Künstliche Intelligenz
Das KI-Energie-Dilemma: Wenn der digitale Boom die Netze überlastet
Künstliche Intelligenz hat sich zu einem ständig hungrigen Stromfresser entwickelt. Experten warnen, dass der globale Stromverbrauch von KI-Rechenzentren zwischen 2023 und 2030 voraussichtlich um das Elffache ansteigen wird – von 50 auf rund 550 Milliarden kWh. Rechnet man die nicht spezialisierten Datencenter hinzu, wird der Gesamtverbrauch für zentrale Datenverarbeitung im Jahr 2030 voraussichtlich bei 1400 Milliarden kWh liegen. Zum Vergleich: Ein einziges modernes Rechenzentrum mit 100 MW kann jährlich den Strombedarf von etwa 100.000 Haushalten aufweisen. Künftige Anlagen könnten bis zu 20-mal mehr Energie benötigen.
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Der hohe und rasant wachsende Energiebedarf der KI-Infrastruktur bringe die lokalen Stromnetze zunehmend an ihre Belastungsgrenzen, schreibt die zivilgesellschaftliche Organisation AlgorithmWatch in einer neuen Analyse. Städte wie Frankfurt/M., die zu Hotspots der Rechenzentren-Branche geworden sind, sähen sich mit einer angespannten Versorgungslage konfrontiert.
Faktisch hätten sich die Betreiber von Rechenzentren schon sämtliche Stromkapazitäten gesichert, die irgendwie am Main zu bekommen sind, weiß Max Kendl von der IHK Frankfurt. Zwar seien Neuanmeldungen im Netzgebiet der Main-Metropole grundsätzlich noch möglich, führt die NGO aus, die Umsetzung weiterer Kapazitäten erfordere aber einen langfristigen Vorlauf. Der Energieversorger Mainova rüstet sich mit weiteren Netzkoppelpunkten zum Übertragungsnetz, neuen Stromleitungen aller Spannungsebenen sowie zusätzlichen oder modernisierten Umspannwerken für den Ansturm.
Diese Knappheit führt laut der Recherche dazu, dass rund 20 Prozent der geplanten Rechenzentren-Projekte in Europa von Verzögerungen oder völligen Stopps bedroht sind. Es fehle schlicht der notwendige Stromanschluss. Das Problem sei global: Selbst Tech-Giganten in den USA können Milliardenwerte an KI-Chips nicht nutzen, weil die Stromversorgung nicht ausreiche.
Auf Erdgas angewiesen
Der Ausbau der Rechenzentren habe tiefgreifende ökologische und ökonomische Folgen, heißt es. Trotz der Wende hin zu erneuerbaren Energien würden Rechenzentren in den kommenden Jahren weiterhin auf fossile Energieträger wie Erdgas angewiesen sein. Dies sei mit hohen ökologischen Kosten verbunden. Der Einsatz von fossilen Brennstoffen werde für Rechenzentren – wie neuerdings auch in Frankfurt/M. – zu einer Antwort auf die von ihnen selbst verursachten Energieengpässe. Das Umweltbundesamt warnt, dass das rasante Wachstum zulasten des Klimas geht. Manche Betreiber weichen zur Umgehung von Klimaauflagen in Länder mit weniger strengen Regeln aus.
Der Anstieg des Stromverbrauchs durch Rechenzentren ist mit einer Zunahme der Treibhausgas-Emissionen verbunden. Hinzu kommt ein massiv steigender Wasserbedarf für die Kühlung – erwartet wird nahezu eine Vervierfachung auf 664 Milliarden Liter bis 2030 – sowie Millionen Tonnen an zusätzlich anfallendem Elektroschrott.
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Auch steigende Stromrechnungen hängen dem Bericht zufolge mit der explosionsartigen Nachfrage von Rechenzentren für KI, Cloud Computing und Streaming-Dienste zusammen. In den USA seien die Strompreise von 2020 bis August 2025 um 34 Prozent gestiegen. Analysten befürchteten, dass die Stromkosten durch den Energiehunger der KI weltweit explodieren könnten. In Deutschland wird prognostiziert, dass sich der jährliche Stromverbrauch der Rechenzentren von 20 Milliarden kWh bis 2030 mehr als verdoppeln wird, was neue Gefahren für erhöhte Endkundenpreise mit sich bringen könnte.
Ausweichen auf den Speckgürtel
Die Betreiber von Cloud-Diensten sind aus Gründen der Ausfallsicherheit oft gezwungen, drei oder mehr Rechenzentren in einer Region aufzubauen. Da die Flächen in Hotspots wie Frankfurt/M. langsam knapp werden, weitet sich der „Speckgürtel“ für Datencenter in umliegende Regionen aus. Ein geplantes Großprojekt von NTT in Nierstein bei Frankfurt/M. etwa soll ab 2026 eine Leistung von 480 MW haben, was dem Strombedarf von etwa 500.000 Haushalten entspricht. Google kündigte jüngst den Bau eines „hochmodernen Cloud-Rechenzentrum“ im hessischen Dietzenbach und den Ausbau des bestehenden in Hanau für mehrere Milliarden Euro an. Kritiker gehen in der Bankenhauptstadt selbst von einer Überbewertung der als Eignungsgebiete ausgewiesenen 75 Hektar bis 2030 aus.
Um die Herausforderungen zu bewältigen, ist eine strategische und langfristige Planung der Netzinfrastruktur mit einem Horizont von 20 bis 25 Jahren unerlässlich. Forscher fordern intelligente Netze, die flexibel auf Lastspitzen reagieren, Speicher integrieren und sektorübergreifend gedacht werden müssen. Konzepte wie AI Energy Hubs, die Rechenzentren mit lokaler Stromerzeugung und Energiemanagement koppeln, werden als Teil der Lösung diskutiert. Zugleich warnen Umweltverbände davor, dass der Stromhunger der KI allenfalls durch einen konsequenten Ausbau der Erneuerbaren beherrschbar bleibe.
(akn)