Datenschutz & Sicherheit
Digitalsteuer: Tech-Konzerne sollen blechen
Da ist sie wieder, die Digitalsteuer. Letzte Woche hat Kulturstaatsminister Wolfram Weimer eine Digitalabgabe für große Tech-Unternehmen wie Alphabet oder Meta ins Spiel gebracht. Ein Abgabesatz von 10 Prozent sei „moderat und legitim“, sagte der parteilose Konservative dem Magazin Stern. Sein Haus arbeite nun eine Gesetzesvorlage aus, als Vorbild soll eine Regelung aus Österreich dienen.
Für manche in der schwarz-roten Koalition kam der Vorstoß überraschend, abgestimmt war der Vorschlag augenscheinlich nicht. Dabei hatte der Koalitionsvertrag eine Abgabe für Online-Plattformen, die Medieninhalte nutzen, in Aussicht gestellt. Die Erlöse sollen demnach dem Medienstandort zugutekommen.
Indes ist nachvollziehbar, warum so eine Abgabe nicht auf der Prioritätenliste der Bundesregierung steht: Ein Alleingang Deutschlands könnte zur Eskalation des weiterhin ungeklärten Handelsstreits zwischen den USA und der EU beitragen und zugleich Brüssel im Verhandlungs-Poker einen Trumpf entziehen – etwas, was die EU-Kommission tunlichst vermeiden will.
Wiederkehrende Debatte
Dennoch lässt sich die Debatte um eine Digitalsteuer nicht vom Tisch wischen, sie flammt seit Jahren über Parteigrenzen hinweg immer wieder auf. Politisch wie wirtschaftlich lässt sich kaum vermitteln, warum manche Weltkonzerne jedes Quartal Milliardengewinne einstreichen, aber signifikant weniger Steuern zahlen als andere Unternehmen.
Laut Angaben der EU-Kommission aus dem Jahr 2018 zahlen Unternehmen mit traditionellen Geschäftsmodellen im Schnitt rund 23 Prozent Steuern, Digitalunternehmen jedoch nicht einmal 10 Prozent. Es ist schlicht eine Frage der Gerechtigkeit, zumal auf den Kosten, die manche dieser Konzerne verursachen, oft der Rest der Gesellschaft sitzen bleibt.
Sinnvoll wäre eine Lösung auf EU-Ebene, von der Kommission zuletzt im Jahr 2018 vorgeschlagen. Doch im Streit um den Ansatz, auf den sich alle Mitgliedstaaten hätten einigen können, ist die Diskussion schließlich erfolglos versandet. Gebremst hatten vor allem Länder wie Irland, die Konzerne wie Google oder Apple mit großzügigen Steuervorteilen ins Land locken und zuweilen sogar vor Gericht ziehen, um kaum haltbares Steuerdumping betreiben zu können.
Einige Länder haben deshalb kurzerhand eigene Modelle in die Welt gesetzt, darunter Frankreich, Italien und eben auch Österreich. Wie könnte nun eine mögliche Digitalsteuer nach österreichischem Muster aussehen?
Die österreichische „Übergangslösung“
Die dortige Regelung zielt auf Online-Werbung ab. Seit dem Jahr 2020 entfällt auf beispielsweise Bannerwerbung auf Websites oder Suchmaschinen eine fünfprozentige Abgabe. Erfasst werden Unternehmen ab einem weltweiten Umsatz von 750 Millionen Euro und inländischem Umsatz von 25 Millionen Euro pro Jahr.
Als relevante Werbeleistung gelten Anzeigen, die von Geräten mit österreichischer IP-Adresse abgerufen werden und sich an österreichische Nutzer:innen richten. Es handelt sich um eine Selbstberechnungsabgabe, die Unternehmen ermitteln also selbst, was sie zu entrichten haben.
Rund 2,6 Milliarden Euro sollen Berechnungen des Standard zufolge vom Gesetz erfasste Tech-Konzerne im Jahr 2024 mit Werbung in Österreich eingenommen haben. Damit flossen circa 124 Millionen Euro ans österreichische Finanzministerium.
Online-Werbung ist ein rasant wachsender Markt: Einnahmen aus Werbeanzeigen, die früher ein wichtiges Standbein der Medienfinanzierung waren, landen zunehmend bei Google, Facebook & Co. In Österreich haben die Tech-Riesen die traditionelle Verlagsbranche etwa um das Jahr 2022 überflügelt. Letztere konnte im Vorjahr nur rund 2 Milliarden Euro aus Werbebuchungen einnehmen, wie in anderen Ländern sind die Zahlen seit Jahren rückläufig.
Wo die neuen Einnahmen genau landen, ist eine politische Frage. In Österreich gehen davon jährlich nur rund 20 Millionen Euro an einen Fonds zur Förderung der digitalen Transformation, zum Frust österreichischer Fachverbände. Der Fonds soll die Digitalisierung der Medienlandschaft vorantreiben und unterstützt eine Reihe an Digitalisierungsprojekten, darunter auch die Weiterbildung von Journalist:innen – aber nicht reine Online-Medien.
Wie eng sich ein konkreter deutscher Aufschlag letztlich am österreichischen orientieren wird, bleibt offen. In seiner eher vagen Ankündigung hatte Weimer die Tür für weiter reichende Ansätze offen gelassen, ganz abgesehen vom doppelt so hohen Abgabesatz. „Es geht nicht nur um Google-Ads. Es geht generell um Plattform-Betreiber mit Milliardenumsätzen“, sagte der Kulturstaatsminister.
Nicht alle Geschäftsmodelle der Digitalkonzerne bauen auf Online-Werbung auf, bekannte Steuervermeider wie Apple kämen ungeschoren davon. Außerdem wolle Weimer das Gespräch mit den „Plattformbetreibern auf Spitzenebene“ suchen, um „Alternativlösungen zu sondieren“.
Grundsätzlich sieht Österreich das eigene Modell aber weiterhin als „Übergangslösung“, während „auf OECD-Ebene und innerhalb der EU an umfassenden globalen Besteuerungsregeln für die digitale Wirtschaft gearbeitet wird“, wie das Finanzministerium letztes Jahr betonte.

Wackliges OECD-Säulenmodell
Tatsächlich hat sich die letzte, fruchtlos gebliebene EU-Debatte zur OECD hin verschoben, um zumindest einen Mindeststandard bei der Besteuerung insbesondere multinationaler Unternehmen zu schaffen. Diese beschäftigen ganze Heerscharen an Jurist:innen, die mit ausgeklügelten Tricks die Steuerlast der Konzerne so gering wie möglich halten.
Doch selbst die innerhalb der OECD erzielte und nach einigem Tauziehen von der EU bestätigte Einigung, einen Mindeststeuersatz von 15 Prozent zu schaffen, wackelt, weil einmal mehr Donald Trump reingrätscht und US-amerikanische Unternehmen ungerecht behandelt sieht. Die Folgen für die Abgabengerechtigkeit wären jedoch ohnehin nur „schwach positiv“, auch bei einer relativ umfassenden Umsetzung, führt eine Studie des Centrums für Europäische Politik (CEP) aus.
In dieser aus dem Vorjahr stammenden Studie deklinieren die Autoren zudem weitere möglich Ansätze durch – vom Zwei-Säulen-Modell der OECD über Zölle auf Handel mit Software-Lizenzen bis hin zur sogenannten Datenmaut. Jeder dieser Ansätze bringt seine eigenen Vor- und Nachteile mit, ganz zu schweigen vom Problem der Umsetzbarkeit. Schließlich hat die derzeitige EU-Kommission nicht nur mit dem Trump-Problem zu kämpfen, sondern sich generell Erleichterungen für die europäische Wirtschaft auf die Fahnen geschrieben. Wirtschaftsverbände warnten denn auch umgehend vor möglichen negativen Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit.
EU-Länder lassen sich ungern reinreden
Wie schwierig es ist, Einigkeit über sogar auf den ersten Blick scheinbar unkontroverse Vorhaben zu finden, zeigen etwa die zähen Verhandlungen zur „Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter“. Über drei Jahre lagen sich die EU-Länder in den Haaren, um sich letztlich auf die Digitalisierung von Meldepflichten oder auf Mehrwertsteuern für Kurzzeitvermietung von Unterkünften zu einigen. Das hat auch damit zu tun, dass die EU selbst nicht direkt Steuern einnehmen kann und sich die Mitgliedstaaten ungern in ihren Hoheitsbereich reinreden lassen.
Auf absehbare Zeit dürften deshalb eher nationale Vorstöße dominieren und dabei Fakten schaffen, die wiederum auf die EU zurückwirken könnten. Einer von der Grünen-Fraktion im EU-Parlament in Auftrag gegebenen Studie des Centre for European Policy Studies (CEPS) lässt sich etwa entnehmen, dass Online-Werbetreibende über die Hälfte des entsprechenden EU-Umsatzes in nur drei Ländern erwirtschaften: Deutschland, Frankreich und Italien. In diesem Trio fehlt also nur mehr Deutschland mit einem eigenen Modell.
Auch diese Studie zeigt die Spannweite des Handlungsrahmens auf, es muss nicht notwendigerweise bei Abgaben auf Online-Werbung bleiben. Frankreich besteuert etwa nicht nur Umsätze im Werbemarkt mit 3 Prozent, sondern ab einem gewissen Umsatz mittlerweile auch Musikstreaming-Dienste mit 1,2 Prozent. Italien und Spanien, zwei weitere EU-Länder mit bereits eingeführten und jeweils dreiprozentigen Steuern auf Online-Werbeumsätze, experimentieren unter anderem mit der Höhe inländischer Umsatzschwellen oder der steuerlichen Erfassung von Schnittstellen, über die personenbezogene Daten übertragen werden.
Vom rückblickend moderat wirkenden Vorschlag aus dem Jahr 2018, Digitalkonzerne mit bescheidenen drei Prozent zu besteuern, scheinen wir inzwischen meilenweit entfernt zu sein.
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Trump setzt auf „strategisches Chaos“
Die politische Lage in den USA spitzt sich zu. Vergangene Woche hat der autoritär auftretende Präsident Donald Trump Militärtruppen nach Kalifornien entsandt, um Proteste gegen die Einwanderungsbehörde ICE zu ersticken. Erschreckende Bilder wie die Abführung des demokratischen Senators von Kalifornien, Alex Padilla, gingen um die Welt.
Am Wochenende nahm Trump an seinem Geburtstag eine Militärparade in der Hauptstadt Washington ab – höchst ungewöhnlich für die USA, selbst wenn die Armee am gleichen Tag ihren 250. Geburtstag hatte. Zugleich regt sich immer mehr Widerstand in der Bevölkerung, nicht nur in Los Angeles. Landesweit kam es am Samstag zu massiven Protesten unter dem Motto „No King“ – „Kein König“ in mehr als 2.000 Städten.
Sind die USA noch vor der autoritären Komplettübernahme durch Trump und seine Bewegung zu retten? Wir haben den Verfassungsrechtler Anthony Michael Kreis gefragt, was gerade passiert und worauf es jetzt ankommt. Kreis ist Professor an der Georgia State University und begleitet die Umwälzungen kritisch unter anderem auf Bluesky.

Das Interview wurde auf Englisch geführt und lässt sich hier im Original nachlesen.
„Strategisches Chaos“ der Trump-Regierung
netzpolitik.org: Hierzulande beobachten viele Menschen ungläubig, was mit einem der wichtigsten Verbündeten Deutschlands und einem Land geschieht, das sie immer als stabile Demokratie wahrgenommen haben. Wie würden Sie die Ereignisse der vergangenen Monate in Ihrem Land beschreiben?
Anthony Kreis: Das Beste, was ich dazu sagen kann, ist „strategisches Chaos“. Die Trump-Regierung arbeitet mit Hochdruck daran, Institutionen zu zerstören und die Handlungsfähigkeit des Staates zu schwächen, oft unter Missachtung des Rechts. Und sie vertritt Positionen, die die Verfassung zutiefst verletzen. Leider gab es so viele Angriffe auf die Verfassung und die amerikanische Demokratie, dass es schwer ist, den Überblick zu behalten.
netzpolitik.org: Wie wir in den zurückliegenden Wochen gesehen haben, hat Donald Trump Nationalgarde und Marines in Kalifornien eingesetzt, um Proteste niederzuschlagen. Gibt es dafür einen Präzedenzfall, und was sagt das Gesetz über den Einsatz von Streitkräften im Inland?
Anthony Kreis: Der Einsatz von Bundestruppen oder der Nationalgarde ist äußerst selten – insbesondere, weil die lokalen Behörden nicht um Unterstützung gebeten haben. Nach amerikanischem Recht ist es unzulässig, Bundestruppen zur Durchsetzung ziviler Gesetze einzusetzen. Sie können Bundesgebäude und Beamte schützen, aber in der Regel ist dies eine Maßnahme der letzten Instanz. Die Tatsache, dass der Präsident so leichtfertig Truppen auf amerikanischen Straßen einsetzt, lässt mich vermuten, dass es hier um eine Machtdemonstration geht – und nicht um die Durchsetzung des Gesetzes und die Aufrechterhaltung der Ordnung. Angesichts der relativ isolierten Natur des Problems inmitten überwiegend friedlicher Demonstrierender hätte das alles auch von nichtmilitärischem Personal geleistet werden können.
Demokratie am Tiefpunkt
netzpolitik.org: Wenn das Ziel darin bestand, die Zivilgesellschaft von Protest abzuschrecken, scheint es gescheitert zu sein: Am vergangenen Wochenende gab es im ganzen Land massive „No King”-Proteste, selbst angesichts der politisch motivierten Ermordung einer demokratischen Abgeordneten in Minnesota. Wie gesund ist die US-Zivilgesellschaft derzeit, und wie mächtig können Proteste sein, um Veränderungen zu bewirken?
Anthony Kreis: Die amerikanische Demokratie befindet sich derzeit an einem Tiefpunkt. Die Drohungen mit politischer Gewalt, die Missachtung der Rechtsstaatlichkeit und die Versuche, demokratische Institutionen auszuhöhlen, zeigen, wie ernst die Lage ist. Proteste können natürlich dazu beitragen, die Öffentlichkeit zu mobilisieren und die Menschen zu ermutigen, sich am politischen Prozess zu beteiligen. Letztendlich müssen die Menschen jedoch protestieren – und wählen gehen. Es wird ein langfristiges, ernsthaftes Engagement von Millionen von Amerikanern erfordern, um dieses jüngste Kapitel des demokratischen Rückschritts in den USA zu beenden.
netzpolitik.org: Wahlen funktionieren nur, wenn sie Konsequenzen haben. Aber es scheint, dass der Kongress keinen nennenswerten Druck auf Trump ausübt. Ist das ein Problem, das durch das US-Verfassungssystem verursacht wird? Oder ist ein politisches Problem?
Anthony Kreis: Wir sprechen oft davon, dass die drei Gewalten sich gegenseitig kontrollieren und ausgleichen. Historisch gesehen geht es jedoch eher um die Trennung der Parteien als um die Trennung der Gewalten. Solange die Republikaner den Kongress und den Verfassungsgerichtshof kontrollieren, wird es weniger institutionellen Widerstand seitens der Legislative und der Judikative geben. Damit dies geschieht, müsste sich die Lage grundlegend ändern und Trump an Popularität unter den Republikanern verlieren. Ansonsten hängt für die Demokraten viel von den Wahlen im Jahr 2026 ab. Das ist dann ihre einzige echte Chance, den Abwärtstrend zu stoppen.
USA in der Verfassungskrise
netzpolitik.org: Haben die Demokraten bereits alle Hebel in Bewegung gesetzt oder haben sie noch Optionen?
Anthony Kreis: Sie haben kaum andere Möglichkeiten, als die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Bislang haben sie das nicht besonders gut gemacht.
netzpolitik.org: Bis zu den Wahlen 2026 wird also der Supreme Court in den meisten dieser Fragen das letzte Wort haben. Bislang waren seine Entscheidungen für die Trump-Regierung eher durchwachsen. Aber Trump versucht weiterhin, offensichtlich illegale Anordnungen durchzusetzen, sei es der Einsatz des Militärs im Inland oder die Abschaffung des verfassungsmäßig garantierten Geburtsortsprinzips. Wir haben bereits gesehen, dass Trump Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs ignoriert hat. Befinden sich die USA bereits in einer Verfassungskrise?
Anthony Kreis: Jeder wird „Verfassungskrise” anders definieren. Für mich ist es ein Moment, in dem die Rechtsstaatlichkeit bedroht ist und die Machthaber versuchen, Regeln und Institutionen außerhalb eines legitimen Prozesses zu ändern – mit anderen Worten: willkürliche und instabile Regierungsführung („Governance“). Das ist seit Januar der Zustand in Amerika. Ich würde sagen, wir befinden uns in einer Verfassungskrise.
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Lass uns jetzt gemeinsam WhatsApp verlassen
WhatsApp hat das Internet zu einem besseren Ort gemacht. Für viele Menschen war es lange Zeit selbstverständlich, dass man andere auf WhatsApp erreichen kann. Ohne absurde Zeichenbegrenzung wie bei der SMS. Ohne den hölzernen Charakter einer E-Mail. Und mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, sodass niemand die Nachrichten auf dem Weg abfangen und mitlesen kann. Danke, WhatsApp!
Aber mit WhatsApp geht es bergab. Der Messenger, der inzwischen zu Meta gehört, soll Geld abwerfen. Meta ist der Konzern, der auch Facebook und Instagram betreibt. An dessen Spitze steht Multi-Milliardär Mark Zuckerberg, der sich darum bemüht, Donald Trump zu gefallen. Und als würde Meta nicht schon genug Geld verdienen, soll jetzt auch noch WhatsApp Werbung bekommen.
Werbung bei WhatsApp: Jahrelang war das tabu. Im Jahr 2012, vor der Übernahme durch Mark Zuckerberg, da schrieben die WhatsApp-Chefs noch :
Werbung ist nicht nur die Störung der Ästhetik, die Beleidigung deiner Intelligenz und die Unterbrechung deines Gedankengangs. Bei jedem Unternehmen, das Anzeigen verkauft, verbringt ein erheblicher Teil des Engineering-Teams seinen Tag damit, die Datenanalyse zu optimieren […]. Sobald Werbung im Spiel ist, bist du als Nutzer*in das Produkt.
2012 ist lange her. Die Gründer von WhatsApp sind schon länger nicht mehr an Bord. Inzwischen ist WhatsApp für viele Menschen nicht mehr wegzudenken. Wie sonst soll man die Familie erreichen, die Leute im Verein, die Bekanntschaft aus der Bar? WhatsApp gehört für viele zur Grundversorgung. Und gerade deshalb sollte WhatsApp keine Werbung haben.
WhatsApp hat uns „absolut“ verarscht
Wie absurd wäre Werbung an anderen Stellen, die zur Grundversorgung gehören? Stellt dir vor, dein Telefonanbieter würde Werbung einführen. Du könntest niemanden mehr anrufen, ohne dir zuerst einen Werbeclip anhören zu müssen. Oder die Post würde Werbung einführen: Du dürftest Briefe nur noch in Umschlägen verschicken, die zugekleistert sind mit knallbunten Anzeigen. Das würde sich einfach falsch anfühlen.
Nach der Übernahme durch Facebook hatte WhatsApp noch mit Nachdruck versprochen, im Messenger solle es auch in Zukunft keine Werbung geben:
Und du kannst dich absolut darauf verlassen, dass deine Kommunikation nicht durch Werbung gestört wird.
Das Wort „absolut“ griff auch Mark Zuckerberg auf, als er im Jahr 2014 sagte:
Wir werden unsere Pläne rund um WhatsApp absolut nicht ändern. […] WhatsApp wird völlig eigenständig arbeiten.
Tja, jetzt kommt die Werbung doch. Inklusive möglicher Personalisierung über andere Meta-Dienste hinweg, also Instagram und Facebook. WhatsApp hat damit seine über Jahre gepflegten Ideale verraten. Worauf sollten wir uns nochmal „absolut“ verlassen? Sieht aus, als hätten uns WhatsApp und Mark Zuckerberg absolut verarscht.
WhatsApp-Chef weicht Fragen aus
Die neue Werbung soll im Tab „Aktuelles“ zwischen Status-Updates zu sehen sein. Das heißt, die Gespräche mit den eigenen Kontakten bleiben vorerst werbefrei. Aber wer weiß, wie lange noch? Der SPIEGEL wollte von WhatsApp-Chef Will Cathcart wissen, ob WhatsApp bald auch noch die Chats und den Startbildschirm zur Werbefläche macht. „Können Sie uns versprechen, dass Sie dies in den nächsten zwei Jahren nicht tun werden?“, lautetet die Frage.
Das ist eine simple Frage. Man kann sie mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten. Aber Will Cathcart hat nicht mit „Ja“ oder „Nein“ geantwortet.
Er hat gesagt: „Unser Fokus geht nicht in diese Richtung“.
Bei so einer ausweichenden Antwort gehen meine Alarmglocken an. Offensichtlich will sich WhatsApp alle Optionen offenhalten. Und WhatsApp macht sich nicht einmal die Mühe, das offen zu sagen. Stattdessen übt sich der WhatsApp-Chef in Wortakrobatik. Wer so aalglatt antwortet wie Will Cathcart, der will Menschen verarschen. Hätte er doch nur gesagt: „Vielleicht, keine Ahnung.“ Das wäre ehrlicher gewesen.
WhatsApp hat ein Privatsphäre-Problem
Es gibt noch mehr gute Gründe, WhatsApp zu verlassen. Trotz Ende-zu-Ende-Verschlüsselung schützt der Messenger unsere Privatsphäre nicht gut. Um zu funktionieren, will WhatsApp Zugriff auf das gesamte Telefonbuch haben. Inklusive der Kontakte, die kein WhatsApp haben. WhatsApp erklärt zwar, dass diese Nummern nicht im Klartext gespeichert würden; Fachleute wie der IT-Sicherheitsforscher Mike Kuketz beruhigt das aber nicht.
Mehr noch: WhatsApp erfasst, wer wann mit wem Kontakt hatte. Der Zuckerberg-Konzern kann zwar nicht lesen, worum es inhaltlich geht, dank Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Aber WhatsApp hat das wertvolle Wissen, wer mit wem vernetzt ist – und wie eng. Das sind die sogenannten Metadaten. Obendrauf kommen Eckdaten wie Profilbild und Status, die nicht Ende-zu-Ende-verschlüsselt sind.
Solche Daten sind mächtig. Der Whistleblower Edward Snowden hat in seiner Biografie geschrieben:
Die unbequeme Wahrheit ist aber gerade, dass der Inhalt unserer Kommunikation nur selten so viel über uns verrät wie ihre anderen Elemente. Es sind die ungeschriebenen, unausgesprochenen Informationen, die den weiteren Kontext und unsere Verhaltensmuster offenbaren.
Wie gefährlich ist das, wenn ein Konzern dieses Wissen über drei Milliarden Nutzer*innen hortet? Ein Konzern, der seinen Sitz in den USA hat, also einem zunehmend autokratischen Staat, dessen aktueller Präsident wohl am liebsten ein Diktator wäre?
Natürlich gibt WhatsApp auf Anfrage auch Daten an Polizei und Strafverfolgungsbehörden weiter. Unternehmen können solche Anfragen schwer ignorieren. Aber sie können entscheiden, welche Daten sie überhaupt erfassen. Was man nicht hat, kann man auch nicht weitergeben. Das nennt man Privacy by Design. WhatsApp macht hier keinen guten Job.

So klappt der Umstieg ganz einfach
Es gibt weniger problematische – und werbefreie – Messenger, die genauso praktisch und angenehm sind wie WhatsApp. Die Auswahl ist groß. Es gibt Leute, die sich da tief reinknien und im Detail diskutieren, welcher Messenger der beste ist. Aber darum soll es hier nicht gehen. Von WhatsApp wegzukommen ist ein erster, großer Schritt in die richtige Richtung.
Wer nicht lange suchen will, kann beispielsweise zum kostenlosen Signal oder zum kostenpflichtigen Threema greifen. Beide haben keine Werbung und sammeln deutlich weniger Daten als WhatsApp. Der Umstieg ist einfach. Alles ist sehr ähnlich wie WhatsApp. Schon nach kurzer Zeit hat man sich an das Design gewöhnt.
Vielleicht willst du WhatsApp zumindest vorläufig behalten, weil du einige Kontakte eben nur dort erreichst. Verständlich! Der Messenger-Wechsel wäre viel einfacher, wenn alle direkt mitmachen würden. Aber: Irgendjemand muss den Anfang machen. Und wenn du diesen Artikel schon bis hierhin gelesen hast, dann bist du bestens dafür qualifiziert, den Anfang zu machen.
Es muss ja kein harter Wechsel von heute auf morgen sein. Der erste Schritt ist kurz und schmerzlos: Einfach einen neuen Messenger herunterladen. Jetzt gleich! Fertig ist das erste Erfolgserlebnis.
Das kannst du deinen Kontakten schreiben
Und dann kannst du den Umzug Schritt für Schritt vollziehen. Du kannst mit den Kontakten oder Gruppen beginnen, von denen du weißt: Die machen bestimmt mit. Vielleicht hilft dir dieser Artikel dabei zu erklären, warum dir der Wechsel wichtig ist.
Würde ich heute von WhatsApp wechseln, dann würde ich vielleicht diese Nachricht an meine Kontakte schicken:
Hey ihr Lieben,
auf WhatsApp fühle ich mich nicht mehr richtig wohl. Ich möchte Meta nicht länger meine Daten anvertrauen, und jetzt soll dort auch noch Werbung kommen. Hier könnt ihr mehr darüber lesen: https://netzpolitik.org/2025/bitte-keine-werbung-lass-uns-jetzt-gemeinsam-whatsapp-verlassen
Können wir bitte gemeinsam den Messenger wechseln? Es ist wirklich nicht schwer, und wir bleiben dort genauso gut in Kontakt. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir das zusammen ausprobieren. ❤️
[Link zum alternativen Messenger]
So lief es bei mir
Meinen Umzug von WhatsApp habe ich vor ein paar Jahren gemacht. Die Wahl fiel auf Signal. Ich war überrascht, wie viele meiner Kontakte schon dort waren. Andere haben sich extra wegen mir Signal heruntergeladen. Danke nochmal dafür!
Inzwischen erreicht mich fast keine Nachricht mehr über WhatsApp. In meinem WhatsApp-Status steht, dass mir Menschen bitte auf Signal schreiben sollen. Es gibt nur wenige Kontakte, die ich bisher nicht zum Wechseln motivieren konnte. Seit einer Weile warte ich nur noch darauf, die App bald löschen zu können. Nur so kann man auch die letzten Nachzügler*innen dazu bewegen, endlich den Absprung zu schaffen.
Das dürfte leichter fallen, wenn es mit WhatsApp weiter bergab geht. Auch der Messenger ICQ war mal unverzichtbar und spielt heute keine Rolle mehr. Wenn einmal eine kritische Masse zusammenkommt, dann kann sich alles ändern. Und diese kritische Masse, das können einfach wir sein. Nur Mut!
Datenschutz & Sicherheit
Cybertrading-Betrug: Ermittler nehmen fast 800 Domains vom Netz
Im Kampf gegen die internationale Wirtschaftskriminalität im Internet und betrügerische Plattformen haben baden-württembergische Behörden fast 800 illegale Websites beschlagnahmt. Das Cybercrime-Zentrum bei der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe und das Landeskriminalamt (LKA) Baden-Württemberg arbeiteten dafür mit der europäischen Polizeibehörde Europol und bulgarischen Strafverfolgungsbehörden zusammen.
„Die beschlagnahmten Domains wurden auf eine vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg gehostete Beschlagnahmeseite umgeleitet und können nun nicht mehr zur Begehung von Straftaten genutzt werden“, hieß es weiter. „Durch die Maßnahmen wurden die kriminellen Akteure erheblich geschwächt, indem ihre technische Infrastruktur gezielt außer Kraft gesetzt wurde.“ Allein seit der Umleitung in den vergangenen zwei Wochen stellten Strafverfolger den Angaben nach rund 616.000 Zugriffe auf die übernommenen Seiten fest.
Auf Gewinnversprechen folgt massiver Druck
Es geht dabei um eine relativ neue Betrugsmasche namens „Cybertrading Fraud“. Die Kriminellen machen gutgläubigen Opfern Hoffnung, per Mausklick vor allem im Bereich Kryptowährungen große Gewinne zu erzielen. Im Internet bewerben sie ihre Angebote laut dem Sicherheitsbericht des Innenministeriums auf seriös wirkenden Seiten. In der Regel sei eine einfache Registrierung erforderlich.
Dann meldeten sich vermeintliche Brokerinnen und Broker telefonisch, um eine erste Investition von meist 250 Euro zu fordern. Diese sei scheinbar sofort erfolgreich. Gelegentlich gebe es sogar kleinere Auszahlungen. „Diese Erfolge sowie das geschickte und intensive Einwirken der vermeintlichen Brokerin oder des vermeintlichen Brokers verleiten dazu, mehr Geld zu investieren“, schreiben die Fachleute. Die Kriminellen übten oft massiven Druck aus. Doch sobald die Menschen ihre angeblichen Gewinne ausgezahlt haben wollten, seien Internetseite und Ansprechpersonen häufig nicht mehr erreichbar.
2024: Anstieg auf 1036 Fälle
Laut dem Sicherheitsbericht 2024 registrierten die Behörden einen Anstieg auf 1036 Fälle. Mehr als doppelt so viele Taten seien zudem aus dem Ausland begangen worden. „Erklärungen hierfür sind die hohe Reichweite der Internetplattformen, die Hoffnung vieler Geschädigter, per Mausklick eine große Rendite zu erwirtschaften und deren Gutgläubigkeit“, heißt es.
Das Cybercrime-Zentrum und das LKA ermitteln in dem aktuellen Fall gegen bislang unbekannte Täter. Manche der 796 Domains seien in deutscher Sprache verfasst. Die Betreiber der Internetauftritte hätten nicht die erforderliche Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) für Finanz- beziehungsweise Wertpapierdienstleistungen und Bankgeschäfte.
Den Verbrauchern und Verbraucherinnen raten LKA und das Cybercrime-Zentrum, sich genau über Trading-Plattformen zu informieren, bevor sie sich anmelden oder Geld überweisen. „Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen. Nehmen Sie sich Zeit, um das Angebot in Ruhe zu prüfen und zu bewerten.“
Bereits Mitte Mai 2025 waren Ermittler gegen Online-Investmentbetrüger vorgegangen. Nach Durchsuchungen an acht Orten in Albanien, Israel und Zypern nahmen sie einen Verdächtigen fest. Ihm steht die Auslieferung nach Deutschland bevor.
(cku)
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