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Berliner Landesregierung will Befugnisse der Polizei ausweiten


CDU und SPD wollen die Polizei im Land Berlin mit mehr Befugnissen ausstatten. Nach Informationen des RBB haben sich die Koalitionäre am vergangenen Wochenende auf eine Novelle des Berliner Polizeigesetzes geeinigt. Die Verschärfung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) steht in einer Reihe mit zahlreichen Maßnahmen, mit denen in der Hauptstadt mehr Überwachung eingeführt und Grundrechte abgebaut werden sollen.

Laut dem RBB-Bericht soll das neue Polizeigesetz an verschiedenen Punkten mehr Überwachung bringen. So will die Koalition Videoüberwachung an sogenannten kriminalitätsbelasteten Orten, zu denen in Berlin auch Parks gehören werden, dauerhaft legalisieren. Zusätzlich zu dieser Form der Überwachung soll in Zukunft auch die automatische Erkennung von Verhaltensmustern mittels „Künstlicher Intelligenz“ erlaubt werden. Bei den Berliner Verkehrsbetrieben sollen Aufnahmen aus der Videoüberwachung in Zukunft 72 statt 48 Stunden aufgehoben werden dürfen.

Bei der Telekommunikationsüberwachung soll die Nutzung von Staatstrojanern durch die Polizei ausgeweitet werden. Der verstärkte Einsatz der Hacking-Tools, mit denen Behörden heimlich IT-Geräte wie Smartphones infiltrieren und überwachen können, hatte sich schon im Koalitionsvertrag angekündigt. Bereits seit 2017 darf jede Polizei in Deutschland Staatstrojaner wie eine normale Telefonüberwachung einsetzen. In der Novelle geht es nun darum, dass die Polizei die Hacking-Werkzeuge bereits zur Abwehr von Straftaten nutzen soll – also schon, bevor eine Straftat begangen wurde.

Kritik daran kommt aus der Opposition von Linken und Grünen. „Statt die Alltagsnöte der Polizei zu adressieren, werden mit der Novelle neue Befugnisse und Aufgaben geschaffen, die vor allem Sicherheit simulieren“, sagte der Grünen-Innenpolitiker Vasili Franco gegenüber dem RBB. Linken-Innenpolitiker Niklas Schrader wirft der Koalition laut dem Bericht vor, dass sie „jegliches Maß beim Schutz der Grundrechte verloren“ habe.

Grundrechtseinschränkungen in verschiedenen Bereichen

Zuletzt hatte die Berliner Koalition auch die Einführung des Staatstrojaners für den Landesverfassungsschutz auf den Weg gebracht und insgesamt bei der Novelle des Berliner Landesverfassungsschutzgesetzes Transparenz und Kontrolle zurückgefahren sowie die Befugnisse des Inlandsgeheimdienstes ausgebaut.

Auch an das Versammlungsrecht will die mittlerweile in der Wählergunst stark abgesackte Koalition ran. CDU und SPD haten sich eine Evaluation des bisher liberalen Berliner Versammlungsfreiheitsgesetzes in den Koalitionsvertrag geschrieben. Dies ist nun der Türöffner für mögliche Einschränkungen. Erklärtermaßen will die Koalition die „öffentliche Ordnung“ wieder als Grund ins Versammlungsgesetz aufnehmen, auf Basis dessen sich Demonstrationen einschränken lassen. Vertreter:innen der Koalition fordern, das „Versammlungsrecht so restriktiv ausgestalten, wie es das Grundgesetz zulässt“.



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26 Werkzeuge zur Verteidigung der Demokratie


„Du bist nicht alleine.“ Das ist einer der zentralen Sätze im Anti-Autokratie-Handbuch, das 19 Forscher*innen aus den USA und Europa nun gemeinsam veröffentlicht haben. Vor dem Hintergrund bedrohter Demokratien, insbesondere in den USA, haben sie 26 praktische Ratschläge gesammelt, wie Interessierte ihre Ohnmacht überwinden und sich geschickt verhalten können.

Das Handbuch richtet sich primär an Menschen aus Forschung und Wissenschaft. Einige Tipps sind allerdings so allgemein, dass sie auch auf viele andere zutreffen, unabhängig von ihrem Beruf. Lesenswert ist ebenfalls die pointierte Analyse, wie sich anti-demokratische Kräfte derzeit ausbreiten.

Messerscharfe Diagnose bedrohter Demokratie

Auf wenigen Seiten zeichnet das Handbuch ein messerscharfes Bild vom aktuellen Zustand der Demokratie. Die Autor*innen zählen 91 Demokratien und 88 Autokratien auf der Welt. Seit 2003 sei der Anteil der Weltbevölkerung, die in Autokratien leben muss, von 50 Prozent auf 72 Prozent gestiegen.

Die typische Vorgehensweise von Autokratien brechen die Autor*innen auf drei Elemente herunter:

  1. Populismus, der vorgibt, das vermeintliche Volk gegen vermeintliche Eliten zu verteidigen
  2. Polarisierung, die versucht, die Bevölkerung zu spalten
  3. Post-Wahrheit, die Verwirrung über grundlegende Fakten sät

Wissenschaft und Forschung geraten dabei zunehmend unter Druck, wie das Handbuch darlegt. Das Spektrum reiche vom Entzug von Forschungsgeldern über Zensur einzelner Forschungsvorhaben bis hin zum Verbot ganzer Disziplinen.

Mit welcher Effizienz derzeit die Trump-Regierung die Demokratie aushebelt, zeigt ein detailliertes Diagramm. Es benennt mehrere Dutzend konkrete Angriffe auf Sphären der demokratischen Gesellschaft, allein in den ersten drei Monaten von Donald Trumps zweiter Amtszeit. Die Angriffe betreffen etwa die Institutionen des Rechtsstaats, Informationskontrolle oder die globale Friedensordnung.

Wie reagieren Menschen darauf, wenn ihre Demokratie angegriffen wird? Auch hier spart sich das Handbuch differenzierte Ausführungen und legt stattdessen pointierte Antworten vor – in Form von insgesamt 14 typischen Verhaltensstrategien. Das Spektrum reicht von Menschen, die die Autokratie als Karriere-Chance ausnutzen, über stille Mitläufer*innen bis hin zu offenem Widerstand.

„Autokratien halten nicht ewig“

Nach den eher düsteren Diagnosen richten die Autor*innen in der zweiten Hälfte des Handbuchs den Blick nach vorne und machen Mut. „Autokratien halten nicht ewig“, betonen sie.

Zum Beleg verweisen sie auf eine Analyse von 323 regierungskritischen Massenbewegungen zwischen 1900 und 2006. Demnach seien die meisten Bewegungen erfolgreich gewesen, wenn sie mindestens 3,5 Prozent der Bevölkerung mobilisieren konnten. Zudem hätten die meisten erfolgreichen Bewegungen zur Gewaltfreiheit geneigt.

Ein kleiner Prozentteil der Bevölkerung und keine Gewalt: Ohne Zweifel soll diese Perspektive vor allem motivieren. Es wäre allzu holzschnittartig, daraus eine allgemeine Regel für Demokratie-Bewegungen der Zukunft abzuleiten. Darauf weisen die auch Autor*innen selbst hin: „Obwohl es Ausnahmen von dieser ‚3,5-Prozent-Regel‘ gibt, stellt sie einen ermutigenden Richtwert dar.“

Was also tun, damit eine kritische Masse zusammenkommt? Eine entscheidende Mindestmenge an Menschen, die eine autoritäre Wende wieder umkehren kann? Das führen die Autor*innen in 26 Ratschlägen aus, aufgefächert nach persönlichem Risiko.

15 Ratschläge mit geringem Risiko

Die ersten 10 Ratschläge sind sehr grundlegend. Die Autor*innen legen sie allen Interessierten ans Herz, unabhängig von ihrem persönlichen Risiko-Level. Es beginnt mit der Empfehlung, sich um das eigene Wohlergehen zu sorgen und um das der Menschen im eigenen Umfeld. Ausruhen gegen den Faschismus – damit man langfristig die Kraft für mehr hat. Denn Angst und Stress, schreiben die Autor*innen, seien nicht nur persönliche Reaktionen auf eine Krise; vielmehr würden Autokratien so etwas systematisch befeuern.

Zwei weitere grundlegende Ratschläge kreisen um Technologie: Es geht etwa um Ende-zu-Verschlüsselung, datenschutzfreundliche Software und geschützte Datenträger. Kurzum, die Autor*innen raten dazu, sich gegen staatliche Überwachung und gewaltsamen Zugriff auf private Daten zu wappnen. Ausführliche Tipps hierzu liefert unsere Reihe zu digitaler Selbstverteidigung.

Außerdem warnen die Autor*innen vor autokratischen Ablenkungsmanövern durch die Umdeutung von Sprache. „Wenn eine prominente Person einen Hitlergruß macht, ist das… ein Hitlergruß und keine ‚eigenartige Handgeste’“, betonen die Autor*innen mit Blick auf den Hitlergruß durch den Multi-Milliardär und ehemaligen Trump-Jünger Elon Musk.




Es folgen fünf Ratschläge, die die Autor*innen zumindest in Demokratien als risikoarm einstufen. Wer sich engagieren will, kann sich demnach in Form von Gastbeiträgen in den öffentlichen Diskurs einmischen und Briefe an Abgeordnete schreiben. Im direkten Kontakt mit Jugendlichen können Menschen einen Kontrapunkt setzen zu den typischen Versuchen autoritärer Kräfte, gerade junge Generationen zu radikalisieren.

11 riskantere Ratschläge – von „mittel“ bis „extrem“

Nach den risikoarmen Ratschlägen wird es brisanter. Wer bereits in einer Autokratie lebt, kann dem Handbuch bis zu elf weitere Ratschläge entnehmen, je nach persönlichem Risiko-Level. Menschen, die ihr Risiko als „mittel“ einschätzen, können beispielsweise Belege für Grundrechtsverletzungen sammeln, die Autokratien lieber unter den Teppich kehren wollen. Die Autor*innen schreiben:

Wenn Akten verschwinden, dokumentiere das. Wenn Beamt*innen anscheinend Gesetze verletzen, dokumentiere das. Teile Informationen mit verlässlichen Journalist*innen, Jurist*innen oder unabhängigen Beobachter*innen.

Selbst staatlich zensierte Forschung lässt sich im Verborgenen fortsetzen, wie die Autor*innen darlegen, etwa indem man vordergründig unverfängliche Arbeiten veröffentlicht, pikante Themen jedoch unter Pseudonym weiterverfolgt.

Wer das eigene Risiko als hoch oder gar extrem hoch einschätzt, ist zum eigenen Schutz auf Diskretion angewiesen. Dennoch können Betroffene Dinge tun, ohne sich still zurückziehen zu müssen, wie die Autor*innen schreiben. Zum Beispiel: ineffizient arbeiten.

Wenn von einem etwas verlangt wird, das sich falsch anfühlt, könne man etwa Rückfragen stellen und auf Widersprüche im Auftrag hinweisen, so die Autor*innen. Danach könne man die Umsetzung zumindest verzögern. Bereits solche Anzeichen von Widerstand könnten andere anstecken und einen „Domino-Effekt des Ungehorsams“ anstoßen. „Gerade wenn Angst und Anpassung weit verbreitet sind, zählen diese kleinen Schritte sehr viel“, schreiben die Autor*innen.

Wiki mit weiteren Ratschlägen eröffnet

Diese Strategie der Verzögerung hat Tradition und erst im Frühjahr ein Revival erlebt: Passend zur rechtsradikalen Machtübernahme in den USA stiegen die Downloadzahlen eines Leitfadens aus dem Jahr 1944. Im „Simple Sabotage Field Manual“ erklärte ein US-Geheimdienst Menschen im Nationalsozialismus Methoden des passiven Widerstands, unter anderem: „Tun Sie so, als wären Anweisungen schwer zu verstehen, und bitten Sie darum, dass man sie Ihnen mehrfach wiederholt.“ Nun findet der Leitfaden von 1944 ausgerechnet in seinem Ursprungsland neue Fans.

Die Autor*innen des neuen Anti-Autokratie-Handbuchs sehen ihre Arbeit als Anfang für mehr. Im begleitenden Wiki SaveScience.eu sollen Freiwillige künftig Stück für Stück weitere Ressourcen und Anregungen ergänzen. Schon jetzt online ist ein Tutorial, wie bedrohte Wissenschaftler*innen notfalls anonym ihre Erlebnisse mit der Öffentlichkeit teilen können sowie Tipps zum Umgang mit Stress und psychischem Druck.



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Automatisierte Datenanalyse: Sachsen-Anhalt will „interimsweise“ Palantir


In Sachsen-Anhalt kocht der Streit um Palantir hoch. Es geht dabei um eine Software für die Polizei, die verschiedene Datentöpfe der Behörden zusammenführen soll, um dadurch Analysen zu ermöglichen. Die Opposition befürchtet, das Bundesland und seine CDU-Innenministerin plane, die aus rechtlichen und geopolitischen Gründen heißdiskutierte Softwarelösung des US-amerikanischen Konzerns Palantir für die Landespolizei einzuführen.

Das dafür geplante Gesetz wurde von Fachleuten bereits kurz nach Veröffentlichung des Entwurfs im Mai heftig kritisiert und als offensichtlich grundrechtswidrig gebrandmarkt. Das Gesetz stehe „auf verfassungsrechtlich tönernen Füßen“, bescheinigte ihm der Sachverständige Jonas Botta in einer Stellungnahme an den Innenausschuss des Landtages von Sachsen-Anhalt. Es betreffe eine sehr große Personenzahl, nicht nur aus Sachsen-Anhalt, sondern aus dem gesamten Bundesgebiet und darüber hinaus.

Ein Gesetz ist aber für die Nutzung solcher Software notwendig, weil das Bundesverfassungsgericht 2023 in einem Urteil über automatisierte Polizeidatenanalysen detaillierte rechtliche Vorgaben machte. Seither müssen hohe quantitative und qualitative Grenzen eingehalten werden, was die Menge und Art der Daten angeht, die mit solcher Software verarbeitet werden darf.

Begründet wird die Notwendigkeit der Analyseplattform vor allem mit dem Magdeburg-Attentat auf dem Weihnachtsmarkt im Dezember 2024. Seit dem 22. Januar untersucht der Landtag mit einem Untersuchungsausschuss das Sicherheitskonzept des Weihnachtsmarkts und die Missachtung zahlreicher Hinweise, die der Tatverdächtige in vielen Behörden selbst hinterlassen hatte.

Palantir oder doch nicht?

Sachsen-Anhalt hatte 2024 gegenüber netzpolitik.org noch betont, in Sachen Palantir „keine Vorhaben“ zu planen. Ein Jahr später ließ die langjährige Innenministerin Tamara Zieschang nach einer schriftlichen Anfrage von netzpolitik.org im April 2025 mitteilen, dass sich das Bundesland für eine „interimsweise Bereitstellung einer zentral betriebenen, digital souveränen, wirtschaftlich tragbaren und rechtlich zulässigen automatisierten Datenanalyseplattform durch den Bund“ einsetzen würde. Das sei aber „unabhängig von einem konkreten Produkt“. Einen ausdrücklichen Ausschluss Palantirs gab es nicht.

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Die Fraktionsvorsitzende und Linken-Abgeordnete Eva von Angern aus Sachsen-Anhalt. CC-BY-SA 3.0 Ailura

Nun beantwortete die Landesregierung eine parlamentarische Anfrage (pdf) der Linken im Landtag. Darin war auch nach „Bundes-VeRA“ gefragt worden. Das ist der Behördenname für die Palantir-Software in der Version für die Bundesbehörden: verfahrensübergreifende Recherche- und Analyseplattform.

Die Abgeordneten der Linken Eva von Angern und Andreas Henke wollten etwa wissen, ob die Landesregierung Schlüsse daraus gezogen hätte, dass „Bundes-VeRA“ von der damaligen Bundesregierung gestoppt worden war. Im Sommer 2023 kam die geplante Einführung von Palantirs „Bundes-VeRA“ zum Erliegen, weil dem „Ziele des P20-Programms“ entgegenstünden: nämlich „die hersteller­unabhängige Anwendungsbereitstellung und der Betrieb von polizeilichen Funktionalitäten mit hoher Autonomie und flexibler Erweiterung und Anpassung“, wie die Linke schreibt. Die damalige Innenministerin Nancy Faeser hatte Palantir für Bundesbehörden 2023 eine Absage erteilt.

Das angesprochene P20-Programm steht für „Polizei 20/20“. Das Bundesinnenministerium hatte damit den Plan verfolgt, die polizeiliche Infrastruktur zu modernisieren und dabei den Austausch von Informationen zwischen Bund und Ländern zu erleichtern. Die dazu von den Innenministern in Bund und Ländern schon 2016 angestoßene Saarbrücker Agenda für eine gemeinsame und einheitliche Informationsarchitektur ist allerdings auch nach fast einem Jahrzehnt nicht vollständig umgesetzt.

Die Antwort der Landesregierung auf die Frage nach den Konsequenzen fällt schmallippig aus: Die „Schlussfolgerungen“ der Landesregierung seien mit einer sachsen-anhaltinischen Bundesratsinitiative, gemeinsam mit dem Freistaat und Palantir-Vertragspartner Bayern, gezogen worden. Der Bundesrat hatte aufgrund dieser Initiative am 21. März 2025 für eine „rechtssichere Implementierung eines gemeinsamen Datenhauses für die Informationsverarbeitung der Polizeien des Bundes und der Länder“ votiert sowie eine „interimsweise zeitnahe Bereitstellung einer gemeinsam betriebenen automatisierten Datenanalyseplattform“ beschlossen.

Keine Palantir-Konkurrenz in Sicht

Ob tatsächlich „interimsweise“ auf Palantir gesetzt wird, bleibt unbestätigt. Der MDR spricht davon, dass ungenannte Experten davon ausgehen würden, dass das Vorhaben nur mit der Software möglich sei. Der Name des US-Konzerns wird in der Antwort der Landesregierung aber tunlichst vermieden.

Man fordere eine „gemeinsam finanzierte, zentral zu betreibende, rechtlich zulässige und digital souveräne Interimslösung“, schreibt die Landesregierung. Damit dürfte eigentlich Palantir als automatisierte Datenanalyseplattform wegfallen, denn selbst bei minimaler Auslegung von „digital souverän“ kann die proprietäre und intransparente Softwarelösung des US-Konzerns wohl nicht akzeptabel sein. Denn technisch nachzuvollziehen, was durch die Software intern wie verarbeitet und analysiert wurde, bleibt für die nutzenden Behörden unmöglich. Daraus macht Palantir ein ganz unsouveränes Geheimnis.

„Auf keinen Fall Palantir“

Eva von Angern, Fraktionsvorsitzende und auch Mitglied im Untersuchungsausschuss zum Magdeburg-Attentat, sagt gegenüber netzpolitik.org: „Unsere Anfrage im Landtag zeigt deutlich, dass die Landesregierung widersprüchlich agiert in Bezug auf eine kommende Anwendung von Palantir.“ Das Land plane eine eigene Lösung für Sachsen-Anhalt, „obwohl bereits auf Bundesebene ein gemeinsames Vorgehen der Innenministerien angekündigt wurde“.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff hatte nach dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt im Februar 2025 im Bundesrat an die Bundesregierung appelliert, den „begonnenen Aufbau des gemeinsamen Datenhauses weiter mit höchster Priorität voranzutreiben“. Hierzu zähle, „die bereits im Jahr 2023 geplanten Aktivitäten einer Interimslösung für eine automatisierte Datenanalyseplattform erneut aufzunehmen und zeitnah bereitzustellen“. Das deutet darauf, dass sich Haseloff auf Palantir bezog. Denn es steht gar nichts anderes zeitnah zur Verfügung.

Die Opposition stellt sich dagegen. Palantir sei eine Software, betont von Angern, die „den Datenschutz übergeht und massenhaft Eingriffe in die persönlichen Privatsphäre vorsieht“. Das müsse unbedingt verhindert werden. „Auf keinen Fall Palantir“, sagt auch Sebastian Striegel, Innenpolitiker der Grünen in Sachsen-Anhalt gegenüber dem MDR.

Palantir

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Zudem ist die Frage, ob sie „rechtlich zulässig“ ist, ebenfalls streitig. Ohne Frage ist die geplante automatisierte Datenanalyse äußerst grundrechtssensibel. Denn das Verarbeiten von Massendaten auch von Unbescholtenen auf Knopfdruck kann Teil der Analyse sein, etwa mit Daten aus Funkzellenabfragen oder durch die vielen personenbezogenen Datenhäppchen aus den verschiedenen Polizeidatensammlungen. Es liegen außerdem noch mehrere Verfassungsbeschwerden gegen Regelungen in Polizeigesetzen von bisherigen Palantir-Nutzerländern vor, deren Ausgang ungewiss ist. Die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Hessen und Bayern sind derzeit Palantir-Kunden.

Wohl auch wegen der rechtlichen Grenzen des Bundesverfassungsgerichts fragen die Linken die Landesregierung ganz konkret, welche Daten in der Plattform verarbeitet und auf welche Datenbanken sie automatisiert Zugriff nehmen soll. Die Antwort ist allerdings wenig aussagekräftig, denn sie verweist nur darauf, was „grundsätzlich möglich“ wäre, nämlich insbesondere „Daten aus den polizeilichen Informationssystemen sowie Vorgangsdaten und Falldaten“ zusammenzuführen und zu analysieren. Genaueres bleibt die Landesregierung schuldig.

„Interimsweise“ ist kaum möglich

Linken-Fraktionsvorsitzende von Angern positioniert sich gegenüber netzpolitik.org klar gegen das Vorhaben der Landesregierung: „Palantir soll Daten aus verschiedensten Datenbanken wie Gesundheitsdaten, Ordnungsamt, Polizei“ zusammenführen, „ohne dass die Menschen darüber mitentscheiden können oder sich was zu Schulden haben kommen lassen“. Sie sei gegen „gläserne Bürger“.

Sie betont außerdem, dass der Anlass des Gesetzes „nicht stichhaltig“ sei: „Die Innenministerin schiebt den Magdeburg-Anschlag vor, obwohl genug Wissen über das Handeln des späteren Attentäters vorlag. Die Innenministerin will damit die eigenen Defizite verhüllen.“ Zieschang könne nicht ein neues Instrument etablieren, „dass am Ende womöglich als rechtswidrig eingestuft wird“.

Wenn nun tatsächlich „interimsweise“ auf Palantir gesetzt wird, dann ist der Sack mit hoher Wahrscheinlichkeit für viele Jahre zu. Denn es dürfte Millionen Euro kosten, die Software zu lizenzieren, zu implementieren, die Daten einzupflegen und die Menschen zu schulen, die am Nutzer-Interface klicken werden.

Wer glaubt, dass ein solches einmal im Wirkbetrieb befindliches Palantir-System nach wenigen Jahren durch eine „digital souveräne“ Lösung ersetzt wird, der muss nur nach Nordrhein-Westfalen schauen. Dort sind aus einstigen Palantir-Testern nach vielen Jahren längst Abhängige geworden.



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Innenminister setzen Vertrauen bei der Behandlung psychischer Erkrankungen aufs Spiel


Menschen, die an psychischen Erkrankungen leiden, brauchen Hilfe. Doch auf dem Weg zu angemessener Unterstützung gibt es viele Hürden: Hilfesuchende müssen teils mehrere Monate warten, bis sie einen ambulanten Psychotherapieplatz bekommen, in ländlichen Gebieten bis zu einem Jahr. Noch immer hält die Stigmatisierung psychischer Erkrankungen viele davon ab, sich überhaupt in Behandlung zu begeben.

Diese Angst vor Stigmatisierung wird nun weiter genährt durch die Innenminister:innen von Bund und Ländern, die auf ihrer Konferenz im Juni psychische Erkrankungen vor allem als sicherheitsbehördliches Thema und nicht als Problem der Gesundheitsversorgung dargestellt haben.

Datenaustausch mit der Polizei zu psychischen Erkrankungen

In einem der Beschlüsse der Innenministerkonferenz fordern die Minister:innen ein „integriertes Risikomanagement“ bei Menschen mit psychischen Erkrankungen. Es geht dabei um das Risiko, dass psychisch erkrankte Personen Straf- und insbesondere Gewalttaten begehen könnten. Um dem zu begegnen, wollen die Innenminister:innen mehr Datenaustausch, an dem sich Gesundheits-, Sicherheits-, Justiz- und Ausländerbehörden beteiligen sollen.

„Bei einem identifizierten Gefährdungspotenzial muss ein gemeinsames integriertes Fallmanagement einsetzen, mit dem Ziel, alle gesundheitsbehördlichen und polizeilichen sowie ggf. aufenthaltsrechtlichen Möglichkeiten zum Schutz anderer Menschen vor diesem Risiko auszuschöpfen“, heißt es im Beschluss.

Ähnlich klingt eine Entschließung der Gesundheitsminister:innen von Bund und Ländern, die ebenfalls im Juni tagten. Sie wollen denn „Austausch von Gesundheitsdaten und den Erkenntnissen der Gefahrenabwehrbehörden unter datenschutzrechtlichen Vorgaben“ prüfen.

Stigmatisierung statt Hilfe

Beide Beschlüsse stehen unter dem Eindruck mehrerer bundesweit diskutierter Gewalttaten der vergangenen Monate. Im Mai griff eine Frau am Hamburger Hauptbahnhof Menschen mit einem Messer an, sie war erst einen Tag zuvor aus einer psychiatrischen Klinik entlassen worden. Im vergangenen Dezember fuhr ein Mann mit einem Auto in den Magdeburger Weihnachtsmarkt. Bei der Amokfahrt tötete und verletzte er mehrere Menschen. Zuvor war er wiederholt wegen wahnhafter Äußerungen aufgefallen und bereits wegen der Androhung von Straftaten verurteilt worden.

Nach der Tat im Dezember hatte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann ein Register für psychisch erkrankte Gewalttäter gefordert. Mehrere Psychiater:innen und Psychotherapeut:innen hatten damals die Forderungen vehement abgelehnt. Sie forderten eine bessere und niedrigschwelligere Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen statt weiterer Stigmatisierung. Außerdem wiesen sie darauf hin, dass nur selten ein direkter Zusammenhang zwischen einer psychischen Erkrankung und einer Gewalttat bestünde.

Dieser Einwand wird durch wissenschaftliche Untersuchungen gestützt. In einer Übersichtsarbeit schrieb die kanadische Sozialepidemiologin Heather Stuart, die zur Stigmatisierung psychischer Erkrankungen forscht: „Psychische Störungen sind weder notwendige noch hinreichende Ursachen für Gewalt.“ Viel relevanter für das Risiko, eine Gewalttat zu begehen, seien soziodemografische und sozioökonomische Faktoren wie Jugend, Männlichkeit und ein niedriger sozioökonomischer Status.“ Der Zusammenhang zwischen psychischen Erkrankungen und Gewalttaten sei in der öffentlichen Wahrnehmung überschätzt.

„Prävention gelingt durch Hilfe, nicht durch Verdacht“

Das kritisiert auch Elisabeth Dallüge. Sie ist Mitglied des Bundesvorstandes der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung. Der Berufsverband sehe den Beschluss der Innenministerkonferenz „mit großer Sorge“, schreibt sie gegenüber netzpolitik.org: „Auch wenn er sich formal auf eine kleine Risikogruppe bezieht, verfestigt er strukturell den Eindruck, psychische Erkrankungen seien ein isoliertes Sicherheitsrisiko – das befördert Stigmatisierung und behindert Versorgung.“ Der geplante Austausch von Gesundheitsdaten zwischen verschiedenen Behörden stelle die Schweigepflicht infrage und gefährde „das Vertrauensverhältnis, das für jede Behandlung essenziell ist.“




Nach Meinung der PsychotherapeutenVereinigung brauche es keine Kontrolle, sondern eine „konsequent ausfinanzierte, multiprofessionelle Versorgung – mit spezialisierten Ambulanzen, klarer Verantwortung im Gesundheitswesen und einer gesetzlichen Einbindung psychotherapeutischer Expertise“.

Andere Vorschläge der Innenministerkonferenz gingen in eine richtige Richtung, etwa ein Reformvorschlag zu den Psychisch-Kranken-Gesetzen der Länder. Dort soll geprüft werden, wie unterhalb der Schwelle einer Zwangsunterbringungen etwa verpflichtende Therapieauflagen oder eine überprüfte Medikamenteneinnahme umgesetzt werden könnten. Das könne sinnvoll sein, schreibt Dallüge – „vorausgesetzt, die Maßnahmen erfolgen im Rahmen eines gestuften, therapeutisch begleiteten Nachsorgekonzepts.“

Die Psychotherapeutin Dallüge, die selbst Erfahrungen in der Arbeit im Maßregelvollzug hat, fasst zusammen: „Prävention gelingt durch Hilfe, nicht durch Verdacht.“

Gewaltrisiko kann durch Angst vor Stigmatisierung steigen

Die Fachgesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (DGPPN) hat ein Positionspapier verfasst, das zu ähnlichen Ergebnissen kommt. Die Präsidentin der Gesellschaft, Prof. Dr. Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank, sagt dazu: „Wir brauchen keine neuen gesetzlichen Regelungen oder Konstrukte – wir müssen die bestehenden Möglichkeiten besser anwenden. Register oder die Weitergabe von medizinischen Daten an Behörden mindern das Gewaltrisiko nicht.“ Stattdessen könne das Risiko für Gewalttaten steigen, „wenn die Furcht vor Stigmatisierung dazu führt, dass Betroffene nicht zum Arzt gehen oder sich erst spät behandeln lassen“, so die Neurologin und Psychiaterin.

Welche Daten genau ausgetauscht werden sollen, wie ein Risikopotenzial ermittelt werden kann und welche Gesetze in Bund und Ländern dafür geändert werden müssen, konkretisieren weder Gesundheits- noch Innenminister:innen. Müssen Menschen, die sich etwa wegen Wahnideen ärztliche Hilfe suchen, nun Angst haben, dass Informationen zu ihren Symptomen bei der Polizei landen? Der Arbeitskreis „Früherkennung und Bedrohungsmanagement“ soll bis zur Herbstsitzung der Innenminister:innen die Vorschläge zu Datenaustausch und Risikoerkennung weiter ausarbeiten.



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