Künstliche Intelligenz
Digitale Gesundheitsanwendungen: Über Hürden, Fortschritt und Kritik
Digitale Gesundheitsanwendungen, sogenannte DiGA oder „Apps auf Rezept“, spalten die Gemüter. Kritisiert wird oft, die Preise seien zu hoch und sie brächten keinen ausreichenden Nutzen. Dabei müssen die Hersteller strenge Anforderungen erfüllen, um eine DiGA zur Marktreife zu bringen. Neben dem Nachweis der medizinischen Wirksamkeit sind Datenschutz, IT-Sicherheit und Interoperabilität mit der Telematikinfrastruktur, der „Gesundheitsdatenautobahn“, Pflicht. In den vergangenen Jahren hat der Gesetzgeber die Regeln bezüglich Datenschutz und Wirksamkeit sogar noch einmal verschärft.
Trotzdem stehen DiGA immer wieder in der Kritik: Die Kosten werden hinterfragt, die bürokratischen Hürden für Patienten und Ärzte sind hoch, und die Integration in die Versorgung läuft nicht immer reibungslos. Gleichzeitig wächst die Zahl der Verordnungen stetig, und viele Patienten profitieren von den digitalen Therapien, die oft schneller verfügbar sind als klassische Behandlungen.
Mario Weiss ist Gründer und CEO der Hamburger Gaia AG, die sie auf die Entwicklung von digitalen Gesundheitsanwendungen spezialisiert hat.
(Bild: Gaia)
Über diese Herausforderungen haben wir mit Dr. Mario Weiss gesprochen. Er ist Gründer und CEO der Gaia AG, die sieben DiGA auf den Markt gebracht hat – darunter Deprexis zur Behandlung von Depressionen und weitere Anwendungen für chronische Erkrankungen wie Multiple Sklerose. Im Interview spricht Weiss unter anderem über die Hürden, DiGA auf den Markt zu bringen und was sich aus seiner Sicht verbessern sollte.
heise online: Was war Ihre Motivation, in den DiGA-Markt einzusteigen?
Mario Weiss: Das deutsche DiGA-System ist international einzigartig und stellt für uns eine besondere Chance dar. Ist ein Produkt als DiGA zugelassen, ist das eine Gewährleistung für eine hohe Qualität.
Ich habe mich schon seit Jahren – als KI noch nicht in aller Munde war – damit beschäftigt, wie man Algorithmen in der Verhaltensmedizin einsetzen kann. Die Verhaltensmedizin konzentriert sich darauf, das Verhalten von Patienten zu ändern, um ihre Gesundheit zu verbessern. Dazu gehören Aspekte wie gesündere Ernährung, mehr Bewegung und auch die Veränderung von Denkweisen. Letzteres fällt in den Bereich der Psychotherapie. Unser Flaggschiff-Produkt im Bereich der digitalen Therapie, Deprexis, hat hier weltweit Maßstäbe gesetzt. Es ist nicht nur zertifiziert und nachweislich wirksam, sondern hat eine über 15-jährige Forschungstradition und wurde global beforscht – zum Beispiel in den USA, Südamerika und Asien.
Welche besonderen Hürden gibt es?
Eine große Hürde ist der Zugang für Patienten. Während Medikamente in Minuten verfügbar sind, warten viele Patienten fast 13 Tage, bei den AOKen sogar bis zu vier Wochen auf ihre digitale Therapie, weil Krankenkassen die gesetzliche 2-Tages-Frist zur Freischaltung überschreiten. Und das wird durch den aktuellen E-Rezept-Entwurf nicht besser, sondern schlimmer. Die Einlösung bleibt technisch kompliziert, bürokratisch überfrachtet und Krankenkassen behalten die Rolle als Gatekeeper. Das widerspricht der ursprünglichen Intention des Gesetzgebers, dass Ärzte Therapieentscheidungen fällen und nicht Krankenkassen. Es untergräbt das Vertrauen in die digitale Medizin.
Manche bezeichnen DiGA als „tot“ oder im „Sterben“. Was ist da dran?
Nichts. Sie werden therapeutisch genutzt wie nie zuvor. Die Zahl der Verordnungen steigt seit Jahren, die Akzeptanz bei Ärzten und Patienten wächst, und die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag ausdrücklich zur Stärkung bekannt. Wir erleben eher, dass Innovationen durch übermäßige Bürokratie ausgebremst werden. Ein Beispiel? Das EU-Zertifikat für Informationssicherheit kommt mit ungefähr 27 Seiten aus. Der deutsche Sonderweg: über 150 Seiten. Wenn wir so weitermachen, verspielen wir unseren Vorsprung, weil wir mehr Zeit und Geld in Bürokratie als in Forschung und Entwicklung investieren müssen.
Sind Ihre DiGA bereits an die Telematikinfrastruktur und die elektronische Patientenakte angeschlossen? Wie sieht es mit der GesundheitsID aus, gibt es da noch rechtliche Hürden?
Unsere DiGA sind vollständig an die Telematikinfrastruktur angeschlossen und bereits heute kompatibel mit der ePA 3.0. Sie generieren versorgungsnahe Daten, die, sofern gewünscht, direkt in die ePA eingespeist werden können. Damit entsteht ein bisher unerreichter Einblick in die tatsächliche Versorgungssituation. Zudem ist die Anmeldung über die GesundheitsID jetzt schon technisch möglich, aber sie wird bislang kaum genutzt.
Wie unterscheidet sich das von der Nutzung in anderen Ländern?
In Deutschland ist das Produkt tatsächlich als DiGA anerkannt. In anderen Ländern werden solche Anwendungen oft in unterschiedlichen Settings eingesetzt. In den USA sehen wir etwa eine grundlegend andere Wahrnehmung von digitalen Therapien. Dort spricht man nicht abschätzig von ‘Apps auf Rezept’, sondern von ‘Novel Therapies’, von neuartigen, verhaltensbasierten Interventionen. In den USA startet aktuell die bislang größte Studie zu einer digitalen Therapie bei MS gegen Fatigue, ko-finanziert und unterstützt von der US-amerikanischen Regierung, basierend auf unserer DiGA Elevida. Das zeigt, wie ernst solche Therapien international genommen werden und welches Potenzial bei dieser Innovation „Made in Germany“ steckt.
Vor zwei Jahren haben Sicherheitsforscher eine Lücke bei Deprexis entdeckt. Wie war das damals?
2023 wurde einer unserer Forschungsserver gehackt. Tatsächlich war keine DiGA betroffen. Ich finde es aber grundsätzlich sehr gut, dass die Hacker-Szene auf Sicherheitslücken hinweist. Das ist besser, als wenn das Kriminelle machen.
Es gibt viele Diskussionen über die Evidenz und den Nutzen von DIGAs. Ist das berechtigt?
Es ist wie bei Medikamenten – als guter Arzt weiß man, was man bei welchem Patienten einsetzt. Bei digitalen Therapeutika gibt es erfahrene Kollegen, die differenzieren können, welche Anwendungen wirklich hilfreich sind. Produkte wie Deprexis werden oft empfohlen, da sie sich bewährt haben und es bereits seit 15 Jahren Forschung dazu gibt, die die Wirksamkeit belegen. Dennoch gibt es auch Anwendungen, bei denen man sich fragt, welchen Mehrwert sie bieten. Das gilt übrigens für Medikamente ebenso.
Die Kosten werden auch immer wieder kritisiert, dabei wird auch Ihre teuerste App Levidex mit Kosten in Höhe von 2077,40 Euro pro Quartal aufgeführt. Was würden Sie dem entgegensetzen?
Levidex kommt für den Bereich Multiple Sklerose zum Einsatz. Die Entwicklungskosten für die Therapiesoftware sind sehr hoch. Das liegt an der Erkrankungsschwere und Komplexität. Gleichzeitig gibt es wenige Nutzer, da die Erkrankung ungefähr 0,3 Prozent der Bevölkerung betrifft. Natürlich ist eine Therapie, die mehr Menschen nutzen, wirtschaftlicher. Aber wir brauchen auch in Nischenindikationen Forschung und Innovation. Und wenn es wie bei unserer Therapie nachweislich wirkt, dann braucht es einen fairen, differenzierten Preis, um die extrem hohen Kosten für Forschung und Entwicklung zu refinanzieren.
Im Bereich Interoperabilität, Datenschutz und IT-Sicherheit gibt es berechtigterweise ebenso hohe steigende Anforderungen.
Sie haben Kritik an den Aussagen des GKV-Spitzenverband geäußert, DiGA würden nichts nutzen und seien zu teuer. Was haben Sie dem entgegenzusetzen?
Die Arzneimittelausgaben betrugen letztes Jahr rund 53 Mrd. Euro. Davon betrug der DiGA-Anteil 0,2 Prozent. Und DiGA sollen die Kostentreiber sein? Es gibt eine aggressive und unwissenschaftliche Haltung von bestimmten Krankenkassen gegenüber digitalen Therapien, während sie gleichzeitig ihre eigenen Programme ohne ausreichende Evidenz und Sicherheit in den Markt bringen. Einige AOKen tun sich hier leider unrühmlich hervor. Aber es gibt auch Krankenkassen, die unsere Produkte empfehlen und dadurch Geld sparen. Patienten, die mit nachweisbar wirksamen Produkten schnell gesund werden, sind eben auch ‘günstiger’ als diejenigen, die ewig auf Therapie warten und mit Produkten zweifelhafter Wirksamkeit ‘selbst versorgt’ werden.
Welche Krankenkassen bieten Programme an?
Einige AOKen bieten beispielsweise ein Programm namens Moodgym an, das sich in Studien als nicht wirksam erwiesen hatte, aber dennoch weiterhin angepriesen wird. Auch die Techniker Krankenkasse tritt an Hersteller heran, um exklusive Programme zu entwickeln, ohne die strengen Evidenzanforderungen zu erfüllen, die für DIGAs gelten.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der digitalen Therapie in Deutschland?
Einen fairen Prozess, der zum Beispiel die Entwicklung und Erstattung von Spezialindikationen wie Multiple Sklerose anders bewertet als allgemeine Indikationen. Außerdem sollten einige Krankenkassen ihre Haltung ändern und im Sinne ihrer Patienten aufhören, Produkte mit zweifelhafter Wirksamkeit zu pushen, um vermeintlich zu sparen.
(mack)
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Live-Webinar: Apple-Gerätemanagement mit Microsoft Intune
Microsoft Intune bietet umfangreiche Möglichkeiten für das Management von iPhones, iPads und Macs im Unternehmen – sowohl bei firmeneigenen Geräten als auch im BYOD-Szenario. Doch in der Praxis läuft nicht alles reibungslos.
In diesem zweistündigen Live-Webinar Webinar erhalten Sie von Abbas Banaha, erfahrener Apple-Spezialist, einen praxisnahen Einblick in die Verwaltung von iOS-, iPadOS- und macOS-Geräten mit Intune. Anhand konkreter Beispiele zeigt er, was gut funktioniert und wo die Grenzen liegen. Denn nicht alles, was technisch möglich ist, bewährt sich im Unternehmensalltag.
Lernen Sie Best Practices und Empfehlungen kennen, wie Sie Apple-Geräte im Zusammenspiel mit Intune, Apple Business Manager und modernen Deployment-Prozessen optimal managen. Der Experte beleuchtet Herausforderungen bei Konfiguration, Inventarisierung und Patchmanagement und erklärt, wie Sie damit umgehen.
Weitere Themen sind die sinnvolle Interaktion von Apple Business Manager und Intune, die Integration von macOS-Geräten, App-Installationen und Updates. Erfahren Sie mehr über Compliance-Richtlinien, Authentifizierung über Entra ID sowie Besonderheiten bei Benutzer- und Gerätezuweisungen.
Der Referent bewertet realistisch die Grenzen von Intune im Apple-Kontext und zeigt Workarounds und Alternativen auf. Live-Demos und Praxisbeispiele veranschaulichen typische Stolperfallen und Lösungen. Sie haben während des gesamten Webinars die Möglichkeit, Ihre Fragen zu stellen.
Zu den Themenschwerpunkten gehören:
- Grundlagen der Apple-Geräteverwaltung mit Microsoft Intune
- Integration von Apple Business Manager und Intune
- Einschränkungen & Besonderheiten vs. native Apple-MDMs
- Umgang mit macOS: Herausforderungen bei Integration & App-Management
- iOS-/iPadOS-Konfiguration: Profile, Restriktionen, Updates
- Benutzer- vs. gerätebasiertes Deployment – die Unterschiede
- Authentifizierung & Identitätsmanagement mit Entra ID und Intune
- Praxistipps für Apps, Compliance-Richtlinien, Automatisierung
- Realistische Grenzen und praktikable Workarounds
- Interaktive Live-Demos und Q&A
Profitieren Sie vom Erfahrungsschatz des Referenten Abbas Banaha und optimieren Sie Ihr Apple-Gerätemanagement mit Microsoft Intune.
Zweistündiges Webinar im September
Das 120-minütige Live-Webinar findet am 4. September 2025 von 10:00 bis 12:00 Uhr statt. Es richtet sich an IT-Administratoren, Systemverantwortliche und Entscheider, die Apple-Geräte mit Intune verwalten oder dies planen. Grundkenntnisse zu Microsoft Intune und Apple-Geräten sind empfehlenswert. Während des Webinars können die Teilnehmer Fragen stellen.
Ein Ticket kostet regulär 129 Euro. Im Anschluss erhalten die Teilnehmer die Folien des Webinars sowie einen Zugang zur Aufzeichnung.
Weitere Informationen und Anmeldung: Apple-Geräte mit Microsoft Intune verwalten
(ims)
Künstliche Intelligenz
iOS 18.6.1 und watchOS 11.6.1 sind da: Für iPhone und Apple Watch verfügbar
Zwischenaktualisierung für iOS und watchOS: Seit gestern Abend stehen die neuen Betriebssystemversionen iOS 18.6.1 und watchOS 11.6.1 zum Download auf iPhones und Apple-Watch-Geräte bereit. Die beiden Updates waren von Apple bereits am Donnerstagnachmittag angekündigt worden, denn sie haben eine spezielle Bedeutung: Sie schalten eine lange deaktivierte Funktion wieder frei, wenn auch eingeschränkt.
Ein sehr spezielles Update
Dabei geht es um das Feature der Blutsauerstoffmessung (Pulsoximetrie), das Apple seit der Apple Watch Series 6 von 2020 anbietet, aber bereits seit Anfang 2024 auf Computeruhren, die für den US-Markt gedacht sind, blockiert. Grund ist ein lange anhaltender Rechtsstreit mit dem Medizintechnikhersteller Masimo, der dazu führte, dass die Import-Handelsaufsicht der USA (US-ITC) Ende 2023 ein Einfuhrverbot aussprach. Mit den Updates hat Apple nun eine Möglichkeit gefunden, dies zu umgehen.
Der Trick: Die Berechnung der Werte, deren Rohdaten die Apple Watch erfasst, findet künftig auf dem mit der Computeruhr gekoppelten iPhone statt und ist auch nur dort ablesbar. Das scheint zu reichen, um Masimos Patente zu umgehen. Technisch umgesetzt wird beides nun mit iOS 18.6.1 und watchOS 11.6.1. Abgedeckt sind Watch-Modelle aus Series 9, Series 10 sowie die Ultra 2 – also alle Modelle mit Einfuhrverbot respektive technischer Sperre deshalb.
Was in iOS 18.6.1 und watchOS 11.6.1 steckt
Apple macht zu beiden Updates nur eine einzige Angabe: Dass die Aktualisierung eine neue „Blood Oxygen Experience“ für US-Nutzer ermöglicht. Im Beipackzettel werden die betroffenen Modelle erwähnt sowie die Tatsache, dass die Berechnung auf dem iPhone stattfindet und das Ergebnis in der Health-App landet – das war’s. Weitere Neuerungen, die Apple offen kommuniziert, enthalten die beiden Aktualisierungen offenbar nicht.
In Sachen Sicherheitspatches sind iOS 18.6.1 und watchOS 11.6.1 ebenfalls blank: Laut Apple enthalten beide Patch-Pakete „keine veröffentlichten CVE-Einträge“, also sicherheitsrelevanten Veränderungen. Verfügbar sind beide Aktualisierungen ab dem iPhone XS respektive der Apple Watch Series 6. Die Installation wird auch Nicht-US-Nutzern empfohlen – offenbar, damit alle Geräte auf dem gleichen Stand sind. Auf einem iPhone 15 Pro war das Update nur knapp 470 MByte groß.
(bsc)
Künstliche Intelligenz
„End-to-End-Betrug“ mit Festplatten: Seagate findet Fälscherwerkstatt in Asien
Hunderte von Lesern haben sich Anfang des Jahres bei uns gemeldet, um uns auf einen an Ihnen begangenen Betrug hinzuweisen: Sie hatten neue Festplatten bezahlt, bekamen aber gebrauchte Laufwerke. Die Opfer stammten zum großen Teil aus dem deutschsprachigen Raum, wir erhielten aber auch Hinweise aus weit entfernten Ländern, etwa Australien und den USA.
Die gebrauchten Laufwerke stammten nach unseren Recherchen wahrscheinlich aus China und liefen dort als Speicher für die Kryptowährung Chia. Nachdem sich das Mining dieser Währung nicht mehr gelohnt hatte, wurden sie wieder verkauft – was grundsätzlich natürlich legal ist. Betrug wurde daraus, weil die sogenannten SMART-Werte zur Analyse der Festplatten gelöscht und die Modelle danach als neu wieder in die Distributionskette des Handels eingeschleust wurden. Der Betrug flog nur auf, weil Seagate-Festplatten neben den SMART-Werten noch andere, nicht so einfach löschbare Betriebsdaten speichern. Um den Umfang des Betrugs deutlich zu machen: Wir schätzen, dass etwa eine Million Laufwerke aus dem Chia-Netzwerk entnommen wurde — wie viele davon nun als neu erneut verkauft wurden, bleibt unklar.
An die Endkunden gerieten die Laufwerke wie üblich über Händler, die sich wahrscheinlich über die günstigen Einkaufspreise freuten; es waren sowohl große deutsche Onlinehändler als auch kleine Ebay-Shops betroffen. Wir gehen davon aus, dass den meisten dieser Händler zumindest anfangs nicht bewusst war, dass sie ihre Kunden betrügen. Die meisten betrogenen Kunden konnten dann ihre Laufwerke auch retournieren.
Schlag gegen Fälscher
Seagate forschte natürlich ebenfalls und teilt jetzt erste Ergebnisse. Wie Seagate uns jetzt mitteilte, haben Mitglieder des Seagate-Sicherheitsteams aus Singapur und Malaysia zusammen mit Beamten des malaysischen Ministeriums für Binnenhandel bereits im Mai eine erste Fälscherwerkstatt in einem beengten Lagerraum außerhalb von Kuala Lumpur ausgehoben. Nach Unternehmensangaben nahm diese Fälscherwerkstatt jeden Monat Tausende US-Dollar ein.
Bei der Razzia wurden fast 700 interne Festplatten von Seagate verschiedener Modellvarianten und mit einer Kapazität von bis zu 18 TByte beschlagnahmt. Die Ermittler fanden auch Laufwerke von Western Digital und Toshiba – wie wir bereits früher vermutet hatten, sind wahrscheinlich also auch Laufwerke dieser Unternehmen vom Betrugsfall betroffen. Das Besondere war, dass in der Werkstatt nicht nur die Fälschungen erledigt wurden, sondern auch Online-Verkauf, Logistik und Auftragsabwicklung – einen „End-to-End-Betrug“ nennt es Roy Khuan, Seagates Senior Manager für Sicherheit.
Beim Besuch der Fälscherwerkstatt fanden die Ermittler auch Festplatten anderer Hersteller im Equipment zum Zurücksetzen der SMART-Werte. Hier wurden gerade WD-Laufwerke gelöscht.
(Bild: Seagate)
Die gefälschten Laufwerke verkauften die Betrüger online über Shopee und Lazada, zwei der größten E-Commerce-Plattformen in Südostasien. Ein malaysischer Vertriebsleiter bemerkte die ungewöhnlich niedrigen Preise für diese Laufwerke mit hoher Kapazität und alarmierte die Sicherheitsabteilung von Seagate.
Nachdem Seagate ein Laufwerk gekauft und überprüft hatte, dass es sich um eine Fälschung handelte, benachrichtigte das Unternehmen die örtlichen Strafverfolgungsbehörden. „Wir führten Unternehmensüberprüfungen und Ermittlungen vor Ort durch, um den Standort des Lagers zu ermitteln“, erklärt Khuan.
Zusammenarbeit von Seagate und Ermittlungsbehörden
Die Mitglieder von Seagates Sicherheitsteam unterstützen die Beamten dann vor Ort bei den Untersuchungen. In dem Lager fanden sie sechs Männer vor, die den Ermittlern auch Auskunft über ihre Arbeit gaben. Die Beamten zeichneten den Ablauf der Kundenbestellungen zudem auf Video auf. Die Arbeiter setzten nicht nur die SMART-Werte der Laufwerke zurück, sondern reinigten sie, etikettierten sie neu und verpackten sie; zum Schluss folgte der Versand an die lokalen E-Commerce-Plattformen.
In dem Lagerraum fanden die Ermittlungsbehörden hunderte gebrauchte Festplatten.
(Bild: Seagate)
Bei den Ermittlungen kam auch heraus, dass viele der Laufwerke illegal aufgewertet wurden: Aus einer gebrauchten Desktop-Festplatte wurde etwa ein teureres Laufwerk für Überwachungssysteme. Aufgrund der gefundenen Hinweise vermutet Seagate, dass die Laufwerke aus China stammen, was unsere Recherchen untermauert.
Kriminelle Syndikate
Laut Seagates Vice President für Global Trust and Security, John Abrenilla, findet solcher Betrug auf allen großen Marktplätzen statt. Seagate unterstützt die malaysischen Behörden nun, um die Bezugsquellen der Laufwerke zu ermitteln sowie Personen zu identifizieren, die für diese illegale Operation verantwortlich sind. Die festgenommenen Arbeiter sind wahrscheinlich nur kleine Fische, die für ihre Arbeit mit einem mageren Stundenlohn abgespeist wurden.
Seagates Sicherheitsteam hatte sich bei der Razzia auf Anweisung der Beamten zunächst im Hintergrund gehalten. Oberste Priorität habe die Sicherheit des Teams gehabt. „Wir wussten wirklich nicht, was uns erwarten würde, als wir durch diese Türen gingen“, sagt Khuan, „viele der kriminellen Aktivitäten in diesem Bereich werden von Syndikaten betrieben“.
Seagate verstärkt Partnerprogramm
Seagate möchte ähnliche Betrugsfälle in Zukunft vermeiden und hat dazu sein Partnerprogramm verstärkt. Offizielle Seagate-Partner sollen sich vertraglich verpflichten, Seagate-Festplatten ausschließlich von autorisierten Seagate-Distributoren zu beziehen und weiterzuverkaufen. Damit möchte Seagate sicherstellen, dass offizielle Seagate-Partner ausschließlich neue, originale Seagate-Festplatten an Endkunden weiterverkaufen.
Das überarbeitete Partnerprogramm verlangt auch ein Global Trade Screening (GTS). Damit will der Hersteller Kooperationen mit betrügerischen Lieferanten verhindern, die auf der GTS-Sanktionsliste stehen, und selbst mit solchen, die unwissentlich in den Handel mit Fälschungen verwickelt sind.
Weitere Fälle wahrscheinlich
In den vergangenen Monaten sind bei uns nur noch wenige Mails mit Hinweisen auf diesen Betrug eingegangen. Wir bezweifeln jedoch, dass mit dem Ausheben dieser einen Werkstatt der kriminelle Sumpf ausgetrocknet wurde.
Durch den Fund gebrauchter Festplatten von Toshiba und Western Digital ist nun klar, dass auch Laufwerke dieser beiden Hersteller betroffen sind – alles andere hätte uns auch gewundert. Der Betrug ist bei diesen Laufwerken jedoch schwerer nachzuweisen, dass sie anders als die Seagate-Laufwerke keine nicht löschbaren Betriebsdaten speichern.
Viele Händler dürften beim Einkauf mittlerweile vorsichtiger geworden sein, sodass zumindest der Kauf bei großen Onlinehändlern in Deutschland und den Nachbarstaaten recht risikoarm sein dürfte. Wir raten jedoch weiterhin, vor dem Kauf mehrere Angebote zu vergleichen. Wenn eines davon sehr weit unter den anderen liegt und der Händler unbekannt ist, sollte man davon besser Abstand nehmen: Wenn etwas zu gut klingt, dann ist es das meistens auch.
(ll)
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