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Degitalisierung: Sei ein Esel



Die heutige Degitalisierung wird sehr tierisch. Denn manchmal lässt sich menschliches Verhalten besser beschreiben, wenn wir es mit tierischen Verhaltensweisen vergleichen. Denn irgendwie sind Menschen ja auch Herdentiere, mit oftmals frappierend ähnlichen Verhaltensweisen.

Bei Herdentieren wie Rindern, Schafen oder Pferden kann es – oftmals unerklärlich – eine unvermittelte Fluchtbewegung geben, die die ganze Herde umfasst. Eine Stampede. Ein paar wenige Mitglieder einer Herde versetzen so mittels einer positiven Rückkopplung die ganze Herde in Bewegung, die dann ziellos in irgendeine Richtung läuft. Die Positivität der Rückkopplung ist dabei weniger als Wertung des Effekts zu verstehen, sondern als eine Beschreibung, ob die Rückkopplung einen Effekt verstärkt. Was genau der Auslöser dieser Rückkopplung ist, ist am Ende gar nicht mehr so klar, am Ende bleibt aber oftmals Chaos und Verwüstung.

Positive Rückkopplung ist aber auch oftmals eine der Triebfedern von digitalen Anwendungen und Geschäftsmodellen. Der Informatiker Luis von Ahn etwa baute 2007 ein System zur Erkennung von Bots namens ReCAPTCHA, bei dem Menschen sich nicht durch bestimmte Handlungen von maschinellen Bots abgrenzen, sondern gleichzeitig auch Teile von Büchern digitalisieren. Wort für Wort, Boterkennung für Boterkennung.

2011 arbeitete von Ahn dann an Duolingo, einer Anwendung zum Erlernen von Sprachen. Duolingo ist dabei vor allem aufgebaut auf dem Prinzip der positiven Rückkopplung mittels Gamification. Das Lernen von Sprachen wird dabei nicht zum bloßen Pauken von Vokabeln und Erlernen von Grammatikregeln. Sondern es wird zum Spiel, bei dem es gilt, möglichst lange dabei zu bleiben, immer höhere Level zu erreichen und seinen Streak, eine möglichst lange Nutzungskontinuität, am Leben zu halten.

Flow und Stop

Psychologisch gesehen hat Duolingo das Prinzip des sogenannten Flow) bestmöglich ausgenutzt. Flow wurde durch Mihály Csíkszentmihályi beschrieben als ein optimaler mentaler Zustand zwischen Unter- und Überforderung, der zur völligen Vertiefung und zum völligen Aufgehen in einer Tätigkeit führen kann, die ansonsten eigentlich eher nicht plausibel scheinen würde. War das Lernen von Sprechen früher vielleicht nerviges Pauken, das Jugendliche widerwillig machen mussten, führt der durch Gamification erzeugte Flow dazu, dass es plötzlich Spaß macht, Sprachen zu lernen.

Wahrscheinlich hätte dieses Prinzip der positiven Rückkopplung für Duolingo noch für Generationen weiter funktioniert und hätte das dahinterstehende Unternehmen lange finanziell erfolgreich gehalten, wäre da nicht ein Bruch im Flow entstanden. Wegen sogenannter künstlicher Intelligenz.

Am 28. April postete von Ahn als CEO von Duolingo die Inhalte einer E-Mail, die er gerade an alle Mitarbeitenden von Duolingo versendet hatte. Duolingo müsse nun eine „AI-first“-Organisation werden. Angekündigt wurden dann Maßnahmen wie Mitarbeiterbewertungen mittels KI, Auslagern von Arbeit an KI, die bisher von Unterauftragnehmern erledigt wurde, und so weiter. Die Reaktion auf diese Pläne folgte sofort: Langjährige Nutzer*innen beendeten ihre mühsam aufrechterhaltenen Streaks öffentlichkeitswirksam in den sozialen Netzwerken, in denen Duolingo eigentlich gut positioniert war. Die kostenpflichtigen Abos gingen zurück und am Ende konnte sich von Ahn gar nicht so genau erklären, wieso dieser Backlash jetzt genau entstand. Der Flow, der zu positiver Rückkopplung führt, kann auch genauso schnell wieder abrupt stoppen und die ganze Herde zum Stillstand bringen.

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Aber vielleicht war „AI-first“ zumindest ja finanziell erfolgreich? Ja und Nein.

Herden marodierender Investments

Aktienmärkte und Investoren sind eine weitere seltsame Herde von Menschen, die oftmals eher impulsiv reagieren. Aktien steigen oft durch positive Rückkopplungseffekte noch weiter. Ist die generelle wirtschaftliche Lage gut, wird auf die vermeintlich richtigen Trends in der Zukunft gesetzt oder gibt es politisch gute Signale, wird der eigene wirtschaftliche Erfolg noch einmal weiter gesteigert. Ist die generelle wirtschaftliche Lage schlecht und erweisen sich die vermeintlich bislang als richtig angenommenen Trends als nicht so profitabel, geht es schnell nach unten.

In den vergangenen Jahren war KI der Indikator für eine gute wirtschaftliche Zukunftsaussicht. Trotz des Kanons von Problemen, in den ich jetzt routinemäßig einstimmen möchte: große Probleme wie Bias, digitaler Kolonialismus, immenser Ressourcen- und Energieverbrauch, hohe Machtkonzentration, ungehemmter Datenkonsum, Wegbereitung des Faschismus, Plagiarismus und Desinformation.

Da der Aktienmarkt aber selten eine besonders hohe Moral oder Bedenken diesbezüglich hat, ist das oftmals einerlei. Herden marodierender Investor-Konsortien oder eine ganze Kaste von Manager*innen, die sich von ihrem eigentlichen Produktsinn und dem damit entstehenden Wert immer weiter entfremden, sehen ihren Erfolg ja oftmals in kurz- bis mittelfristigen Quartalszahlen, nicht in der Schaffung von langfristigen Werten. Der Markt sah es in den letzten Jahren als unabdingbar an, KI in quasi jegliches Produkt zu integrieren, unabhängig davon, ob das irgendwie sinnvoll ist.

Kurzfristige Gefühlswallungen von vermeintlich erwachsenen Menschen, die mit sehr viel Geld die Ausrichtung des Wirtschaftssystems beeinflussen können, führen zu „AI-first“-Entscheidungen, die vor allem Menschen schaden. Einerseits durch Jobabbau, andererseits durch instabile, schädliche digitale Produkte. Chatbots, deren auch wirtschaftlich motivierte, besonders menschliche Anmutung Menschen in Psychosen oder den Suizid treiben. Immer weiter fortschreitende KI‑sierung der Bildung, die letztlich zu weniger kritischem Denken und Hirnaktivität führt.

Weil das aber oftmals wirtschaftlich noch nicht reicht, sich auch über solche moralischen Probleme hinwegzusetzen, braucht KI im Unternehmensumfeld heutzutage teils sehr spezielle Incentivierung. Wenn die Herde nicht von alleine läuft, muss sie getrieben werden. Ethan Marcotte listet in seinem Beitrag über KI als gescheiterte Technologie einige dieser Beispiele auf. Tech-Unternehmen wie Zapier, Shopify oder Microsoft, die KI auf Unternehmensebene mit teils absurden Maßnahmen durchdrücken (müssen).

Plop?

Gegen Ende dieser Kolumne ist es damit Zeit, die von KI-Enthusiasmus angesteckte Herde wieder einzuhegen.

Nun gibt es speziell in Europa immer noch Politiker*innen und Unternehmen, die der Herde von marodierenden Investments hinterherlaufen. Weil sie immer noch das Gefühl haben, den Anschluss zu verpassen. Da ist die Bundesregierung, die in der vergangenen Woche die Hightech-Agenda hyped, ein Digitalminister, der noch von Superintelligenz fabuliert bei der Eröffnung des ersten größeren KI-Rechenzentrums in München.

Dabei sind die Zeichen für ein Platzen der KI-Blase gerade durchaus häufiger zu finden. In Wirtschaftsnachrichten wird schon mal durchgedacht und gerechnet [€], was passiert, wenn. Ehemals angesehene Digitalexperten bringen schon mal die Schäfchen ins Trockene [€]. Parallelen zum Dotcom-Hype werden skizziert. Weil die erhofften immensen Renditen nicht so wirklich zu machen sind.

Entlassungen von AI-first-Unternehmen werden still und leise teilweise wieder zurückgenommen, oftmals aber dann mit neuen Mitarbeitenden zu schlechteren Löhnen anderswo. KI in der heutigen Form ist nichts anderes als eine andere Form der Unterdrückung der Mitarbeitenden, ein Mittel, um niedrigere Löhne durchzusetzen.

Sei ein Esel

Im Umgang mit Technologie, Digitalisierung und vermeintlicher Innovation brauchen wir dabei nicht hinter den anderen aufgescheuchten Innovationsherdentieren ohne eigenen Plan hinterherzulaufen, sondern vielleicht ein besseres Wappentier: den Esel.

Esel werden oftmals als störrisch und stur wahrgenommen, weil sie nicht sofort auf Anweisungen hören. Dabei sind Esel Tiere mit hoher Intelligenz und hohem Bewusstsein. Auch wenn Esel und Pferde beides Fluchttiere sind, reagieren sie in Gefahrensituationen jeweils anders. Im Moment der Gefahr bleibt der Esel erst mal stehen und analysiert die Situation, er läuft nicht einfach wild weg oder hinterher.

Ein einfacher Esel hat damit mehr Bewusstsein als jede noch so komplexe und teure KI, die in der heutigen Form ohnehin nie Bewusstsein erreichen wird. Ein einfacher Esel hat damit mehr Bewusstsein als die geradezu schreckhaft reagierende Geschäfts- und Aktienhandelswelt, die wild der Gefahr von verpassten zweifelhaften Chancen hinterherläuft. Zu gegebener Zeit ist es besser, eher wie ein Esel zu sein und dementsprechend zu handeln.

Was uns Menschen aber vom Esel hoffentlich noch weiter positiv abhebt: dass wir uns als Menschen gemeinsam für etwas Sinnvolles einsetzen können. Zum Schluss möchte ich auf Mike Monteiros Talk How to draw an orange verweisen. In einer zutiefst menschlichen und herzlichen Perspektive erinnert er uns daran, dass KI und technische Veränderungen zum Nachteil der Menschen keine unausweichliche Kraft sind, keine Stampede, bei der wir mitfliehen müssen. Es ist keine Kraft, vor der wir nicht ausweichen können. Wir können uns als Gruppe gegen Strukturen und Technologien gegen Menschen stellen, weil wir das schon mal in der Geschichte der Menschheit getan haben. Auch wenn es manchmal erst einmal schlimmer werden muss, damit Menschen sich aufraffen und sich der Unsinnigkeit des eigenen Handelns bewusst werden.

Manchmal ist es besser, ein Esel zu sein.



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MongoDB: kritische Sicherheitslücke in NoSQL-Datenbank


Das Sicherheitsteam der NoSQL-Datenbank-Software MongoDB hat am Freitag in eine schwerwiegende Sicherheitslücke dokumentiert: „Ein clientseitiger Exploit der zlib-Implementierung des Servers kann nicht initialisierten Heap-Speicher zurückgeben, ohne dass eine Authentifizierung am Server erforderlich ist. Wir empfehlen dringend, so schnell wie möglich auf eine korrigierte Version zu aktualisieren.“

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Angreifer können einen Fehler in der Kompressionssoftware zlib ausnutzen, um auf nicht zurückgesetzten dynamischen Arbeitsspeicher (heap memory) zuzugreifen, wo möglicherweise noch alte Daten, etwa Passwörter, Schlüssel oder andere sensible Daten liegen. Die Zugangsdaten für die Datenbank bräuchte ein Angreifer dafür nicht. Eine Benutzerinteraktion ist dafür laut BleepingComputer nicht nötig.

Die Schwachstelle betrifft die folgenden MongoBB-Server-Versionen:

MongoDB 8.2.0 bis 8.2.3
MongoDB 8.0.0 bis 8.0.16
MongoDB 7.0.0 bis 7.0.26
MongoDB 6.0.0 bis 6.0.26
MongoDB 5.0.0 bis 5.0.31
MongoDB 4.4.0 bis 4.4.29

Sowie jeweils alle

MongoDB Server v4.2 Versionen
MongoDB Server v4.0 Versionen
MongoDB Server v3.6 Versionen

Diese sind jeweils auf MongoDB 8.2.3, 8.017, 7.0.28, 6.0.27, 5.0.32 oder 4.4.30 upzugraden.

Die unter CVE-2025-14847 veröffentlichte Sicherheitslücke gilt als kritisch und hat einen CVSS-Score von 8,7.
Wer nicht sofort auf eine der gepatchten Versionen upgraden kann, soll die zlib-Komprimierung auf dem MongoDB-Server deaktivieren. Das geht laut der MongoDB-Warnung, „indem man mongod oder mongos mit einer networkMessageCompressors – oder net.compression.compressors -Option startet, die zlib explizit ausschließt.“

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MongoDB wird weltweit von mehr als 62.000 Kunden genutzt. Das Datenbankmanagementsystem sichert Daten in BSON-Dokumenten (Binary JSON) statt in wie klassische relationale SQL-Datenbanken wie MySQL oder PostgreSQL in Tabellen.


(kst)



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Talk-Tipps für die Zeit zwischen den Jahren


Die Tickets für den Chaos Communication Congress sind auch dieses Jahr wieder ausverkauft. Das Programm auf den drei Hauptbühnen könnt ihr aber auch von zu Hause verfolgen. Unsere Favoriten für ein ausgewogenes Unterhaltungsprogramm zwischen den Jahren haben wir hier für euch zusammengestellt.

Wie immer gilt: Diese Sammlung ist garantiert unvollständig, denn selbst auf den Hauptbühnen findet schon mehr statt, als wir in diesem Überblick unterbringen konnten. Wir empfehlen daher, diese Auswahl mit einem Blick ins Gesamtprogramm zu ergänzen.

Auch Menschen aus unserer Redaktion werden wieder auf der Bühne stehen, podcasten und über ihre Recherchen aus dem vergangenen Jahr sprechen. Eine Übersicht über die netzpolitik.org-Talks haben wir an anderer Stelle für euch zusammengestellt.

Tag 1: Samstag, der 27. Dezember

Los geht es mit einem Aufreger-Thema: Den derzeitigen Versuchen, im Namen des Jugendschutzes das Netz zu regulieren – von der Chatkontrolle bis zu verpflichtenden Altersüberprüfungen. Kate Sim arbeitet seit Jahren zum Thema, zuletzt etwa im Safety-Team von Google, und verspricht in ihrem Vortrag „Not an Impasse: Child Safety, Privacy, and Healing Together“ Lösungen vorzustellen, die nicht das Wohl von Kindern gegen die Rechte von Erwachsenen ausspielen.

Die Omnibus-Gesetze der EU laden nicht nur zur vielen, wirklich vielen lustigen Wortspielen ein. Sie bergen auch große Gefahren für digitale Grundrechte. Der Vortrag „Throwing your rights under the Omnibus“ von Thomas Lohninger und Ralf Bendrath erklärt, welche Auswirkungen das Gesetzespaket mit dem euphemistischen Namen „Digital Simplification Package“ haben würde – und verspricht doch einen hoffnungsvollen Ausblick.

Neurowissenschaftlerin Elke Smith erforscht an der Universität Köln, was sich bei Glücksspiel im Gehirn abspielt und wie sich die Branche das zunutze macht. Im Talk „Neuroexploitation by Design“ spricht sie über die offenen und verdeckten Mechanismen, die Glücksspielprodukte einsetzen, um das Belohnungssystem zu aktivieren und welche Folgen das haben kann.

Es gibt bekanntlich fast nichts, was sich mit „KI“ nicht vermeintlich lösen ließe, etwa die Krise des deutschen Gesundheitssystems. Manuel Hofmann von der Deutschen Aidshilfe knöpft sich in seinem Talk die techgläubigen Heilserzählungen vor und fragt, was es statt Selbstoptimierung und „KI-Assistent*innen“ tatsächlich bräuchte.

Eine „wilde, unterhaltsame Fahrt“ verspricht Katika Kühnreich zu einem erstmal eher bedrückenden Thema: die Zusammenhänge zwischen der Macht von Tech-Bros und Faschismus. Auch eine Betrachtung von Widerstandsmöglichkeiten soll in ihrem Talk „All Sorted by Machines of Loving Grace?“ nicht fehlen.

Christoph Saatjohann ist Professor für eingebettete und medizinische IT-Sicherheit und hat vor zwei Jahren mehrere Schwachstellen im Kommunikationsdienst im Medizinwesen KIM aufgedeckt. Nun schaut er wieder auf die Telematikinfrastruktur und offenbar ist er fündig geworden. Die Fundstücke zeigt er in „KIM 1.5: Noch mehr Kaos In der Medizinischen Telematikinfrastruktur (TI)“.

Tag 2: Sonntag, der 28. Dezember

Christiane Mudra inszeniert ihre Arbeiten sonst in Form von „investigativem Theater“. Ihr Vortrag „freiheit.exe – Utopien als Malware“ basiert auf den Recherchen für ihr gleichnamiges Stück und dreht sich um die ideologischen Wurzeln der Tech-Oligarchen – von Transhumanismus und Neo-Eugenik bis zur „Akzeleration als politische Strategie“.

Ministerien und Behörden lassen ihre offiziellen Domains manchmal einfach auslaufen, so dass sich andere diese sichern können. Was soll da schon schief gehen? Was schief gegangen ist, darüber spricht der Sicherheitsforscher Tim Philipp Schäfers von Mint Secure im Talk „Was alte Behördendomains verraten“.

Juchu, Abgeordnete packen aus. Anna Kassautzki saß für die SPD von 2021 bis 2025 im Bundestag – auch im Digitalausschuss. Ihre Mitarbeiterin Rahel Becker ebenso. Jetzt erklären sie im Talk „Power Cycles statt Burnout, wie politische Einflussnahme auf Entscheidungen wirklich funktioniert und was zivilgesellschaftliche Organisationen daraus ableiten sollten, wenn sie ihre Energie effizient einsetzen wollen.

Hoffnung auf die Kraft sozialer Bewegungen verspricht auch der Beitrag von Mustafa Mahmoud Yousif. Im Vortrag Hatupangwingwi: The story how Kenyans fought back against intrusive digital identity systems geht es um die kolonialen Wurzeln von Identifikationssystemen und den Widerstand der kenianischen Zivilgesellschaft gegen die Datenbank Huduma Namba.

In „Current Drone Wars“ beleuchtet Leonard Veränderungen in der Kriegsführung mit Drohnen: von den großen und schwerfälligen Apparaten des US-amerikanischen „War on Terror“ zu den billig produzierten Massendrohnen des Ukraine-Krieges. Mittlerweile mischen auch deutsche Rüstungskonzerne und -Start-ups im Geschäft mit dem Kriegsgerät der Zukunft mit.

Tag 3: Montag, der 29. Dezember

Jürgen Bering und Simone Ruf von der Gesellschaft für Freiheitsrechte berichten davon, wie die NGO für strategische Klagen seit ihrer Gründung vors Bundesverfassungsgericht und andere Rechtsprechungsorgane zieht. In „Hacking Karlsruhe – 10 years later“ geht es um Erfolge, Fehlentscheidungen und was sich daraus lernen lässt.

Künstlerin Esther Mwema spricht über Unterseekabel und andere Internetinfrastrukturen in Afrika als Schauplätze des digitalen Kolonialismus: „Undersea Cables in Africa: New Frontiers of Digital Colonialism“.

Forschende haben sich Bikesharing-Daten vorgenommen und zwar jede Menge davon. Im Talk „What Makes Bike-Sharing Work?“ fragen sie: Was können wir aus 43 Millionen Kilometern an Bikesharing-Fahrten aus 268 europäischen Städten für eine zeitgemäße Mobilitätsplanung lernen?



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Hannah Vos und Vivian Kube arbeiten als Anwältinnen für die Transparenzplattform FragDenStaat. In ihrem Beitrag sezieren sie, wie „Neutralität“ zu einem neuen Kampfbegriff wurde. „Zivilcourage kann nicht neutral sein – und soll es auch nicht“, sagen die beiden und erklären, warum das so ist.

Im letzten Jahr sorgten die von Bianca Kastl und Martin Tschirsich vorgestellten Sicherheitsprobleme bei der elektronischen Patientenakte für Aufregung. Ein Jahr später blickt Bianca zurück, was seit dem Talk und der tatsächlichen Einführung der ePA für alle passiert ist – in „Schlechte Karten – IT-Sicherheit im Jahr null der ePA für alle“.

Informatiker Rainer Rehak spricht über die automatisierten Zielsysteme des israelischen Militärs und warum IT-Fachleute dazu nicht schweigen sollten. Es geht unter anderem um das Völkerrecht, sogenannte Künstliche Intelligenz und die Verantwortung großer Tech-Konzerne: „Programmierte Kriegsverbrechen? Über KI-Systeme im Kriegseinsatz in Gaza und warum IT-Fachleute sich dazu äußern müssen“.

Laufen auf .onion-Seiten im Darknet vor allem kriminelle Aktivitäten oder findet sich da die letzte Bastion der Freiheit? Selbst in wissenschaftlichen Papern widersprechen sich die Zahlen extrem. Tobias Höller leuchtet aus, wie das zu interpretieren ist.

„Ein analoger Überwachungskrimi mit sauberen Städten, lichtscheuen Elementen, queerem Aktivismus, und kollektiver Selbstorganisation“ verspricht Simon Schultz in seinem Vortrag zu einem Überwachungssystem in Hamburger Toiletten aus den 1980ern, das vor allem auf queere Menschen abzielte.

Tag 4: Montag der 30. Dezember

Wir haben immer wieder über Linas Recherchen zur CUII, der Clearingstelle Urheberrecht im Internet, berichtet. Auf dem Congress stellt sie gemeinsam mit Elias Zeidler alias Northernside im Talk „Wie Konzerne heimlich Webseiten in Deutschland sperren“ die neuesten Entwicklungen in der Causa CUII vor.

Was hat KI mit Gaskraftwerken zu tun? Das erklären Friederike Karla Hildebrandt von Bits und Bäume und Moritz von urgewald in ihrem Vortrag „Fossile Industrie liebt KI“.

Mit Hilfe der YouTube-Datenspende von 1.064 Dänen haben Forschende untersucht, wie die Plattform ihre Besuche beeinflusst. Es geht aber auch um europäische Regeln, die Wissenschaftler:innen mehr Zugang zu Daten geben sollten, aber in der Praxis noch nicht ausreichend funktionieren: „We, the EU, and 1064 Danes decided to look into YouTube“.



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Die Bundesregierung muss jetzt scharf protestieren


Am Dienstagabend hat das US-Außenministerium Visa-Sanktionen gegen Mitglieder eines angeblichen „globalen Zensur-industriellen Komplexes“ verhängt. Der bekannteste Sanktionierte ist der frühere EU-Kommissar Thierry Breton, der eine tragende Rolle für den europäischen Digital Services Act (DSA) spielte.

Daneben gehören die Gründerin des britischen Global Disinformation Index (GDI), Clare Melford, und der Gründer des in Großbritannien und USA tätigen Center for Countering Digital Hate (CCDH), Imran Ahmed, zu denjenigen, die künftig Einreisebeschränkungen für die USA unterliegen. In Deutschland haben die USA mit Anna-Lena von Hodenberg und Josephine Ballon die Geschäftsführerinnen von HateAid sanktioniert.

Feindlicher Akt gegen europäische Souveränität

Die Sanktionen erfüllen zwei Funktionen: Sind sind einerseits ein feindlicher Akt gegen die europäische Gesetzgebung des Digital Services Acts, dem auch die US-amerikanischen Tech-Konzerne unterworfen sind. Die EU-Verordnung enthält vor allem für sehr große Tech-Konzerne zahlreiche Pflichten: etwa zu Moderation und Transparenz, zur Löschung illegaler Inhalte oder dem Schutz von Nutzer:innen vor manipulativem Design.

Diese Gesetzgebung versuchen die mittlerweile sehr nahe an den autoritären Trump gerückten Tech-Milliardäre von Musk bis Zuckerberg schon seit Langem und nun mit verstärkter Hilfe der Trump-Regierung zu attackieren. Früher mit massiver Lobbyarbeit in Brüssel, jüngst auch mit Zoll-Drohungen und jetzt mit Sanktionen gegen zivilgesellschaftliche Organisationen, die die Umsetzung des DSA mitgestalten.

Es handelt sich bei den jetzigen Sanktionen um einen direkten Angriff auf die Souveränität Europas, selbst digitale Märkte zu regulieren und die eigenen Gesetze gegen Konzerne auch durchzusetzen. Die Sanktionen sind Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit, denn nichts anderes ist die Durchsetzung von Recht und Gesetz.

Bestrafung und Einschüchterung

Die zweite Ebene ist die Bestrafung, Markierung und Einschüchterung politischer Gegner:innen. Die jetzt durch ihre Mitglieder sanktionierten Nichtregierungsorganisationen sind alle gegen Hassrede, illegale Inhalte und Desinformation tätig. Natürlich sind solche Organisationen denjenigen ein Dorn im Auge, deren Aufstiegs- und Machterhaltungsstrategie auf Hass, Lügen und Desinformation aufbaut. HateAid ist nicht umsonst hierzulande ein Lieblingsgegner der rechtsradikalen AfD und ihrer rechtskonservativen Steigbügelhalter.



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Während US-Präsident Trump in den USA mit der New York Times die renommierteste Zeitung des Landes zum „Gegner des Volkes“ deklariert und die „Einschläferung“ des Satirikers Stephen Colbert fordert, malen er und seine Anhänger:innen das Schreckgespenst eines allmächtigen europäischen Zensurapparates an die Wand. Gleichzeitig übernehmen Trump-Getreue die US-Medienlandschaft und ein regierungsnahes global agierendes autoritäres Netzwerk von Tech-Konzernen hat sich gebildet. Die Realität ist also: Die Meinungsfreiheit ist in den USA in Gefahr – und weniger in Europa.

Bei den jetzt verhängten Einreiseverboten für die Betroffenen dürfte es nicht bleiben. Die Mitarbeitenden von HateAid wurden als „radikale Aktivisten“ klassifiziert, die ihre Organisationen als Waffe einsetzen würden. Es kann gut sein, dass die Organisationen ihre Social-Media- und sonstigen Accounts bei US-Konzernen verlieren könnten. Die Sanktionen gegen HateAid sind als Drohung gegen alle zu verstehen, die sich kritisch mit US-amerikanischen Tech-Konzernen auseinandersetzen.

Jetzt scharf und entschieden protestieren

Gegen das Vorgehen der US-Regierung müssen die Bundesregierung und die EU-Kommission scharf und entschieden protestieren. Es geht dabei um nicht weniger als die europäische Unabhängigkeit, selbst über die hier geltenden Gesetze zu entscheiden. Es geht darum, dass wir in der EU mit unseren 450 Millionen Einwohner:innen selbst aushandeln, welche Regeln bei uns gelten. Und dass wir uns nicht alles von den Konzernen der Oligarchen gefallen lassen, auch wenn diese bei Donald Trump auf dem Schoß sitzen.

Neben der europäischen Souveränität geht es auch darum, hier tätige zivilgesellschaftliche Organisationen in ihrer Handlungsfreiheit zu schützen. Sonst müssen in Zukunft alle möglichen Akteure damit rechnen, von den USA bestraft zu werden, wenn dies der autoritären Führung der USA und ihren Oligarchen nicht in den Kram passt. Es geht also um nicht weniger als um die politische und wissenschaftliche Freiheit unserer Zivilgesellschaft.

Jetzt sind also Bundeskanzler Merz und Kommissionspräsidentin von der Leyen gefragt, deutliche Worte und eine politische Antwort zu finden, damit dieser Präzedenzfall der Einschüchterung nicht unerwidert bleibt. Auch wenn heute Heiligabend ist.



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