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Das Sondervermögen, die Infrastruktur und die Digitalisierung
500 Milliarden Euro sollen die Infrastruktur in Deutschland aufmöbeln. Das ist die Hoffnung bei einem Sondervermögen, das der Bundestag noch nach den Wahlen, aber vor Konstituierung der neuen schwarz-roten Regierung beschloss. Er einigte sich damit auf einen Weg, neue Schulden zu machen, ohne die geltende Schuldenbremse grundsätzlich abzuschaffen.
Doch mit dem Ja zu den Milliardeninvestitionen hat die Arbeit erst begonnen. Nun konkretisieren sich die Pläne dazu, wie das Geld genau verteilt werden soll, wofür es ausgegeben werden darf und was dies für Länder und Kommunen bedeutet. Und mit der Konkretisierung beginnen Streitpunkte und Begehrlichkeiten klarer zu werden.
Wir geben einen Überblick, was das Sondervermögen Infrastruktur bedeutet, was feststeht und was noch geklärt werden muss.
Was ist das Sondervermögen für Infrastruktur?
Kurz vor der Konstituierung des neuen Bundestages haben die damaligen Abgeordneten einer Änderung des Grundgesetzes zugestimmt. Dort steht nun in Artikel 143h:
Der Bund kann ein Sondervermögen mit eigener Kreditermächtigung für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur und für zusätzliche Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 mit einem Volumen von bis zu 500 Milliarden Euro errichten.
Damit kann die Bundesregierung entsprechende Kredite aufnehmen, die nicht von der Schuldenbremse betroffen sind.
Wer bekommt wie viel von den 500 Milliarden?
100 der 500 Milliarden Euro erhalten laut Grundgesetz die Länder. Sie können es aber nicht beliebig einsetzen, sondern müssen dem Bund berichten, was sie mit dem Geld getan haben. Der wiederum kann dann prüfen, ob das Geld „zweckentsprechend“ eingesetzt wurde, also ob es tatsächlich für Infrastruktur genutzt wird.
Weitere 100 Milliarden sollen in den Klima- und Transformationsfonds gehen. Dieser Fonds finanziert beispielsweise Projekte zur Elektromobilität und zur Halbleitertechnik.
Wie genau die Aufteilung aussieht, soll ein Bundesgesetz regeln, dem im Fall der Länderbeträge auch der Bundesrat zustimmen muss. Ein Entwurf für das sogenannte Errichtungsgesetz hat Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) laut einem Bericht des Spiegel ins Bundeskabinett eingebracht. Die Ministerien sollen demnach am 24. Juni über den Entwurf abstimmen.
Was muss in einem Errichtungsgesetz noch geregelt werden?
Eine der großen Fragen ist, was alles zu Infrastruktur zählt und wofür die 500 Milliarden Euro eingesetzt werden können. Im Gesetzentwurf sind in der Begründung folgende Bereiche aufgezählt: „Zivil- und Bevölkerungsschutz, Verkehrsinfrastruktur, Krankenhaus-Investitionen, Investitionen in die Energieinfrastruktur, in die Bildungs-, Betreuungs- und Wissenschaftsinfrastruktur, in Forschung und Entwicklung und Digitalisierung“.
Unklar ist außerdem, wie genau die Berichtspflichten für die Länder aussehen. Nach dem Willen der Finanzministerkonferenz sollen die „sowohl zeitlich als auch inhaltlich auf ein Mindestmaß“ beschränkt sein. Außerdem wollen sie, dass neben den speziell für die Länder reservierten 100 Milliarden Euro auch weitere Mittel über Bund-Länder-Programme für Landesangelegenheiten genutzt werden.
Was müssen die Länder noch entscheiden?
Auf einer Finanzministerkonferenz haben sich die Finanzchefs von Ländern und Bund darauf geeinigt, dass die 100 Milliarden für die Bundesländer entsprechend dem Königsteiner Schlüssel aufgeteilt werden sollen. Das heißt: Zu zwei Dritteln zählt das Steueraufkommen, zu einem Drittel die Bevölkerungszahl.
An der Spitze der Länder steht damit Nordrhein-Westfalen, es bekäme einen Anteil von etwa 21 Milliarden Euro. Am Ende der Liste stehen Bremen und das Saarland, ihnen würde je rund 1 Milliarde Euro zustehen.
Bevor es aber richtig losgehen kann, braucht es das oben erwähnte Bundesgesetz, das auch regelt, wie die Beträge eingesetzt werden dürfen.
Kommt das ganze Geld auf einmal?
Nein, laut Grundgesetz können Investitionen aus dem Sondervermögen innerhalb der nächsten zwölf Jahre bewilligt werden. Ob etwa die Länder das Geld in festen Raten und Zeitabständen oder abhängig vom Status konkreter Projekte bekommen, ist noch nicht abschließend geklärt.
Laut einem Spiegel-Bericht sollen zumindest die 100 Milliarden für den Klima- und Transformationsfonds „in zehn gleichmäßigen Tranchen bis 2034 überwiesen“ werden.
Der neue Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) hat in seiner Antrittsrede im Bundestag angekündigt, er wolle das zur Verfügung stehende Geld „möglichst schnell verbauen“.
Wie schnell kommt das Sondervermögen?
Der neue Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) hat in Aussicht gestellt, dass noch vor der Sommerpause ein Gesetz für die Einrichtung des Sondervermögens Infrastruktur in den Bundestag kommt. Der anvisierte Termin für die Kabinettsabstimmung ist der 24. Juni.
Da die letzte Sitzungswoche des Bundestages am 11. Juli endet, ist eine so kurzfristige Verabschiedung nicht realistisch.
Wie viel Digitales steckt im Sondervermögen?
Wie viel vom Sondervermögen in digitale Infrastruktur fließt, ist noch nicht absehbar. Dafür braucht es neben dem Bundesgesetz noch einen Wirtschaftsplan. Fest steht aber, dass die Begehrlichkeiten an den Mitteln groß sind.
Die Digitalminister:innen von Bund und Ländern schreiben: „Neben der Modernisierung des Staates und der öffentlichen Verwaltung durch Digitalisierung benötigen wir einen kräftigen Impuls für die digitalen Schlüsseltechnologien und souveräne, europäische IT-Infrastrukturen.“
Auf ihrer Konferenz im Mai forderten sie außerdem, der Bund solle prüfen, „ob Investitionen in Cloud und KI künftig auch aus dem zu errichtenden Sondervermögen für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur getätigt werden können“.
Was sind Streitpunkte?
Für Diskussionen sorgt die Frage, wofür das Geld ausgegeben werden darf. Es soll für zusätzliche Investitionen da sein – aber wann ist das der Fall? Die grüne Haushaltspolitikerin Paula Piechotta hat dem Finanzminister etwa bereits vorgeworfen: „Er rechnet sich seinen Haushalt schön“. Sie hat bei den Haushaltsberatungen offenbar den Eindruck gewonnen, dass Lars Klingbeil reguläre Haushaltslöcher mit dem Zusatzgeld stopfen könnte.

Ein anderes Streitthema ist die Verteilung an Länder und Kommunen. Bekommen sie „nur“ die extra für sie vorgesehenen 100 Milliarden Euro oder auch etwas vom Rest? Wie eng sollen die Vorschriften sein, was sie mit dem Geld tun dürfen? Dazu gibt es unterschiedliche Auffassungen.
Das Präsidium des Deutschen Städtetags begrüßt, dass 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen ausdrücklich für die Länder und Kommunen bestimmt sind. Die Mittel sollten aber schnell und unkompliziert vor Ort ankommen, betont Verbandspräsident Markus Lewe, Oberbürgermeister von Münster (CDU).
Darüber hinaus sollten die Kommunen auch an den weiteren 300 Milliarden Euro „partizipieren“ können, so die Forderung des Städtetages. Er unterstreicht zugleich, dass dies nicht die kommunale Finanzkrise löse. Dafür brauche es weitere Reformen und Entlastungen.
Ins gleiche Horn stößt der Städte- und Gemeindebund. Dessen Hauptgeschäftsführer André Berghegger warnte den Bund, die Verwendung der Mittel einzuschränken: „Städte und Gemeinden wissen sehr genau, welche Infrastrukturmaßnahmen bei Straßen, Schulen, Brücken oder sonstigen Bereichen prioritär angegangen werden müssen“.
Dass es weitergehende Maßnahmen brauche, sagt auch der Vorsitzende des Deutschen Landkreistages, Achim Brötel (CDU). Er fordert einen deutlich höheren Anteil, den die Kommunen von der Umsatzsteuer erhalten. Damit könnten Landkreise, Städte und Gemeinden weit viel mehr anfangen „als mit einem großen Investitionsprogramm, bei dem der Bund die Bedingungen aufstellt und das möglicherweise dann noch nicht einmal die drängendsten kommunalen Bedarfe trifft“.
Was sagen Vertreter:innen der Zivilgesellschaft und Branchenverbände?
Henriette Litta, Geschäftsführerin bei der Open Knowledge Foundation Deutschland, sieht das angekündigte Sondervermögen grundsätzlich positiv. „Es kommt aber natürlich darauf an, wie genau diese Mittel eingesetzt werden“, so Litta gegenüber netzpolitik.org. „Wir brauchen eine missionsorientierte Finanzierungsstrategie für digitale Infrastruktur, die gut koordiniert, aus einem Guss umgesetzt und wirkungsorientiert begleitet wird.“
Sie fordert, „eine widerstandsfähige technologische Infrastruktur für unsere Demokratie“ zu schaffen. Dafür brauche es mehrere Voraussetzungen:
Erstens müssen die Grundlagen für Innovation verbreitert werden: Die Forschungs- und Entwicklungskapazitäten an Forschungseinrichtungen müssen gestärkt und miteinander vernetzt werden; Kompetenzen im Bereich der digitalen Bildung müssen auf allen Ebenen gefördert werden. Zweitens muss ein breites Ökosystem für die Erprobung von Ideen geschaffen werden, in dem Start-ups und zivilgesellschaftliche Technologieinitiativen Software prototypisieren, Daten analysieren oder Algorithmen entwickeln können. Drittens müssen wir, wenn Prototypen funktionieren, Strukturen aufbauen, um Produkte zu skalieren, anzupassen und (dauerhaft) nutzbar zu machen. Viertens müssen wir – wenn Innovation zu Infrastruktur wird – ein stabiles System bereitstellen, um Produkte zu betreiben und die Verfügbarkeit, Qualität, Sicherheit und Standards zu gewährleisten, die wir für diese Produkte brauchen.
Dass es dringend Investitionen in zentrale, flächendeckende Verwaltungsstrukturen geben müsse, sagt Ann Cathrin Riedel, Geschäftsführerin bei NExT e. V. und ehemalige Vorsitzende bei LOAD – Verein für liberale Netzpolitik. „Dazu zählen vorrangig Basisdienste, die der Bund kostenfrei zur Verfügung stellen sollte, damit sie kostenlos von den Kommunen nachgenutzt werden können“, so Riedel gegenüber netzpolitik.org. Ein Vorbild sei hier Sachsen-Anhalt, das seinen Kommunen Paymentdienste anbiete.
Geld allein reiche aber nicht aus, sagt Riedel, sondern es brauche außerdem klare politische Verantwortung für einzelne Themen. „Beim Thema Verwaltungstransformation und Staatsmodernisierung muss jede:r Minister:in begreifen, dass sie für dafür in ihrem Bereich verantwortlich ist, denn sie werden keines ihrer politischen Vorhaben umsetzen können, wenn hier die Verwaltung nicht digital transformiert ist.“ Dazu gehöre auch, sich mit technischen Standards zu beschäftigen, die zentral vorgegeben werden müssten, damit der Datenaustausch auch funktioniere, sagt Riedel.
Der Digitalbranchenverband Bitkom hat bereits im März einen Digitalpakt Deutschland vorgeschlagen, den das Sondervermögen mit 100 Milliarden Euro finanzieren soll. Vier Felder nimmt der Verband dabei in den Blick: „Digitale Transformation der Wirtschaft, Aufbau eines sogenannten Deutschland Stacks durch die Förderung von Schlüsseltechnologien und Infrastrukturen, Verwaltungsdigitalisierung und digitale Bildung“.
Die Hälfte des Geldes solle demnach in „Innovationsförderung“ fließen, gemeint sind damit Tech-Start-ups, Künstliche Intelligenz und Quantencomputing. Mit 35 Milliarden soll die Wirtschaft unter anderem mittels Sonderabschreibungen und Investitionsprämien einen „Digitalbooster“ erhalten. Zehn Milliarden Euro sollen der Verwaltungsdigitalisierung zugutekommen, fünf Milliarden der Bildung.
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Trump setzt auf „strategisches Chaos“
Die politische Lage in den USA spitzt sich zu. Vergangene Woche hat der autoritär auftretende Präsident Donald Trump Militärtruppen nach Kalifornien entsandt, um Proteste gegen die Einwanderungsbehörde ICE zu ersticken. Erschreckende Bilder wie die Abführung des demokratischen Senators von Kalifornien, Alex Padilla, gingen um die Welt.
Am Wochenende nahm Trump an seinem Geburtstag eine Militärparade in der Hauptstadt Washington ab – höchst ungewöhnlich für die USA, selbst wenn die Armee am gleichen Tag ihren 250. Geburtstag hatte. Zugleich regt sich immer mehr Widerstand in der Bevölkerung, nicht nur in Los Angeles. Landesweit kam es am Samstag zu massiven Protesten unter dem Motto „No King“ – „Kein König“ in mehr als 2.000 Städten.
Sind die USA noch vor der autoritären Komplettübernahme durch Trump und seine Bewegung zu retten? Wir haben den Verfassungsrechtler Anthony Michael Kreis gefragt, was gerade passiert und worauf es jetzt ankommt. Kreis ist Professor an der Georgia State University und begleitet die Umwälzungen kritisch unter anderem auf Bluesky.

Das Interview wurde auf Englisch geführt und lässt sich hier im Original nachlesen.
„Strategisches Chaos“ der Trump-Regierung
netzpolitik.org: Hierzulande beobachten viele Menschen ungläubig, was mit einem der wichtigsten Verbündeten Deutschlands und einem Land geschieht, das sie immer als stabile Demokratie wahrgenommen haben. Wie würden Sie die Ereignisse der vergangenen Monate in Ihrem Land beschreiben?
Anthony Kreis: Das Beste, was ich dazu sagen kann, ist „strategisches Chaos“. Die Trump-Regierung arbeitet mit Hochdruck daran, Institutionen zu zerstören und die Handlungsfähigkeit des Staates zu schwächen, oft unter Missachtung des Rechts. Und sie vertritt Positionen, die die Verfassung zutiefst verletzen. Leider gab es so viele Angriffe auf die Verfassung und die amerikanische Demokratie, dass es schwer ist, den Überblick zu behalten.
netzpolitik.org: Wie wir in den zurückliegenden Wochen gesehen haben, hat Donald Trump Nationalgarde und Marines in Kalifornien eingesetzt, um Proteste niederzuschlagen. Gibt es dafür einen Präzedenzfall, und was sagt das Gesetz über den Einsatz von Streitkräften im Inland?
Anthony Kreis: Der Einsatz von Bundestruppen oder der Nationalgarde ist äußerst selten – insbesondere, weil die lokalen Behörden nicht um Unterstützung gebeten haben. Nach amerikanischem Recht ist es unzulässig, Bundestruppen zur Durchsetzung ziviler Gesetze einzusetzen. Sie können Bundesgebäude und Beamte schützen, aber in der Regel ist dies eine Maßnahme der letzten Instanz. Die Tatsache, dass der Präsident so leichtfertig Truppen auf amerikanischen Straßen einsetzt, lässt mich vermuten, dass es hier um eine Machtdemonstration geht – und nicht um die Durchsetzung des Gesetzes und die Aufrechterhaltung der Ordnung. Angesichts der relativ isolierten Natur des Problems inmitten überwiegend friedlicher Demonstrierender hätte das alles auch von nichtmilitärischem Personal geleistet werden können.
Demokratie am Tiefpunkt
netzpolitik.org: Wenn das Ziel darin bestand, die Zivilgesellschaft von Protest abzuschrecken, scheint es gescheitert zu sein: Am vergangenen Wochenende gab es im ganzen Land massive „No King”-Proteste, selbst angesichts der politisch motivierten Ermordung einer demokratischen Abgeordneten in Minnesota. Wie gesund ist die US-Zivilgesellschaft derzeit, und wie mächtig können Proteste sein, um Veränderungen zu bewirken?
Anthony Kreis: Die amerikanische Demokratie befindet sich derzeit an einem Tiefpunkt. Die Drohungen mit politischer Gewalt, die Missachtung der Rechtsstaatlichkeit und die Versuche, demokratische Institutionen auszuhöhlen, zeigen, wie ernst die Lage ist. Proteste können natürlich dazu beitragen, die Öffentlichkeit zu mobilisieren und die Menschen zu ermutigen, sich am politischen Prozess zu beteiligen. Letztendlich müssen die Menschen jedoch protestieren – und wählen gehen. Es wird ein langfristiges, ernsthaftes Engagement von Millionen von Amerikanern erfordern, um dieses jüngste Kapitel des demokratischen Rückschritts in den USA zu beenden.
netzpolitik.org: Wahlen funktionieren nur, wenn sie Konsequenzen haben. Aber es scheint, dass der Kongress keinen nennenswerten Druck auf Trump ausübt. Ist das ein Problem, das durch das US-Verfassungssystem verursacht wird? Oder ist ein politisches Problem?
Anthony Kreis: Wir sprechen oft davon, dass die drei Gewalten sich gegenseitig kontrollieren und ausgleichen. Historisch gesehen geht es jedoch eher um die Trennung der Parteien als um die Trennung der Gewalten. Solange die Republikaner den Kongress und den Verfassungsgerichtshof kontrollieren, wird es weniger institutionellen Widerstand seitens der Legislative und der Judikative geben. Damit dies geschieht, müsste sich die Lage grundlegend ändern und Trump an Popularität unter den Republikanern verlieren. Ansonsten hängt für die Demokraten viel von den Wahlen im Jahr 2026 ab. Das ist dann ihre einzige echte Chance, den Abwärtstrend zu stoppen.
USA in der Verfassungskrise
netzpolitik.org: Haben die Demokraten bereits alle Hebel in Bewegung gesetzt oder haben sie noch Optionen?
Anthony Kreis: Sie haben kaum andere Möglichkeiten, als die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Bislang haben sie das nicht besonders gut gemacht.
netzpolitik.org: Bis zu den Wahlen 2026 wird also der Supreme Court in den meisten dieser Fragen das letzte Wort haben. Bislang waren seine Entscheidungen für die Trump-Regierung eher durchwachsen. Aber Trump versucht weiterhin, offensichtlich illegale Anordnungen durchzusetzen, sei es der Einsatz des Militärs im Inland oder die Abschaffung des verfassungsmäßig garantierten Geburtsortsprinzips. Wir haben bereits gesehen, dass Trump Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs ignoriert hat. Befinden sich die USA bereits in einer Verfassungskrise?
Anthony Kreis: Jeder wird „Verfassungskrise” anders definieren. Für mich ist es ein Moment, in dem die Rechtsstaatlichkeit bedroht ist und die Machthaber versuchen, Regeln und Institutionen außerhalb eines legitimen Prozesses zu ändern – mit anderen Worten: willkürliche und instabile Regierungsführung („Governance“). Das ist seit Januar der Zustand in Amerika. Ich würde sagen, wir befinden uns in einer Verfassungskrise.
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Lass uns jetzt gemeinsam WhatsApp verlassen
WhatsApp hat das Internet zu einem besseren Ort gemacht. Für viele Menschen war es lange Zeit selbstverständlich, dass man andere auf WhatsApp erreichen kann. Ohne absurde Zeichenbegrenzung wie bei der SMS. Ohne den hölzernen Charakter einer E-Mail. Und mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, sodass niemand die Nachrichten auf dem Weg abfangen und mitlesen kann. Danke, WhatsApp!
Aber mit WhatsApp geht es bergab. Der Messenger, der inzwischen zu Meta gehört, soll Geld abwerfen. Meta ist der Konzern, der auch Facebook und Instagram betreibt. An dessen Spitze steht Multi-Milliardär Mark Zuckerberg, der sich darum bemüht, Donald Trump zu gefallen. Und als würde Meta nicht schon genug Geld verdienen, soll jetzt auch noch WhatsApp Werbung bekommen.
Werbung bei WhatsApp: Jahrelang war das tabu. Im Jahr 2012, vor der Übernahme durch Mark Zuckerberg, da schrieben die WhatsApp-Chefs noch :
Werbung ist nicht nur die Störung der Ästhetik, die Beleidigung deiner Intelligenz und die Unterbrechung deines Gedankengangs. Bei jedem Unternehmen, das Anzeigen verkauft, verbringt ein erheblicher Teil des Engineering-Teams seinen Tag damit, die Datenanalyse zu optimieren […]. Sobald Werbung im Spiel ist, bist du als Nutzer*in das Produkt.
2012 ist lange her. Die Gründer von WhatsApp sind schon länger nicht mehr an Bord. Inzwischen ist WhatsApp für viele Menschen nicht mehr wegzudenken. Wie sonst soll man die Familie erreichen, die Leute im Verein, die Bekanntschaft aus der Bar? WhatsApp gehört für viele zur Grundversorgung. Und gerade deshalb sollte WhatsApp keine Werbung haben.
WhatsApp hat uns „absolut“ verarscht
Wie absurd wäre Werbung an anderen Stellen, die zur Grundversorgung gehören? Stellt dir vor, dein Telefonanbieter würde Werbung einführen. Du könntest niemanden mehr anrufen, ohne dir zuerst einen Werbeclip anhören zu müssen. Oder die Post würde Werbung einführen: Du dürftest Briefe nur noch in Umschlägen verschicken, die zugekleistert sind mit knallbunten Anzeigen. Das würde sich einfach falsch anfühlen.
Nach der Übernahme durch Facebook hatte WhatsApp noch mit Nachdruck versprochen, im Messenger solle es auch in Zukunft keine Werbung geben:
Und du kannst dich absolut darauf verlassen, dass deine Kommunikation nicht durch Werbung gestört wird.
Das Wort „absolut“ griff auch Mark Zuckerberg auf, als er im Jahr 2014 sagte:
Wir werden unsere Pläne rund um WhatsApp absolut nicht ändern. […] WhatsApp wird völlig eigenständig arbeiten.
Tja, jetzt kommt die Werbung doch. Inklusive möglicher Personalisierung über andere Meta-Dienste hinweg, also Instagram und Facebook. WhatsApp hat damit seine über Jahre gepflegten Ideale verraten. Worauf sollten wir uns nochmal „absolut“ verlassen? Sieht aus, als hätten uns WhatsApp und Mark Zuckerberg absolut verarscht.
WhatsApp-Chef weicht Fragen aus
Die neue Werbung soll im Tab „Aktuelles“ zwischen Status-Updates zu sehen sein. Das heißt, die Gespräche mit den eigenen Kontakten bleiben vorerst werbefrei. Aber wer weiß, wie lange noch? Der SPIEGEL wollte von WhatsApp-Chef Will Cathcart wissen, ob WhatsApp bald auch noch die Chats und den Startbildschirm zur Werbefläche macht. „Können Sie uns versprechen, dass Sie dies in den nächsten zwei Jahren nicht tun werden?“, lautetet die Frage.
Das ist eine simple Frage. Man kann sie mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten. Aber Will Cathcart hat nicht mit „Ja“ oder „Nein“ geantwortet.
Er hat gesagt: „Unser Fokus geht nicht in diese Richtung“.
Bei so einer ausweichenden Antwort gehen meine Alarmglocken an. Offensichtlich will sich WhatsApp alle Optionen offenhalten. Und WhatsApp macht sich nicht einmal die Mühe, das offen zu sagen. Stattdessen übt sich der WhatsApp-Chef in Wortakrobatik. Wer so aalglatt antwortet wie Will Cathcart, der will Menschen verarschen. Hätte er doch nur gesagt: „Vielleicht, keine Ahnung.“ Das wäre ehrlicher gewesen.
WhatsApp hat ein Privatsphäre-Problem
Es gibt noch mehr gute Gründe, WhatsApp zu verlassen. Trotz Ende-zu-Ende-Verschlüsselung schützt der Messenger unsere Privatsphäre nicht gut. Um zu funktionieren, will WhatsApp Zugriff auf das gesamte Telefonbuch haben. Inklusive der Kontakte, die kein WhatsApp haben. WhatsApp erklärt zwar, dass diese Nummern nicht im Klartext gespeichert würden; Fachleute wie der IT-Sicherheitsforscher Mike Kuketz beruhigt das aber nicht.
Mehr noch: WhatsApp erfasst, wer wann mit wem Kontakt hatte. Der Zuckerberg-Konzern kann zwar nicht lesen, worum es inhaltlich geht, dank Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Aber WhatsApp hat das wertvolle Wissen, wer mit wem vernetzt ist – und wie eng. Das sind die sogenannten Metadaten. Obendrauf kommen Eckdaten wie Profilbild und Status, die nicht Ende-zu-Ende-verschlüsselt sind.
Solche Daten sind mächtig. Der Whistleblower Edward Snowden hat in seiner Biografie geschrieben:
Die unbequeme Wahrheit ist aber gerade, dass der Inhalt unserer Kommunikation nur selten so viel über uns verrät wie ihre anderen Elemente. Es sind die ungeschriebenen, unausgesprochenen Informationen, die den weiteren Kontext und unsere Verhaltensmuster offenbaren.
Wie gefährlich ist das, wenn ein Konzern dieses Wissen über drei Milliarden Nutzer*innen hortet? Ein Konzern, der seinen Sitz in den USA hat, also einem zunehmend autokratischen Staat, dessen aktueller Präsident wohl am liebsten ein Diktator wäre?
Natürlich gibt WhatsApp auf Anfrage auch Daten an Polizei und Strafverfolgungsbehörden weiter. Unternehmen können solche Anfragen schwer ignorieren. Aber sie können entscheiden, welche Daten sie überhaupt erfassen. Was man nicht hat, kann man auch nicht weitergeben. Das nennt man Privacy by Design. WhatsApp macht hier keinen guten Job.

So klappt der Umstieg ganz einfach
Es gibt weniger problematische – und werbefreie – Messenger, die genauso praktisch und angenehm sind wie WhatsApp. Die Auswahl ist groß. Es gibt Leute, die sich da tief reinknien und im Detail diskutieren, welcher Messenger der beste ist. Aber darum soll es hier nicht gehen. Von WhatsApp wegzukommen ist ein erster, großer Schritt in die richtige Richtung.
Wer nicht lange suchen will, kann beispielsweise zum kostenlosen Signal oder zum kostenpflichtigen Threema greifen. Beide haben keine Werbung und sammeln deutlich weniger Daten als WhatsApp. Der Umstieg ist einfach. Alles ist sehr ähnlich wie WhatsApp. Schon nach kurzer Zeit hat man sich an das Design gewöhnt.
Vielleicht willst du WhatsApp zumindest vorläufig behalten, weil du einige Kontakte eben nur dort erreichst. Verständlich! Der Messenger-Wechsel wäre viel einfacher, wenn alle direkt mitmachen würden. Aber: Irgendjemand muss den Anfang machen. Und wenn du diesen Artikel schon bis hierhin gelesen hast, dann bist du bestens dafür qualifiziert, den Anfang zu machen.
Es muss ja kein harter Wechsel von heute auf morgen sein. Der erste Schritt ist kurz und schmerzlos: Einfach einen neuen Messenger herunterladen. Jetzt gleich! Fertig ist das erste Erfolgserlebnis.
Das kannst du deinen Kontakten schreiben
Und dann kannst du den Umzug Schritt für Schritt vollziehen. Du kannst mit den Kontakten oder Gruppen beginnen, von denen du weißt: Die machen bestimmt mit. Vielleicht hilft dir dieser Artikel dabei zu erklären, warum dir der Wechsel wichtig ist.
Würde ich heute von WhatsApp wechseln, dann würde ich vielleicht diese Nachricht an meine Kontakte schicken:
Hey ihr Lieben,
auf WhatsApp fühle ich mich nicht mehr richtig wohl. Ich möchte Meta nicht länger meine Daten anvertrauen, und jetzt soll dort auch noch Werbung kommen. Hier könnt ihr mehr darüber lesen: https://netzpolitik.org/2025/bitte-keine-werbung-lass-uns-jetzt-gemeinsam-whatsapp-verlassen
Können wir bitte gemeinsam den Messenger wechseln? Es ist wirklich nicht schwer, und wir bleiben dort genauso gut in Kontakt. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir das zusammen ausprobieren. ❤️
[Link zum alternativen Messenger]
So lief es bei mir
Meinen Umzug von WhatsApp habe ich vor ein paar Jahren gemacht. Die Wahl fiel auf Signal. Ich war überrascht, wie viele meiner Kontakte schon dort waren. Andere haben sich extra wegen mir Signal heruntergeladen. Danke nochmal dafür!
Inzwischen erreicht mich fast keine Nachricht mehr über WhatsApp. In meinem WhatsApp-Status steht, dass mir Menschen bitte auf Signal schreiben sollen. Es gibt nur wenige Kontakte, die ich bisher nicht zum Wechseln motivieren konnte. Seit einer Weile warte ich nur noch darauf, die App bald löschen zu können. Nur so kann man auch die letzten Nachzügler*innen dazu bewegen, endlich den Absprung zu schaffen.
Das dürfte leichter fallen, wenn es mit WhatsApp weiter bergab geht. Auch der Messenger ICQ war mal unverzichtbar und spielt heute keine Rolle mehr. Wenn einmal eine kritische Masse zusammenkommt, dann kann sich alles ändern. Und diese kritische Masse, das können einfach wir sein. Nur Mut!
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Cybertrading-Betrug: Ermittler nehmen fast 800 Domains vom Netz
Im Kampf gegen die internationale Wirtschaftskriminalität im Internet und betrügerische Plattformen haben baden-württembergische Behörden fast 800 illegale Websites beschlagnahmt. Das Cybercrime-Zentrum bei der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe und das Landeskriminalamt (LKA) Baden-Württemberg arbeiteten dafür mit der europäischen Polizeibehörde Europol und bulgarischen Strafverfolgungsbehörden zusammen.
„Die beschlagnahmten Domains wurden auf eine vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg gehostete Beschlagnahmeseite umgeleitet und können nun nicht mehr zur Begehung von Straftaten genutzt werden“, hieß es weiter. „Durch die Maßnahmen wurden die kriminellen Akteure erheblich geschwächt, indem ihre technische Infrastruktur gezielt außer Kraft gesetzt wurde.“ Allein seit der Umleitung in den vergangenen zwei Wochen stellten Strafverfolger den Angaben nach rund 616.000 Zugriffe auf die übernommenen Seiten fest.
Auf Gewinnversprechen folgt massiver Druck
Es geht dabei um eine relativ neue Betrugsmasche namens „Cybertrading Fraud“. Die Kriminellen machen gutgläubigen Opfern Hoffnung, per Mausklick vor allem im Bereich Kryptowährungen große Gewinne zu erzielen. Im Internet bewerben sie ihre Angebote laut dem Sicherheitsbericht des Innenministeriums auf seriös wirkenden Seiten. In der Regel sei eine einfache Registrierung erforderlich.
Dann meldeten sich vermeintliche Brokerinnen und Broker telefonisch, um eine erste Investition von meist 250 Euro zu fordern. Diese sei scheinbar sofort erfolgreich. Gelegentlich gebe es sogar kleinere Auszahlungen. „Diese Erfolge sowie das geschickte und intensive Einwirken der vermeintlichen Brokerin oder des vermeintlichen Brokers verleiten dazu, mehr Geld zu investieren“, schreiben die Fachleute. Die Kriminellen übten oft massiven Druck aus. Doch sobald die Menschen ihre angeblichen Gewinne ausgezahlt haben wollten, seien Internetseite und Ansprechpersonen häufig nicht mehr erreichbar.
2024: Anstieg auf 1036 Fälle
Laut dem Sicherheitsbericht 2024 registrierten die Behörden einen Anstieg auf 1036 Fälle. Mehr als doppelt so viele Taten seien zudem aus dem Ausland begangen worden. „Erklärungen hierfür sind die hohe Reichweite der Internetplattformen, die Hoffnung vieler Geschädigter, per Mausklick eine große Rendite zu erwirtschaften und deren Gutgläubigkeit“, heißt es.
Das Cybercrime-Zentrum und das LKA ermitteln in dem aktuellen Fall gegen bislang unbekannte Täter. Manche der 796 Domains seien in deutscher Sprache verfasst. Die Betreiber der Internetauftritte hätten nicht die erforderliche Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) für Finanz- beziehungsweise Wertpapierdienstleistungen und Bankgeschäfte.
Den Verbrauchern und Verbraucherinnen raten LKA und das Cybercrime-Zentrum, sich genau über Trading-Plattformen zu informieren, bevor sie sich anmelden oder Geld überweisen. „Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen. Nehmen Sie sich Zeit, um das Angebot in Ruhe zu prüfen und zu bewerten.“
Bereits Mitte Mai 2025 waren Ermittler gegen Online-Investmentbetrüger vorgegangen. Nach Durchsuchungen an acht Orten in Albanien, Israel und Zypern nahmen sie einen Verdächtigen fest. Ihm steht die Auslieferung nach Deutschland bevor.
(cku)
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