen und den Job selbst gestalten – als Produkt betrachten, das einen Fit am Markt finden soll.
“Product”, das ist die Realität des Jobs. Untermauert sie eine Ansprache, die Aspekte von Sicherheit und Verlässlichkeit höher priorisiert als früher? Es ist klar, dass gerade Startups in puncto Planbarkeit anders ticken, als der tradierte deutsche Mittelstand. Digital-Narrative wie “Move Fast & Break Things” sollten allerdings nur sehr eingeschränkt für Mitarbeitende gelten. Verlässlichkeit, klare Entwicklungsperspektiven und Menschenorientierung in der Führung kommt dabei eine besondere Rolle zu, sollen Startup-Jobs auch für das neue, Sicherheits-orientierte Mindset junger Menschen passen.
Und: Verabschiedet euch von “Mangel an Prozessen” und “Trial & Error” als lieb gewonnenes Ideal junger Firmen. In einem Markt, in dem Ausbildung und Fachkräfteentwicklung wieder an Wert gewinnen, ist in unstrukturiertes Rollenprofil kein Zeichen von Flexibilität – sondern von mangelnder Professionalität.
“Price” spricht für sich selbst. Die Frage nach Gehalt ist kein Tabu mehr, sondern ein Spiegel gesellschaftlicher Realitäten. Jede Firma muss sich überlegen, ob niedrige Personalkosten durch gedrückte Gehälter besser sind, als etwas höhere Fixkosten bei ordentlicher Bezahlung. Denn feststeht: Finanzielle Sicherheit wird immer mehr zum Suchkriterium einer verunsicherten Generation.
Personalarbeit strategisch denken – und konsequent investieren
HR-Arbeit darf nicht länger als Wachstumsbegleiter betrachtet werden. Sie ist ein Wachstumstreiber. Talentbindung, Weiterentwicklung und Retention werden zu zentralen Wettbewerbsfaktoren. Denn wenn es schwerer wird, neue Talente zu gewinnen, dann muss es gelingen, die vorhandenen zu halten. As easy as that. Das bedeutet: Systeme müssen skalierbar gedacht werden – vom Feedbackprozess bis zur Führungskräfteentwicklung.
Vielleicht liegt ein Teil der Antwort auch dort, wo Startups sie nie vermutet haben: In der Ausbildung
Als CEO von Ausbildung.de mag ich biased sein. Aber die Wahrheit ist: Viele Startups sind groß geworden mit Uni-Absolvent:innen und Quereinsteiger:innen. Aber jenseits dieses Suchschemas versteckt sich ein enormes Potenzial. Laut BIBB haben rund 30% der Bewerber:innen für Ausbildungsplätze Abitur. Wenn sich immer mehr Abiturient:innen für diesen weiteren Bildungsweg entscheiden, wenn gleichzeitig aber auch immer mehr Ausbildungssuchende unvermittelt bleiben, und wenn der akademische Startup-Nachwuchs perspektivisch zu bröckeln droht, und wenn schließlich Personalkosten wirklich ein Thema sind – dann liegt die Zukunft der Deutschen Digitalwirtschaft vielleicht im klassischen Ausbildungssystem. Vielleicht ist es Zeit, nicht nur nach dem nächsten CTO zu suchen – sondern nach dem ersten Azubi. Denn ist nicht auch “hire for potential, not for skill” eines der bekannten Narrative?
Über den Autor
Felix von Zittwitz ist CEO von Ausbildung.de und Vice President des Young Talent Verticals bei EMBRACE. Als strategischer Denker mit Haltung steht er für eine neue Generation von Führungskräften im HR-Tech-Markt: datengetrieben, empathisch, gesellschaftlich engagiert. Seine Überzeugung: Gute Führung beginnt beim Zuhören – und echte Innovation braucht Sinn und Verantwortung. Mit Ausbildung.de gestaltet er die Transformation des Ausbildungsmarktes aktiv mit. Vom Jobboard zum digitalen Ökosystem, das die richtige Passung zwischen Talenten und Unternehmen findet und damit Orientierung schafft, Chancen ermöglicht und soziale Teilhabe fördert.
WELCOME TO STARTUPLAND

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Foto (oben): Shutterstock
Digital Business & Startups
Wir mussten von Beginn an viel Vertrauen aufbauen
#Interview
Das 2024 gegründete KI-Startup Cellbyte unterstützt Pharmaunternehmen dabei, neue Medikamente schneller auf den Markt zu bringen. Zuletzt flossen 2,75 Millionen Millionen in das Unternehmen – unter anderem von Frontline Ventures, Y Combinator und Pace Ventures.

Cellbyte aus München, 2024 von Daniel Moreira, Felix Steinbrenner und Samuel Moreira gegründet, möchte Pharmaunternehmen dabei unterstützen, neue Medikamente auf den Markt zu bringen. Die KI-basierte Plattform von Cellbyte optimiert dabei “die Preisgestaltung, den Marktzugang und die regulatorischen Abläufe für die Markteinführung von Medikamenten”. Der irische Investor Frontline Ventures, Y Combinator, Pace Ventures, Saras Capital und Springboard Health Angels investieren 2,75 Millionen US-Dollar in die Jungfirma.
Im Interview mit deutsche-startups.de stellt Gründer Steinbrenner sein Startup ganz ausführlich vor.
Wie würdest Du Deiner Großmutter Cellbyte erklären?
Ich würde sagen: Wir helfen dabei, dass neue Medikamente schneller zu den Menschen kommen, die sie brauchen. Dazu nutzen wir künstliche Intelligenz, die riesige Mengen an medizinischen und regulatorischen Informationen viel schneller lesen und verstehen kann als ein Mensch. So unterstützen wir Expertinnen und Experten dabei, wichtige Entscheidungen zu treffen – und sparen ihnen sehr viel Zeit.
Wie wollt Ihr Geld verdienen, also wie genau funktioniert Euer Geschäftsmodell?
Wir arbeiten mit einem klassischen SaaS-Modell. Pharmaunternehmen und Beratungen zahlen für den Zugang zu unserer KI-Plattform. Die Preise hängen von der Anzahl der Nutzerinnen und Nutzer sowie der Datenabdeckung ab. Für unsere Kundinnen und Kunden lohnt sich das sehr schnell: Cellbyte spart ihnen unzählige Stunden manueller Recherche, beschleunigt Analysen und verbessert die Qualität wichtiger Entscheidungen. Dadurch entsteht ein klar messbarer Mehrwert.
Wie ist die Idee zu Cellbyte entstanden?
Die Idee zu Cellbyte entstand direkt aus Daniels Arbeit bei der Life-Science-Beratung Simon-Kucher. Dort hat er täglich erlebt, wie mühsam, fehleranfällig und zeitintensiv die Vorbereitung der Markteinführung neuer Medikamente ist: klinische Daten, HTA-Berichte, Preisregeln und regulatorische Informationen müssen aus zig Quellen manuell zusammengesucht werden. Als wir dann gesehen haben, wie generative KI das Lesen, Vergleichen und Zusammenfassen komplexer Dokumente in Sekunden ermöglicht, war schnell klar: Genau diese Technologie kann Pricing & Market Access grundlegend verändern. Aus dieser Kombination aus Branchenexpertise und KI-Potenzial entstand Cellbyte.
Wie oder wo hast Du Deinen Mitgründer kennengelernt?
Samuel und ich arbeiten schon seit vielen Jahren zusammen und haben gemeinsam Glocally, ein Startup im Bereich nachhaltiger Last-Mile-Logistik, aufgebaut. Als uns Mitte 2023 klar wurde, dass mit Glocally auf absehbare Zeit keine Profitabilität erreichbar sein würde, entschieden wir uns für einen Pivot. Zu dieser Zeit haben wir uns vermehrt mit Daniel ausgetauscht, der uns von seinen Erfahrungen aus dem Alltag in der Pharmaberatung berichtete. Daniel und Samuel sind übrigens Brüder, die beiden kennen sich also schon etwas länger. Uns drei verbindet die Mischung aus Unternehmergeist, tiefem Verständnis für die Pharmaindustrie und die Überzeugung, dass KI hier einen enormen Impact haben kann. Als wir erkannten, wie groß das Problem im Market Access wirklich ist, waren wir uns einig: Das bauen wir zusammen.
Was waren die größten Herausforderungen, die Ihr bisher überwinden musstet?
Die größte Herausforderung war, eine KI-Plattform in einem hoch regulierten Umfeld aufzubauen – mit höchsten Anforderungen an Datenqualität, Transparenz und Sicherheit. Wir mussten von Beginn an robuste Compliance-Prozesse entwickeln und viel Vertrauen aufbauen. Gleichzeitig ist die Datenlandschaft in der Pharmaindustrie extrem heterogen. Die technische Lösung dafür – ein KI-nativer Ansatz, der komplexe Evidenz zuverlässig versteht und verknüpft – war und bleibt anspruchsvoll, aber genau das hat den Kern unserer Technologie geprägt.
Welches Projekt steht demnächst ganz oben auf Eurer Agenda?
Ganz oben stehen aktuell drei Dinge. Erstens: Unsere US-Expansion weiter voranzutreiben – ein Markt mit enormer Datenkomplexität und damit großem Potenzial für Cellbyte. Zweitens: Globale Pricing-Simulationen auszubauen, die für viele Pharmaunternehmen strategisch immer wichtiger werden. Drittens: Noch tiefere Workflows zu entwickeln, die sich nahtlos in den Alltag von P&MA-Teams integrieren und repetitive Arbeitsschritte vollständig automatisieren.
Ihr konntet bereits Investorengelder einsammeln. Wie seid ihr mit Euren Geldgebern in Kontakt gekommen?
Viele der ersten Kontakte kamen über unser Netzwerk – und über Y Combinator, der uns früh begleitet hat. YC hat uns nicht nur strategisch geholfen, sondern auch Türen zu führenden internationalen Investoren geöffnet. Gleichzeitig hat uns der klare Bedarf im Markt in weitere Gespräche gebracht. Wenn Investoren sehen, wie stark die Nachfrage in der Pharmaindustrie nach Lösungen wie unserer wächst, entsteht Interesse oft sehr schnell.
Wo steht Cellbyte in einem Jahr?
In einem Jahr wird Cellbyte in Europa und den USA als führende KI-Plattform für Pricing & Market Access etabliert sein. Wir werden deutlich gewachsen sein – sowohl im Team als auch bei unseren Kunden – und unsere Technologie wird noch tiefer in die täglichen Entscheidungsprozesse unserer Nutzerinnen und Nutzer integriert sein. Unser Ziel ist klar: Cellbyte soll die erste Anlaufstelle werden, wenn es darum geht, Evidenz, Preise und regulatorische Anforderungen global zu analysieren und zu verstehen.
Startup-Jobs: Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung? In der unserer Jobbörse findet Ihr Stellenanzeigen von Startups und Unternehmen.
Foto (oben): Cellbyte
Digital Business & Startups
Megatrends 2026: Das sind die Prognosen der Top-VCs
Wir haben 20 VCs gefragt: Was sind die Megatrends 2026?
Project A, Cherry Ventures, Antler, HV Capital, 10x Founders und etliche mehr: Wir haben viele Antworten bekommen, ausführliche, gut begründete, schlaue und unterschiedliche – aber auch ganz klar Antworten, die immer und immer wieder kamen. Ganz offenbar gibt es einige Mega-Megatrends.
Spoiler? OK: Physical AI. Agents. Space und Defense.
Was in diesen Segmenten genau los ist, warum Investorinnen und Investoren hier „bullish“ sind – und vor allem welche weiteren 20+ Trends wir gesammelt haben, lest ihr hier.
Jan Miczaika, General Partner bei HV Capital
Digital Business & Startups
Warum ich jedes Jahr drei Tage ohne Uhrzeit lebe
Gründer Noah Greenberg macht jedes Jahr ein dreitägiges Schweige-Retreat, bei dem er ohne Handy, Laptop oder Ablenkung zur Ruhe kommt.
Dieser Essay basiert auf einem Gespräch mit Noah Greenberg, 35, Mitgründer und CEO von Stacker in New York. Er wurde aus Gründen der Länge und Klarheit bearbeitet.
In der Woche zwischen Weihnachten und Neujahr ziehe ich mich jedes Jahr für ein dreitägiges Schweige-Retreat zurück. Ich lasse meinen Computer zu Hause, schalte mein Handy aus, nehme ein Journal mit, decke alle Uhren ab – und gebe mir Zeit zum Nachdenken.
Ich begann diese Tradition 2020, weil ich damals im Homeoffice arbeitete, meinen Laptop im Bett öffnete und den ganzen Tag dort verbrachte. Ich fühlte mich in dieser Schleife gefangen.
Das erste Jahr hatte einen so tiefgreifenden Einfluss auf mich – persönlich wie beruflich –, dass ich dabeiblieb. Nach fünf Jahren möchte ich teilen, was ich daraus gelernt habe – und warum ich inzwischen erkannt habe, dass das Retreat am besten funktioniert, wenn ich es kaum vorbereite.
Ich buche zwischen Weihnachten und Neujahr ein Airbnb für drei Tage
Ich hatte schon länger darüber nachgedacht, ein formelles Schweige-Retreat zu machen, aber eine ganze Woche völlig unerreichbar zu sein, schien mir zu viel. Dann wurde mir klar: Ich brauche kein organisiertes Retreat – ich kann mir selbst eines gestalten.
Also tat ich es. Die ersten beiden Male war ich über die Feiertage in Kalifornien und buchte ein Airbnb im Norden des Bundesstaats. Seitdem mache ich es im Norden des Bundesstaats New York.
Es zwischen Weihnachten und Neujahr zu machen, nimmt mir die Anspannung, weil es leichter ist abzuschalten, wenn ich weiß, dass die Dinge in meinem Medienunternehmen Stacker ohnehin langsamer laufen. Als ich in diesem ersten Jahr im Airbnb ankam und mein Handy ausschaltete – wissend, dass es das ganze Wochenende ausbleibt –, war das ein unglaubliches Gefühl.
Es kann unangenehm sein, mit meinen Gedanken allein zu sein – aber genau darin liegt der Wert
Meine Packliste: Journals, bequeme Kleidung, Laufschuhe oder Wanderausrüstung, falls Schnee liegt, und Lebensmittel, die ich unterwegs einkaufe, damit ich das Haus nicht verlassen muss. Ich nehme keinen Laptop, keine Bücher, keine Podcasts und nichts mit, was mich ablenken könnte.
Ich klebe Post-its über die Uhren, damit ich die Zeit nicht sehe. Ich finde es faszinierend, ohne Zeitgefühl zu leben. Ich glaube, ich gehe dort sehr viel früher ins Bett – kurz nach Sonnenuntergang.
Wandern zu gehen ist ein guter Ausgleich, weil ich den Großteil der restlichen Zeit auf dem Sofa sitze und journal. Ich versuche, zweimal am Tag rauszugehen.
Zuhause würde ich niemals eine einstündige Runde ohne Kopfhörer drehen – einfach nur mit meinen Gedanken. Auf dem Retreat habe ich genug Disziplin, mir klarzumachen: Ich habe dieses Airbnb bezahlt, ein Auto gemietet, bin hochgefahren – und jetzt ziehe ich das drei Tage durch.
Zu viel Vorbereitung kann das Retreat ruinieren
In der Woche davor setze ich mich oft für eine Stunde hin und schreibe meine Gedanken auf – beruflich wie privat – damit ich mit einem kleinen Überblick hineingehe. Das erste Jahr hatte ich mich überhaupt nicht vorbereitet.
Es steckt enormer Wert darin, einfach hinzufahren und am ersten Abend alles aus sich herauszuschreiben, um zu sehen, wie ich die nächsten Tage verbringen sollte. Zu viel Vorbereitung erzeugt Druck, bestimmte Dinge „lösen“ zu müssen – und das ist kontraproduktiv.
Ich sage den Menschen in meinem Leben Bescheid, dass ich mein Handy für drei Tage ausschalte. Ich versuche, es auf ein Wochenende zu legen, damit es nur ein bis zwei Tage offline von der Arbeit sind. Wenn du als CEO nicht drei Tage abtauchen kannst, ohne dass deine Firma dich braucht – dann hast du ein größeres Problem.
Meine Retreats haben meine Gewohnheiten verändert und mein Leben verbessert
Diese Retreats sind genauso wertvoll für meine Arbeit wie für meine Work-Life-Balance. Ein Jahr wurde mir klar, dass ich eine Morgenroutine etablieren wollte. Ich schrieb sie auf, inklusive eines täglichen Aufstehens um 6 Uhr – und heute wache ich ohne Wecker um 6 auf.
Ich reflektiere immer: Was läuft gut? Was läuft nicht? Mehrmals wurde mir bewusst, dass mich ein Prozess im Team schon länger störte, ich aber im permanenten Grind-Modus war und es verdrängt hatte. Nach dem Retreat setzte ich mich mit dem Team zusammen – und wir änderten Dinge.
Ich frage mich jedes Jahr: Was müsste passieren, damit ich am Ende sagen kann: „Das war ein großartiges Jahr“?
Dieses Jahr war mein Ziel, 52 Kaffee-Dates in 52 Wochen zu haben, um mich mehr unter Leute zu bringen. Letztes Jahr entwickelte ich meine Kalender-Mapping-Gewohnheit – sie hat meine Produktivität massiv verbessert.
Ich habe verstanden, dass nicht jedes Jahr tiefgreifend sein muss – und dass trotzdem ein Wert im jährlichen Ritual liegt
Im ersten Jahr war es wirklich transformativ. Im zweiten Jahr war ich plötzlich enttäuscht, weil es sich nicht so intensiv anfühlte. Dann merkte ich: Viele der Dinge, die mich im Jahr davor belastet hatten, waren inzwischen längst gelöst.
Ich habe gelernt: Wenn ich mit Erwartungen hineingehe, werde ich fast sicher enttäuscht. Seitdem bin ich bewusst offen – jedes Retreat soll seine eigene Reise sein, ohne Vergleich zum ersten Mal.
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