Datenschutz & Sicherheit
„Körperdaten sind keine freie Verfügungsmasse“
Spätestens nachdem Journalist:innen mit einer Gesichtersuchmaschine fast das Ex-RAF-Mitglied Daniela Klette aufgespürt hatten, forderten Sicherheitspolitiker:innen und Polizeiangehörige: Auch die Ermittlungsbehörden sollen entsprechende Software nutzen dürfen. Ihr Ruf blieb nicht ungehört: Mit dem sogenannten Sicherheitspaket wollte die Ampel-Regierung im vergangenen Jahr dem Bundeskriminalamt erlauben, biometrische Daten wie Fotos im Internet zu nutzen, um damit Verdächtige oder Opfer schwerer Straftaten zu suchen. Damit kam sie im Bundesrat letztlich nicht durch, weil den Ländern einige der anderen Überwachungsbefugnisse im Paket nicht weit genug gingen.
Doch die amtierende schwarz-rote Regierung hat bereits eine Neuauflage des tiefgreifenden Befugnisbündels in Vorbereitung. Das stand heute auf der Tagesordnung für das Bundeskabinett, von der es dann aber wie schon zuvor wieder gestrichen wurde. Nichtsdestotrotz legten heute die Grundrechtsorganisationen AlgorithmWatch und Amnesty International, der Chaos Computer Club, die Gesellschaft für Freiheitsrechte sowie der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber bei einer Pressekonferenz dar, warum der bislang bekannte und von netzpolitik.org veröffentlichte Entwurf in dieser Form verfassungs- und europarechtswidrig sei.
„Rechtswidrig, egal wer es betreibt“
„Biometrische Massenüberwachung ist rechtswidrig, egal wer sie betreibt“, sagte dabei Matthias Marx vom Chaos Computer Club. Der IT-Sicherheitsexperte erklärte eindringlich, dass keine Person sich biometrischer Überwachung entziehen könne. Biometrische Merkmale seien nun mal einmalig für eine Person und konstant. „Die Körperdaten von Menschen sind keine freie Verfügungsmasse, weder für Staat noch für kommerzielle Stalking-Dienstleister wie PimEyes oder Clearview“, so Marx. Die letzteren beiden sind die wohl bekanntesten kommerziellen Gesichtersuchmaschinen. Marx selbst wehrte sich bereits dagegen, dass etwa Clearview Daten zu seinem Gesicht gespeichert hatte.
Während bei den privaten Anbietern Konflikte mit der Datenschutzgrundverordnung offenkundig sind, stehen bei der polizeilichen Nutzung von biometrischen Daten aus Internetquellen andere Hindernisse im Weg. Allen voran die KI-Verordnung der EU. Sie verbietet es in Artikel 5, „Datenbanken zur Gesichtserkennung durch das ungezielte Auslesen von Gesichtsbildern aus dem Internet oder von Überwachungsaufnahmen“ zu erstellen oder zu erweitern. Matthias Spielkamp, Geschäftsführer von AlgorithmWatch, berichtete, dass immer wieder darauf verwiesen worden sei, die Suche könne auch ohne Datenbank funktionieren.
Dazu hat AlgorithmWatch ein Gutachten von dem Suchmaschinen-Experten Dirk Lewandowski anfertigten lassen, der Professor für Information Research & Information Retrieval an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg ist. Lewandowski kommt darin zum Ergebnis, dass es technisch nicht umsetzbar sei, frei verfügbare Bilder aus dem Netz „für einen Abgleich praktikabel durchsuchbar zu machen, ohne eine Datenbank“ zu erstellen. Etwa weil Anfragen sehr lange dauern würden, wenn die notwendige Verarbeitung der Bilder immer erst ad hoc erfolge.
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Aus Sicht von Spielkamp bestätigt das Gutachten damit die Bedenken von Menschenrechtsverteidiger:innen: „Die angestrebten biometrischen Erkennungsverfahren würden zwangsläufig gegen EU-Recht verstoßen, weil sie ohne den Einsatz von Datenbanken nicht umsetzbar sind. Diese Bundesregierung kann diese Tatsache nicht länger bestreiten und sollte ihre Gesichtserkennungspläne endgültig begraben.“
Nicht nur europarechtliche Probleme
Doch selbst wenn es dieses rechtliche Problem nicht gäbe, stünden den Biometrieplänen im Gesetzentwurf weitere im Wege. Die Juristin Simone Ruf von der Gesellschaft für Freiheitsrechte sieht auch verfassungsrechtlich hohe Hürden, denn das Vorhaben greife tief in die informationelle Selbstbestimmung von Menschen ein. „Es wären biometrische Daten von Milliarden von Menschen betroffen“, so Ruf. Am Ende ließe sich fast jede Person überall identifizieren, es ergäbe sich das Potenzial für Massenüberwachung. Aus Rufs Perspektive sei es „sehr wahrscheinlich“, dass ein derartiger biometrischer Abgleich vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben würde.
Dem pflichtete auch Ulrich Kelber bei: „Immer wieder musste das Bundesverfassungsgericht aufgrund von Klagen aus der Zivilgesellschaft überschießende Überwachungs- und Fahndungsgesetzgebung stoppen“, so der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte. „Das Bundesinnenministerium hat daraus nichts gelernt und will erneut gesetzliche Regelungen, die erkennbar gegen Vorgaben der Verfassung, des Datenschutzes und der KI-Regulierung verstoßen.“
Abschreckung und Diskriminierung
Lena Rohrbach von Amnesty International ging zusätzlich auf die gesellschaftlichen Folgen des geplanten Gesetzes ein. Es käme zu Abschreckungseffekten, sich im öffentlichen Raum zu bewegen. „Für die Bevölkerung ist gar nicht nachvollziehbar, welche Datenspuren korreliert werden und was verdächtig ist“, so die Referentin für Menschenrechte im digitalen Zeitalter. Das könne Personen davon abhalten, sich politisch zu engagieren und an Demonstrationen teilzunehmen. Und das wäre ein Problem, besonders heute: „Demokratie braucht eine aktive Zivilgesellschaft und keine eingeschüchterte“, so Rohrbach.
Überdies gebe es im Gesetzentwurf keinerlei Vorkehrungen, um Auswirkungen potenziell diskriminierender Technologien zu verhindern. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn bestimmte Personen häufiger falsch erkannt und eventuell damit vermehrt zu Unrecht verdächtigt werden.
Datenschutz & Sicherheit
Besseres Google-„Mein Gerät finden“-Netz mit optimierter Einstellung
Googles Tracking-Netzwerk „Mein Gerät finden“ soll besser werden. Dazu ergänzt Google beim Pixel 10 die Einstellungen bereits im Android-Setup-Assistenten. Bei vielen Android-Geräten läuft der Assistent aber nicht nachträglich – hier müssen Nutzerinnen und Nutzer selbst aktiv werden und die Teilnahme anschalten. Mit optimierter Einstellung könnte es gelingen, in kürzester Zeit die Nützlichkeit auf das Niveau von Apples „Wo ist“-Netz zu heben oder es gar zu überflügeln.
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Die Einstellungen für „Mein Gerät finden“ sind etwas versteckt in Android.
(Bild: heise medien)
Googles Ansatz ist derzeit ein besonderer Privatsphärenschutz. Die Funktion hatte Google im Mai 2024 mit einem Hinweis auf Android-Smartphones angekündigt und auch aktiviert, sofern Betroffene an den Voreinstellungen nichts geändert haben. Allerdings nutzt die Standardkonfiguration die Option „Mit Netzwerk nur an stark frequentierten Orten“. Es müssen also mehrere Android-Geräte etwa einen Bluetooth-Tracker erkannt und gemeldet haben, damit der auch im inzwischen zu „Find Hub“ umbenannten Tracking-Netz auftaucht.
Einstellungsänderung für Tracking auch in einsamen Gegenden
Leider hat Google die Konfiguration dazu ziemlich gut versteckt. Sie liegt unter „Einstellungen“ – „Google“, dort muss zunächst die Schaltfläche „Alle Dienste“ ausgewählt werden. Dort unter „Persönliche Sicherheit & Gerätesicherheit“ finden sich die Optionen „Benachrichtigungen über unbekannte Bluetooth-Tracker“ sowie „Mein Gerät finden“ – die Umbenennung in „Find Hub“ ist in der deutschen Oberfläche noch nicht angekommen. Dort schließlich können Interessierte unter „Geräte finden, die offline sind“ die Konfiguration auf „Mit Netzwerk überall“ stellen, damit Geräte auch an wenig frequentierten Orten gefunden werden können.
Wenn mehr Android-Nutzer diese Option aktivieren, lassen sich Tracker auch dann aufspüren, wenn lediglich ein einzelnes Android-Smartphone ihn gesehen hat. Der bessere Privatsphärenschutz durch aggregierte Daten (also die Option, nur an stark frequentierten Orten Tracker zu zeigen) bezieht sich auf Standortinformationen, die unter Umständen bei einem einzelnen meldenden Android-Gerät Rückschlüsse auf eine Person zulassen könnten. Für die allermeisten Nutzerinnen und Nutzer dürfte das jedoch kein ernst zu nehmendes Problem darstellen. Als Voraussetzung für die Nutzung von „Mein Gerät finden“ nennt Google Android Version 6.
Die Tracker-Netzwerke lassen sich auch von Kriminellen missbrauchen. Ende 2023 etwa gelang das Ausschleusen von Daten wie Passwörtern mittels manipulierter Keylogger-Tastatur über Apples „Wo ist“-Netz. Google hat Android inzwischen einen verbesserten Schutz vor heimlichem Bluetooth-Tracking verpasst, mit dem bösartige Akteure etwa Taten vorbereiten oder Menschen stalken könnten.
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(dmk)
Datenschutz & Sicherheit
Ransomware-Bande Qilin stiehlt Daten von Scientology
Die kriminelle Online-Vereinigung Qilin meldet einen IT-Einbruch mit Datendiebstahl bei Scientology. Genauere Informationen fehlen noch, jedoch sollen einige Screenshots von Dokumenten mit persönlichen und sensiblen Informationen das belegen.
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IAuf der Darknet-Leaksite von Qilin ist Scientology neu als Opfer gelistet.
(Bild: heise medien)
Die Ransomware-as-a-Service-Gruppe Qilin (Übersicht von Check Point) nutzt üblicherweise die „doppelte Erpressung“ (Double Extortion). Einerseits verschlüsselt die Ransomware die Daten der Opfer. Andererseits kopiert die Bande die Daten und bietet sie im Darknet zum Verkauf an – wer zuerst zahlt, „gewinnt“, Opfer oder etwa Konkurrenten.
Die auf der Darknet-Leaksite von Qilin präsentierten Screenshots einiger der erbeuteten Dokumente deuten darauf hin, dass die Cybergang in die IT-Systeme im Vereinigten Königreich der vom Verfassungsschutz mehrerer Bundesländer beobachteten Scientology-Organisation eingedrungen ist. Bewilligungen von Kosten für UK-Visa finden sich dort, aber auch Listen von Mitgliedern mitsamt von Kontoständen und Level innerhalb der Organisation – die allerdings nicht auf England beschränkt sind, sondern etwa Personen aus Südamerika enthalten.
Auswirkungen unklar
Etwa die Höhe einer etwaigen Lösegeldforderung findet sich nicht auf der Darknet-Seite von Qilin. Es ist unklar, wie Scientology reagieren wird. Die Veröffentlichung der Informationen zu Mitgliedern respektive Opfern der Organisation könnten ihr Schaden zufügen. Ermittler und Beobachter interessieren sich wahrscheinlich ebenfalls für die Daten.
Qilin ist eine der umtriebigsten Cybergangs, der viele Einbrüche auch in renommierte Unternehmen gelingen. Sie steckt etwa hinter dem Angriff auf die japanische Asahi-Brauerei, der zu Lieferengpässen beim Bier führte. Die Ransomware-as-a-Service-Bande geht jedoch sogar über Leichen: Infolge eines Cyberangriffs auf den NHS England gab es einen Todesfall, da Ergebnisse von Bluttests nicht rechtzeitig übermittelt werden konnten.
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(dmk)
Datenschutz & Sicherheit
Porsche in Russland: Autos lassen sich nicht starten
In Russland starten zahlreiche Porsche-PKW nicht mehr. Das Problem geht offenbar von der satellitengestützten Alarmanlage aus. Porsche gibt an, damit nichts zu tun zu haben.
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Seit Ende November häufen sich Anfragen von russischen Porsche-Besitzern an Werkstätten, da die Vehikel sich nicht mehr starten lassen. Das meldet die russische Mediengruppe RBK. Die Händlerkette Rolf, die auch Porsches vertreibt, erklärte dazu, dass die Möglichkeit bestehe, dass das absichtlich geschehen sei. Es gebe ähnliche Situationen bei Mercedes-Benz-Besitzern, jedoch deutlich seltener, und die Fahrzeuge lassen sich weiterhin nutzen.
Hunderte Porsche-Fahrzeuge in ganz Russland seien demnach aufgrund von Kommunikationsproblemen oder Störungen der Alarmanlage (VTS) nicht mehr fahrbereit. Durch das Abklemmen der Batterie hätten sich einige Betroffene helfen können. Die Händlerkette Rolf hilft ihren Kunden, indem sie die Alarmanlage betroffener Fahrzeuge zurücksetzt und demontiert. Dem Händler zufolge lassen sich keine Eingrenzungen bezüglich betroffener Modelle vornehmen, jedes Fahrzeug könne gesperrt werden.
Porsche war es nicht
Die konkrete Ursache ist weiterhin unbekannt, Untersuchungen laufen. Gegenüber dem Magazin Auto Motor und Sport hat Porsche geäußert, dass das nicht in der Verantwortung der Porsche AG liege, da es sich um eine länderspezifische Ausführung handele. Andere Märkte seien nicht betroffen. Das Unternehmen halte sich an alle geltenden Wirtschaftssanktionen gegen Russland.
Dieser Vorfall zeigt einmal mehr die potenziellen Auswirkungen von weitreichender Elektronik im PKW auf die Fahrzeugsicherheit. Diese lässt sich offenbar als Einfallstor für Angriffe nutzen. Bereits vor einem Jahrzehnt zeigten IT-Sicherheitsforscher, wie sie Kontrolle über einen Jeep übernommen hatten – über das Internet.
Betroffen können lediglich etwas ältere Porsche-Modelle sein. Seit März 2022 hat das Unternehmen die Auslieferung von Fahrzeugen nach Russland im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine eingestellt.
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(dmk)
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