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Künstliche Intelligenz: Die Hype-Tech-Agenda der Bundesregierung


Mehr Wettbewerbsfähigkeit, Wertschöpfung und Souveränität – das verspricht die „Hightech-Agenda Deutschland“, die das Bundeskabinett gestern verabschiedet hat.

Der Entwurf stammt aus dem Bundesministerium für ­Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) von Dorothee Bär (CSU). Die gute Nachricht: Flugtaxis will die Ministerin offenbar nicht länger in die Luft bringen. Stattdessen liegt ihr Augenmerk nun auf sechs „Schlüsseltechnologien“: Quantentechnologien, Mikroelektronik, Biotechnologie, Fusion und klimaneutrale Energieerzeugung, Technologien für die klimaneutrale Mobilität – und Künstliche Intelligenz.

Vor allem bei dem „Megathema“ KI strebt Bär für Deutschland eine Spitzenposition an. Ihre Hightech-Agenda ist durchzogen von der Vorstellung, dass sich mit KI ökonomische und wissenschaftliche Wunder vollbringen lassen. Diese Glaubensfestigkeit überrascht. Denn anderswo werden die Verheißungen des KI-Hypes längst hinterfragt und Kehrtwenden eingeleitet.

Mehr Wirtschaftsleistung durch KI?

In ihrer Hightech-Agenda spart die Regierung selbst nicht mit vollmundigen Versprechungen. Gleich zu Beginn formuliert sie das Ziel, „mit einer KI-Offensive bis 2030 zehn Prozent unserer Wirtschaftsleistung KI-basiert [zu] erwirtschaften“.

An keiner Stelle verrät das knapp 50-seitige Papier, wie das Ministerium zu dieser Zielmarke gelangt ist – oder wie es herausfinden will, dass dieses Ziel erreicht wurde.

„Die Formulierung ist äußerst vage“, sagt Florian Butollo gegenüber netzpolitik.org. Er ist Professor für Soziologie der digitalen Transformation und Arbeit an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main und leitet das Forschungsprojekt „Generative KI in der Arbeitswelt“ am Weizenbaum-Institut. Sollen in fünf Jahren zehn Prozent aller Unternehmen KI einsetzen? Das wäre sehr wenig, sagt Butollo. Oder soll tatsächlich zehn Prozent der Bruttowertschöpfung auf KI zurückgehen? Dann aber müsste die Regierung berücksichtigen, dass die Arbeit mit KI meist in einer dynamischen Interaktion zwischen Mensch und Technologie erfolgt. Hier den Beitrag von KI seriös zu messen, sei kaum möglich, so der Soziologe.

„Nicht vom KI-Hype treiben lassen“

Auch andere trauen den wirtschaftlichen Verheißungen der Hightech-Agenda nicht. Sie befürchten vielmehr, dass der KI-Einsatz zulasten von Arbeitnehmer:innen geht. Die Sorge ist begründet: Gut ein Viertel der Unternehmen geht davon aus, dass der KI-Einsatz in den kommenden fünf Jahren zu einem Stellenabbau führen wird.

„Es darf nicht darum gehen, die Personalkosten zu senken“, warnt die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Yasmin Fahimi. Vielmehr müsse eine höhere Qualität der Arbeit und mehr Mitbestimmung der Mitarbeitenden im Fokus stehen.

Und der europäische Betriebsratschef von SAP, Andreas Hahn, fordert, sich nicht vom KI-Hype treiben zu lassen. Wer glaube, „dasselbe mit weniger Ressourcen liefern zu können“, drohe von Konkurrenten überholt zu werden, die mit einer nicht geschrumpften Belegschaft mehr und bessere Produkte liefern.

Hahn widerspricht damit auch SAP-Vorstandschef Christian Klein. Der hatte behauptet, die Entwickler:innen seines Softwarekonzerns seien dank KI um dreißig Prozent produktiver geworden. Bereits Anfang vergangenen Jahres hatte Klein eine KI-Offensive und Streichung mehrerer tausend Stellen angekündigt.

Erst investieren, dann verstehen?

Solche Effizienzversprechen ziehen erste Studien in Zweifel. So kommt eine aktuelle Untersuchung der Cornell University sogar zu dem Schluss, dass erfahrene Programmierer nicht weniger, sondern mehr Zeit benötigen, wenn sie mit Hilfe von KI Code entwickeln. Darüber hinaus räumen erste Unternehmen ein, das die Angebotsqualität durch den KI-Einsatz leidet. So setzt etwa das schwedische Fintech-Unternehmen Klarna in seinem Kundendienst inzwischen wieder auf Menschen statt auf KI.

Florian Butollo überrascht das nicht. „Nicht die KI macht etwas, sondern Menschen machen etwas mit KI. Unternehmen schaden sich also selbst, wenn sie am menschlichen Arbeitsvermögen sparen, ohne das die KI nicht sinnvoll eingesetzt werden kann.“

Gründe für das erratische Verhalten von Unternehmen hat eine internationale IBM-Studie gefunden. Demnach neigen etwa zwei Drittel der CEOs dazu, in Technologien zu investieren, noch bevor sie deren ökonomischen Wert vollständig verstanden hätten. Ihre große Sorge: Dass sie hinter der Konkurrenz zurückfallen könnten.

KI als Forschungstreiber?

Die Sorge, abgehängt zu werden, treibt auch Forschungsministerin Bär an. Bei der Präsentation der Hightech-Agenda zeigte sie sich überzeugt, dass die deutsche Wirtschaft international nur dann „wieder an die Wettbewerbsspitze“ gelangen könne, wenn die Rahmenbedingungen für die Forschung stimmen. Etliche Wissenschaftsbereiche sollen deshalb von Künstlicher Intelligenz profitieren – von der Gesundheits- und Materialforschung über die Klima- und Biodiversitätsforschung bis zur Energie- und Nachhaltigkeitsforschung.

Doch auch für die Wissenschaft wird die KI keine Wunder vollbringen können. Denn die Fähigkeiten selbst aktueller Spitzenmodelle sind offenkundig ziemlich beschränkt und damit nicht vertrauenswürdig.

Der neueste Schrei auf dem KI-Hype-Markt sind sogenannte Large Reasoning Models (LRMs). Das sind fortgeschrittene KI-Modelle, die auf der Architektur großer Sprachmodelle (Large Language Models, LLMs) basieren, aber speziell darauf trainiert sind, mehrschrittige und vermeintlich strukturierte Schlussfolgerungen zu ziehen. Sie sollen somit nicht nur Texte „verstehen“ und erzeugen, sondern auch menschenähnliches Denken imitieren können, was insbesondere auch der Forschung zugutekommen soll.

Dass die Ergebnisse der LRMs jedoch nur mit Vorsicht zu genießen sind, hat jüngst eine Forschungsgruppe des Konzerns Apple herausgefunden. Laut der Studie „The Illusion of Thinking“ arbeiten etwa die Sprachmodelle von OpenAI mit zunehmender Komplexität der Aufgaben immer ungenauer – bis zum „complete accuracy collapse“, einem kompletten Genauigkeitskollaps. Warum es dazu kommt, können die Forschenden nach eigenen Angaben nicht erklären, sie gehen aber von einem grundlegenden Problem der KI-Technologie aus.

Und auch eine Studie, an denen unter anderem KI-Forschende aus dem Hause Google beteiligt waren, bewertet die Begründungen von LRMs als „irreführend“ und deren Resultate als wenig vertrauenswürdig.

Im besten Fall könne KI Software-Code oder Texte schreiben, so das Fazit des KI-Forschers Gary Marcus. Aber selbst dann seien die Ergebnisse alles andere als zuverlässig. Vielmehr könnte die KI „dir vorgaukeln, dass sie eine richtige, verallgemeinerbare Lösung entwickelt habe, obwohl das nicht der Fall ist.“


2025-07-14
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– für digitale Freiheitsrechte!



Euro für digitale Freiheitsrechte!

 

Bundesregierung will AI-Gigafactory bauen

Derlei Erkenntnisse halten die Bundesregierung nicht davon ab, KI auch baulich in übergroßen Dimensionen zu denken. „Wir holen mindestens eine der europäischen AI Gigafactories nach Deutschland“, heißt es in der Hightech-Agenda. Eine solche Ankündigung fand sich auch im Koalitionsvertrag.

Die gigantischen Rechenzentren dienen dem Training großer Sprachmodelle und verfügen über mindestens 100.000 spezielle Hochleistungsprozessoren, sogenannte GPU. Derzeit verfügen die größten Anlagen hierzulande über rund 25.000 GPU.

Insgesamt fünf dieser Rechenzentren will EU-Kommission europaweit bauen. Die Kommission schätzt, dass die Kosten pro Gigafabrik bei drei bis fünf Milliarden Euro liegen – die ökologischen Kosten mal außen vorgelassen. Ein europäischer Fonds soll deren Bau mit insgesamt 20 Milliarden Euro bezuschussen. Voraussichtlich 35 Prozent der Gesamtkosten werden die europäischen Steuerzahler:innen tragen, den Rest müssen die beteiligten Firmen und Investmentfonds aufbringen.

Das Interesse ist offenkundig groß: Bis Ende Juni haben Unternehmen und Forschungseinrichtungen bei der Kommission insgesamt 76 sogenannte Interessensbekundungen für den Bau einer Gigafactory eingereicht. Darunter sind einige deutsche Konzerne wie Telekom oder Ionos, auch wenn diese vom deutschen Staat noch mehr finanzielle Unterstützung wie zum Beispiel Steuererleichterungen fordern.

Der Hype ebbt ab

Die Bundesregierung zeigt sich optimistisch. Laut ihrer Hightech-Agenda soll die erste AI Gigafactory in Deutschland schon Mitte 2027 in Betrieb gehen.

Selbst wenn diese Frist gehalten wird, ist das mit Blick auf die KI-Forschung eine langer Zeitraum. Vor gut einem halben Jahr veröffentlichten chinesische Entwickler:innen das KI-Modell DeepSeek. Ihnen zufolge könne DeepSeek mit der Konkurrenz mithalten. Das Training der KI benötige im Vergleich aber nur ein Bruchteil der Rechenkraft und erheblich weniger Zeit.

Die Tech-Welt zeigte sich aufgeschreckt: „Wir sollten die Entwicklungen in China sehr, sehr ernst nehmen“, sagte Microsoft-CEO Satya Nadella damals auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Trotzdem gab Microsoft im April bekannt, einige seiner Rechenzentrumsprojekte „zu verlangsamen oder zu pausieren“. Beobachter gehen davon aus, dass sich der Konzern „im Eifer des Gefechts um Künstliche Intelligenz höchstwahrscheinlich zu viel vorgenommen“ hatte. Auch Marktführer Amazon hat mehrere Bauprojekte für Rechenzentren auf Eis gelegt.

Selbst in China ebbt der KI-Hype offenkundig ab. In den Jahren 2023 und 2024 wurde landesweit der Bau von mehr als 500 Rechenzentren angekündigt. Bis Ende 2024 waren zwar 150 von ihnen gebaut. Doch 80 Prozent dieser Rechenzentren sind chinesischen Medien zufolge nicht in Gebrauch. „KI-Projekte scheitern, Energie wird verschwendet und Rechenzentren sind zu ’notleidenden Vermögenswerten‘ geworden, die Investoren gerne zu Preisen unter dem Marktwert loswerden möchten“, beschreibt die MIT Technology Review die Lage in China.

Dass die Frage der Wirtschaftlichkeit in der deutschen Debatte nur am Rande vorkommt, könnte auch mit dem schwarz-roten Koalitionsvertrag zusammenhängen. Darin steht, dass der Staat bei Vorhaben der Hightech-Agenda auch als „Ankerkunde“ tätig wird. Mit anderen Worten: Die Bundesregierung sichert zu, mit Steuergeldern für eine Mindestnachfrage bei den Gigafactories zu sorgen. Offenbar ist sie selbst also nicht allzu fest davon überzeugt, dass der KI-Hype aus sich heraus Früchte trägt.



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Die Woche, in der sich die Überwachungspläne bei uns stapelten


Fraktal, generiert mit MandelBrowser von Tomasz Śmigielski

Liebe Leser*innen,

in Berlin ist zwar die Ferienzeit angebrochen. Sommerliche Ruhe will aber nicht so recht einkehren. Denn auf unseren Schreibtischen stapeln sich die neuen Gesetzesentwürfe der Bundesregierung. Und die haben’s in sich.

Beispiele gefällig?

  • Staatstrojaner: Künftig soll die Bundespolizei zur „Gefahrenabwehr“ Personen präventiv hacken und überwachen dürfen, auch wenn „noch kein Tatverdacht begründet ist“.
  • Biometrische Überwachung: Bundeskriminalamt, Bundespolizei und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sollen Personen anhand biometrischer Daten im Internet suchen dürfen. Auch Gesichter-Suchmaschinen wie Clearview AI oder PimEyes können sie dann nutzen.
  • Palantir: Bundeskriminalamt und Bundespolizei sollen Datenbestände zusammenführen und automatisiert analysieren dürfen. Das riecht gewaltig nach Palantir – was das Innenministerium in dieser Woche bestätigt hat.

Auch in vielen Bundesländern wird über Palantir diskutiert. In Baden-Württemberg sind die Grünen soeben umgekippt. Keine gewagte Prognose: Andere werden ihre Vorsätze auch noch über Bord werfen.

Die gute Nachricht: In allen drei Bundesländern, die Palantir einsetzen – Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen -, sind jeweils Verfassungsbeschwerden gegen die Polizeigesetze anhängig. Und auch die Überwachungspläne der Bundesregierung verstoßen ziemlich sicher gegen Grundgesetz und EU-Recht. Wir bleiben dran.

Habt ein erholsames Wochenende!

Daniel


2025-07-14
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– für digitale Freiheitsrechte!



Euro für digitale Freiheitsrechte!

 



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Bauarbeiten und wie das Bargeld auf Reisen geht


Drei Menschen machen ein Selfie am Tisch
Martin, Sebastian und Chris im Studio. CC-BY-NC-SA 4.0 netzpolitik.org


Diese Recherche hat für enorm viel Aufsehen gesorgt: Über Monate hinweg hat sich Martin damit beschäftigt, wie Polizeibehörden, Banken und Unternehmen unser Bargeld verfolgen und was sie über die Geldströme wissen. Die Ergebnisse überraschten auch uns, denn sie räumen mit gängigen Vorstellungen über das vermeintlich anonyme Zahlungsmittel auf. Die Aufregung um diese Recherche rührt vielleicht auch daher, dass Behörden nicht gerne darüber sprechen, wie sie Bargeld tracken. Martin selbst spricht von einer der zähsten Recherchen seines Arbeitslebens.

Außerdem erfahrt ihr, wie wir solche Beiträge auf Sendung-mit-der-Maus-Niveau bringen und warum man aus technischen Gründen besser Münzen als Scheine rauben sollte. Wir sprechen darüber, wie wir trotz schlechter Nachrichten zuversichtlich bleiben und warum wir weitere Wände im Büro einziehen. Viel Spaß beim Zuhören!

Und falls wir es in dieser Podcast-Folge noch nicht oft genug erwähnt haben sollten: Wir freuen uns über Feedback, zum Beispiel per Mail an podcast@netzpolitik.org oder in den Ergänzungen auf unserer Website.


In dieser Folge: Martin Schwarzbeck, Sebastian Meineck und Chris Köver.
Produktion: Serafin Dinges.
Titelmusik: Trummerschlunk.


Hier ist die MP3 zum Download. Wie gewohnt gibt es den Podcast auch im offenen ogg-Format. Ein maschinell erstelltes Transkript gibt es im txt-Format.


Unseren Podcast könnt ihr auf vielen Wegen hören. Der einfachste: in dem Player hier auf der Seite auf Play drücken. Ihr findet uns aber ebenso bei Apple Podcasts, Spotify und Deezer oder mit dem Podcatcher eures Vertrauens, die URL lautet dann netzpolitik.org/podcast.


Wir freuen uns auch über Kritik, Lob, Ideen und Fragen entweder hier in den Kommentaren oder per E-Mail an podcast@netzpolitik.org.

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Sicherheitsupdates: IBM Db2 über verschiedene Wege angreifbar


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This article is also available in
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It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Aufgrund von mehreren Softwareschwachstellen können Angreifer IBM Db2 attackieren und Instanzen im schlimmsten Fall vollständig kompromittieren. Um dem vorzubeugen, sollten Admins die abgesicherten Versionen installieren.

Am gefährlichsten gilt eine Sicherheitslücke (CVE-2025-33092 „hoch„), durch die Schadcode schlüpfen kann. Die Basis für solche Attacken ist ein von Angreifern ausgelöster Speicherfehler. Wie ein solcher Angriff konkret ablaufen könnten, ist bislang unklar. Davon sind einer Warnmeldung zufolge die Client- und Server-Editionen von Db2 bedroht. Das betrifft die Db2-Versionen 11.5.0 bis einschließlich 11.5.9 und 12.1.0 bis einschließlich 12.1.2.

Um Systeme gegen die geschilderte Attacke zu rüsten, müssen Admins in der Warnmeldung verlinkte Special Builds installieren.

Eine weitere Schwachstelle (CVE-2025-24970) ist mit dem Bedrohungsgrad „hoch“ eingestuft. Sie betrifft das Application Framework Netty. An dieser Stelle können Angreifer Abstürze provozieren. Auch hier soll ein Special Build Abhilfe schaffen.

Die verbleibenden Schwachstellen sind mit dem Bedrohungsgrad „mittel“ versehen. An diesen Stellen können Angreifer meist ohne Authentifizierung DoS-Zustände erzeugen, was Abstürze nach sich zieht. Die dagegen gerüsteten Versionen finden Admins in den verlinkten Warnmeldungen (nach Bedrohungsgrad absteigend sortiert):


(des)



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