Wenn Deutschlands Geheimdienste öffentlich Rede und Antwort stehen müssen, ist das ein seltener Moment. Einmal im Jahr lädt das Parlamentarische Kontrollgremium – zuständig für die Aufsicht über Bundesnachrichtendienst (BND), Verfassungsschutz und Militärischer Abschirmdienst (MAD) – zu einer öffentlichen Anhörung ein.
In diesem Jahr war das Interesse besonders groß: Zum ersten Mal befragte das neu zusammengesetzte, derzeit auf sechs Abgeordnete geschrumpfte Gremium die Dienste in einer öffentlichen Sitzung. Und für die zwei frisch ernannten Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Sinan Selen, und des Bundesnachrichtendienstes, Martin Jäger, war die Anhörung ebenso eine Premiere.
Wunschliste der Dienste
Wer den Verlauf der Sitzung verfolgte, bemerkte schnell, dass sich die Mitglieder des Kontrollgremiums darauf beschränkten, Fragen zur Bedrohungslage zu stellen und sich nach den Wünschen der Präsident:innen für zukünftige Befugnisse zu erkundigen. Die Präsident:innen nutzten die Gelegenheit, um einen ganzen Katalog an Erweiterungsvorschlägen zu präsentieren, begründet mit der komplexen Bedrohungslage, der sich die Bundesrepublik derzeit zweifellos ausgesetzt sieht.
Eine echte Debatte blieb leider fast vollständig aus. Dabei wäre gerade dieser öffentliche Austausch zwischen gewählten Fachpolitiker:innen, die mit der alltäglichen Arbeitsweise der Dienste bestens vertraut sind, und den Geheimdienstpräsident:innen der richtige Ort dafür.
Mehr Daten, mehr KI
Die Behördenvertreter:innen zeigten sich einig in ihrer Forderung nach mehr Befugnissen und Fähigkeiten. Ein Beispiel: Der bereits praktizierte Einsatz sogenannter Künstlicher Intelligenz soll ausgeweitet werden. Die Erkenntnisse, die sich durch automatisierte Datenverarbeitung gewinnen lassen, sind dabei immer abhängig von der Datenbasis.
Der neue BND-Präsident Martin Jäger verlangte deshalb nach einem größeren Datenvorrat. Er wünschte sich, dass die Fristen, innerhalb derer der BND Überwachungsdaten wieder löschen muss, wenn sie nicht benötigt werden, verlängert werden. Das solle insbesondere auch für Daten gelten, die der BND von ausländischen Partnerbehörden erhält.
Grundrechte kein Thema
Für die Öffentlichkeit wäre eine Diskussion darüber, wie sich solche automatisierten Überwachungsvorgänge grundrechtssicher gestalten lassen, besonders interessant gewesen. Die Sicherheitsbehörden müssen ihre Arbeitsweise stetig weiterentwickeln, um ihrem Auftrag gerecht zu werden.
Werden aber neue Technologien eingesetzt, wirkt die Arbeit der Dienste auf neue Weise auf Grundrechte. Diese Auswirkungen im Blick zu haben und über notwendige Begrenzungen nachzudenken, ist Teil des Auftrags sowohl der Präsident:innen als auch der PKGr-Mitglieder. Ein Austausch darüber hätte deshalb seinen Platz in dieser Anhörung verdient.
Ebenso spannend wäre es gewesen zu erfahren, wie in den zuständigen Kontrollbehörden die notwendige Expertise aufgebaut werden kann. Denn damit unabhängige Kontrollorgane überhaupt überprüfen können, ob algorithmenbasierte Überwachungsmaßnahmen zweck- und verhältnismäßig sind, müssen sie über Know-how und Ressourcen verfügen, um die Eingriffe zu analysieren.
Ergebnisse statt Prozesse
Der BND-Chef erklärte im Zuge der Anhörung auch, dass ihn Ergebnisse interessieren und nicht so sehr die Prozesse, die zu diesen Ergebnissen führen. Das klingt zupackend, wirft aber Fragen auf. Denn die Art und Weise, wie geheimdienstliche Arbeit organisiert ist, entscheidet darüber, ob sie sich innerhalb der gesetzlichen Grenzen bewegt.
Deshalb ist es so wichtig, wie die Prozesse und Regeln ausgestaltet sind, die das Parlament den Diensten vorgibt – besonders dann, wenn sie in Grundrechte der Menschen eingreifen, die sie eigentlich schützen sollen. Diese demokratisch festgelegten Regeln sichern nicht nur die Legitimität der Dienste, sondern beeinflussen auch, wie effektiv sie ihren Auftrag erfüllen können.
Vor diesem Hintergrund hätte man sich hier gewünscht, dass die Mitglieder des Kontrollgremiums solche Argumente aus gesetzgeberischer Perspektive in die Diskussion einbringen. Es ist genauso wichtig, der Öffentlichkeit das Selbstverständnis des Parlaments zu vermitteln wie sie für die bestehende Bedrohungslagen zu sensibilisieren.
Konstruktive Kritik notwendig
Solche kritischen und konstruktiven Fragen, wie sie das parlamentarische Kontrollgremium in den nicht-öffentlichen Sitzungen den Sicherheitsbehörden im Rahmen des Möglichen sicherlich stellt, gehören – unter Wahrung des Geheimschutzes – dringend auch in die jährliche öffentliche Anhörung.
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Eine ausgewogene Debatte über neue Befugnisse macht die Arbeit der Sicherheitsbehörden besser. Sie ist zudem keineswegs Ausdruck von übermäßigem Misstrauen gegenüber diesen Behörden – sie ist Ausdruck intakter demokratischer Prozesse. Sie liegt nicht zuletzt im ureigenen Interesse dieser Behörden, weil sie deren Glaubwürdigkeit und Legitimation stärkt.
Dass Geheimdienste grundsätzlich Regeln brauchen, die von Volksvertreter:innen aufgestellt werden, darüber waren sich die Anwesenden bei der Anhörung einig. Ebenso galt das für die Notwendigkeit, die Urteile des Bundesverfassungsgerichts bei der Ausgestaltung und Umsetzung zu respektieren.
Reform der Geheimdienst-Gesetze
Diese Regeln wird die Bundesregierung nun, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, überarbeiten. Der Anspruch für diese Novelle muss sein, die zahlreichen bestehenden verfassungsrechtlichen Mängel zu beheben – und sicherzustellen, keine neuen unausgereiften oder gar verfassungswidrigen Regelungen zu schaffen.
Für die Reform sollten alle politischen Akteure den Mut haben, komplexe Fragen auch öffentlich anzusprechen. Ein offener und ehrlicher Austausch während des Gesetzgebungsprozesses unterstützt die Ziele der Novelle. Wer vielfältige Stimmen berücksichtigt, stärkt nicht nur die Qualität des Gesetzes, sondern auch die Legitimation der Dienste. Eine vielstimmige Debatte bietet zudem einen Schutz vor schlechten Entscheidungen.
Denn eines sollte man unbedingt vermeiden: Normen, die das Verfassungsgericht später aufhebt, würden den Geheimdiensten in ihrem Einsatz gegen die vielfältigen Bedrohungen einen Bärendienst erweisen.
Beim Anblick der die Hollywood-Version von Leonidas und seiner legendären „300“ überkommt mich die Lust nach einem Work-out. Und wenn König Théoden und der Waldläufer Aragorn, beides Charaktere aus „Herr der Ringe“, auf die feindliche Ork-Armee losstürmen, stellen sich Zuschauern die Nackenhaare auf.
Todesverachtenden Heldenmut zeigt auch Achilles in der amerikanischen Adaption der Troja-Sage, als er seinen Myrmidonen vor dem selbstmörderischen Angriff auf die Stadt die „Unsterblichkeit“ verspricht. Etwas feingeistiger, doch nicht weniger archaisch, nimmt Feldherr Julius Cäsar durch seinen viel zitierten Spruch „Ich kam, ich sah, ich siegte“ einen Platz in der Geschichte verwegener Männer ein.
„WARNING: watching this will increase your testosterone level by 300%”, lautet der Top-Kommentar für Leonidas auf YouTube. Auch im Silicon Valley, wo der Bedarf an Testosteron offenbar besonders hoch ist, fallen die Heldenerzählungen auf überaus fruchtbaren Boden. Dort lassen sich Tech-Jünger von ihren Idolen gar zu neuen Unternehmen inspirieren.
Fantasy als Vorbild
Palmer Luckey ist Erfinder der Virtual-Reality-Brille Oculus Rift. Gemeinsam mit Trae Stephens, ehemals Mitarbeiter beim Überwachungsunternehmen Palantir, hat er 2017 das Verteidungs-Start-up „Anduril“ gegründet. Benannt ist es nach Aragorns Schwert Andúril. Übersetzt aus der fiktiven Quenya-Sprache bedeutet der Name „Flamme des Westens“.
Peter Thiel, Mitgründer von Palantir, dessen Name ebenfalls aus dem Herr-der-Ringe-Kosmos stammt, investiert in Technologie für „Unsterblichkeit“, sich selbst stilisiert er zum furchtlosen Kämpfer gegen den „Antichristen“. Curtis Yarvin, ein im Silicon Valley beliebter Blogger, wünscht sich gar einen „neuen Cäsar“ an der Spitze der USA.
Mark Zuckerberg, Leser und Bewunderer von Yarvin, hat seiner Frau Priscilla „nach römischem Brauch“ eine Statue im hauseigenen Garten gewidmet. Die Namen ihrer Kinder – Maxima, August, Aurelia – sind an römische Kaiser angelehnt.
Schwarz-weiße Welt
Fantasy-Epen wie 300 oder Herr der Ringe zeichnen sich durch eine verlässliche Einteilung der Welt in Gut und Böse aus. „Wir lieben die alten Geschichten wegen ihrer Unveränderlichkeit“, stellte die Fantasy-Autorin Ursula K. Le Guin einst fest. Hier finden Menschen Beständigkeit und alte Weisheiten – seltene Schätze in unserer flüchtigen Gegenwart.
Oft sind es gerade jüngere Menschen, die sich an der Vorstellung von glorreichen Königen oder unbezwingbaren Herrschern – und damit auch an antidemokratischen Erzählungen – ergötzen. Schließlich waren es Cäsar und sein Nachfolger Augustus, die das Ende der Republik besiegelten und den Weg zum römischen Kaiserreich ebneten. Und in Sparta, das im Film 300 als „freies Griechenland“ porträtiert wird, herrschte eine kleine Elite über den Großteil der Bevölkerung. Nachdem der Staat im Peloponnesischen Krieg seinen langjährigen Rivalen Athen besiegt, bricht dort umgehend die Oligarchie an.
Im zahlen- und umsatzgetriebenen Silicon Valley können die Unternehmer so ihre vergleichsweise kurze Kulturgeschichte erweitern und dabei etwaige Komplexe ausgleichen. Womöglich suchen sie auch einen passenden ideologischen Rahmen für ihre aggressiven Geschäftsmodelle – oder streben genau danach, was ihre Idole ihnen vorleben: Ruhm, Oligarchie, Sixpack.
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Die glatte Tech-Welt sehnt sich offenbar nach den rauen Erfahrungen, die das analoge Leben noch bereithielt. Dafür muss sie „Kämpfe“ inszenieren, die eigentlich keine sind. Elon Musk etwa bekämpft die eigenen Komplexe mit Haartransplantationen, Botox und Wangenknochenverstärkung. Derweil hat Zuckerberg sich zum Kampfsportler hochpäppeln zu lassen. Beim Podcaster Joe Rogan spricht er betont „männlich“ über Jagd, Töten und Mixed Martial Arts.
Widersprüche und Allmachtsfantasien
Führen Heldensagen ins nächste Fitnessstudio, ist das erst mal keine schlechte Sache. Die Weltanschauung und das eigene Unternehmen rund um ambivalenzbefreite Allmachtsfantasien aufzubauen, ist hingegen brandgefährlich.
Dabei ist es Zuckerberg selbst, der mit seinen Unternehmen und „sozialen“ Medien unermüdlich das Fundament einer schönen Welt ruiniert und ihre Bewohner in die digitale Entfremdung treibt. Den Erfolg Zuckerbergs garantiert ein werbe- und effizienzorientiertes System, das sich durch die wachsende Unzufriedenheit seiner Mitglieder und den Ruf nach „alter“ Stärke schließlich gewaltsam selbst abschafft.
Und was passiert, wenn eine kleine Gruppe in Widersprüchen gefangener Männer die Macht übernimmt und die Wut der Menschen für ihre eigenen Zwecke instrumentalisiert, zeigt die Geschichte. Dass ebenjene nur als Karikaturen ihrer verherrlichten antiken Ideale dienen, ist ein kleiner, überaus bitterer Witz. Denn das große Leid tragen später wie üblich die Schwächsten einer Gesellschaft und nicht die Profiteure an der Spitze.
Die Woche, in der wir zurück ins Jahr 1986 reisten
Liebe Leser:innen,
das Wort des Jahres ist „KI-Ära“. Das Thema Künstliche Intelligenz „ist aus dem Elfenbeinturm der wissenschaftlichen Forschung herausgetreten und hat die Mitte der Gesellschaft erreicht“, begründet die Gesellschaft für deutsche Sprache ihre Wahl.
Die Bundesdruckerei hockt derweil in ihrer ganz eigenen Abgeschiedenheit. Sie setzt den Datenatlas um, der „souveräne Datenkatalog für die Bundesverwaltung“. Mitarbeitende verschiedener Ministerien und Behörden sollen hier nachschlagen können, wo welche Daten liegen.
Eigentlich eine gute Sache. Doch das Projekt ist offenbar Lichtjahre von der technischen Gegenwart, geschweige denn von irgendeiner „KI-Ära“ entfernt. Zu diesem Schluss kommt zumindest der Wissenschaftler David Zellhöfer in einem Gutachten, über das meine Kollegin Esther diese Woche berichtet hat. Demnach biete der Datenatlas weniger Funktionen als Datenbanken aus dem Jahr 1986, so das markige Urteil. Damals war das Wort des Jahres übrigens „Tschernobyl“. So lange ist das her.
Auf Platz 2 kam vor knapp vierzig Jahren das Wort „Havarie“, was so viel wie Fehler oder Schaden bedeutet. Den will die Bundesdruckerei nun offenbar noch vergrößern. Als wir sie mit den Ergebnissen des Gutachtens konfrontieren, schrieb die bundeseigene GmbH zurück, gegebenenfalls rechtliche Schritte gegen Zellhöfer einzuleiten.
Zellhöfer nahm sein Gutachten daraufhin offline, um sich rechtlich abzusichern. „Ich war unmittelbar eingeschüchtert“, sagte er gegenüber netzpolitik.org, „obwohl die Antwort der Bundesdruckerei in keiner Weise sachlich nachvollziehbar ist.“
Inzwischen ist das Gutachten wieder abrufbar. Und Zellhöfer kann mit mehr Humor auf die Sache schauen. Positiv gesehen könne der Datenatlas auch „als Projekt eines Retro-Computing-Enthusiasten“ durchgehen, sagt er.
Ein bisschen mehr Humor wünsche ich auch der Bundesdruckerei. Dann trägt sich die Atlas-Last gleich leichter.
Habt ein schönes Wochenende!
Daniel
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Weltweites CDN: Offenbar wieder Störung bei Cloudflare
Am Freitagvormittag gibt es offenbar erneut Probleme beim CDN-Anbieter Cloudflare. Verschiedene Webseiten sind nicht verfügbar – sie liefern lediglich einen HTTP-Fehler 500 aus. Die Ursache ist unklar, der Anbieter spricht von „API-Problemen“.
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Fehler 500 beim Besuch von cloudflare.com
Stichproben einiger Webseiten wie cloudflare.com, aber auch die beliebten Störungsmelder downdetector.com und allestoerungen.de sind fehlerhaft oder komplett defekt: Mal fehlt die Startseite komplett, in anderen Fällen lediglich die per Cloudflare-CDN ausgelieferten Assets wie Bilder und Stylesheets
API-Probleme?
Cloudflares Statusseite hingegen ist, anders als beim vorherigen Ausfall im November, noch immer verfügbar. Sie spricht von Fehlern bei der Cloudflare API und dem Dashboard. „Customers using the Dashboard / Cloudflare APIs are impacted as requests might fail and/or errors may be displayed.“
Wie Cloudflare nun erläuterte, handelte es sich beim Ausfall um eine Auswirkung der kürzlich bekannt gewordenen kritischen „React2Shell“-Sicherheitslücke im React-Framework. Das Unternehmen habe für die Web Application Firewall, die neben Kundendomains offenbar auch die eigene Webseite schützt, eine Änderung eingespielt, um vor CVE-2025-55182 zu schützen. Was genau schiefgegangen sei, werde man später bekanntgeben, so das Unternehmen. Ein Cyberangriff liege nicht vor.
Vorgestern DNS-Probleme für Telekom-Kunden
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Der Cloudflare-eigene DNS-Resolver 1.1.1.1 war für viele Telekom-Kunden offenbar am Abend des 3. Dezember nicht erreichbar. Wie Betroffene auf Reddit beklagten, führte das zu Internetausfällen – weil auch die Alternative 1.0.0.1 nicht funktionierte. Mittlerweile scheint diese Störung jedoch behoben, die Ursache ist unklar.
Am Abend des 3. Dezember erreichte keiner der 150 Messpunkte des Monitoringnetzes „RIPE Atlas“ im Netz der Telekom den DNS-Server 1.1.1.1.
(Bild: Reddit-User lordgurke)
Update
05.12.2025,
10:16
Uhr
Cloudflare hat laut eigenen Angaben Problembehebungen vorgenommen und beobachtet die Störung weiter.