Entwicklung & Code
Event-Driven, Teil 4: Was Event-getriebene Architektur ist – und was nicht
Event-getriebene Architektur (Event-Driven Architecture, kurz EDA) ist in den letzten Jahren zu einem beliebten Schlagwort geworden. Viele Systeme bezeichnen sich als eventbasiert – oft aber, ohne wirklich das zu tun, was EDA ausmacht.
Golo Roden ist Gründer und CTO von the native web GmbH. Er beschäftigt sich mit der Konzeption und Entwicklung von Web- und Cloud-Anwendungen sowie -APIs, mit einem Schwerpunkt auf Event-getriebenen und Service-basierten verteilten Architekturen. Sein Leitsatz lautet, dass Softwareentwicklung kein Selbstzweck ist, sondern immer einer zugrundeliegenden Fachlichkeit folgen muss.
In diesem Teil der Serie wollen wir klären, was Event-getriebene Architektur wirklich ist – und welche Missverständnisse häufig auftreten.
Was EDA nicht ist
Bevor wir definieren, was EDA bedeutet, ist es hilfreich zu klären, was es nicht ist.
Erstens: Pub/Sub ist keine Event-getriebene Architektur. Viele Systeme arbeiten mit sogenannten Topics, Queues oder Bussen: Ein Service veröffentlicht Nachrichten, ein anderer konsumiert sie. Das ist technisch gesehen Pub/Sub – ein Nachrichtenmuster.
Aber: Das allein macht noch keine Event-getriebene Architektur. Oft werden hier Nachrichten verschickt, die nichts mit Events im eigentlichen Sinne zu tun haben – etwa „setze Preis auf EUR 9,99“ oder „aktualisiere den Bestand“.
Solche Nachrichten beschreiben keine Tatsachen, sondern Anweisungen – sie sind also eher Commands.
Event-Carried State Transfer
Manche Systeme versenden ganze Datenobjekte über Events: „Produkt wurde geändert“ oder „Bestellung wurde aktualisiert“, oft inklusive vollständiger Kopie des aktuellen Zustands. Das nennt man „Event-Carried State Transfer“.
Auch hier ist das Wort „Event“ im Spiel – aber es handelt sich nicht um eine dokumentierte, interpretierbare Historie. Es ist ein Transportmechanismus, nicht mehr. EDA hingegen geht von fachlichen Ereignissen aus – nicht von Datenzuständen.
EDA ist keine Technik, sondern ein Denkmodell
Oft wird EDA mit bestimmten Tools oder Technologien assoziiert: Kafka, EventBridge, RabbitMQ und so weiter. Aber diese Tools sind nicht EDA – sie ermöglichen sie vielleicht, aber sie sind es nicht.
Event-getriebene Architektur ist zuerst ein Denkmodell: Es geht darum, Systeme so zu gestalten, dass sie sich an dem orientieren, was in der Fachlichkeit geschieht – an den Ereignissen.
Was EDA ist
Eine Event-getriebene Architektur orientiert sich an folgenden Prinzipien:
- Fachliche Ereignisse stehen im Mittelpunkt. Das System dokumentiert, was passiert ist – nicht nur, wie der aktuelle Zustand aussieht.
- Abläufe entstehen durch Reaktion auf Events. Systeme reagieren auf Ereignisse – synchron oder asynchron – und leiten daraus neue Aktionen oder Entscheidungen ab.
- Prozesse sind lose gekoppelt. Einzelne Komponenten wissen wenig voneinander – sie tauschen keine direkten Aufrufe aus, sondern reagieren auf gemeinsam verstandene Ereignisse.
- Die Architektur bildet die Fachlichkeit ab. Die Struktur des Codes, der Kommunikation und der Abläufe folgt dem, was im Unternehmen oder der Domäne tatsächlich geschieht.
Und was ist dann CQRS?
CQRS (Command Query Responsibility Segregation) ist ein Architekturprinzip, das häufig im Kontext von EDA auftaucht. Es bedeutet: Schreib- und Lesezugriffe werden getrennt behandelt. Änderungen erfolgen über Commands, Lesefunktionen greifen auf optimierte Projektionen zu.
CQRS ist kein Muss für EDA – aber es passt sehr gut dazu, weil es viele Herausforderungen elegant löst:
- Commands führen zu Events.
- Events aktualisieren Projections.
- Queries lesen ausschließlich aus Projections.
Das Ergebnis ist ein System mit klaren Verantwortlichkeiten, entkoppelten Prozessen und hoher Nachvollziehbarkeit.
Was kommt als Nächstes?
Der nächste Teil wird zeigen, welche Eigenschaften gute Events ausmachen – und welche typischen Fallstricke man vermeiden sollte, wenn man mit Event-getriebener Architektur arbeitet.
(mai)
Entwicklung & Code
Flexibel und pflegeleicht: Testing ohne Mocks
Robuste, automatisierte Tests sind feste Bestandteile der agilen Softwareentwicklung. Da Anforderungen und Rahmenbedingungen sich stetig ändern, müssen Entwicklerinnen und Entwickler kontinuierlich in der Lage sein, ihre Architektur anzupassen. Ihr Code muss wachsen und sich weiterentwickeln können. Sie müssen laufend bestehende Features erweitern, anpassen, umsortieren, zusammenführen oder aufteilen. Dazu benötigen sie die Unterstützung einer schnellen, verlässlichen und robusten Testsuite, die bestehende Funktionen der Software nicht beeinträchtigt.
Martin Grandrath ist Software-Developer und entwickelt seit über 15 Jahren Applikationen mit Web-Technologien. Seine Schwerpunkte sind neben Frontend-Architektur vor allem Software-Craftsmanship und testgetriebene Entwicklung. Seit 2023 arbeitet er als Senior IT-Consultant bei codecentric.
Auf Mocks basierende Tests verursachen häufig zusätzlichen Pflegeaufwand beim Refaktorieren, also Änderungen an der Codestruktur, die die Arbeit mit dem Code insgesamt vereinfachen, das Verhalten des Systems aber nicht verändern. Die Art und Weise, wie Mocks in der Praxis meist zum Einsatz kommen, führt zu einer Kopplung von Tests und Implementierungsdetails. Änderungen an diesen Details erfordern Anpassungen der Tests, was zulasten der Entwicklungsgeschwindigkeit geht.
Dieser Artikel zeigt auf, welche Kompromisse mit auf Mocks basierenden Tests verbunden sind und stellt mit dem Nullable-Entwurfsmuster von James Shore eine Alternative vor.
Isolierte, interaktionsbasierte Tests
Mock-Objekte oder kurz Mocks (englisch für „Attrappe“) sind eine Unterkategorie der Test-Doubles, die in Unit Tests als Platzhalter für Produktionsobjekte dienen. Der Begriff Test-Double ist angelehnt an das Stunt-Double in Filmen. Weitere Arten von Test-Doubles sind Stubs, Spies oder Fakes.
Mocks zeichnen während eines Testlaufs auf, wie die Software mit ihnen interagiert: Welche ihrer Methoden ruft die Anwendung in welcher Reihenfolge und mit welchen Argumenten auf? Anschließend verifiziert der Unit-Test, ob die beobachteten Interaktionen mit den erwarteten übereinstimmen. Auf diese Weise werden die Interaktionen zwischen den Objekten zu einem integralen Bestandteil der Implementierung und der Tests. Diese Art von Tests wird als Interaction-based bezeichnet.
Gleichzeitig isolieren Mocks das zu testende Objekt von seinen Abhängigkeiten. Während des Tests wird also nur der Code eines einzelnen Objekts ausgeführt, während alle Interaktionspartner durch Mocks ersetzt werden. Tests, die Objekte in Isolation testen, nennt man solitary.
Auch wenn Solitary Interaction-based Tests ihre Vorzüge haben und sich im Laufe der Zeit zum Standard entwickelt haben, sind sie nicht frei von Nachteilen. Dass Tests an die Interaktionen zwischen Objekten gekoppelt sind, erschwert Refaktorierungen. Diese sind jedoch ein unverzichtbares Werkzeug, um die Qualität der Codebasis dauerhaft aufrechtzuerhalten.
Refaktorierungen, die die Interaktionen zwischen Objekten verändern, können zu False Positives führen: Tests schlagen fehl, obwohl das Programm als Ganzes keine Fehler enthält. Lediglich die Objektinteraktionen weichen von den Erwartungen der Tests ab. Eine Suite aus Interaction-based Tests macht die Codebasis dadurch insgesamt weniger flexibel, da die Tests die Implementierungsdetails fixieren.
Zudem kann es vorkommen, dass Solitary Tests Fehler nicht erkennen, wenn zwar alle Objekte in Isolation erwartungsgemäß arbeiten, es aber im Zusammenspiel der Objekte zu unerwünschtem Verhalten kommt. Um dem vorzubeugen, sind neben den Unit Tests zusätzliche Integrationstests erforderlich, die gezielt das Zusammenspiel mehrerer Objekte testen.
Eine Alternative stellen Sociable, State-based Tests dar.
Echte Abhängigkeiten und sichtbares Verhalten
In Sociable Tests interagiert das zu testende Objekt nicht mit Test-Doubles, sondern mit den echten Abhängigkeiten, die auch im Produktivbetrieb existieren. Fehler, die durch die Interaktion zwischen den Objekten entstehen, fallen im Test sofort auf. Separate Integrationstests sind nicht erforderlich.
State-based Tests verifizieren das sichtbare Verhalten von Objekten und ignorieren die darunter liegenden Interaktionen. Diese Tests reagieren daher sehr viel robuster gegenüber Refactorings, da sie sich nur für das Endergebnis interessieren und nicht für die Implementierungsdetails.
Der Elefant im Raum
Die echten Produktionsobjekte in den Tests zu verwenden, statt sie durch Mocks zu ersetzen, führt zunächst zu einem Problem: Der zu testende Code muss mit APIs, Datenbanken oder dem Dateisystem kommunizieren. Diese Nebenwirkungen (Side Effects) würden zu nicht deterministischen Tests führen, da sie vom globalen Zustand abhängig sind, unter anderem von Drittsystemen. So könnte etwa ein Test fehlschlagen, weil eine Fremd-API mit anderen Daten antwortet, als es der Test erwartet.
Ein weiteres Problem sind die Auswirkungen, die API-Aufrufe haben können. Dass jede Ausführung der Warenkorbtests eine Kreditkarte belastet, ist nicht wünschenswert. Darüber hinaus muss es möglich sein, zu testen, wie sich ein Programm verhält, wenn eine Dritt-API mit unterschiedlichen Formaten, mit Fehlern oder gar nicht antwortet. Und schließlich verlangsamt die API-Anbindung die Tests.
Integrationstests sind zwar für den Übergang des zu implementierenden Systems mit der Außenwelt notwendig, aber die Nebenwirkungen sind für die Tests innerhalb des Systems unerwünscht.
Entwicklung & Code
Mein Scrum ist kaputt #140: Shape Up statt Scrum – zur Produktentwicklung
ShapeUp ist ein willkommener Gegenentwurf zum klassischen Scrum und bringt frischen Wind in die agilen Diskussionen. Es ist ein Ansatz zur Produktentwicklung, den Basecamp, heute 37 Signals, entwickelt und den Ryan Singer im gleichnamigen Buch beschrieben hat.
Es versteht sich nicht als Framework wie Scrum, sondern als Set an Prinzipien und Praktiken, um fokussierter, selbstorganisierter und mit weniger Overhead zu arbeiten. Über dieses Thema sprechen Ina Einemann und Sebastian Bauer mit Klaus Breyer.
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Weitere Hinweise
(Bild: Katsiaryna/stock.adobe.com)
Das Programm der zweitägigen Agile Leadership Conference 2025 steht fest: Der Leadership Day (27.11.25) behandelt das Führen von Teams und Organisationen, während sich der Self Leadership Day (3.12.25) mit Selbstführung und dem aktiven Selbst als Führungskraft beschäftigt.
(mdo)
Entwicklung & Code
software-architektur.tv: Webperformance mit Lucas Dohmen und Lisa Maria Schäfer
In dieser Folge des Videocasts software-architektur.tv sprechen Lucas Dohmen und Lisa Maria Schäfer über Webperformance. Sie klären, was sich dahinter verbirgt und warum das Thema wichtig ist – und zwar für alle, die Webseiten entwickeln. Des Weiteren stellen sie Tools zum Messen der Webperformance vor und geben Impulse, wie man seine Website schneller machen kann.
Lisa Maria Schäfer malt dieses Mal keine Sketchnotes, da sie vor der Kamera ist.
Livestream am Freitag, 5. September
Die Ausstrahlung findet am Freitag, 5. September 2025, live von 13 bis 14 Uhr statt. Die Folge steht im Anschluss als Aufzeichnung bereit. Während des Livestreams können Interessierte Fragen via Twitch-Chat, YouTube-Chat, Bluesky, Mastodon, Slack-Workspace oder anonym über das Formular auf der Videocast-Seite einbringen.
software-architektur.tv ist ein Videocast von Eberhard Wolff, Blogger sowie Podcaster auf iX und bekannter Softwarearchitekt, der als Head of Architecture bei SWAGLab arbeitet. Seit Juni 2020 sind über 250 Folgen entstanden, die unterschiedliche Bereiche der Softwarearchitektur beleuchten – mal mit Gästen, mal Wolff solo. Seit mittlerweile mehr als zwei Jahren bindet iX (heise Developer) die über YouTube gestreamten Episoden im Online-Channel ein, sodass Zuschauer dem Videocast aus den Heise Medien heraus folgen können.
Weitere Informationen zur Folge finden sich auf der Videocast-Seite.
(mdo)
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