Künstliche Intelligenz
Kommentar: Warum Brennstoffzellen-Autos nicht funktionieren
30 Jahre Forschung, ein Modell auf dem Markt: Warum Brennstoffzellen-Autos nicht funktionieren
Weiterlesen nach der Anzeige
„Wenn Sie merken, dass Sie ein totes Pferd reiten, steigen Sie ab“, lautet eine alte, angeblich indianische Weisheit. In Bayern hingegen scheint man wild entschlossen, das Reiten toter Pferde zur olympischen Disziplin zu machen. Mit beachtlicher Beharrlichkeit investiert der Freistaat in längst verblichene Visionen – etwa in das induktive Laden während der Fahrt.
Das nächste tote Pferd, das jetzt durch das Dorf getrieben werden soll, ist der Brennstoffzellen-PKW. Bund und Land fördern BMW mit 273 Millionen Euro für die Entwicklung eines Wasserstoff-Antriebs. Ab 2028 will BMW das SUV X5 mit Brennstoffzelle auf den Markt bringen.
Gregor Honsel ist seit 2006 Redakteur bei Technology Review. Er glaubt, dass viele komplexe Probleme einfache, leicht verständliche, aber falsche Lösungen haben.
30 Jahre Forschung ohne Ergebnis
Ein interessantes Timing. Konkurrent Daimler forscht bereits seit mehr als 30 Jahren an solchen Antrieben. Eigentlich sollten 2014 die ersten Fahrzeuge in Serie gehen. Dann 2017. Drei Jahre später kam das Aus.
Ich selbst bin bereits 2014 den Prototypen eines VW Touran mit Wasserstoffantrieb Probe gefahren. Er machte bereits einen recht ausgereiften Eindruck. Trotzdem habe ich nie wieder etwas von ihm gehört. Honda hat sich ebenfalls aus dem Wasserstoffgeschäft zurückgezogen. Und der einstige Pionier Hyundai legt gerade eine Verschnaufpause ein. Es gibt in Deutschland derzeit genau ein Wasserstoff-Modell zu kaufen: den Toyota Mirai. Selbst in seinem Rekordjahr 2022 wurden hierzulande nur 337 Stück zugelassen. Schon das ist ein schlechter Witz. Und seitdem geht es steil abwärts. Im September 2025 gab es nur noch eine Neuzulassung, im Oktober keine einzige mehr. Wo BMW-Chef Zipse hier eine steigende Nachfrage erkennen will, bleibt sein Geheimnis.
Noch ein paar weitere Zahlen illustrieren den Stand der Wasserstoff-PKW in Deutschland:
Weiterlesen nach der Anzeige
| Batterie-elektrisch | Brennstoffzelle | |
| Modelle auf dem Markt | ca. 1800 | 1 |
| Neuzulassungen (Jan – Okt 2025) | 435.000 | 35 |
| Ladepunkte bzw. Tankstellen | ca. 180.000 | ca. 100 |
| Tendenz | steigend | sinkend |
| max. Reichweite (lt. ADAC) | 610 km (BMW iX) | 555 km (Toyota Mirai) |
Da frage ich mich: Warum genau sollte BMW nun schaffen, was Daimler und Toyota trotz jahrelangen Vorsprungs nicht hingekriegt haben?
Mit Brennstoffzelle nur auf Platz 6
Man könnte argumentieren, dass die Konkurrenten einfach zu früh dran waren und sich die Wasserstofftechnik mittlerweile weiterentwickelt hat. Mag sein. Aber die Batterietechnik noch viel stärker. Der wasserstoffbetriebene Mercedes GLC F-Cell von 2018 kam laut ADAC nur auf eine Reichweite von 290 Kilometern. Das schafft mittlerweile jeder bessere Mittelklasse-Stromer. Ein Prototyp des Hydrogen brachte es bei unserem Test 2023 auf rund 375 Kilometer. Auch das ist nicht besonders beeindruckend.
Der aktuelle Toyota Mirai schafft immerhin 555 Kilometer im ADAC-Test. Aber selbst damit käme er im elektrischen Reichweiten-Ranking des Automobilclubs gerade einmal auf Platz 6. An der Spitze liegt mit 610 Kilometern interessanterweise ein BMW, nämlich der iX. Wir erinnern uns: Die Reichweite galt einmal als zentrales Argument für die Brennstoffzelle.
Tote Hennen legen keine Eier
Bleibt das Argument des schnelleren Tankens. Auch hier haben die Stromer aufgeholt. Ein Porsche Taycan etwa kann an einer entsprechenden Ladesäule innerhalb von zehn Minuten genug Strom für fast 300 Kilometer bunkern. Zugegeben: Das sind natürlich Spitzenwerte, die meisten Wagen laden deutlich langsamer. Aber andererseits müsste man mit einem Brennstoffzellen-Auto erst einmal ewig zu einer der wenigen H₂-Tanken fahren. Das Henne-Ei-Problem dürfte damit entschieden sein: Tote Hennen legen keine Eier. Wer zur Reichweitenangst neigt, sollte Wasserstoff eher meiden.
Da es beim Wasserstoff-PKW kaum noch Vorteile gibt, brauche ich die ganzen Nachteile wie den schlechten Wirkungsgrad wohl gar nicht erst zu erwähnen. Bei schweren Lastwagen hingegen schien die Brennstoffzelle bis vor Kurzem noch konkurrenzfähig. Wohl deshalb gibt sich BMW der Hoffnung hin, dass eine Wasserstoff-Infrastruktur für LKW auch den PKWs eine neue Chance verschaffen könnte. Doch auch in der Logistik zeigt sich eine klare Tendenz zur Batterie. Nicht einmal beim Schienenverkehr kommt der Wasserstoff noch voran.
Nebelkerzen schwenken
Dabei ist der Einsatz von grünem Wasserstoff durchaus richtig und sinnvoll – allerdings nicht in allen Gebieten gleichermaßen. Eine Orientierung gibt die sogenannte Liebreich-Leiter. Ganz oben stehen dort industrielle Anwendungen wie die Düngemittelherstellung. Ganz unten stehen, wer hätte das gedacht, Wasserstoff-PKW.
Wie genau der kostbare und knappe Wasserstoff in die richtigen Bahnen gelenkt werden soll, ist eine der größten ungelösten Fragen der ganzen Wasserstoffwirtschaft. Dem Bund und Bayern ist das egal: Sie werfen einfach Geld auf alles, mit dem sie an Stammtischen und in Bierzelten glauben, punkten zu können.
Das Kalkül dahinter hat Spiegel-Kolumnist Christian Stöcker als „beidhändig Nebelkerzen schwenken“ beschrieben. Landeswirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hatte der Ampel 2024 vorgeworfen, ein „ideologisches Problem mit Wasserstoff im Verkehr“ zu haben. „Tatsächlich hat eher Aiwanger (und BMW, die die Förderung natürlich gern mitnehmen) ein ideologisches Problem mit der Realität“, kommentiert Stöcker. „Gegen Physik hilft es nicht, wenn man sich in beide Ohren Finger steckt und laut ‚Technologieoffenheit!’ brüllt.“
Dieser Beitrag ist zuerst bei t3n.de erschienen.
(jle)