Künstliche Intelligenz
Ärztin zur E-Patientenakte: „Unverschämtheit, dass die Preise da so drin stehen“
Die Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen verschafft noch keine Erleichterung. Das wurde in der Diskussion „Wohin geht die digitale Reise in der ambulanten Versorgung?“ auf dem Digital-Health-Symposium der TMF deutlich. Zwar ist der Wille zum Fortschritt da. Die Frustration über die regelmäßigen Störungen der Telematikinfrastruktur – der Datenautobahn des Gesundheitswesens –, komplizierte Prozesse und mangelnde Informationen sind allerdings nach wie vor allgegenwärtig.
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Moritz Eckert aus der Praxisgemeinschaft Eckert & Poppe berichtete aus seiner Praxis. Bei ihm kamen die elektronische Patientenakte und das E-Rezept früh – zunächst zu Testzwecken – zum Einsatz. Als positives Beispiel nannte er die elektronische Medikationsliste. Sie sei „etwas, was sich passiv füllt durch das E-Rezept. Es ist kein Zutun dabei, es ist relativ gut“. Doch viele andere Funktionen seien instabil, kaum intuitiv zu bedienen und praxisfern entwickelt.
Noch sei der Nutzen bei den digitalen Anwendungen laut KBV-Digitalexperte Dr. Philipp Stachwitz begrenzt, aber das Potenzial groß, gerade mit Blick auf die Forschung. Die Debatte über Datenschutz und Transparenz sei nicht nur ein Ärztethema, sondern eine gesellschaftliche Grundsatzfrage, die nun geführt werden müsse, da die ePA in der Realität angekommen ist. Die aktuelle Unvollständigkeit der ePA findet Stachwitz nicht so problematisch.
Dr. Christiane Wessel von der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin Wessel sieht das etwas anders. Sie bezeichnete es als „ätzend“, dass sie mit Kliniken kaum Dokumente tauschen kann. „Wenn ich schnell eine Information möchte, kriege ich ein Fax vielleicht“. Falls es kein Fax gibt, hofft sie darauf, dass die Patienten den Arztbrief mitnehmen. „Da bräuchten wir mehr Vollständigkeit“, ergänzt sie.
Abrechnungsdaten spiegeln echte Vergütung nicht wider
Besonders die in der ePA enthaltenen Leistungsübersichten der Krankenkassen sorgen für Ärger. Wessel fand dafür klare Worte: „Das ist ja eigentlich eine Unverschämtheit, dass das so dort reingestellt ist.“ Die angezeigten Preise würden nicht die tatsächliche, budgetierte Vergütung widerspiegeln und bei Patienten ein falsches Bild erzeugen. Sie forderte ebenfalls mehr Verlässlichkeit der Systeme. Sie illustrierte mit einem Beispie, bei dem eine Patientin aufgrund einer Abrechnung davon ausgeht, dass die Ärztin 100 Euro für eine Leistung erhalten hat. In Wirklichkeit hat sie aber aufgrund der Budgetierung nur 82 Euro bekommen. Das vermittle ein falsches Bild von den ärztlichen Einnahmen.
Den Ärzten zufolge sei zudem die Wahl des Praxisverwaltungssystems von einer trügerischen Logik geleitet: „Das haben viele, das muss wohl gut sein.“ Dem sei laut Eckert mit Blick auf den Marktführer jedoch nicht so. Damit dürften Produkte der Compugroup Medical gemeint sein, die auch schon auf der Digital Health Conference (DHC) kritisiert wurde. „Wir haben tolle Praxisverwaltungssysteme, die viel können. Wir haben auch viel Schrott, keine Frage“, so Eckert. Wenn man den Schrott aber nicht einmal bedienen könne, „dann ist halt das Problem ein ganz anderes“.
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Florian Hartge, ein Geschäftsführer der Gematik, räumte ein, dass die Systeme noch zu häufig ausfallen. Er betonte jedoch die Rolle der Gematik als überwachende Instanz: „Wir überwachen das und machen das transparent“, die Gematik betreibe die Telematikinfrastruktur (TI) aber nicht selbst. Bereits auf der DHC hatte ein weiterer Gematik-Geschäftsführer, Florian Fuhrmann, den unfairen und unübersichtlichen Markt der PVS thematisiert.
„Digi-Managerin“
Gleichzeitig gibt es ein großes Interesse an KI in Praxen, wie Wessel berichtete. In der Berliner „Digi-Praxis“ zeige sich, wie KI-Anwendungen bei Routineaufgaben Zeit sparen und Personal entlasten können. Um die Praxen bei der Digitalisierung besser zu unterstützen, plane man zudem, nach dem Vorbild der KV Westfalen-Lippe, die Weiterbildung zur „Digi-Managerin“ für medizinische Fachangestellte zu etablieren. Dabei handelt es sich um extra dafür ausgebildete Praxismitarbeiterinnen, die die Verantwortung für die Digitalisierung übernehmen, den Digitalisierungsgrad der Praxis analysieren, nach neuen Tools suchen und das Team schulen.
Stabile Systeme gewünscht
Am Ende der Runde herrschte Einigkeit: Es wurde viel geschafft, die ePA ist endlich Realität. Doch es braucht mehr Schulung, mehr Unterstützung und stabile Technik. Eckert zeigte sich pessimistisch: „Wir wollen weiter planen, aber wir wollen nicht an der Ampel absaufen.“ Er wünscht sich nach dem Stress, zum Beispiel aufgrund der TI-Komponenten, die getauscht werden müssen, eine Verschnaufpause. Erstmal müssen die Systeme stabil laufen. Florian Hartge merkte mit Blick auf das Tempo der Entwicklung jedoch an: „Wenn man’s noch langsamer macht, kommt man nirgendwo mehr an.“
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(mack)