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Datenschutz & Sicherheit

Oh, wie schön ist Abschiebung


Unter dem Titel „Mein Leitfaden zur Rückkehr“ hat die EU-Grenzschutzagentur Frontex im Jahr 2023 eine Broschüre veröffentlicht, die Kinder und Jugendliche auf ihre Abschiebung vorbereiten soll. Die Publikation ist bis gestern einer großen Öffentlichkeit unbekannt geblieben. Das verwundert.

Denn sie ist ein zynisches Machwerk der Menschenverachtung. In euphemistischen Worten und in vermeintlich kindgerechter Sprache verniedlicht sie das Herausreißen Minderjähriger aus ihrem Leben – in illustrierter Ratgeberform.

Es ist ein Buch voller unschuldig lächelnder, tatsächlich aber eiskalter Pseudo-Menschenfreundlichkeit, in der die traumatisierende Abschiebung als Abenteuer und Chance auf einen Neuanfang verkauft wird. Abschiebung – aber voll nice, voll bunt, voll kinderfreundlich. Sogar die UN-Kinderrechtskonvention wird im Heft präsentiert. Denn Du sollst ja Deine Rechte kennen.

„Gespannt auf diese große Veränderung“

Auf Seite 1 ziert ein startendes Flugzeug den Text „Dieses Buch gehört: ….“. Nachdem Mohammed, Tanisha oder Marija dort ihren Namen eingetragen haben, ist auch schon bald Abschiebung. Die heißt natürlich nicht so im kinderfreundlichen Menschenrechts-Europa.

„Möglicherweise wurde Dir gesagt, dass Du umziehen und im Heimatland Deiner Familie leben musst“, heißt es verharmlosend über die entwurzelnde Zwangsmaßnahme, die dem Kind und seiner Familie bevorsteht.

Denn:

Für Dich und Deine Familie ist es im Moment nicht möglich, in diesem Land zu bleiben und hier zu leben. Auch wenn Du lieber hierbleiben möchtest, geht das im Moment leider nicht. Das bedeutet, dass Du in das Heimatland Deiner Familie zurückkehren musst. Das ist für Dich eine große Veränderung. Möglicherweise erinnerst Du Dich nicht mehr an das Heimatland Deiner Familie. Vielleicht bist Du traurig darüber, dass Du Deine Freunde oder die Schule verlassen musst. [..] Oder vielleicht freust Du Dich darauf, im Heimatland Deiner Familie Freunde und Familienangehörige zu treffen, und bist gespannt auf diese große Veränderung.

Personen steigen aus einem Kleinbus mit Gepäck aus.

Aufklärerisch europäisch geht es weiter, Information ist alles: „Je mehr Du darüber weißt, desto besser bist Du auf diese große Veränderung in Deinem Leben vorbereitet.“

Denn bald beginnt das große bunte Rückkehr-Abenteuer. Doch „bevor Du mit Deiner Familie in Dein Heimatland zurückkehrst, bleibst Du möglicherweise zusammen mit anderen Familien, die auf ihre Abreise warten, in einer Einrichtung. Möglicherweise darfst Du die Einrichtung verlassen, vielleicht aber auch nicht.“

Und wenn Deine Familie und Du nicht aus der „Einrichtung“ herausdürfen, dann sagen das bestimmt die zuvorkommenden Erwachsenen, „deren Aufgabe es ist, Dir und Deiner Familie zu helfen.“ Die sind auch im nächsten Kapitel „So kommst Du zum Flughafen“ das freundliche, aber bestimmte Gesicht des Landes, das Du jetzt leider leider verlassen musst. „Diese Begleitpersonen tragen vielleicht eine besondere Weste, damit Du sie erkennen kannst. Sie sind da, um Dir zu helfen. Das ist ihre Aufgabe.“

Zeichnung mit verschiedenfarbigen Westen und der Aufschrift

„Welche Farbe wird die Weste wohl haben“, die die freundlichen Begleiter tragen? Am Flughafen geht es gleich weiter mit der bunten Fahrt ins Unbekannte. „Möglicherweise warten Begleitpersonen zusammen mit Deiner Familie. Du kannst ihnen Fragen stellen. Wenn Du etwas brauchst, können sie Dir vielleicht helfen.“ Vielleicht aber auch nicht.

Und auch die Handschellen, die vielleicht Dein Vater trägt, sind ganz normal. „So sind er und die anderen sicher“, weiß die Broschüre zu beruhigen.

Nach dem Flug ist dann auch gleich Ankunft. „Wenn Du im Heimatland Deiner Familie ankommst, steigt Deine Familie zusammen aus dem Flugzeug.“ Und dann erwartet Dich laut Frontex ein neues Leben in einem Land, wo Du viel erleben und kennenlernen darfst. Du musst keine Angst haben, denn Du darfst neue leckere Süßigkeiten und Speisen entdecken. Bekommst nette Lehrer und Freundinnen. Und das schöne neue Leben, auf das Dich die Europäische Union in der Broschüre schon einmal auf so zauberhafte Weise vorbereitet hat. Wie toll das alles doch ist!

Text der Broschüre:

Und als sei das alles nicht genug, wartet im Heft noch der aufmunternde Spruch, der aus einem Glückskeks stammen könnte: „Niemand weiß, was die Zukunft bringt, aber eines ist sicher: Du selbst gestaltest Deine Zukunft.“ In einem Land, in das Du gar nicht wolltest. Aber egal.

Denn Du hast ja auch noch das Poesiealbum aus der Broschüre, in das Du Deine Freunde und Freundinnen reinschreiben lassen oder selbst die Flagge Deiner neuen Heimat zeichnen kannst. Es gibt Ausmalbildchen, eine Seite für neue Vokabeln und sogar einen Rätselteil. So bunt war Abschiebung noch nie….

…und ekelhafter hat die Europäische Union wohl selten kommuniziert: unmenschlich, herzlos und beschämend.

text: „Niemand weiß, was die Zukunft bringt, aber eines ist sicher: Du selbst gestaltest Deine Zukunft.“

Alle Illustrationen/Bilder in diesem Artikel entstammen der Frontex-Broschüre.



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Datenschutz & Sicherheit

Die Woche, in der sich die Überwachungspläne bei uns stapelten


Fraktal, generiert mit MandelBrowser von Tomasz Śmigielski

Liebe Leser*innen,

in Berlin ist zwar die Ferienzeit angebrochen. Sommerliche Ruhe will aber nicht so recht einkehren. Denn auf unseren Schreibtischen stapeln sich die neuen Gesetzesentwürfe der Bundesregierung. Und die haben’s in sich.

Beispiele gefällig?

  • Staatstrojaner: Künftig soll die Bundespolizei zur „Gefahrenabwehr“ Personen präventiv hacken und überwachen dürfen, auch wenn „noch kein Tatverdacht begründet ist“.
  • Biometrische Überwachung: Bundeskriminalamt, Bundespolizei und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sollen Personen anhand biometrischer Daten im Internet suchen dürfen. Auch Gesichter-Suchmaschinen wie Clearview AI oder PimEyes können sie dann nutzen.
  • Palantir: Bundeskriminalamt und Bundespolizei sollen Datenbestände zusammenführen und automatisiert analysieren dürfen. Das riecht gewaltig nach Palantir – was das Innenministerium in dieser Woche bestätigt hat.

Auch in vielen Bundesländern wird über Palantir diskutiert. In Baden-Württemberg sind die Grünen soeben umgekippt. Keine gewagte Prognose: Andere werden ihre Vorsätze auch noch über Bord werfen.

Die gute Nachricht: In allen drei Bundesländern, die Palantir einsetzen – Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen -, sind jeweils Verfassungsbeschwerden gegen die Polizeigesetze anhängig. Und auch die Überwachungspläne der Bundesregierung verstoßen ziemlich sicher gegen Grundgesetz und EU-Recht. Wir bleiben dran.

Habt ein erholsames Wochenende!

Daniel


2025-07-14
1074.12
88


– für digitale Freiheitsrechte!



Euro für digitale Freiheitsrechte!

 



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Datenschutz & Sicherheit

Bauarbeiten und wie das Bargeld auf Reisen geht


Drei Menschen machen ein Selfie am Tisch
Martin, Sebastian und Chris im Studio. CC-BY-NC-SA 4.0 netzpolitik.org


Diese Recherche hat für enorm viel Aufsehen gesorgt: Über Monate hinweg hat sich Martin damit beschäftigt, wie Polizeibehörden, Banken und Unternehmen unser Bargeld verfolgen und was sie über die Geldströme wissen. Die Ergebnisse überraschten auch uns, denn sie räumen mit gängigen Vorstellungen über das vermeintlich anonyme Zahlungsmittel auf. Die Aufregung um diese Recherche rührt vielleicht auch daher, dass Behörden nicht gerne darüber sprechen, wie sie Bargeld tracken. Martin selbst spricht von einer der zähsten Recherchen seines Arbeitslebens.

Außerdem erfahrt ihr, wie wir solche Beiträge auf Sendung-mit-der-Maus-Niveau bringen und warum man aus technischen Gründen besser Münzen als Scheine rauben sollte. Wir sprechen darüber, wie wir trotz schlechter Nachrichten zuversichtlich bleiben und warum wir weitere Wände im Büro einziehen. Viel Spaß beim Zuhören!

Und falls wir es in dieser Podcast-Folge noch nicht oft genug erwähnt haben sollten: Wir freuen uns über Feedback, zum Beispiel per Mail an podcast@netzpolitik.org oder in den Ergänzungen auf unserer Website.


In dieser Folge: Martin Schwarzbeck, Sebastian Meineck und Chris Köver.
Produktion: Serafin Dinges.
Titelmusik: Trummerschlunk.


Hier ist die MP3 zum Download. Wie gewohnt gibt es den Podcast auch im offenen ogg-Format. Ein maschinell erstelltes Transkript gibt es im txt-Format.


Unseren Podcast könnt ihr auf vielen Wegen hören. Der einfachste: in dem Player hier auf der Seite auf Play drücken. Ihr findet uns aber ebenso bei Apple Podcasts, Spotify und Deezer oder mit dem Podcatcher eures Vertrauens, die URL lautet dann netzpolitik.org/podcast.


Wir freuen uns auch über Kritik, Lob, Ideen und Fragen entweder hier in den Kommentaren oder per E-Mail an podcast@netzpolitik.org.

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Datenschutz & Sicherheit

Sicherheitsupdates: IBM Db2 über verschiedene Wege angreifbar


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This article is also available in
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It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Aufgrund von mehreren Softwareschwachstellen können Angreifer IBM Db2 attackieren und Instanzen im schlimmsten Fall vollständig kompromittieren. Um dem vorzubeugen, sollten Admins die abgesicherten Versionen installieren.

Am gefährlichsten gilt eine Sicherheitslücke (CVE-2025-33092 „hoch„), durch die Schadcode schlüpfen kann. Die Basis für solche Attacken ist ein von Angreifern ausgelöster Speicherfehler. Wie ein solcher Angriff konkret ablaufen könnten, ist bislang unklar. Davon sind einer Warnmeldung zufolge die Client- und Server-Editionen von Db2 bedroht. Das betrifft die Db2-Versionen 11.5.0 bis einschließlich 11.5.9 und 12.1.0 bis einschließlich 12.1.2.

Um Systeme gegen die geschilderte Attacke zu rüsten, müssen Admins in der Warnmeldung verlinkte Special Builds installieren.

Eine weitere Schwachstelle (CVE-2025-24970) ist mit dem Bedrohungsgrad „hoch“ eingestuft. Sie betrifft das Application Framework Netty. An dieser Stelle können Angreifer Abstürze provozieren. Auch hier soll ein Special Build Abhilfe schaffen.

Die verbleibenden Schwachstellen sind mit dem Bedrohungsgrad „mittel“ versehen. An diesen Stellen können Angreifer meist ohne Authentifizierung DoS-Zustände erzeugen, was Abstürze nach sich zieht. Die dagegen gerüsteten Versionen finden Admins in den verlinkten Warnmeldungen (nach Bedrohungsgrad absteigend sortiert):


(des)



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