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Datenschutz & Sicherheit

Instagram sperrt Accounts politischer Organisationen


Sieben Kreisverbände der Grünen Jugend wurden laut der Organisation im vergangenen Jahr aus ihren Instagram-Accounts ausgesperrt: Düsseldorf, Solingen, Mönchengladbach, Bonn, Dortmund, Minden-Lübbecke, Coesfeld, Leer, Gotha, Meißen. Für die Betroffenen ist das dramatisch. Die Meta-Plattform Instagram „spielt eine zentrale Rolle in der digitalen Öffentlichkeitsarbeit, besonders in unserer Zielgruppe“, sagt Oketade Olayiwola-Olosun, Sprecher der Grünen Jugend Bonn.

Neben den Grüne-Jugend-Accounts wurden auch Accounts der Partei Die Linke gesperrt und der Hauptaccount der Partei der Humanisten, berichten Vertreter die Parteien. Auch Greenpeace leidet unter einer Vielzahl von Accountsperrungen. Immer wieder gibt es auch Privatpersonen, die sich bei netzpolitik.org darüber beschweren, dass ihr Konto ohne nachvollziehbare Begründung gesperrt wurde. Doch im Fall der politischen Organisationen sind die Sperren noch brisanter.

„Wenn politische Akteur*innen die Stimme verwehrt wird, ohne dass klar ist, warum, und ohne dass es schnell zu einer Korrektur kommt, hat das einen Einfluss auf die politische Meinungsbildung“, sagt Jürgen Bering, der für die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) das Center for User Rights leitet.

Grüne Jugend soll sich als Unternehmen ausgegeben haben

Als Begründung, warum das Konto der Grünen Jugend Bonn gesperrt wurde, schrieb Meta, dass es gegen Gemeinschaftsstandards verstoße. „Auf Instagram ist es nicht erlaubt, sich für ein Unternehmen auszugeben oder sich ohne dessen Genehmigung in seinem Namen zu äußern“, heißt es. Was das mit seinem Kreisverband zu tun haben soll, kann sich Olayiwola-Olosun nicht erklären.

Jürgen Bering berichtet, dass eine Reihe von Greenpeace-Ortsverbänden ähnliches erlebt habe: „Da wurden Accounts gesperrt mit der Begründung: Wir bezweifeln, dass ihr die Organisation vertretet.“

Die Fälle seien klar, die GFF habe bei Meta Dokumente des Bundesverbands eingereicht, die besagen, dass die Ortsverbände legitim sind. „Da muss man eigentlich nicht mehr viel prüfen“, sagt Bering. Dennoch seien die Accounts einiger Ortsverbände weiterhin gesperrt. Meldewege und Entsperrungen bei Meta funktionierten häufig nicht gut. „Ich habe den Eindruck, da gibt es nicht ausreichend Menschen, die sich das angucken“, sagt Bering.

Dauerhaft deaktiviert

Der Grüne-Jugend-Kreisverband Bonn versuchte in der App Einspruch gegen die Kontolöschung einzulegen. Meta antwortete: „Wir haben uns dein Konto noch einmal angesehen und sind zu dem Schluss gekommen, dass es tatsächlich gegen unsere Gemeinschaftsrichtlinien zu Kontointegrität und Authentizität verstößt.“ Das war Anfang vergangenen Jahres.

Olayiwola-Olosun und seine Mitstreiter*innen betrieben von da an noch den Account des Grüne-Jugend-Bezirks Mittelrhein, in dem verschiedene Kreisverbände, auch der aus Bonn, vertreten sind. Im Februar 2025 wurde dann auch dieses Konto gesperrt, „weil dein Konto bzw. dessen Aktivitäten gegen unsere Gemeinschaftsstandards zu Kontointegrität verstoßen haben“, so Meta in einer Info-Mail.

Auf einen Einspruch in der App antwortete das Unternehmen mit den selben Textbausteinen wie schon zuvor bei der Sperre des Bonner Accounts. Man habe das Konto noch einmal geprüft und festgestellt, dass es gegen Gemeinschaftsstandards verstoße. „Aus diesem Grund wurde dein Konto dauerhaft deaktiviert.“

Instagram muss Sperren erläutern

Nach dem Digital Services Act der EU müssen Nutzer*innen umfassend über die Gründe einer Accountsperre informiert werden. Es braucht einen Verweis auf die vertragliche Bestimmung und eine Erläuterung, warum das Handeln der Accountinhaber damit unvereinbar ist. Diese Begründung gäbe es aber meist nicht, sagt Jürgen Bering von der GFF.

„Um mich gegen eine Entscheidung zu Wehr zu setzen, muss ich wissen, was mir vorgeworfen wird. Wenn ich nur auf einen groben Grund in den Nutzungsbedingungen verwiesen werde, weiß ich gar nicht, ob meine Beschwerde Erfolg haben kann“, sagt Bering.

Olayiwola-Olosun hörte sich um und stellte fest, dass zahlreiche weitere Kreisverbände der Grünen Jugend ebenfalls ihre Instagram-Konten verloren hatten. Meta schreibt auf Anfrage in einer Mail, aus der wir nicht direkt zitieren sollen, dass die betroffenen Accounts aufgrund von Hinweisen auf Nachahmung und Fake Accounts fälschlicherweise entfernt worden seien. Den Fehler habe man sofort korrigiert, nachdem man davon erfahren hatte.

Beim NRW-Landesverband der Partei Die Linke gibt es ebenfalls regelmäßig Probleme mit Accounts von Kreisverbänden. Die Instagram-Seiten der Kreisverbände in Dortmund, Düsseldorf, Minden-Lübecke und Köln wurden mindestens zeitweise gesperrt.

„Diverse Basisgruppen hatten immer wieder Probleme“

Der Bundesverband der Linken schreibt auf netzpolitik.org-Anfrage: „Es kommt immer mal wieder vor, dass die Accounts von Kreisverbänden gesperrt werden. Manchmal melden sie sich dann bei uns, in der Hoffnung, wir hätten einen besonderen Draht zu Meta. Wir haben aber keine Liste dazu.“

Eine Vertreterin der Linksjugend solid, des Jugendverbands der Partei Die Linke, schreibt auf netzpolitik.org-Anfrage, dass der Instagram-Account ihres Kreisverbandes Bonn schon öfter getroffen worden sei. Die Linksjugend Köln sei zweimal blockiert worden und auch der Account des Landesverbandes der Linksjugend Nordrhein-Westfalen. „Diverse vor allem neue Basisgruppen hatten wohl immer mal wieder Probleme“, schreibt sie.

In der Nacht auf den 4. Juni 2025 hat es dann auch den Instagram-Account der Partei der Humanisten erwischt. Es war der reichweitenstärkste Kanal der Partei. Er wurde ohne konkrete Begründung gesperrt, so Sascha Klughardt, der Generalsekretär. „Trotz mehrfacher Kontaktaufnahme reagierte Meta bislang lediglich mit automatisierten Verweisen auf allgemeine Richtlinien. Es wurden keine Inhalte veröffentlicht, die gegen die Plattformregeln verstoßen hätten“, sagt er. Die Partei habe nun einen Anwalt eingeschaltet.

Demokratische Teilhabe in Gefahr

Für seine Partei sei Social Media ein zentrales Mittel der politischen Kommunikation, sagt Klughardt. Als kleine Partei sei sie besonders auf digitale Sichtbarkeit angewiesen.




„Die Sperrung stellt daher nicht nur einen massiven Eingriff in die digitale Sichtbarkeit dar, sondern wirft auch grundlegende Fragen zur Fairness und Transparenz digitaler Öffentlichkeiten auf. Wenn politische Parteien ohne nachvollziehbare Gründe von sozialen Netzwerken ausgeschlossen werden, gefährdet das die demokratische öffentliche Präsenz und Teilhabe“, sagt er. Es brauche neben einer schnellen Klärung durch Meta nun eine politische Debatte über die Verantwortung großer Plattformen für die digitale Demokratie.

Neben dem Parteiaccount seien auch private Accounts von Mitgliedern gesperrt worden. „Offenbar aufgrund von Verknüpfungen oder Interaktionen mit unseren Inhalten“, vermutet Klughardt. Zuvor hätte die Partei auf ihrem Account darauf hingewiesen, dass man der Nutzung seiner Daten für die Meta-KI widersprechen könne. Außerdem sei ein Video zum Pride Month gepostet worden, „das starke Aufmerksamkeit, auch aus rechten Influencer-Kreisen, auf sich gezogen hat.“

Meta will weniger Politik

Dass möglicherweise Rechte die Sperren angestoßen haben, kann sich auch Olayiwola-Olosun von der Grünen Jugend vorstellen. „Es ist möglich, dass Rechte uns melden“, sagt er. Wäre es der Fall, sollte Meta aber merken, dass die Meldungen falsch sind. „Das wäre deren Verantwortung.“

Er kann sich auch vorstellen, dass die Sperrungen mit Metas Ankündigung zu tun haben, künftig die Reichweite politischer Akteure auf den Plattformen zu begrenzen. Er sieht eine „möglicherweise politisch motivierte Einschränkung der digitalen Meinungsfreiheit.“

Olayiwola-Olosun und die Grüne Jugend Bonn haben sich auf einen kafkaesken Feldzug begeben, um ihr Konto zurückzubekommen. Sie haben Meta geschrieben und eine inhaltsleere Antwort bekommen. Sie haben eine Beschwerde bei der irischen Datenschutzbehörde eingereicht, die für Meta zuständig ist. Die hat sie an die Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit weitergeleitet, die wiederum an die Hamburger Datenschutzbehörde verwiesen hat. Die schrieb, dass sie nicht zuständig sei.

„Gefühlt ein Verwaltungsstudium“

Olayiwola-Olosun und die Grüne Jugend Bonn haben auch die Bundesnetzagentur kontaktiert und die Firma User Rights, die als externe Schlichtungsstelle Nutzer*innenrechte durchsetzt. Von diesen beiden gab es bislang keine Rückmeldung. Olayiwola-Olosun sagt: „Es ist ein Unding, dass es so viele parallele Strukturen gibt, man aber gefühlt ein Verwaltungsstudium braucht, um überhaupt die Zuständigkeiten zu verstehen.“

Geholfen habe bislang nur politischer Einfluss, zum Beispiel durch die grüne Europaabgeordnete Alexandra Geese. Eine Reihe von Grüne-Jugend-Accounts sei so wieder entsperrt worden. Die von Mittelrhein, Minden-Lübbecke, Gotha und Meißen sind aber weiterhin blockiert.

Um weniger abhängig von den Tech-Giganten zu sein, posten Olayiwola-Olosun und seine Mitstreiter*innen mittlerweile alle Inhalte auch auf der offenen Plattform Mastodon.



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Datenschutz & Sicherheit

Das Ende der Meinungsfreiheit in den USA und was wir daraus lernen müssen


Geradezu erdrutschartig verändert sich der Zustand der Meinungsfreiheit in den USA zum Schlechten. Vor zwei Tagen hat der Fernsehsender ABC auf Zuruf der US-Medienaufsichtsbehörde FCC die Late Night Show von Jimmy Kimmel abgesetzt. Der mutmaßliche Grund: Kimmel hatte im Zusammenhang mit Charlie Kirk kritische Comedy gesendet. Vergleiche zu Putins Russland machen bereits die Runde.

Und als sei das nicht genug, will US-Präsident Donald Trump nun offenbar auch, dass Fernsehsender, die „negativ“ über ihn berichten, ihre Lizenz verlieren. Mediale Kritik an ihm soll also quasi verboten werden. Das alles passiert ausgerechnet in dem Land, in dem die Meinungs- und Redefreiheit meist höher gehalten wurde als anderswo.

Trump-Freunde auf Einkaufstour

Im Hintergrund läuft derweil die wirtschaftliche Übernahme von Medienkonzernen und sozialen Netzwerken. Nachdem die Tech-Oligarchen schon unmittelbar nach dem Amtsantritt Trumps gebuckelt haben, greift nun die superreiche Ellison-Familie nach Warner Bros und TikTok. Auch das wird die Trumpsche Mediendominanz bei Fernsehsendern und sozialen Medien weiter verstärken – und die Demokratie entscheidend schwächen.

Larry Ellison ist Mitgründer und Großaktionär von Tech-Gigant Oracle, er liefert sich gerade mit Elon Musk ein Kopf-an-Kopf-Rennen, wer der reichste Mann der Welt ist. Ellison ist Republikaner, gilt als Freund von US-Präsident Donald Trump (€) – und ist Geschäftspartner von Musk, dem er finanziell bei der Twitter-Übernahme half und in dessen Konzern Tesla er wichtige Vorstandsposten innehatte. Außerdem mischt Ellison zusammen mit OpenAI beim „Project Stargate“ mit, das gerade Oracles Geschäfte beflügelt.

Larry Ellisons Sohn David wurde lange als „rich kid“ belächelt. Sein Unternehmen Skydance hat sich aber unlängst den Medienkonzern Paramount einverleibt. Zu Paramount gehören nicht nur die Filmstudios, sondern auch Fernsehsender wie CBS, MTV und Nickelodeon. Trump hält David Ellison für einen „fantastischen jungen Mann“.

Aufstieg der neuen Medienmogule

Die Einkaufstour durch die Medienwelt soll nun weitergehen: Ellison Junior hat Warner Bros ins Visier genommen. Dem Medienkonzern gehört neben der Filmsparte und zahlreichen weiteren Geschäftsbereichen auch der einflussreiche Nachrichtensender CNN. Schon jetzt gelten die Ellisons als die aufsteigenden Medienmogule der USA(€). Und das mit Trumps Placet und Segen.

Und auch bei der geplanten Übernahme der US-Sparte der Video-Plattform TikTok haben die Ellisons offenbar ihre Finger im Spiel. Ein Deal mit der chinesischen Regierung über den Verkauf befindet sich anscheinend auf der Zielgeraden und der Konzern Oracle soll Teil des Konsortiums sein, das den Zuschlag erhalten wird. Ihm sollen dem Wall Street Journal zufolge auch Silver Lake und die Investitionsfirma Andreessen Horowitz gehören. Einer der Mitgründer der Investitionsfirma ist Marc Andreessen, der Donald Trump mit zwei Millionen US-Dollar im letzten Wahlkampf unterstützte. Kommt der Deal zustande, befände sich das US-amerikanische TikTok in der Hand von Trump-Getreuen.

TikTok hat in den USA 170 Millionen Nutzer:innen, knapp die Hälfte aller Einwohner der USA kann also über die Algorithmen mit Inhalten bespielt werden. Für viele ist TikTok die wichtigste Nachrichtenquelle, keine andere Plattform eignet sich so gut zur Informations- und Desinformationskontrolle. In zahlreichen Ländern spielt sie eine überragende Rolle bei der Verbreitung rechtsradikaler Erzählungen.

Silicon Valley auf Trump-Kurs

Die Dominanz von Trump und seinen Freunden aus Medien- und Techkonzernen wird zunehmend erdrückend. Wenn man sich den Kotau der Tech-Bros vor dem Trump-Regime anschaut, dann weiß man bereits, wohin die Reise geht. Längst kommen dabei nicht nur warme Worte und schmierige Schmeicheleien zum Einsatz, sondern handfeste redaktionelle Beschränkungen, wie zahlreiche Entwicklungen in jüngster Vergangenheit zeigen:

Besitzen, kontrollieren, einschüchtern

All diese Maßnahmen in den USA passen in die Zeit. Moderne autoritäre Regimes besitzen und kontrollieren heute lieber Medien, als sie nur zu verbieten. Öffentlich-rechtlichen US-Sendern werden derweil die Gelder gestrichen, andere unliebsame Medien werden mit Klagen überzogen und der Zivilgesellschaft wird gedroht (€). Gleichzeitig entwickelt sich die Medienaufsicht FCC unter Brendan Carr zur Zensurbehörde.

In der Summe sehen wir so einerseits eine mediale Gleichschaltung durch Oligarchen und andererseits offene Einschüchterung und Zensur. Im Zusammenspiel schränkt das die Vielfalt der Meinungen und die Pressefreiheit in einem so atemberaubenden Tempo ein, dass man sich kaum mehr vorstellen mag, wie die politische Lage in die USA morgen, übermorgen oder in vier Wochen aussieht. Klar ist: Die amerikanische Demokratie steht am Abgrund.

Die rechte Lüge von der Meinungsfreiheit

In Deutschland sollten wir aus der Entwicklung in den USA lernen. Sie zeigt uns, wie entfesselte Konservative und Rechtsradikale selbst gefestigt geglaubte Demokratien in Windeseile niederreißen können. Geradezu bilderbuchmäßig kommen hier wie dort die Werkzeuge für den autoritären Umbau nach und nach zum Einsatz. Die Strategien und Taktiken setzen auf die Demontage von unabhängigen Medien, wie die aktuelle Debatte um den NDR oder orchestrierte Angriffe auf Journalist:innen wie Dunja Hayali auch in Deutschland zeigen.

Dabei wird klar, was wir alle bereits wissen, viele im Diskurs aber nach wie vor sträflich ignorieren: Wenn Rechte und Rechtsradikale Meinungsfreiheit fordern, geht es ihnen nicht um die Meinungsfreiheit aller. Stattdessen wollen sie die Grenzen des Sagbaren verschieben. Die Meinungsfreiheit nutzen sie nur als Blendgranate, damit am Ende alle anderen nur noch das sagen dürfen, was sie zulassen. Ob in den USA, in Ungarn oder auch bei uns geht es Rechtsradikalen immer nur um eines: das Grundrecht auf Meinungsfreiheit abzuschaffen.

Es ist höchste Zeit, dass wir noch deutlicher und lauter dagegen aufbegehren.



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Datenschutzaktivist verklagt BKA, weil es sein Gesicht missbraucht haben soll


Im Oktober 2018 nahm die Polizei Janik Besendorf fest. Vorwurf: Hausfriedensbruch. Es folgte eine erkennungsdienstliche Behandlung. Vier Fotos wurden von ihm erstellt: Porträt, linkes und rechtes Profil sowie ein Ganzkörperfoto. Direkt danach durfte er gehen, der Vorwurf wurde kurz darauf fallengelassen. Doch die Bilder sind bis heute im Polizeisystem gespeichert.

Im Jahr 2019 hat das BKA schließlich 4,8 Millionen Porträtfotos von rund drei Millionen Personen benutzt, um vier verschiedene Systeme zur Gesichtserkennung zu testen. Das umfasste fast alle damals verfügbaren Bilder und deshalb vermutlich auch die von Besendorf. Der Datenschutzaktivist geht davon aus, dass es dafür keine Rechtsgrundlage gab. Das BKA gab gegenüber der Datenschutzaufsicht an, dass die Bilder zu wissenschaftlichen Zwecken genutzt worden seien, was nach dem BKA-Gesetz erlaubt wäre. Janik Besendorf sagt: „Die dürfen Forschung machen, aber nicht Marktforschung!“

Das BKA setzt seit 2007 ein Gesichtserkennungssystem mit dem Kürzel GES ein. „Die Erkennungsleistung des Systems wurde über die Jahre durch Updates des Algorithmenherstellers kontinuierlich verbessert, sodass das GES zu einem unverzichtbaren Hilfsmittel bei der Identifikation unbekannter Personen geworden ist“, schrieb das BKA 2017 in einer internen Mitteilung. Um zu sehen, ob das aktuell genutzte System eine wettbewerbsfähige Erkennungsleistung liefert, sollte es mit am Markt erhältlichen Systemen getestet werden. „Es gilt, die Frage zu beantworten, ob dem BKA noch das effektivste Gesichtserkennungssystem zur Verfügung steht“, heißt es in der genannten Mitteilung weiter.

„Ich sehe eine Gefahr“

Zuerst hatte Besendorf sich bei der Datenschutzaufsicht über die mutmaßliche Nutzung seines Fotos beschwert, die hat die Beschwerde abgewiesen. Unterstützt vom Chaos Computer Club reichte er nun gemeinsam mit seiner Anwältin Beata Hubrig Klage vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden ein. Besendorf will feststellen lassen, dass die Verwendung seines Bildes – und damit auch aller anderen Bilder – rechtswidrig war. „Damit sich das BKA in Zukunft an geltendes Recht hält, also nur unternimmt, wofür es eine Rechtsgrundlage gibt. Schließlich geht es um Grundrechte. Es passiert leider immer häufiger, dass Polizeibehörden losgehen und irgendwas testen, obwohl gar nicht klar ist, ob es dafür eine Rechtsgrundlage gab. Ich sehe eine Gefahr darin, wenn die Polizei immer mehr technische Mittel benutzt“, sagt der hauptberufliche IT-Sicherheitsexperte.

Besendorf weiß, dass seine Fotos in der Polizeidatenbank INPOL-Z liegen, weil er das BKA danach gefragt hat. Wie man solche Auskünfte beantragt, erklärte er gemeinsam mit seiner Anwältin in einem Vortrag beim 38C3. Dort zeigten die beiden auch, wann man die Löschung von Daten aus Polizeidatenbanken verlangen kann. Besendorf will mit dem Löschantrag zu seinen Fotos allerdings noch warten, bis das Verfahren abgeschlossen ist, damit keine Beweise zerstört werden.

Den Test der Gesichtserkennungssysteme hat das Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung (Fraunhofer IGD) durchgeführt. Besendorf fürchtet, dass das BKA dafür seine Fotos an das Fraunhofer-Institut gegeben hat. Das BKA schrieb der Datenschutzbehörde allerdings: „Die Bilddaten haben das BKA nicht verlassen und standen Mitarbeitenden des Fraunhofer IGD auch nicht zur Einsichtnahme zur Verfügung.“ An anderer Stelle hieß es allerdings, Fraunhofer-Mitarbeitende seien – unter BKA-Aufsicht – im Rechnerraum gewesen.

Besendorf sagt: „Dass die Daten nicht an das Fraunhofer-Institut weitergegeben wurden, ist bislang eine Behauptung, vor Gericht wird sich das BKA bekennen müssen.“ Besendorf ist auch gespannt, welche Rechtsgrundlage das BKA für den Test angeben wird.

Die den Test betreffende Kommunikation zwischen der Datenschutzaufsicht und dem BKA, die netzpolitik.org vorliegt, zeigt, wie sehr das BKA die Datenschutzbehörde auflaufen lässt. Es antwortet auf mehrere Nachfragen nicht, lässt Fristen für geforderte Erklärungen verstreichen, übersendet zunächst nur eine Variante des Abschlussberichts, in der die Namen der Hersteller nicht genannt sind.

Mögliche Rechtsgrundlagen für den Eingriff

Als eine mögliche Rechtsgrundlage für die Speicherung nennt die Datenschutzbehörde in einem Schreiben an Besendorf vom Februar 2025 Artikel 6 der DSGVO. Demnach ist eine Datenverarbeitung unter anderem erlaubt, wenn sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist. Angeblich gäbe es ein erhebliches öffentliches Interesse: die mögliche Senkung der Falscherkennungsrate bei der Gesichtserkennung. „Die potenziellen Folgen des polizeilichen Einsatzes einer fehlerbehafteten Gesichtserkennungssoftware für die betroffenen Personen, die von der Stigmatisierung über die Rufschädigung bis hin zu Diskriminierung und strafrechtlicher Verfolgung reichen können, können im Einzelfall gravierend sein“, schreibt die Datenschutzbehörde.

Das steht allerdings im Widerspruch zu dem, was das Amt im Juni 2022 an das BKA schrieb. Damals hieß es, der entsprechende Artikel des Bundesdatenschutzgesetzes sei aufgrund seiner Unbestimmtheit und angesichts der Eingriffsintensität keine taugliche Rechtsgrundlage für die Verarbeitung einer Vielzahl biometrischer Daten. „Hätte der Gesetzgeber hierfür eine Rechtsgrundlage schaffen wollen, hätte er – entsprechend den verfassungsrechtlichen Anforderungen – konkrete Vorschriften zu Zweck, Anlass und Verfahrenssicherungen geschaffen“, heißt es weiter.

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Das BKA selbst nannte gegenüber der Datenschutzbehörde als Rechtsgrundlage für die Nutzung der Fotos für den Test einen Paragrafen des BKA-Gesetzes, der die Datenverarbeitung zum Zweck der wissenschaftlichen Forschung erlaubt. Die Datenschutzbehörde hält diesen Paragrafen hier allerdings für nicht anwendbar: „Vorliegend ging es um eine vergleichende Untersuchung der Leistungsfähigkeit marktreifer Gesichtserkennungssysteme. Neue Erkenntnisse, die den Fortschritt der Wissenschaft zu bewirken vermögen, sind nicht ersichtlich.“

USB-Anschlüsse deaktiviert, Festplatten zerstört

Das BKA hat sich, wie es der Datenschutzaufsicht schreibt, im Rahmen des Tests viel Mühe beim Schutz der personenbezogenen Daten gegeben: Das passwortgeschützte Computersystem, das dafür genutzt wurde, sei in einem abgeschlossenen Raum aufgebaut worden, zu dem nur das Projektteam Zugang gehabt habe. Einen Anschluss ans Internet oder an andere polizeiliche Systeme zur Datenerfassung habe es nie gegeben. Die Fotos seien auf einer verschlüsselten Festplatte transportiert worden. Und nachdem die Fotos eingelesen wurden, seien die USB-Anschlüsse des Computersystems deaktiviert worden.

Die Fraunhofer-Mitarbeiter, die am Projekt mitwirkten, seien einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen worden. Nur die Auswertung der Daten – ohne Bilder und personenbezogene Informationen – sei dem Fraunhofer-Institut zur Weiterbearbeitung in eigenen Räumen ausgehändigt worden. Nach Abschluss des Projekts seien alle Datenspeicher zerstört worden.

Der Abschlussbericht des Fraunhofer-Instituts zeigt, welches der Systeme am schnellsten und am besten Menschen erkannte, und auch, in welchen Fällen Menschen von keinem der Systeme auf Fotos erkannt werden konnten. Getestet wurden meist, aber nicht nur, Bilder aus erkennnungsdienstlichen Maßnahmen; darüber hinaus gibt es im Polizeisystem aber beispielsweise auch Fotos aus Observationen.

Die Programme versagten demnach bei Bildern von vermummten oder verschleierten Gesichtern, bei zu geringer Auflösung und zu geringem Kontrast sowie bei tief gesenktem Kopf. Welche Hersteller Produkte zu dem Test beisteuerten, hält das BKA geheim. Nach dem Test blieb es bei dem System zur Gesichtserkennung, das es auch zuvor schon verwendet hatte.



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Backup-Diebstahl: Angreifer stahlen bei Sonicwall Firewallkonfigurationen


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It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Der Firewallhersteller Sonicwall meldet einen Einbruch in Cloud-Konten seiner Kunden. Dabei haben Unbekannte Sicherungskopien von Firewallkonfigurationsdateien unerlaubt vervielfältigt und exfiltriert. Es handelt sich jedoch nicht um einen Cyberangriff auf Sonicwall, sondern offenbar um massenhaftes Durchprobieren von Zugangsdaten.

Wie Sonicwall ermittelt hat, haben die Angreifer bei weniger als fünf Prozent der Kunden Cloud-Konfigurationsdateien entwendet. Zwar sind in diesen jegliche Passwörter „verschlüsselt“, so der Hersteller (gemeint ist wohl, dass sie gehasht abgespeichert werden), doch könnten weitere Informationen spätere Angriffe auf die Firewalls erleichtern.

Die unbekannten Datendiebe haben sich weder mit einer Lösegeldforderung gemeldet noch ihre Beute in den üblichen Leak-Foren angeboten, beruhigt Sonicwall seine Kunden. Dennoch sollten diese zur Vorsicht überprüfen, ob sie betroffen sein könnten. Ein ausführlicher Leitfaden hilft bei der Feststellung und Beseitigung möglicher Risiken.

Über den genauen Hergang der Angriffe schweigt der Hersteller sich aus. Auch findet sich in den Sicherheitshinweisen keine Erklärung, wessen Zugangsdaten massenhaft – und offenbar bisweilen erfolgreich – durchprobiert worden seien. Infrage kommen nicht nur Kundenkonten, sondern auch die Zugänge von Sonicwall-Mitarbeitern oder -Partnern.

Erst vor wenigen Wochen wurden großangelegte Angriffe auf Sonicwall-Firewalls bekannt, die eine längst behobene Sicherheitslücke ausnutzten. Offenbar hatten reichlich Firewall-Administratoren die Aktualisierungen nicht eingespielt, was sie anfällig für Angriffe unter anderem der Ransomwaregruppe Akira machte.


(cku)



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