Künstliche Intelligenz
Dynamischer Stromtarif für E-Autos: Ein Test an öffentlicher Ladeinfrastruktur
Wer keinen Stellplatz mit Wallbox hat, ist von einigen Vorteilen des Elektroautos ausgeschlossen – vor allem von günstigen Strompreisen: Im Durchschnitt sind zu Hause pro Kilowattstunde laut BDEW 39,6 Cent fällig. In diesem Preis ist eine monatliche Grundgebühr einberechnet. Neukunden zahlen zum Teil deutlich weniger, ein Preisvergleich über die gängigen Portale lohnt sich unter Umständen sehr.
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Am günstigsten fährt ein Elektroauto mit Energie aus einer abgeschriebenen Fotovoltaikanlage. Aber auch ohne Solarstrom gibt es reduzierte Netzengelte. Zusätzlich müssen die Versorger seit 1. Januar ein Angebot für einen dynamischen Stromtarif machen, in dem es zu bestimmten Uhrzeiten besonders billig sein kann. In einem Pilotprojekt bei enercity in Hannover wird diese Idee auf die öffentliche Ladeinfrastruktur übertragen: An elf zentralen Standorten in der niedersächsischen Landeshauptstadt sind unter dem Stichwort FlexLaden Ladesäulen mit stündlich wechselnden Tarifen in Betrieb. Grund genug für heise Autos, das in der Praxis auszuprobieren. Bringt das was?

Über 62 Prozent der 2025 erzeugten Energie stammt aus erneuerbaren Quellen. Deren Produktion ist schwankend, aber auch die Nachfrage ist volatil. Es ist also zutiefst sinnvoll und netzdienlich, wenn die Nachfrage durch niedrige Preise zum Angebot gelockt wird.
(Bild: Fraunhofer ISE / energy charts)
Potenziell höherer Umsatz
Was enercity hier macht, vereint mehrere Ansätze, die das öffentliche Laden zukünftig attraktiver machen können. Diese Ladestationen arbeiten mit Gleichstrom und bieten 150 kW Leistung. Solche Schnellladesäulen kosten zwar bei der Investition mehr Geld, weil sie ans Mittelspannungsnetz angeschlossen werden müssen. Aus der Perspektive der Betreiber sind sie aber wirtschaftlicher, weil pro Zeiteinheit mehr Kilowattstunden verkauft werden können. Das rechnet sich bei entsprechender Auslastung. Außerdem wird der öffentliche Raum besser genutzt: Wenn langfristig der deutsche Fuhrpark vorwiegend auf Elektroautos umgestellt ist, müssen die Ladeplätze zügig für andere freigemacht werden. DC-Säulen sind die logische Antwort.
Der Strom an diesen Ladesäulen kann ohne Vertrag oder Registrierung freigeschaltet werden. In der Branche heißt das Ad hoc-Laden. Eine zusätzliche Besonderheit beim Pilotprojekt von enercity ist der Partner ev pay: Das auf Software spezialisierte Unternehmen erledigt die Abrechnung eichrechtskonform. ev pay kann unter anderem dynamische Tarife integrieren. Aus Sicht der Elektroautofahrer ist das Bezahlen mit Smartphone oder Kreditkarte besonders niederschwellig. Hierzu stellt ev pay auch den Terminal bereit.

Vorm Start müssen allerdings noch einige Knöpfe gedrückt werden. Wie üblich beim Ad hoc-Payment wird die Vorabdeckung der Kreditkarte mit 80 Euro geprüft. Bezahlt werden muss selbstverständlich nur der Strom, der tatsächlich geflossen ist.
(Bild: Christoph M. Schwarzer / heise Medien)
Netzdienliches Laden
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Dynamische Stromtarife sind selbstverständlich kein Selbstzweck. Vielmehr folgen sie dem Prinzip des netzdienlichen Ladens. Die Produktion von Strom aus erneuerbaren Energien liegt im bisherigen Jahresverlauf laut Fraunhofer ISE bei 62,5 Prozent – und sie schwankt. Zugleich ist die Nachfrage volatil. Mit der Lenkungswirkung eines dynamischen Stromtarifs werden Elektroautofahrer dazu bewegt, zu einem sinnvollen Zeitpunkt zu laden. Die Nachfrage wird zum Angebot gelockt. So entsteht potenziell eine Win-Win-Situation.
Also auf nach Hannover. Als Testfahrzeug steht ein Xpeng G6 zur Verfügung, der mit bis zu 451 kW Leistung laden kann. Wie viel geben die Alpitronic-Säulen, die auf 150 kW ausgelegt sind, in der Wirklichkeit her? Dazu müssen sie erst mal gefunden werden. Enercity gibt wegen datenschutzrechtlicher Auflagen zwar die Straße des Standorts, nicht aber die Hausnummer an. Die Säule in der Ritterstraße war trotzdem gut zu sehen – und sie war frei.
Freischalten am Bezahlterminal
Selbstverständlich können an dieser DC-Säule auch Kunden mit einer Ladekarte oder einer Lade-App den Strom freischalten. Der Clou bleibt das Ad hoc-Zahlen mit Kreditkarte. Eine gut erkennbare Grafik macht klar, dass die Kreditkarte vors Bezahlterminal gehalten werden muss. An dieser Stelle wiederum kann es zu Missverständnissen kommen: Im Bedienfeld muss zuerst durch Drücken und Bestätigen die Funktion aktiviert und der gewünschte von zwei Ladepunkten an der Säule gewählt werden.

Im Praxistest wird klar, dass auch die bisherigen Zahlmethoden per App oder Ladekarte möglich sind. Der Clou ist trotzdem das Ad hoc-Payment mit der Kreditkarte bzw. dem Smartphone. Die Grafik verweist auf die Bezahlmethode.
(Bild: Christoph M. Schwarzer / heise Medien)
Anschließend wird die Kreditkarte mit einer imaginären Vorabgebühr von 80 Euro auf Deckung geprüft. Auch das kann irritierend sein, wenn man es nicht gewohnt ist. Abgerechnet wird nur der Strom, der wirklich geflossen ist. Der fließt dann ziemlich „schnell“. Der Ladestand des Xpeng G6 bei Ankunft an der enercity-Säule lag bei 78 Prozent. Die Leistung ging sofort auf 149 kW hoch. Das dokumentiert zum einen die immense Schnellladefähigkeit des Xpeng und zum anderen, dass die Alpitronic-Station die volle Leistung freigibt, falls am zweiten Ladepunkt kein Fahrzeug steht – und das war der Fall.

Die Schnellladesäule liefert bis zu 150 kW Leistung, und der Xpeng nimmt die selbst bei einem Ladestand von 78 Prozent noch an.
(Bild: Christoph M. Schwarzer / heise Medien)
Konkurrenz zu Großbetreibern
Das Ad hoc-Laden ohne Registrierung, so viel ist offensichtlich, hat besonders an den Ladeparks von Discountern und Baumärkten ein sehr großes Potenzial. Für diese Betreiber ist es nicht wichtig, die Nutzer in einen Vertrag mit monatlicher Grundgebühr zu nötigen. Mit dem Bezahlterminal klappt die Abrechnung niederschwellig und simpel. In diesem Zusammenhang muss nochmals die Ist-Situation im öffentlichen Lademarkt geschildert werden: Die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur sagt, dass mehr als 95 Prozent der Elektroautos per Vertrag geladen werden, sofern das an einer öffentlichen Säule geschieht. Das Ad hoc-Zahlen hat bisher eine nur geringe Bedeutung.
Der Grund sind Angebote wie der L-Tarif des Marktführers EnBW: An den Standorten dieses Betreibers, und wohlgemerkt nur dort, kostet die Kilowattstunde 39 Cent, wenn 11,99 Euro monatliche Grundgebühr bezahlt werden. Bei anderen Betreibern kann der Kurs auf bis zu 89 Cent steigen. Vertragsnutzer werden also nach Möglichkeit die EnBW-Säulen nutzen und so besser auslasten.
Der Markt beginnt zu funktionieren
Die Folge ist eine Oligopolbildung. Wenige Teilnehmer bestimmen das Marktgeschehen. Eine ernstzunehmende Konkurrenz entsteht gerade durch die Super- und Baumärkte, für die das Ad hoc-Laden besonders attraktiv ist. Mit Softwarelösungen wie von ev pay ist es problemlos möglich, die Ladevorgänge ins bestehende Kassensystem zu integrieren. So können niedrige Preise realisiert werden.

Der dynamische Stromtarif soll eine Lenkungswirkung haben. Das Potenzial dazu ist fraglos vorhanden. Allerdings sind 59 Cent pro Kilowattstunde wie in diesem konkreten Beispiel noch zu viel. Darum geht es im Pilotprojekt aber auch nicht. Die Funktion soll geprüft werden, und die ist vorhanden.
(Bild: enercity)
Von den besonders niedrigen Strompreisen wie bei Aldi (29 bis 47 Cent) oder der EnBW ist enercity noch ein Stück entfernt: enercity gibt jeweils um 13 Uhr die stundenweisen Tarife für den Folgetag bekannt und garantiert zugleich eine Höchstgrenze von 67 Cent pro Kilowattstunde. Beim Experiment von heise Autos waren es 59 Cent. Weniger als 50 Cent sind selten zu sehen.
Um Dumpingpreise geht es in diesem ersten Schritt vielleicht auch nicht. Vielmehr zeigen enercity und ev pay die lebenspraktische Machbarkeit eines Prinzips – und das läuft. Meine, vielleicht zu gewagte Prognose: Wenn es nachts um zwei Uhr DC-Strom für 29 Cent pro Kilowattstunde gibt, stehen die Leute auf. Das ist die neue Interpretation der Suche nach der Tankstelle mit dem niedrigsten Spritpreis.
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(mfz)
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Dienstag: Russen-Porsche von Satelliten abhängig, Musk will EU abschaffen
Viele Porsche lassen sich in Russland nicht anlassen. Zu viele Datenpakete sind gar nicht gesund. Vielleicht muss man genau wissen, was man eigentlich sagt, um ein LLM zu zügeln. Vieldeutiges verspricht Meta Platforms der EU-Kommission. Vielfach zitiert wird „divide et impera“, beispielsweise wenn Elon Musk die Europäische Union wieder zerteilen möchte. Die wichtigsten Meldungen im kurzen Überblick.
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In Russland verweigern zahlreiche Porsche-PKW das Anlassen. Offenbar funktioniert die Satellitenkommunikation der speziell für den russischen Markt eingebauten Alarmanlagen nicht oder nicht richtig. Die Porsche AG erachtet sich nicht für zuständig, wenn sich Porsche-Autos in Russland nicht anlassen lassen.
Einen neuen Weltrekord für DDoS-Angriffe beschriebt Cloudflare: Das Aisuru-Botnetz hat einen Überlastungsangriff mit bis zu 29,7 Terabit pro Sekunde gefahren. Das „UDP-Flächenbombardement“ richtete sich gegen die Webseite des IT-Sicherheitsjournalisten Brian Krebs. Ja, man kann kritische Journalisten auszeichnen, indem man sie mit einem neuen DDoS-Spitzenwert bedenkt.
Effektive LLM-Prompts sind eine Kunst. Gefragt ist Experimentierfreudigkeit gepaart mit Präzision, sagt die bei Anthropic tätige Philosophin Amanda Askell. „Es ist wirklich schwer, das Wesentliche auf den Punkt zu bringen“, gibt sie zu, wenn sie versucht, zu erklären, wie man wirklich gute Prompts schreibt.
Nach intensiven Verhandlungen mit der EU-Kommission verspricht Meta Platforms erstmals, Nutzern im Europäischen Wirtschaftsraum erweiterte Wahlmöglichkeiten rund um Personalisierung von Anzeigen zu geben. Das teilweise Opt-Out von der Auswertung der kommerziellen Überwachung soll bereits im kommenden Monat möglich werden. Konkrete technische Details fehlen allerdings: Meta stellt EWR-Nutzern mehr Wahloptionen für gezielte Werbung in Aussicht
Der Mikroblogging-Dienst X ist bei einer Rechtsverletzung erwischt worden. Die moderate EU-Strafe bringt X-Chef Elon Musk auf die Palme. Er fordert die Abschaffung der Europäischen Union. Zudem hat X ein Werbekonto der EU-Kommission geschlossen, dass diese aber seit Jahren nicht mehr genutzt haben will: Musk fordert Abschaffung der EU, sperrt ihr das Werbekonto
Da war doch was mit digitaler Souveränität? Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Sinan Selen, zeigt sich ausgesprochen vorsichtig, was den Einsatz von US-Software wie Palantir anbelangt. Die Politik müsse bei der Auswahl von Software drei Faktoren berücksichtigen. Der Verfassungsschutz-Chef plädiert für europäische Alternativen zu Palantir.
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Auch noch wichtig:
(ds)
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Scharfe Abrechnung an der ePA: Kelber kritisiert Sicherheit und Reklamekampagne
Als unsicher und intransparent bezeichnet der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte, Prof. Ulrich Kelber, die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens und insbesondere die elektronische Patientenakte (ePA). In einem Vortrag bei einer Veranstaltung der freien Ärzteschaft warf er der Politik vor, Vertrauen durch oberflächliche Werbung zu verspielen und grundlegende Sicherheitsstandards zu ignorieren.
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Reklame statt Aufklärung und hohe Widerspruchsquote
Kelber kritisierte die Kommunikationsstrategie des Bundesgesundheitsministeriums zur ePA scharf. Anstatt Bürgerinnen und Bürger umfassend über Risiken und notwendige Abwägungen aufzuklären, setze das Ministerium auf eine „reine Reklamekampagne“, die das Projekt lediglich als „super und „toll“ anpreise. Wer nur versuche „zu überreden, anstatt zu überzeugen“, so Kelber, der werde auf Dauer nicht vorwärtskommen.
Diese Vorgehensweise führe zu einem Vertrauensverlust, der sich bereits in den Zahlen zeige: Die Widerspruchsquoten gegen die ePA seien mit fünf bis zehn Prozent für ein Opt-out-System ungewöhnlich hoch. Außerdem sei die Gruppe der überzeugten Gegner, die aktiv widersprechen, fast genauso groß oder sogar größer als die Gruppe der überzeugten Befürworter, die sie aktiv nutzen. Die offiziellen Zahlen zur Nutzung schwanken stark zwischen drei und zwölf Prozent. Dies untergrabe laut Kelber auch die Repräsentativität der Daten, die für die Forschung so wichtig sein sollen. Zudem sei die Qualität der Daten, etwa der Abrechnungsdaten, oft unzureichend.
Technische Mängel und instabiler Betrieb
Auch technisch sei das System alles andere als ausgereift. Kelber rechnete vor, dass die offiziell angegebene Betriebsstabilität von 96 Prozent „eine Stunde Ausfall pro Tag“ bedeute. Diese Ausfälle fänden höchstwahrscheinlich nicht nachts, sondern unter Last während der Praxiszeiten statt. Er kritisierte die Haltung der Gematik, die sich zwar unzufrieden zeige, aber auf die Zuständigkeit privater Dienstleister verweise. Das sei „mindestens eine Lücke in dem System“. Bei einem staatlich gelenkten Projekt müsse es wirksame Sanktionsmöglichkeiten gegen unzuverlässige Anbieter geben.
Zusätzlich werde der sichere Zugang für Versicherte systematisch erschwert, nicht nur aufgrund der schwierigen Ersteinrichtung. Die Politik habe dazu ihren Beitrag geleistet. Unter anderem, weil sie es den Krankenkassen durchgehen lasse, die PIN für die elektronische Gesundheitskarte (eGK) nicht zu versenden. „In Wirklichkeit“ lasse sie das Kelber zufolge „auch durchgehen, weil sie auf Dauer das ja gar nicht mehr so haben will“. Gleichzeitig wurde der kostenlose PIN-Rücksetzbrief für den elektronischen Personalausweis aus Kostengründen abgeschafft, was auch diese sichere Alternative unattraktiv mache. Stattdessen würden Nutzer zu unsichereren Methoden wie der biometrischen Anmeldung gedrängt.
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Überhasteter Rollout ohne echte Testphasen
Kelber prangerte zudem den grundlegenden Entwicklungsprozess der Digitalisierungsprojekte an. Er forderte, IT-Systeme im Gesundheitswesen endlich so zu entwickeln, wie es professioneller Standard sei. „Pilotieren, evaluieren, eventuell wieder zurückgehen und nur wenn der Evaluierungsprozess gelaufen ist, dann skalieren, also ausrollen.“ Stattdessen gebe es überhastete Einführungen, die als Tests deklariert werden, aber keine sind. Als Beispiel nannte er die Testphase der ePA in den Modellregionen. Direkt danach sollten sie alle nutzen. Ein solches Vorgehen lasse keine Zeit, „die Ergebnisse zu prüfen“ oder Fehler zu korrigieren. Angesichts von 25 Jahren Versäumnis, so Kelber, komme es auf ein weiteres halbes Jahr für eine qualitativ hochwertige Einführung nicht an.
Sicherheitslücken und „Flickenteppich“-Mentalität
Den Kern seiner Kritik bildeten die massiven Sicherheitsbedenken. Die ePA sei in ihrem jetzigen Zustand nicht sicher. Anstatt Sicherheitslücken grundlegend zu schließen, würden sie oft nur notdürftig „gestopft“. Kelber bemängelte, dass die Sicherheitsarchitektur nicht transparent gemacht werde und Angriffe, die mit den „Ressourcen eines Staates“ durchgeführt werden, bei der Prüfung von vornherein ausgeschlossen würden. Das sei ein Unding bei einer Datenbank mit den Gesundheitsdaten von rund 70 Millionen Menschen.
Besonders alarmierend sei, dass die Schlüssel zur Verschlüsselung der Gesundheitsdaten bei den Betreibern liegen. Kelber nannte hier explizit die Anbieter: IBM, die dem US-Recht unterliegt und Daten an US-Sicherheitsbehörden herausgeben muss, sowie die österreichische Firma RISE, „die in Österreich vom öffentlichen Dienst wegen ihrer Beziehung zu Wirecard und den russischen Geheimdiensten keine Aufträge mehr bekommt“. Nach wie vor sei nicht geklärt, „ob das wirklich vollständig gestoppt ist“. Dass solche Anbieter Zugriff auf die Schlüssel haben, sei „überhaupt nicht state of the art“.
Auch die geplante Umsetzung des European Health Data Space (EHDS) in Deutschland sieht Kelber kritisch. Insbesondere die Entscheidung, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zum zentralen „Health Data Access Body“ zu machen, hält er für „nicht glücklich“. Das Problem sei ein massiver Interessenkonflikt: Da das BfArM eigene Forschungsinteressen habe, würde es damit gleichzeitig über seine eigenen Forschungsanträge entscheiden. Kelber warnte davor, dass „nicht jemand selber seine eigenen Forschungsanträge in einem Haus bewährt“. Eine klare Trennung von Aufsicht und Forschung sei keine unnötige Bürokratie, sondern essenziell, um Vertrauen zu schaffen.
Als weiteren Beleg für die Aushöhlung des Datenschutzes nannte Kelber das geplante EU-Omnibusgesetz. Dieses Gesetz sei „nochmal gefährlicher“ und ein Beispiel für übereilte Gesetzgebung. Kelber kritisierte den Entstehungsprozess scharf. Der Datenschutzteil sei nach seinem Kenntnisstand „innerhalb von fünf Tagen“ geschrieben worden – ohne Folgenabschätzung, ohne Evidenzprüfung und ohne jegliche Debatte oder Beteiligung von Stakeholdern. Das Ergebnis sei ein Gesetz, das grundlegende Definitionen aufweiche: So sollen Daten, die einmal anonymisiert wurden, selbst dann nicht mehr unter die Datenschutzgrundverordnung fallen, wenn sie von Dritten später wieder re-identifiziert werden könnten.
Zudem werde der Begriff der Gesundheitsdaten aufgeweicht. Während die Behandlungsdaten einer Onkologie-Patientin geschützt blieben, würden ihre bloßen Aufenthaltsdaten im Onkologiezentrum nicht mehr als Gesundheitsdaten gelten – derartige Daten entstehen beispielsweise bei Terminbuchungen. Besonders kritisch sah Kelber, dass Training von KI pauschal zu einer Rechtsgrundlage für Datenverarbeitung werden soll – ohne weitere Abwägung, selbst bei hochsensiblen Daten.
Deutschlands Abstieg zur „dunklen Kraft“
Während der geplante European Health Data Space (EHDS) die EU-Staaten auf ein gemeinsames Mindestniveau bei der Datensicherheit zwinge, liege Deutschland aktuell darunter. Seinen Vortrag schloss Kelber mit einer düsteren Anspielung auf J.R.R. Tolkiens „Herr der Ringe“: Anstatt wie früher ein Vorreiter im Datenschutz zu sein, sei Deutschland durch solche Vorhaben zu „einer der dunklen Kräfte in Mittelerde geworden“, die aktiv versuche, europäische Standards zu senken. Die Reise in die Digitalisierung des Gesundheitswesens sei, so Kelber in Anlehnung an Bilbo Beutlin, „eine gefährliche Sache“, bei der man genau aufpassen müsse, wohin die Füße einen tragen.
(mack)
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KI-Update kompakt: KI-Urheberrechtsstreit, Limitless, Deep-Research, Politik
KI-Urheberrechtsstreit eskaliert
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Der Kampf um KI und Urheberrecht nimmt Fahrt auf. In den USA muss OpenAI 20 Millionen Chat-Protokolle herausgeben. Die New York Times will anhand dieser Protokolle prüfen, ob ChatGPT urheberrechtlich geschützte Artikel wortwörtlich wiedergegeben hat. Parallel dazu hat die Zeitung auch Klage gegen die KI-Suchmaschine Perplexity eingereicht. Bei Perplexity geht es um ein ähnliches Problem: Die KI-Suchmaschine nutzt komplette Nachrichtenartikel, um Nutzeranfragen zu beantworten.

Noch schlimmer: Perplexity halluziniert manchmal und die falschen Ergebnisse werden der Zeitung zugeschrieben. Den Medienhäusern geht es nicht darum, der KI komplett zu verbieten, ihre Inhalte zu nutzen. Sie wollen, dass KI-Firmen Lizenzabkommen abschließen und dafür bezahlen. Meta hat bereits etliche neue Verträge unterschrieben, unter anderem mit USA Today, CNN und Fox News.
Neues Berliner Polizeigesetz erweitert KI-Einsatz
Das Berliner Abgeordnetenhaus hat eine Novelle des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes beschlossen. Die Reform stattet die Polizei mit Befugnissen aus, die tief in die Grundrechte eingreifen. Der neue Paragraf 28a erlaubt der Polizei den biometrischen Abgleich von Gesichtern und Stimmen mit öffentlich zugänglichen Daten aus dem Internet.
Damit kann die Polizei etwa mit Material aus der Videoüberwachung automatisierte Suchen in sozialen Netzwerken durchführen. Außerdem ermöglicht der neue Paragraf 42d die Weiterverarbeitung von personenbezogenen Daten zum Training von KI-Systemen. Datenschützer kritisieren dies scharf, da KI-Modelle oft Rückschlüsse auf die Trainingsdaten zulassen.
Mit KI und Handyüberwachung gegen Anschläge
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Der CDU-Landtagswahl-Spitzenkandidat Sven Schulze in Sachsen-Anhalt will künftig stärker auf KI setzen, um Anschläge besser zu verhindern. KI solle herausfinden, ob jemand einen Ort vorab ausspäht. Dabei greifen derartige Systeme auf die Bewegungsmuster der Besucher zurück. Alle Menschen werden gefilmt und ihr Verhalten wird bewertet. Experten und Datenschützer gehen davon aus, dass dabei die umstrittene Software des US-Unternehmens Palantir zum Einsatz kommen könnte. Sie wird bereits in Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen eingesetzt.
Meta kauft KI-Gadget-Startup Limitless
Meta hat das Startup Limitless übernommen und nimmt dessen Produkte sofort vom Markt. Limitless, vormals bekannt als Rewind, entwickelte tragbare Anhänger, die den Alltag der Nutzer aufzeichnen und mittels KI durchsuchbar machen. Der Verkauf ist gestoppt, die zugehörige Software wird eingestellt; Bestandskunden bleibt lediglich eine einjährige Nutzungsfrist. Das Interesse des Konzerns dürfte weniger der Hardware gelten als vielmehr den gesammelten Erfahrungen mit „Always-on“-Geräten und der technischen Auswertung permanenter Audio-Streams.
Bürgerrechtler kritisieren KI-Überwachung in US-Gefängnissen
Das US-Telekommunikationsunternehmen Securus hat ein KI-Modell anhand jahrelang aufgezeichneter Telefon- und Videoanrufe amerikanischer Gefängnisinsassen trainiert. Jetzt testet es dieses Modell, um Anrufe, SMS und E-Mails der Häftlinge zu scannen. So sollen Straftaten vorhergesagt und verhindert werden. Aktivisten für Strafgefangene meinen, dass Securus bereits in der Vergangenheit die Bürgerrechte von Gefangenen verletzt hat. Leaks zeigten, dass es Tausende Anrufe zwischen Insassen und ihren Anwälten unrechtmäßig aufgezeichnet habe.

Wie intelligent ist Künstliche Intelligenz eigentlich? Welche Folgen hat generative KI für unsere Arbeit, unsere Freizeit und die Gesellschaft? Im „KI-Update“ von Heise bringen wir Euch gemeinsam mit The Decoder werktäglich Updates zu den wichtigsten KI-Entwicklungen. Freitags beleuchten wir mit Experten die unterschiedlichen Aspekte der KI-Revolution.
Deep-Research-Systeme erfinden Fakten
Eine Studie des chinesischen Smartphoneherstellers Oppo deckt systematische Schwächen von Deep-Research-Systemen auf. Das Problem: Fast ein Fünftel aller Fehler entsteht, weil die Systeme plausibel klingende, aber erfundene Inhalte generieren. Ein System plant etwa eine umfassende Datenbank-Analyse, kann dann aber nicht auf die Datenbank zugreifen. Statt die Strategie anzupassen, füllt es alle geplanten Abschnitte mit selbst generierten Inhalten.
KI-Agenten bleiben im Unternehmensalltag einfach
Eine Untersuchung der UC Berkeley, der Stanford University und von IBM Research zeigt: Statt autonomer Super-Systeme dominieren im Alltag der Unternehmen einfache Workflows mit viel menschlicher Kontrolle. 68 Prozent der untersuchten produktiven Agenten führen höchstens zehn Schritte aus, bevor ein Mensch eingreifen muss. Das Hauptproblem bleibt die Zuverlässigkeit. 74 Prozent der produktiven Agenten werden deshalb primär von Menschen bewertet.
Perplexity entwickelt Schutzschild für KI-Browser-Agenten
Die KI-Suchmaschine Perplexity hat ein Sicherheitssystem für Browser-Agenten vorgestellt. Ein akutes Problem: Sie sehen mehr auf Webseiten als die Nutzer, etwa weiße Schrift auf weißem Grund. So können Angreifer bösartige Befehle verstecken. Der KI-Agent interpretiert diese dann fälschlich als Nutzeranweisungen. Das neue System namens BrowseSafe soll solche Angriffe erkennen, bevor sie Schaden anrichten.
KI-Modelle können im Chat politische Präferenzen verändern
KI-Chatbots können politische Ansichten von Menschen in kurzen Konversationen womöglich effektiver ändern als traditionelle Wahlwerbung. Forscher befragten Menschen zu ihren politischen Überzeugungen und ließen sie danach mit Chatbots diskutieren, die darauf trainiert waren, diese Meinung zu ändern. Bei den Befragungen danach konnten teilweise große Verschiebungen bei den politischen Meinungen konstatiert werden. Was besonders auffallend war: Die Chatbots argumentierten sehr mit vorgeblichen Fakten, aber ungefähr ein Drittel der Antworten war falsch.
Menschliche Kompetenzen sind wichtiger als KI-Fähigkeiten
Menschliche Fähigkeiten wie Kreativität und Empathie sollen laut dem Weltwirtschaftsforum im Jahr 2030 an erster Stelle stehen, noch vor KI-Kompetenzen. Der Bericht betont jedoch auch, dass gerade diese Kompetenzen in Bildungssystemen bisher zu wenig gefördert werden. Umfragen bestätigen, dass bei Unternehmen schon heute eine hohe Nachfrage nach qualifizierten menschlichen Kompetenzen besteht, während das Angebot nicht mithalten kann.

(igr)
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