Datenschutz & Sicherheit

Dieser Mann hat sein digitales Leben verloren, weil er ein Foto postete


Hamburg, zweiter Juli 2025, sechs Uhr morgens. Harte Schläge an seine Wohnungstür reißen Arnd Klinkhart aus dem Schlaf. Sein erster Gedanke gilt seinem Telefon, erzählt er. Er greift es, entsperrt es, schaut darauf. Dann macht er sich auf den Weg zur Tür, um nachzuschauen, wer dagegen hämmert. Durch den Spion ist nichts zu sehen, er wird blockiert. Also öffnet Klinkhart und steht, barfuß und nur mit Unterhose bekleidet, vier Polizist*innen gegenüber. „Das war ein schreckliches Gefühl“, sagt er später gegenüber netzpolitik.org.

Die Polizist*innen wollen das Telefon, das Klinkhart in der Hand hält. Er gibt ihnen das entsperrte Gerät. „Ich war noch nicht richtig wach, sonst hätte ich das nicht gemacht“, sagt Klinkhart später.

Nun liegt das Telefon und damit das digitale Leben Klinkharts geöffnet bei der Polizei. „Das ist ein höchst unangenehmes Gefühl, denn da sind richtig intime Dinge drauf. Fotos, die nicht jeder sehen muss, sehr private Konversationen. Da sind auch Dritte betroffen“, sagt er.

Hausdurchsuchung wegen eines zwei Jahre alten Posts

Warum ist das passiert? Die Beamt*innen haben einen Durchsuchungsbeschluss dabei. Darin wird Klinkhart vorgeworfen, zu Straftaten aufgerufen zu haben, mittels eines Posts bei X. Den fraglichen Post hat er vor zwei Jahren abgesetzt. Im September 2023 fotografierte er auf dem Hamburger Schanzenfest ein Banner. Darauf ist ein brennendes Polizeiauto gemalt, darüber der Slogan: „Advent, Advent, die Wanne brennt“. Klinkhart teilte das Bild mit einem Kommentar: „Na sicher“.

„Das ist doch kein Aufruf zu einer Straftat“, sagt Klinkhart empört. „Mir läge nichts ferner, so bin ich nicht erzogen worden und so habe ich meine Kinder nicht erzogen. Ich zünde keine Autos an und greife keine Polizisten an.“

Aber die Polizei hat noch etwas gefunden: Auf der Stoßstange des gemalten Polizeitransporters steht klein „ACAT“. Laut Durchsuchungsbeschluss ist das ein Code für: All cops are target. Auf Deutsch: Alle Polizisten sind Zielscheibe. In der Kombination aus Bild, Slogan und Kürzel sieht die beschließende Richterin deshalb einen Aufruf, Polizeifahrzeuge in Brand zu setzen oder zu zerstören.

Den Post hatte er längst selbst gelöscht

Klinkhart sagt, dass auf der Stoßstange des Transporters ACAT stand, habe er erst wahrgenommen, als die Polizist*innen ihm einen Ausdruck des mutmaßlich strafbaren Posts zeigten. Die Bedeutung des Kürzels habe er bislang nicht gekannt und das strittige Foto überhaupt nicht mehr auf dem Schirm gehabt. X hat er bereits vor einer ganzen Weile wegen der Übernahme durch Elon Musk und „dem Blödsinn“ verlassen, seinen Account und damit auch den Post gelöscht.

Klinkhart sagt, er habe direkt zugegeben, der Urheber des Posts zu sein und stehe auch weiterhin dazu. Die Hausdurchsuchung sei also gar nicht nötig gewesen, die Beschlagnahme seiner Geräte erst recht nicht.

Klinkharts Smartphone war sein einziger Zugang zum Netz. Seinen Laptop haben die Beamt*innen ihm zwar gelassen, doch den nutzt er nur über den Smartphone-Hotspot. Plötzlich ist Klinkhart abgeschnitten von der Welt. Das macht ihm Angst. „Ich bin Herz-Lungen-Patient und hätte nichtmal einen Notruf absetzen können“, sagt er.

Bankkontozugang, Deutschlandticket: Alles weg

Klinkhart braucht also ein neues Smartphone. „Das ist im Bürgergeld-Regelsatz nicht eingeplant“, sagt er. Und auch mit dem neuen Gerät bleibt er von seinen Konten ausgeschlossen. Die Zwei-Faktor-Authentifizierung läuft über das alte Gerät, das nun bei der Polizei liegt. Die Wiederherstellungscodes kann er nicht finden.

Klinkhart kann keine Bankgeschäfte mehr abwickeln, nicht mit dem Jobcenter korrespondieren – was wichtig wäre, weil er gerade umziehen muss. Er kann sein Deutschlandticket nicht mehr nutzen und die Miles-App auch nicht. „Eigentlich müsste ich heute zu meinem Sohn, eine Waschmaschine installieren, aber das kann ich jetzt knicken“, sagt er. Alle seine Kontakte sind weg. Klinkhart versucht gerade, über Freunde von Freunden wieder an die wichtigsten Telefonnummern zu kommen.

Laut Gesetz droht ihm eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren, doch zumindest in dieser Hinsicht ist Klinkhart sehr gelassen. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass sie das wegen Geringfügigkeit einstellen“, sagt er.



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