Künstliche Intelligenz
Polizeiliche Datenanalyse: Kommt Palantir bald für uns alle?
Der Einsatz von Palantir als polizeiliche Analysesoftware ist stark umstritten, dennoch drängen verschiedene Bundesländer auf die Einführung der Software in ganz Deutschland. Hessen und Bayern gelten als Vorreiter, in NRW ist sie ebenfalls im Einsatz und das Innenministerium in Baden-Württemberg hat kürzlich erst einen Vertrag mit Palantir geschlossen, obwohl es die gesetzliche Grundlage bislang nicht gibt, wie verschiedene Medien berichten. Datenschützer sehen das höchst kritisch und warnen davor, dass neben Verdächtigen zu viele unschuldige Menschen überwacht werden.
Eine Alternative ist bislang nicht in Sicht, jedoch arbeitet das Bundesinnenministerium daran: „Aktuell wird im Programm P20 ein beschleunigtes Vorgehen für die Implementierung der Analysekompetenz im Programm geprüft. Die Prüfung dauert an. (Zwischen-)Ergebnisse können wir Ihnen momentan nicht mitteilen“, heißt es dazu von einem Sprecher des Bundesinnenministeriums auf Anfrage von heise online.
„Zugriff von außen unmöglich“
Das Bayerische Innenministerium betont unterdessen, dass die Sicherheit der Plattform VeRA höchste Priorität habe. „Das VeRA-System verfügt über keine Internetverbindung“, heißt es – ein Zugriff von außen sei damit „weder physisch noch technisch“ möglich. Zudem sei der Quellcode der Palantir-Software vom Fraunhofer SIT geprüft worden. Eine „Backdoor“-Funktionalität habe dabei ausgeschlossen werden können. Allerdings hatte das SIT eine inzwischen geschlossene Sicherheitslücke im Update-Prozess gefunden. Fragen dazu, wie die Lücke gefunden wurde, beantwortet das SIT jedoch auch auf Anfrage von heise online nicht.
Auch wenn eine unabhängige wissenschaftliche Evaluation bislang nicht vorgesehen ist, verweist das Bayerische Innenministerium auf Erfolge in der Praxis, etwa beim Anschlag am Münchner Karolinenplatz. Das Hessische Innenministerium hat sich gegenüber heise online noch nicht geäußert.
Der Rechtswissenschaftler Dr. Jonas Botta widmet sich in seiner Arbeit am Deutschen Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung vornehmlich Fragen des Verfassungs- und Digitalrechts.
(Bild: Botta)
Wir haben mit Dr. Jonas Botta über die Rechtslage und mögliche Gefahren rund um den Einsatz von Palantir gesprochen. Er wurde im April 2025 als Sachverständiger zur aktuellen Polizeirechtsreform in Sachsen-Anhalt angehört, die auch eine Rechtsgrundlage für die polizeiliche Datenanalyse vorsieht.
In mehreren Bundesländern wird derzeit darüber diskutiert, die Datenanalyse-Software „Gotham“ des US-Unternehmens Palantir in der Polizeiarbeit einzusetzen. Was sind aus Ihrer Sicht die größten Kritikpunkte an diesem Vorhaben?
Es gibt zwei zentrale Problembereiche. Erstens die Frage, ob die Rechtsgrundlagen für eine solche polizeiliche Datenanalyse überhaupt verfassungsgemäß sind. Denn selbst ohne Palantir ist es schon ein erheblicher Grundrechtseingriff, wenn Daten aus verschiedenen Quellen zusammengeführt werden. Dabei entsteht ein neuer Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung – einfach durch die Verknüpfung.
Die Frage ist: Wie leicht oder schwer ist es für die Polizei, eine solche Analyse durchzuführen? Zum Beispiel in Sachsen-Anhalt, wo derzeit über eine Rechtsgrundlage für die polizeiliche Datenanalyse beraten wird, ist die Schwelle dafür aus meiner Sicht viel zu niedrig angesetzt. Zweitens geht es um die technische Umsetzung: Lässt es sich mit Datenschutz und digitaler Souveränität vereinbaren, im öffentlichen Sicherheitssektor auf die Software „Gotham“ von Palantir zu setzen? Meines Erachtens „nein“.
Das Bundesverfassungsgericht hat sich ja 2023 dazu geäußert…
Das Gericht hat klargestellt: Eine Datenanalyse durch die Polizei ist nicht per se verboten – aber es gelten hohe Anforderungen. Die Schwelle für den Einsatz liegt bei einer geheimen Überwachungsmaßnahme. Das heißt: Es muss für ein besonders gewichtiges Rechtsgut – wie den Schutz des Lebens – eine zumindest hinreichend konkretisierte Gefahr bestehen. Diese Hürde wird in aktuellen Polizeigesetzen bzw. Gesetzentwürfen nicht ausreichend berücksichtigt.
Gibt es denn Beispiele, bei denen die Software bisher erfolgreich war?
Das ist genau der Punkt: Es gibt keine belastbare wissenschaftliche Evaluation. In Hessen wird immer wieder darauf verwiesen, dass man 2018 mit der Software einen terroristischen Anschlag verhindert habe. Laut Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung geht es in der Praxis zum Beispiel in Bayern häufiger um Delikte gegen Eigentums- und Vermögenswerte wie Bandenhehlerei, nicht um Terrorismus.
Welche Rolle spielt dabei die Kontrolle durch Datenschutzbehörden?
Eine sehr zentrale. Das Bundesverfassungsgericht verlangt mindestens alle zwei Jahre eine unabhängige Kontrolle durch die externen Aufsichtsbehörden und auch die internen Datenschutzbeauftragten sind in die Pflicht zu nehmen, etwa um Stichproben durchzuführen. In Sachsen-Anhalt fehlt ein solches Kontrollkonzept bislang völlig. Das ist für mich unverständlich und verfassungsrechtlich bedenklich.
Und wie sieht es mit der konkreten Nutzung von Palantir aus – gibt es da keine staatliche Kontrolle?
Der Staat müsste in der Lage sein, das System technisch und inhaltlich zu durchdringen – auch wenn Geschäftsgeheimnisse betroffen sind. Nur so kann er überwachen, ob die Grundrechte eingehalten werden. Aber genau das ist bei Palantir problematisch. Palantir schickt laut Medienberichten sogar eigene Mitarbeiter in die Behörden, um die Software zu betreuen. Das unterläuft die staatliche Souveränität.
Wird es denn auf Bundesebene bald eine einheitliche Regelung geben?
Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass auch auf Bundesebene eine Polizeirechtsreform ansteht, vielleicht schon nach der parlamentarischen Sommerpause. Nach der Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die Datenanalyse wäre dann der Einsatz von „Gotham“ wahrscheinlich. Aber schon der Ampel-Entwurf für eine Polizeirechtsreform aus dem letzten Jahr war in Teilen verfassungswidrig, insbesondere weil eine dauerhafte Datenzusammenführung geplant war – ohne eigene Ermächtigungsgrundlage.
Die Bundesdatenschutzbeauftragte Louisa Specht-Riemenschneider hatte von einer Superdatenbank gesprochen, was ist damit gemeint?
Es geht um die dauerhafte Zusammenführung wesentlicher Inhalte polizeilicher Datenbanken – also nicht nur anlassbezogen zur Analyse. Das ist ein besonders schwerwiegender Eingriff und müsste gesetzlich gesondert geregelt sein. Doch in bisherigen Entwürfen wurde diese Superdatenbank einfach „hineingemogelt“ ohne klare Verankerung im Normtext. Das ist grundrechtswidrig.
Würden Sie denn eine temporäre, anlassbezogene Datenanalyse für vertretbar halten?
Ja, wenn sie klar gesetzlich geregelt und gut kontrolliert ist. Aber es müssten hohe Hürden für die Analyse gelten. Eine flächendeckende Verknüpfung unterschiedlichster Daten – etwa zu Personengruppen, Delikten oder Gefährdungsstufen – ist nur in absoluten Ausnahmefällen gerechtfertigt.
Welche Rolle spielt die EU-KI-Verordnung in diesem Zusammenhang?
Die KI-Verordnung ist primär Produktsicherheitsrecht und richtet sich an Anbieter von KI-Systemen. Aber auch Behörden, die solche Systeme betreiben oder verändern, unterliegen bestimmten Pflichten – etwa zur Durchführung von Grundrechts-Folgenabschätzungen oder zur Registrierung in einer europäischen Datenbank. Diese Strukturen sind aber noch nicht vorhanden. Auch wer die Aufsicht führen soll, ist in Deutschland noch unklar.
Was ist mit der Frage nach Datensouveränität und dem Zugriff aus dem Ausland?
Das ist ein weiterer kritischer Punkt. Bei US-amerikanischen Anbietern besteht immer das Risiko, dass US-Behörden auf die Daten zugreifen könnten – etwa über den Cloud Act. Das gefährdet die digitale Souveränität und das Vertrauen der Bürger in den deutschen Staat und seine Institutionen. Deshalb wäre es aus meiner Sicht ein Gewinn, wenn man sich aus der faktischen Monopolstellung von Palantir befreite.
Was sollte man jetzt tun?
Erstens: Die digitalen Befugnisse der Polizeibehörden auf solide, verfassungskonforme Füße stellen. Zweitens: Eine echte wissenschaftliche Evaluation durchführen – was bringt die Software wirklich? Drittens: Unabhängige, kontrollierbare Alternativen entwickeln, idealerweise staatlich oder zumindest in Europa. Es geht nicht darum, Digitalisierung zu verhindern – sondern sie grundrechtskonform und souverän zu gestalten.
(mack)
Künstliche Intelligenz
iX-Workshop: E-Rechnungspflicht – Anpassung von Faktura- und ERP-Software
Seit 2025 gilt in Deutschland die gesetzliche Verpflichtung zur strukturierten E-Rechnung im B2B-Bereich. Das betrifft insbesondere Softwareentwickler und Hersteller von Faktura- oder ERP-Software, die nun ihre Produkte entsprechend anpassen müssen.
Interaktiv und praxisnah
Unser Workshop E-Rechnungspflicht: Software richtig implementieren bietet Ihnen eine praxisnahe Anleitung, wie Sie die neuen XML-Formate des europäischen Rechnungsstandards EN16931, wie Cross Industry Invoice (CII), Universal Business Language (UBL), Factur-X und ZUGFeRD, sowie XRechnung im B2G-Bereich, unterstützen, prüfen und umwandeln können. Sie beschäftigen sich mit den Rollen, den Darstellungsdetails, der Umwandlung, der Prüfung und Umsetzung der X(ML)-Rechnung. Dazu gehören praktische Übungen, in denen Sie die verschiedenen XML-Formate kennen und anwenden lernen.
Oktober 06.10. – 10.10.2025 |
Online-Workshop, 09:00 – 12:30 Uhr 10 % Frühbucher-Rabatt bis zum 07. Sep. 2025 |
Der nächste Workshop findet vom 06. bis 10. Oktober 2025 statt und richtet sich an Softwareentwickler und Projektleiter, die Software herstellen, Rechnungen erstellen oder einlesen, sowie an ERP-Softwarehersteller und Data Scientists, die Auswertungen erstellen. An drei Vormittagen (06., 08. und 10. Oktober) treffen Sie sich online in der Gruppe mit dem Trainer. Für den zweiten und vierten Tag nehmen Sie Aufgaben mit, die Sie selbstständig lösen und am Folgetag in der Gruppe besprechen können.
Durch den Workshop führen Andreas Pelekies, technischer Erfinder des ZUGFeRD-Standards und (Co-)Autor verschiedener internationaler Standards, sowie Jochen Stärk, Diplom-Wirtschaftsinformatiker und Backend-Entwickler. Beide verfügen über langjährige Erfahrung in der Softwareentwicklung und haben sich auf Themen rund um die E-Rechnung spezialisiert.
(ilk)
Künstliche Intelligenz
Strippenlos: Ladeständer für AirPods Max und weitere AirPods
Inzwischen lassen sich fast alle Apple-Mobilgeräte auf Wunsch auch drahtlos aufladen, sei es nun ein iPhone via MagSafe oder AirPods-Stöpsel und Apple Watch via Ladepuck. Bei den AirPods Max, Apples teuren Over-Ear-Kopfhörern, fehlt die Funktion hingegen. Zwar sind sie seit dem vergangenen Jahr erstmals mit einer USB-C-Ladefunktion (statt proprietärem Lightning-Anschluss) ausgerüstet, doch eine induktive Stromversorgung hat Apple nicht eingebaut. Stattdessen lädt man die Geräte mittels Strippe, deren Stecker man, sofern sich die AirPods Max in ihrer Hülle befinden, mehr schlecht als recht in die Buchse hineinfriemeln muss. Der langjährige Apple-Zubehöranbieter Mophie, ein Tochterunternehmen von Zagg, hat hier jetzt eine Lösung parat, von der man sich fragt, warum sie jetzt erst aufgetaucht ist: einen Ladeständer speziell für die Apple-Over-Ears, der zudem noch ein zweites Gerät mit Strom versorgen kann.
Magnetischer Dongle
Der AirPods Max Charging Stand hat zwei Einsätze aus Silikon, in die die Ohrmuscheln genau hineinpassen. Statt mit einem ausgefahrenen Stecker zu arbeiten – was einfacher gewesen wäre –, setzt Mophie zur Verbindungsherstellung auf einen USB-C-Dongle, der in die USB-C-Buchse der AirPods Max gesteckt wird.
Dieser ist magnetisch und sorgt dafür, dass die Kopfhörer stets korrekt über den Ladepins platziert werden. Den von Mophie publizierten Bildern nach zu urteilen ist der Dongle flach, dürfte aufgrund seiner dunklen Farbe aber je nach AirPods-Max-Variante hervorstechen.
Alu, aber hoher Preis
Nützlich ist, dass die AirPods Max sofort nach dem Auflegen in den Schlafmodus wechseln, also nicht unnötig weiter Strom verbrauchen. Der Schlafmodus wird auch aktiv, wenn man die AirPods Max in ihre Hülle einlegt. Neben der AirPods-Max-Ladefunktion hat der AirPods Max Charging Stand noch eine zweite Funktion: Unten befindet sich eine Qi-fähige Ladematte. Diese lässt sich etwa zum gleichzeitigen Laden regulärer AirPods-Stöpsel mit drahtlosem Ladecase nutzen – ob andere Geräte wie Handys genügend Platz finden und auch Apple-Uhren geladen werden können, blieb zunächst unklar.
Mophie macht auch keine Angaben dazu, ob der AirPods Max Charging Stand ein eigenes Netzteil mitbringt oder eine USB-C-Stromversorgung benötigt. Ein Kabel scheint beizuliegen. Mophie will für die AirPods-Max-Lader eine ganze Stange Geld: Das aus Alu und Silikon gefertigte Gerät steht mit 139,95 Euro in der Preisliste. Aktuell gibt es 5 Euro Rabatt, nach Deutschland zahlt man für das Porto nichts.
(bsc)
Künstliche Intelligenz
Missing Link: Die Physik hinter dem Blutmond
Eine totale Mondfinsternis – wie die vom Sonntagabend – gehört zu den faszinierendsten astronomischen Ereignissen, die sich mit bloßem Auge beobachten lassen. Wenn der Vollmond in den Schatten der Erde gleitet, verschwindet er nicht einfach, sondern verwandelt sich in eine rötlich schimmernde Scheibe – den sogenannten „Blutmond“. Dieses Phänomen, das in früheren Zeiten oft als Omen gedeutet wurde, hat eine rein physikalische Ursache, die eng mit der Erdatmosphäre verknüpft ist.
Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.
Totale Mondfinsternis: Tanz im Kernschatten
Eine Mondfinsternis tritt nur bei Vollmond auf, wenn Sonne, Erde und Mond exakt in einer Linie stehen. Der Mond durchquert dabei den Schatten, den die Erde in den Weltraum wirft. Dieser Schatten besteht aus zwei Teilen: dem Halbschatten (Penumbra) und dem Kernschatten (Umbra). Während der Mond im Halbschatten nur leicht abgedunkelt wird, beginnt das eigentliche Spektakel, sobald er vollständig in den Kernschatten eintritt. Von der Mondoberfläche aus gesehen wäre die Sonne nun komplett von der Erdscheibe verdeckt. Man sollte annehmen, dass der Mond jetzt komplett finster ist – doch das ist er nicht.
Ablauf der Mondfinsternis am 7. September 2025
(Bild: Peter Rein)
Atmosphäre als Linse und Filter
Der Grund für das rötliche Leuchten ist die Erdatmosphäre. Sie wirkt wie eine gigantische, sphärische Linse, die das Sonnenlicht, das an der Erde vorbeistreift, bricht (refraktiert) und in den an sich dunklen Kernschatten lenkt. Ohne Atmosphäre gäbe es keinen Blutmond; der Mond wäre während der Totalität nahezu unsichtbar.
Doch warum ist das Licht rot? Hier kommt die Rayleigh-Streuung ins Spiel. Namensgebend ist John William Strutt, der dritte Baron Rayleigh. Es handelt sich um denselben Effekt, der uns tagsüber einen blauen Himmel und abends einen roten Sonnenuntergang beschert. Das Sonnenlicht ist ein Gemisch aus allen Spektralfarben mit unterschiedlichen Wellenlängen. Wenn dieses Licht auf die Moleküle in der Erdatmosphäre trifft, wird kurzwelliges, blaues Licht sehr viel effektiver in alle Richtungen gestreut als langwelliges, rotes Licht.
Die Rayleigh-Streuung beschreibt die elastische Streuung elektromagnetischer Wellen an Teilchen, deren Durchmesser deutlich kleiner als die Wellenlänge λ ist – beispielsweise bei der Streuung von Licht an einzelnen Molekülen. Sie tritt in der Erdatmosphäre vorwiegend an den Stickstoff- und Sauerstoff-Molekülen auf.
Das einfallende Licht versetzt die Elektronen in den Molekülen in Schwingung. Durch diese Anregung verhält sich das Molekül so, als ob es selbst ein kleiner Dipol wäre, der genau im Rhythmus des Lichts schwingt. Dieser Dipol sendet wiederum Licht aus – und zwar in derselben Wellenlänge wie das einfallende Licht.
Rayleigh-Streuung wirkt besonders stark auf kurzwelliges, also blaues Licht: Die Intensität der gestreuten Strahlung ist umgekehrt proportional zur vierten Potenz der Wellenlänge:
Die Intensität der Rayleigh-Streuung ist umgekehrt proportional zur vierten Potenz der Wellenlänge.
Dabei ist I die Intensität des gestreuten Lichts, I0 die ursprüngliche Intensität, λ die gestreute Wellenlänge und λ0 die Referenzwellenlänge.
Etwas komplizierter sieht die Formel für die Streuintensität in Abhängigkeit vom Streuwinkel θ aus; r ist dabei der Abstand von der Streuquelle, α die Polarisierbarkeit:
Rayleigh-Streuung in Abhängigkeit des Streuwinkels
Die Abhängigkeit der Streuintensität von λ-4 führt dazu, dass blaues Licht deutlich stärker gestreut wird als das rote Licht:
Blaues Licht Iblau (λblau = 450 nm) wird etwa 5,9 mal stärker gestreut als rotes Licht Irot (λrot = 700 nm).
Während das Sonnenlicht den Weg durch die Erdatmosphäre am Tag-Nacht-Rand der Erde zurücklegt, wird daher der kurzwelligere blaue Anteil fast vollständig herausgefiltert und weggestreut. Übrig bleibt primär der rote Lichtanteil, der seinen Weg relativ ungestört fortsetzt. Dieses tiefrote Licht wird durch die Atmosphäre wie durch eine Linse gebrochen und genau in den Kernschattenkegel gelenkt, wo es auf die Mondoberfläche trifft und von dort zur Erde zurückgeworfen wird.
Theoretisch ist dieser rote Schimmer immer vorhanden, wenn der Mond dicht über dem Horizont steht. Unter üblichen Bedingungen überwiegt das von der Sonne reflektierte jedoch weiß-gelbe Licht so deutlich, dass ein roter Anteil vollständig überstrahlt wird. Daher ist er beim unverdunkelten Vollmond für Erdbeobachter praktisch nicht wahrnehmbar.
Eine deutliche untergeordnete Rolle beim Blutmond spielt die Mie-Streuung, benannt nach dem deutschen Physiker Gustav Mie. Sie beschreibt die Streuung elektromagnetischer Wellen an Partikeln in der Größenordnung der Wellenlänge, sofern die Oberfläche der Partikel ein elektromagnetisches Feld erzeugt, welches zu einer Beugung der Welle führt. Die Mie-Streuung kann jedoch die Intensität und Nuancierung des rötlichen Lichts beim Blutmond beeinflussen, weil sie bei größeren Aerosolen und Staubpartikeln auftritt und zu einer insgesamt weißlicheren Streuung führt.
Ein ebenfalls beeindruckendes Naturschauspiel könnte man hypothetisch vom Mond selbst aus fotografieren, denn für einen dortigen Beobachter wäre die Erde während der totalen Mondfinsternis eine pechschwarze Scheibe, die von einem leuchtend roten Ring umgeben ist.
Eine Frage der Helligkeit: 19 Blendenstufen Unterschied
Trotz des beeindruckenden Anblicks ist der Blutmond extrem dunkel. Die Helligkeit des Mondes während der Totalität ist etwa 600.000-mal geringer als die eines normalen Vollmonds. Für Fotografen bedeutet das: Man muss die Belichtung um rund 19 Blendenstufen erhöhen, um ein korrekt belichtetes Bild zu erhalten.
Diese extreme Dunkelheit ist auch der Grund, warum der rote Schimmer schlagartig verschwindet, sobald der Mond den Kernschatten wieder verlässt. Selbst ein winziger, wieder direkt von der Sonne beschienener Sichelrand des Mondes überstrahlt das schwache, rötliche Restlicht so stark, dass es für unser Auge unsichtbar wird.
Die genaue Farbe und Helligkeit des Blutmonds kann dabei variieren – von einem leuchtenden Kupferrot bis zu einem tiefen, fast schwarzen Dunkelrot. Dies hängt vom Zustand der Erdatmosphäre ab: Sind die Luftschichten entlang des Terminators sehr staubig oder durch Vulkanausbrüche mit vielen Aerosolen angereichert, gelangt weniger Licht in den Kernschatten und der Mond erscheint dunkler. Eine saubere Atmosphäre sorgt hingegen für eine hellere und intensiver gefärbte Finsternis.
Letztlich ist der Blutmond also kein unheilvolles Zeichen, sondern ein wunderbares Lehrstück der Optik – eine Demonstration, wie die Atmosphäre unseres eigenen Planeten das Licht der Sonne malt und den nächtlichen Himmel in ein Kunstwerk verwandelt.
Wir wünschen viel Spaß beim Fotografieren und drücken die Daumen, dass sie einen wolkenlosen Himmel haben. Wer dieses Mal kein Glück mit dem Blutmond hat, kann es in Deutschland wieder am Silvesterabend 2028 versuchen.
(vza)
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