Datenschutz & Sicherheit
Geschichten aus dem DSC-Beirat: Einreisebeschränkungen und Zugriffsschranken
Der DSC-Beirat ist ein Gremium aus Zivilgesellschaft, Forschung und Wirtschaft. Er soll in Deutschland die Durchsetzung des Digital Services Act begleiten und den zuständigen Digital Services Coordinator unterstützten. Svea Windwehr ist Mitglied des Beirats und berichtet in dieser Kolumne regelmäßig aus den Sitzungen.
Dass ein paar wenige US-amerikanische Tech-Unternehmen und ihre Gründer disproportional großen politischen und gesellschaftlichen Einfluss haben, ist inzwischen im Mainstream angekommen – willkommen in der Broligarchie. Die realen Konsequenzen der neuen Nähe zwischen dem Weißen Haus und der Tech-Industrie ließen sich zuletzt eindrucksvoll in einer Bekanntmachung von US-Außenminister Marco Rubio beobachten: In Zukunft werden neue Visa-Beschränkungen für ausländische Staatsangehörige gelten, die „für die Zensur der geschützten Meinungsäußerung in den Vereinigten Staaten verantwortlich“ sind.
Die Pressemitteilung des State Departments formuliert es nicht explizit aus, aber Rubios neue Visaregelungen nehmen offenkundig Personen ins Visier, die an der Durchsetzung von Gesetzen wie dem Digital Services Act (DSA) beteiligt sind. Der DSA steht bereits seit Monaten unter Beschuss. Spitzenpersonal der Trump-Administration diskreditiert ihn regelmäßig als Zensurwerkzeug.
Trotzdem stellt Rubios Ankündigung eine neue Eskalationsstufe dar: Bisher wurden vor allem die Intention und Funktionsweise des DSA bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. Nun können auch Beamt*innen, die an der Durchsetzung des DSA arbeiten, unter Druck geraten. Das gilt auch für Akteur*innen aus Zivilgesellschaft und Forschung, die sie darin unterstützen. Damit forciert die Trump-Administration jene Abschreckungseffekte bezüglich der Meinungsfreiheit, die sie Europa vorwirft.
Inmitten dieser Gemengelage ist es nicht verwunderlich, dass die politische Situation in den USA und ihre möglichen Auswirkungen auf die Anwendung des DSA auf der Tagesordnung der vierten Sitzung des DSC-Beirats standen.
Was ist dran an extraterritorialen Auswirkungen des DSA?
Auf Bitte des DSC wird das Thema in einer Arbeitsgruppe des Beirats bearbeitet. Sie soll dem DSC eine Handreichung zur Verfügung stellen. Konkret steht dabei zum Beispiel die Frage im Vordergrund, was die tatsächlichen Auswirkungen des DSA auf Inhalte von Nutzer*innen außerhalb der EU sind.
Diese sogenannte extraterritoriale Wirkung des DSA werfen Trump und Co. Europa vor: Dass Inhalte von US-Bürger*innen, die in den USA von der Meinungsfreiheit geschützt sind, wegen des DSA (und abweichenden europäischen Definitionen davon, was als rechtswidrig gilt) entfernt werden. Tatsächlich handelt es sich um ein Strohmann-Argument: Viele der großen Online-Plattformen schränken Inhalte, die gegen nationales Recht verstoßen, durch sogenanntes Geoblocking lokal ein. Inhalte, die gegen ihre eigenen Hausregeln verstoßen, entfernen sie in der Regel global.
Das soll nicht heißen, dass der DSA nicht zu problematischen Auswirkungen in anderen Regionen der Welt führen kann. Auch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz wurde seinerseits als Beispiel angeführt, um restriktive Gesetzgebung in anderen Ländern zu rechtfertigen und zu legitimieren. Die Erzählung massenhafter Entfernungen von rechtmäßigen Aussagen von US-Bürger*innen scheint aber mehr als unwahrscheinlich und in erster Linie politisch motiviert.
Narrative und Gegennarrative
Ein anderes Thema im Fokus der Arbeitsgruppe „USA“ ist die Frage, wie sich der transatlantische Gegenwind auf die auswirken könnte, die für eine effektive Durchsetzung des DSA unerlässlich sind: Expert*innen aus Zivilgesellschaft und Forschung.
Die Demontage des Stanford Internet Observatory gibt einen Vorgeschmack darauf, was die gezielte Diskreditierung von Bemühungen, den Missbrauch von und auf Online-Plattformen aufzudecken, anrichten kann. Um ähnlichen Angriffe auf Forschung und Zivilgesellschaft in der EU zuvorzukommen, müssen dringend Kapazitäten aufgebaut werden: Wir müssen Zivilgesellschaft und Forschung stärken, vor Angriffen schützen und den Zensur-Erzählungen faktenbasierte Aufklärungskampagnen über die Funktions- und Wirkungsweise des DSA entgegensetzen.
Gegennarrative standen auch auf der diesjährigen re:publica-Konferenz hoch im Kurs. Dabei sollte klar sein, dass Diskursinterventionen nicht ansatzweise genügen werden, um der ökonomischen und politischen Machtkonzentration in den Händen von Google, Meta, Microsoft und Co. zu begegnen. Ähnlich wie es nicht ausreichen wird, rechtsextreme Parteien wie die AfD „inhaltlich zu stellen”, um demokratische Institutionen zu schützen, reicht es nicht, nur über die Probleme der Broligarchie zu reden.
Stattdessen sollten wir unsere Ressourcen dafür einsetzen, die existierenden gesetzlichen Mittel konsequent zu nutzen und uns für ihre Weiterentwicklung einzusetzen. Denn bei aller Begeisterung für den DSA und die Möglichkeiten, die er bietet: Die Geschäftsmodelle großer Online-Plattformen werden vom DSA kaum tangiert. Inwieweit der DSA also in der Lage ist, systemische Veränderungen zu erreichen, darf angezweifelt werden. Aber zurück zum Beirat.
Jugendschutz: Zwischen Teilhabe und Zugriffsschranken
Ein weiteres, auch auf der re:publica diskutiertes Thema hat den zweiten inhaltlichen Schwerpunkt der vierten DSC-Beiratssitzung gebildet: der Kinder- und Jugendmedienschutz. Was sich für manche trocken anhören mag, hat das Zeug, zu einer fundamentalen Weichenstellung für das Netz zu werden.
Konkret geht es um Artikel 28 des DSA. Der trägt Anbietern von Online-Plattformen unter anderem auf, „geeignete und verhältnismäßige Maßnahmen“ zu ergreifen, um für ein „hohes Maß an Privatsphäre, Sicherheit und Schutz von Minderjährigen“ zu sorgen. Was das genau heißen soll, ist alles andere als eindeutig und Gegenstand von Leitlinien, die die Europäische Kommission aktuell erarbeitet. Dabei nimmt die Frage, ob Anbieter unter dem DSA das Alter ihrer Nutzer*innen bestimmen müssen, eine zentrale Stellung ein.
Solche Altersbestimmungen oder Altersschranken können massive Auswirkungen auf die Grundrechte aller Nutzer*innen haben und werden vehement von Mitgliedstaaten wie Frankreich, Spanien, Dänemark und Griechenland gefordert. Um dem Druck der Mitgliedstaaten zu begegnen, hat die Europäische Kommission selbst die Entwicklung einer auf digitalen Identitäten beruhenden Altersverifikations-App in Auftrag gegeben.

Eine aktuelle Ermittlung gegen Anbieter von pornografischen Plattformern lässt durchblicken, dass Altersschranken in Zukunft sehr viel weiter verbreitet sein werden. Damit könnten die Zeiten, in denen Nutzer*innen sich durchs Internet bewegen konnten, ohne ihr Alter anzugeben, vorbei sein.
Wie guter Schutz von Kindern und Jugendlichen im Netz aussehen kann und warum Altersschranken kein Allheilmittel sind, hat der Beirat in einer Handreichung an den DSC erarbeitet. Diese Handreichung ist der Versuch, ein differenziertes Licht auf den Schutz von Minderjährigen zu werfen, ohne dabei dem Trugschluss aufzusitzen, dass es einfache technische Lösungen für komplexe gesellschaftliche Herausforderungen gibt. Stattdessen müssen die Eignung und Verhältnismäßigkeit von Interventionen beachtet werden, genau wie die Auswirkungen auf die Rechte aller betroffenen Nutzer*innen, insbesondere die von Kindern und Jugendlichen.
Jenseits von Altersbeschränkungen oder Altersverifikationssystemen können Designmaßnahmen und Default-Einstellungen helfen, um die auf die Bedürfnisse minderjähriger Nutzer*innen einzugehen und gleichzeitig Online-Plattformen besser für alle Nutzer*innen zu machen.
Die Leitlinien könnten also zu einem sinnvollen Umgang mit Online-Risiken beitragen – oder aber zu einer Version des Internets, in dem der freie Zugang zu Wissen und Informationen von Altersschranken begrenzt wird. Zur Entwurfsfassung der Leitlinien der Europäischen Kommission kann noch bis zum 10. Juni Feedback eingereicht werden.
Trend geht zur Deregulierung
Trotz aller Aktivitäten im Bereich der DSA-Durchsetzung dürfen wir aber nicht übersehen, dass aus Brüssel auch gegenteilige Signale gesendet werden: Die „Simplifizierungs“-Agenda der Europäischen Kommission könnte eine nie dagewesene Ära der Deregulierung einläuten.
Nachdem die Kommission im Februar angekündigt hat, die lange geplante KI-Haftungsrichtlinie zurückzuziehen, könnten auch Kernpfeiler des Rechtsrahmens für Online-Dienste wie die Datenschutzgrundverordnung, der DSA, der Digital Markets Act und die KI-Verordnung von sogenannten Omnibus-Paketen aufgeweicht werden. Von der hiesigen Netz-Community werden diese Entwicklungen bis jetzt kaum thematisiert, sollten uns aber alle aufhorchen lassen.
Unter dem Vorwand, europäische Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, droht ein massiver Rückbau europäischer Regulierung. Dabei soll sie Grundrechte schützen, Nachhaltigkeit fördern und Unternehmen zur Einhaltung von Sorgfaltspflichten zwingen. Um die wertebasierte Regulierung von Tech-Unternehmen zu untergraben, braucht es also nicht unbedingt US-amerikanische Tech-Bros – Europa kann das ganz alleine.
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Trump setzt auf „strategisches Chaos“
Die politische Lage in den USA spitzt sich zu. Vergangene Woche hat der autoritär auftretende Präsident Donald Trump Militärtruppen nach Kalifornien entsandt, um Proteste gegen die Einwanderungsbehörde ICE zu ersticken. Erschreckende Bilder wie die Abführung des demokratischen Senators von Kalifornien, Alex Padilla, gingen um die Welt.
Am Wochenende nahm Trump an seinem Geburtstag eine Militärparade in der Hauptstadt Washington ab – höchst ungewöhnlich für die USA, selbst wenn die Armee am gleichen Tag ihren 250. Geburtstag hatte. Zugleich regt sich immer mehr Widerstand in der Bevölkerung, nicht nur in Los Angeles. Landesweit kam es am Samstag zu massiven Protesten unter dem Motto „No King“ – „Kein König“ in mehr als 2.000 Städten.
Sind die USA noch vor der autoritären Komplettübernahme durch Trump und seine Bewegung zu retten? Wir haben den Verfassungsrechtler Anthony Michael Kreis gefragt, was gerade passiert und worauf es jetzt ankommt. Kreis ist Professor an der Georgia State University und begleitet die Umwälzungen kritisch unter anderem auf Bluesky.

Das Interview wurde auf Englisch geführt und lässt sich hier im Original nachlesen.
„Strategisches Chaos“ der Trump-Regierung
netzpolitik.org: Hierzulande beobachten viele Menschen ungläubig, was mit einem der wichtigsten Verbündeten Deutschlands und einem Land geschieht, das sie immer als stabile Demokratie wahrgenommen haben. Wie würden Sie die Ereignisse der vergangenen Monate in Ihrem Land beschreiben?
Anthony Kreis: Das Beste, was ich dazu sagen kann, ist „strategisches Chaos“. Die Trump-Regierung arbeitet mit Hochdruck daran, Institutionen zu zerstören und die Handlungsfähigkeit des Staates zu schwächen, oft unter Missachtung des Rechts. Und sie vertritt Positionen, die die Verfassung zutiefst verletzen. Leider gab es so viele Angriffe auf die Verfassung und die amerikanische Demokratie, dass es schwer ist, den Überblick zu behalten.
netzpolitik.org: Wie wir in den zurückliegenden Wochen gesehen haben, hat Donald Trump Nationalgarde und Marines in Kalifornien eingesetzt, um Proteste niederzuschlagen. Gibt es dafür einen Präzedenzfall, und was sagt das Gesetz über den Einsatz von Streitkräften im Inland?
Anthony Kreis: Der Einsatz von Bundestruppen oder der Nationalgarde ist äußerst selten – insbesondere, weil die lokalen Behörden nicht um Unterstützung gebeten haben. Nach amerikanischem Recht ist es unzulässig, Bundestruppen zur Durchsetzung ziviler Gesetze einzusetzen. Sie können Bundesgebäude und Beamte schützen, aber in der Regel ist dies eine Maßnahme der letzten Instanz. Die Tatsache, dass der Präsident so leichtfertig Truppen auf amerikanischen Straßen einsetzt, lässt mich vermuten, dass es hier um eine Machtdemonstration geht – und nicht um die Durchsetzung des Gesetzes und die Aufrechterhaltung der Ordnung. Angesichts der relativ isolierten Natur des Problems inmitten überwiegend friedlicher Demonstrierender hätte das alles auch von nichtmilitärischem Personal geleistet werden können.
Demokratie am Tiefpunkt
netzpolitik.org: Wenn das Ziel darin bestand, die Zivilgesellschaft von Protest abzuschrecken, scheint es gescheitert zu sein: Am vergangenen Wochenende gab es im ganzen Land massive „No King”-Proteste, selbst angesichts der politisch motivierten Ermordung einer demokratischen Abgeordneten in Minnesota. Wie gesund ist die US-Zivilgesellschaft derzeit, und wie mächtig können Proteste sein, um Veränderungen zu bewirken?
Anthony Kreis: Die amerikanische Demokratie befindet sich derzeit an einem Tiefpunkt. Die Drohungen mit politischer Gewalt, die Missachtung der Rechtsstaatlichkeit und die Versuche, demokratische Institutionen auszuhöhlen, zeigen, wie ernst die Lage ist. Proteste können natürlich dazu beitragen, die Öffentlichkeit zu mobilisieren und die Menschen zu ermutigen, sich am politischen Prozess zu beteiligen. Letztendlich müssen die Menschen jedoch protestieren – und wählen gehen. Es wird ein langfristiges, ernsthaftes Engagement von Millionen von Amerikanern erfordern, um dieses jüngste Kapitel des demokratischen Rückschritts in den USA zu beenden.
netzpolitik.org: Wahlen funktionieren nur, wenn sie Konsequenzen haben. Aber es scheint, dass der Kongress keinen nennenswerten Druck auf Trump ausübt. Ist das ein Problem, das durch das US-Verfassungssystem verursacht wird? Oder ist ein politisches Problem?
Anthony Kreis: Wir sprechen oft davon, dass die drei Gewalten sich gegenseitig kontrollieren und ausgleichen. Historisch gesehen geht es jedoch eher um die Trennung der Parteien als um die Trennung der Gewalten. Solange die Republikaner den Kongress und den Verfassungsgerichtshof kontrollieren, wird es weniger institutionellen Widerstand seitens der Legislative und der Judikative geben. Damit dies geschieht, müsste sich die Lage grundlegend ändern und Trump an Popularität unter den Republikanern verlieren. Ansonsten hängt für die Demokraten viel von den Wahlen im Jahr 2026 ab. Das ist dann ihre einzige echte Chance, den Abwärtstrend zu stoppen.
USA in der Verfassungskrise
netzpolitik.org: Haben die Demokraten bereits alle Hebel in Bewegung gesetzt oder haben sie noch Optionen?
Anthony Kreis: Sie haben kaum andere Möglichkeiten, als die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Bislang haben sie das nicht besonders gut gemacht.
netzpolitik.org: Bis zu den Wahlen 2026 wird also der Supreme Court in den meisten dieser Fragen das letzte Wort haben. Bislang waren seine Entscheidungen für die Trump-Regierung eher durchwachsen. Aber Trump versucht weiterhin, offensichtlich illegale Anordnungen durchzusetzen, sei es der Einsatz des Militärs im Inland oder die Abschaffung des verfassungsmäßig garantierten Geburtsortsprinzips. Wir haben bereits gesehen, dass Trump Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs ignoriert hat. Befinden sich die USA bereits in einer Verfassungskrise?
Anthony Kreis: Jeder wird „Verfassungskrise” anders definieren. Für mich ist es ein Moment, in dem die Rechtsstaatlichkeit bedroht ist und die Machthaber versuchen, Regeln und Institutionen außerhalb eines legitimen Prozesses zu ändern – mit anderen Worten: willkürliche und instabile Regierungsführung („Governance“). Das ist seit Januar der Zustand in Amerika. Ich würde sagen, wir befinden uns in einer Verfassungskrise.
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Lass uns jetzt gemeinsam WhatsApp verlassen
WhatsApp hat das Internet zu einem besseren Ort gemacht. Für viele Menschen war es lange Zeit selbstverständlich, dass man andere auf WhatsApp erreichen kann. Ohne absurde Zeichenbegrenzung wie bei der SMS. Ohne den hölzernen Charakter einer E-Mail. Und mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, sodass niemand die Nachrichten auf dem Weg abfangen und mitlesen kann. Danke, WhatsApp!
Aber mit WhatsApp geht es bergab. Der Messenger, der inzwischen zu Meta gehört, soll Geld abwerfen. Meta ist der Konzern, der auch Facebook und Instagram betreibt. An dessen Spitze steht Multi-Milliardär Mark Zuckerberg, der sich darum bemüht, Donald Trump zu gefallen. Und als würde Meta nicht schon genug Geld verdienen, soll jetzt auch noch WhatsApp Werbung bekommen.
Werbung bei WhatsApp: Jahrelang war das tabu. Im Jahr 2012, vor der Übernahme durch Mark Zuckerberg, da schrieben die WhatsApp-Chefs noch :
Werbung ist nicht nur die Störung der Ästhetik, die Beleidigung deiner Intelligenz und die Unterbrechung deines Gedankengangs. Bei jedem Unternehmen, das Anzeigen verkauft, verbringt ein erheblicher Teil des Engineering-Teams seinen Tag damit, die Datenanalyse zu optimieren […]. Sobald Werbung im Spiel ist, bist du als Nutzer*in das Produkt.
2012 ist lange her. Die Gründer von WhatsApp sind schon länger nicht mehr an Bord. Inzwischen ist WhatsApp für viele Menschen nicht mehr wegzudenken. Wie sonst soll man die Familie erreichen, die Leute im Verein, die Bekanntschaft aus der Bar? WhatsApp gehört für viele zur Grundversorgung. Und gerade deshalb sollte WhatsApp keine Werbung haben.
WhatsApp hat uns „absolut“ verarscht
Wie absurd wäre Werbung an anderen Stellen, die zur Grundversorgung gehören? Stellt dir vor, dein Telefonanbieter würde Werbung einführen. Du könntest niemanden mehr anrufen, ohne dir zuerst einen Werbeclip anhören zu müssen. Oder die Post würde Werbung einführen: Du dürftest Briefe nur noch in Umschlägen verschicken, die zugekleistert sind mit knallbunten Anzeigen. Das würde sich einfach falsch anfühlen.
Nach der Übernahme durch Facebook hatte WhatsApp noch mit Nachdruck versprochen, im Messenger solle es auch in Zukunft keine Werbung geben:
Und du kannst dich absolut darauf verlassen, dass deine Kommunikation nicht durch Werbung gestört wird.
Das Wort „absolut“ griff auch Mark Zuckerberg auf, als er im Jahr 2014 sagte:
Wir werden unsere Pläne rund um WhatsApp absolut nicht ändern. […] WhatsApp wird völlig eigenständig arbeiten.
Tja, jetzt kommt die Werbung doch. Inklusive möglicher Personalisierung über andere Meta-Dienste hinweg, also Instagram und Facebook. WhatsApp hat damit seine über Jahre gepflegten Ideale verraten. Worauf sollten wir uns nochmal „absolut“ verlassen? Sieht aus, als hätten uns WhatsApp und Mark Zuckerberg absolut verarscht.
WhatsApp-Chef weicht Fragen aus
Die neue Werbung soll im Tab „Aktuelles“ zwischen Status-Updates zu sehen sein. Das heißt, die Gespräche mit den eigenen Kontakten bleiben vorerst werbefrei. Aber wer weiß, wie lange noch? Der SPIEGEL wollte von WhatsApp-Chef Will Cathcart wissen, ob WhatsApp bald auch noch die Chats und den Startbildschirm zur Werbefläche macht. „Können Sie uns versprechen, dass Sie dies in den nächsten zwei Jahren nicht tun werden?“, lautetet die Frage.
Das ist eine simple Frage. Man kann sie mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten. Aber Will Cathcart hat nicht mit „Ja“ oder „Nein“ geantwortet.
Er hat gesagt: „Unser Fokus geht nicht in diese Richtung“.
Bei so einer ausweichenden Antwort gehen meine Alarmglocken an. Offensichtlich will sich WhatsApp alle Optionen offenhalten. Und WhatsApp macht sich nicht einmal die Mühe, das offen zu sagen. Stattdessen übt sich der WhatsApp-Chef in Wortakrobatik. Wer so aalglatt antwortet wie Will Cathcart, der will Menschen verarschen. Hätte er doch nur gesagt: „Vielleicht, keine Ahnung.“ Das wäre ehrlicher gewesen.
WhatsApp hat ein Privatsphäre-Problem
Es gibt noch mehr gute Gründe, WhatsApp zu verlassen. Trotz Ende-zu-Ende-Verschlüsselung schützt der Messenger unsere Privatsphäre nicht gut. Um zu funktionieren, will WhatsApp Zugriff auf das gesamte Telefonbuch haben. Inklusive der Kontakte, die kein WhatsApp haben. WhatsApp erklärt zwar, dass diese Nummern nicht im Klartext gespeichert würden; Fachleute wie der IT-Sicherheitsforscher Mike Kuketz beruhigt das aber nicht.
Mehr noch: WhatsApp erfasst, wer wann mit wem Kontakt hatte. Der Zuckerberg-Konzern kann zwar nicht lesen, worum es inhaltlich geht, dank Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Aber WhatsApp hat das wertvolle Wissen, wer mit wem vernetzt ist – und wie eng. Das sind die sogenannten Metadaten. Obendrauf kommen Eckdaten wie Profilbild und Status, die nicht Ende-zu-Ende-verschlüsselt sind.
Solche Daten sind mächtig. Der Whistleblower Edward Snowden hat in seiner Biografie geschrieben:
Die unbequeme Wahrheit ist aber gerade, dass der Inhalt unserer Kommunikation nur selten so viel über uns verrät wie ihre anderen Elemente. Es sind die ungeschriebenen, unausgesprochenen Informationen, die den weiteren Kontext und unsere Verhaltensmuster offenbaren.
Wie gefährlich ist das, wenn ein Konzern dieses Wissen über drei Milliarden Nutzer*innen hortet? Ein Konzern, der seinen Sitz in den USA hat, also einem zunehmend autokratischen Staat, dessen aktueller Präsident wohl am liebsten ein Diktator wäre?
Natürlich gibt WhatsApp auf Anfrage auch Daten an Polizei und Strafverfolgungsbehörden weiter. Unternehmen können solche Anfragen schwer ignorieren. Aber sie können entscheiden, welche Daten sie überhaupt erfassen. Was man nicht hat, kann man auch nicht weitergeben. Das nennt man Privacy by Design. WhatsApp macht hier keinen guten Job.

So klappt der Umstieg ganz einfach
Es gibt weniger problematische – und werbefreie – Messenger, die genauso praktisch und angenehm sind wie WhatsApp. Die Auswahl ist groß. Es gibt Leute, die sich da tief reinknien und im Detail diskutieren, welcher Messenger der beste ist. Aber darum soll es hier nicht gehen. Von WhatsApp wegzukommen ist ein erster, großer Schritt in die richtige Richtung.
Wer nicht lange suchen will, kann beispielsweise zum kostenlosen Signal oder zum kostenpflichtigen Threema greifen. Beide haben keine Werbung und sammeln deutlich weniger Daten als WhatsApp. Der Umstieg ist einfach. Alles ist sehr ähnlich wie WhatsApp. Schon nach kurzer Zeit hat man sich an das Design gewöhnt.
Vielleicht willst du WhatsApp zumindest vorläufig behalten, weil du einige Kontakte eben nur dort erreichst. Verständlich! Der Messenger-Wechsel wäre viel einfacher, wenn alle direkt mitmachen würden. Aber: Irgendjemand muss den Anfang machen. Und wenn du diesen Artikel schon bis hierhin gelesen hast, dann bist du bestens dafür qualifiziert, den Anfang zu machen.
Es muss ja kein harter Wechsel von heute auf morgen sein. Der erste Schritt ist kurz und schmerzlos: Einfach einen neuen Messenger herunterladen. Jetzt gleich! Fertig ist das erste Erfolgserlebnis.
Das kannst du deinen Kontakten schreiben
Und dann kannst du den Umzug Schritt für Schritt vollziehen. Du kannst mit den Kontakten oder Gruppen beginnen, von denen du weißt: Die machen bestimmt mit. Vielleicht hilft dir dieser Artikel dabei zu erklären, warum dir der Wechsel wichtig ist.
Würde ich heute von WhatsApp wechseln, dann würde ich vielleicht diese Nachricht an meine Kontakte schicken:
Hey ihr Lieben,
auf WhatsApp fühle ich mich nicht mehr richtig wohl. Ich möchte Meta nicht länger meine Daten anvertrauen, und jetzt soll dort auch noch Werbung kommen. Hier könnt ihr mehr darüber lesen: https://netzpolitik.org/2025/bitte-keine-werbung-lass-uns-jetzt-gemeinsam-whatsapp-verlassen
Können wir bitte gemeinsam den Messenger wechseln? Es ist wirklich nicht schwer, und wir bleiben dort genauso gut in Kontakt. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir das zusammen ausprobieren. ❤️
[Link zum alternativen Messenger]
So lief es bei mir
Meinen Umzug von WhatsApp habe ich vor ein paar Jahren gemacht. Die Wahl fiel auf Signal. Ich war überrascht, wie viele meiner Kontakte schon dort waren. Andere haben sich extra wegen mir Signal heruntergeladen. Danke nochmal dafür!
Inzwischen erreicht mich fast keine Nachricht mehr über WhatsApp. In meinem WhatsApp-Status steht, dass mir Menschen bitte auf Signal schreiben sollen. Es gibt nur wenige Kontakte, die ich bisher nicht zum Wechseln motivieren konnte. Seit einer Weile warte ich nur noch darauf, die App bald löschen zu können. Nur so kann man auch die letzten Nachzügler*innen dazu bewegen, endlich den Absprung zu schaffen.
Das dürfte leichter fallen, wenn es mit WhatsApp weiter bergab geht. Auch der Messenger ICQ war mal unverzichtbar und spielt heute keine Rolle mehr. Wenn einmal eine kritische Masse zusammenkommt, dann kann sich alles ändern. Und diese kritische Masse, das können einfach wir sein. Nur Mut!
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Cybertrading-Betrug: Ermittler nehmen fast 800 Domains vom Netz
Im Kampf gegen die internationale Wirtschaftskriminalität im Internet und betrügerische Plattformen haben baden-württembergische Behörden fast 800 illegale Websites beschlagnahmt. Das Cybercrime-Zentrum bei der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe und das Landeskriminalamt (LKA) Baden-Württemberg arbeiteten dafür mit der europäischen Polizeibehörde Europol und bulgarischen Strafverfolgungsbehörden zusammen.
„Die beschlagnahmten Domains wurden auf eine vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg gehostete Beschlagnahmeseite umgeleitet und können nun nicht mehr zur Begehung von Straftaten genutzt werden“, hieß es weiter. „Durch die Maßnahmen wurden die kriminellen Akteure erheblich geschwächt, indem ihre technische Infrastruktur gezielt außer Kraft gesetzt wurde.“ Allein seit der Umleitung in den vergangenen zwei Wochen stellten Strafverfolger den Angaben nach rund 616.000 Zugriffe auf die übernommenen Seiten fest.
Auf Gewinnversprechen folgt massiver Druck
Es geht dabei um eine relativ neue Betrugsmasche namens „Cybertrading Fraud“. Die Kriminellen machen gutgläubigen Opfern Hoffnung, per Mausklick vor allem im Bereich Kryptowährungen große Gewinne zu erzielen. Im Internet bewerben sie ihre Angebote laut dem Sicherheitsbericht des Innenministeriums auf seriös wirkenden Seiten. In der Regel sei eine einfache Registrierung erforderlich.
Dann meldeten sich vermeintliche Brokerinnen und Broker telefonisch, um eine erste Investition von meist 250 Euro zu fordern. Diese sei scheinbar sofort erfolgreich. Gelegentlich gebe es sogar kleinere Auszahlungen. „Diese Erfolge sowie das geschickte und intensive Einwirken der vermeintlichen Brokerin oder des vermeintlichen Brokers verleiten dazu, mehr Geld zu investieren“, schreiben die Fachleute. Die Kriminellen übten oft massiven Druck aus. Doch sobald die Menschen ihre angeblichen Gewinne ausgezahlt haben wollten, seien Internetseite und Ansprechpersonen häufig nicht mehr erreichbar.
2024: Anstieg auf 1036 Fälle
Laut dem Sicherheitsbericht 2024 registrierten die Behörden einen Anstieg auf 1036 Fälle. Mehr als doppelt so viele Taten seien zudem aus dem Ausland begangen worden. „Erklärungen hierfür sind die hohe Reichweite der Internetplattformen, die Hoffnung vieler Geschädigter, per Mausklick eine große Rendite zu erwirtschaften und deren Gutgläubigkeit“, heißt es.
Das Cybercrime-Zentrum und das LKA ermitteln in dem aktuellen Fall gegen bislang unbekannte Täter. Manche der 796 Domains seien in deutscher Sprache verfasst. Die Betreiber der Internetauftritte hätten nicht die erforderliche Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) für Finanz- beziehungsweise Wertpapierdienstleistungen und Bankgeschäfte.
Den Verbrauchern und Verbraucherinnen raten LKA und das Cybercrime-Zentrum, sich genau über Trading-Plattformen zu informieren, bevor sie sich anmelden oder Geld überweisen. „Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen. Nehmen Sie sich Zeit, um das Angebot in Ruhe zu prüfen und zu bewerten.“
Bereits Mitte Mai 2025 waren Ermittler gegen Online-Investmentbetrüger vorgegangen. Nach Durchsuchungen an acht Orten in Albanien, Israel und Zypern nahmen sie einen Verdächtigen fest. Ihm steht die Auslieferung nach Deutschland bevor.
(cku)
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