Künstliche Intelligenz

Microsofts KI-Stromhunger: US-Atomkraftwerk soll vorzeitig reaktiviert werden


Im September vorigen Jahres überraschte Microsoft mit der Ankündigung, seinen wachsenden Energiebedarf für eigene KI-Rechenzentren verstärkt mit Atomstrom decken zu wollen: Der Softwareriese unterzeichnete damals einen 20-jährigen Stromabnahmevertrag mit dem US-Versorger Constellation Energy, der auf „CO2-neutralen Strom“ aus Nuklearanlagen spezialisiert ist. Ziel des Deals ist es, den stillgelegten Reaktor TMI Block 1 des Kraftwerks Three Mile Island bis 2028 wieder in Betrieb zu nehmen. Constellation-CEO Joe Dominguez ließ nun aber durchblicken, dass der Atommeiler möglicherweise früher reaktiviert werden könnte.

Schon in zwei Jahren, also 2027, „werden wir bereit sein“, erklärte Dominguez am Mittwoch vor der Presse. Voraussetzung sei, dass der lokale Netzbetreiber in der Region, Pennsylvania-New Jersey-Maryland (PJM), die Anlage wieder ans Stromnetz angeschlossen habe. Constellation hatte den 837-Megawatt-Reaktor 2019 stillgelegt. Grund: Das Unternehmen erhielt damals nicht mehr die notwendigen Subventionen, um mit günstigeren fossilen Brennstoffen konkurrieren zu können. Der Chef des Betreibers meinte nun: „Wir haben mit der Abschaltung dieses Kraftwerks einen Fehler gemacht. Aber wir sind nicht hier, um uns damit zu beschäftigen.“ Es sei sinnvoller, in die Zukunft zu blicken.

Three Mile Island erlangte 1979 weltweit traurige Berühmtheit durch den bislang schlimmsten Atomunfall in den USA. Dabei kam es in Reaktorblock 2 zu einer partiellen Kernschmelze. Constellation legte den betroffenen Meiler in Harrisburg (Pennsylvania) daraufhin dauerhaft still. Den als TMI Block 1 bekannten zweiten Reaktor ließ der Betreiber noch jahrzehntelang am Netz und schaltete ihn erst 2019 aus wirtschaftlichen Gründen ab. In dieser Woche wurde die Anlage in „Crane Clean Energy Center“ umbenannt.

Die erneute Inbetriebnahme von Block 1 sei kein einfacher Vorgang, erläutert das Magazin The Register. Obwohl der Reaktor erst seit sechs Jahren außer Betrieb sei, habe die Anlage selbst bereits über 50 Jahre auf dem Buckel. Turbine, Generator, Transformatoren sowie Kühl- und Steuerungssysteme benötigten eine umfassende Überholung, bevor wieder Strom erzeugt werden kann. Zudem ist eine Genehmigung der US-amerikanischen Atomaufsichtsbehörde erforderlich. Für Constellation sollte das aber prinzipiell eine Formsache sein, da das Unternehmen bereits 21 Kernreaktoren in den USA betreibt.

Angesichts des schier unersättlichen Energiebedarfs, der vom aktuellen Hype rund um generative Künstliche Intelligenz getrieben wird, ist Microsoft nicht der einzige große Cloud-Dienstleister und Rechenzentren-Betreiber, der sich voriges Jahr verstärkt der Kernenergie zugewandt hat. Insbesondere Constellation spielt dabei generell eine Schlüsselrolle.

Vor Kurzem unterzeichnete Meta ebenfalls einen 20-jährigen Abnahmevertrag mit dem Energiekonzern aus Baltimore (Maryland), um den Betrieb des 1,1-Gigawatt-Kernkraftwerks Clinton Clean Energy Center in DeWitt County in Illinois auszuweiten. Dieses Kraftwerk stand vor einem ähnlichen Schicksal wie der Three Mile Island Reaktor Block 1, da das staatliche Null-Emissions-Zertifikateprogramm 2027 ausläuft. Zuvor hatte Meta bereits Angebote für ein bis vier Gigawatt Kernenergie eingeholt, die bis 2030 bereitgestellt werden könnten. Der Betreiber von WhatsApp, Facebook und Instagram setzt ebenfalls in großem Stil auf KI. Training und Betrieb von KI-Software benötigen viel Aktivität in Rechenzentren, was einen hohen Stromverbrauch verursacht.

Mit Amazon Web Services (AWS) hat ein weiterer Hyperscaler stark in Atomkraft investiert und 650 Millionen US-Dollar für den Erwerb einer Kernkraftanlage von Cumulus Data springen lassen. Diese befindet sich neben Talen Energys 2,5-Gigawatt-Kernkraftwerk Susquehanna im Nordosten Pennsylvanias. Der ursprüngliche Vertrag sicherte Amazon direkten Zugang zu mindestens 480 Megawatt sauberer Energie, wurde jedoch im Frühjahr aufgrund von Bedenken lokaler Energieversorger hinsichtlich der Netzstabilität überarbeitet. Statt die Energie direkt zu beziehen, wird Talen die AWS-Rechenzentren in der Region nun bis Ende 2042 mit bis zu 1,92 Gigawatt Netzstrom versorgen.

Zusätzlich zu bestehenden Kernkraftwerken haben kleine modulare Reaktoren (SMRs) als Energiequelle für Rechenzentren großes Interesse bei großen Cloud-Anbietern wie auch Google und Oracle geweckt. Diese Mini-Atomkraftwerke könnten die Leistung bestehender Meiler zusätzlich steigern. Allerdings gehen Experten davon aus, dass die meisten dieser SMRs erst Anfang der 2030er Jahre startbereit sein dürften.

Die neue Energieausrichtung von Hyperscalern wird kritisiert, da die Endlagerung von Atommüll ungelöst ist und Sicherheitsrisiken bestehen. Zudem sind Kernkraftprojekte mit hohen Kosten und langen Bauzeiten verbunden, was alternative, nachhaltigere Energielösungen in den Schatten stellen könnte. Gegner befürchten zudem, dass eine solche Fokussierung die Entwicklung wirklich innovativer und nachhaltiger Energiequellen hemmen könnte.


(nen)



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