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Datenschutz & Sicherheit

So will die EU die KI-Verordnung umsetzen


Zwei neue Dokumente sollen die Zukunft der KI-Regulierung in der EU mitbestimmen. Es geht darum, an welche Regeln sich mächtige KI-Modelle wie ChatGPT, Meta AI oder Gemini halten sollen. Wie transparent müssen die Systeme sein? Wie gut müssen sie die Daten schützen, die Nutzer*innen ihnen anvertrauen?

Die Grundlage dafür ist die neue KI-Verordnung (AI Act) der Europäischen Union, die nun schrittweise in Kraft tritt. Das Gesetz selbst ist aber an vielen Stellen deutungswürdig. Deshalb sollen jetzt Leitlinien und ein Verhaltenskodex klären, wie genau die EU-Kommission diese Regeln anwenden will – und was Unternehmen tun müssen, um Ärger zu vermeiden. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Für wen gelten Leitlinien und Kodex?

Die Leitlinien und der Kodex beziehen sich auf KI-Modelle mit allgemeinem Verwendungszweck (auf Englisch: „General-Purpose AI Models“). Gemeint sind Anwendungen wie ChatGPT oder Meta AI, die sich für erstaunlich viele verschiedene Dinge einsetzen lassen, indem sie beispielsweise Texte, Töne, Bilder oder Videos generieren.

Besser greifbar wird das anhand einiger Beispiele, welche KI-Modelle aus Sicht EU-Kommmission nicht darunterfallen. Den Leitlinien zufolge sind das etwa Modelle, die einfach nur…

  • einen Text in Audio umwandeln,
  • Schach spielen,
  • das Wetter vorhersagen oder
  • Soundeffekte erstellen.

Bei solchen und weiteren KI-Modellen ist der Verwendungszweck nicht allgemein, sondern schmal.

Als weiteres Kriterium nennt die EU die Rechenleistung, die beim Training eines KI-Modells zum Einsatz kam, gemessen in der Einheit FLOP („Floating Point Operations“). Der Schwellenwert von 1023 FLOP ist demnach ein Indikator für ein KI-Modell mit allgemeinem Verwendungszweck.

Ob man das in einigen Jahren noch genauso sieht? Die Leitlinien bezeichnen es selbst als eine „nicht zuverlässige Annäherung“, die sich mit dem technologischen Fortschritt verändern könne.

Was sollen betroffene KI-Anbieter machen?

Die Verpflichtungen für Anbieter von KI-Modellen mit allgemeinem Verwendungszweck lassen sich auf drei Bereiche herunterbrechen. Ausführlich beschrieben werden sie im KI-Verhaltenskodex.


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  • Erstens sollen KI-Anbieter Transparenz schaffen, etwa über die Größe des Modells, die Trainingsdaten, den Energieverbrauch und die unternommenen Versuche, Fehler und Verzerrungen („bias“) einzudämmen.
  • Zweitens sollen KI-Anbieter Urheberrechte wahren. Sie sollen zum Beispiel keine Inhalte von Websites erfassen, deren Betreiber dem widersprechen; und sie sollen Maßnahmen ergreifen, um möglichst keine Inhalte erzeugen, die ihrerseits Urheberrechte verletzen.
  • Drittens sollen KI-Anbieter sich um Sicherheit und Gefahrenabwehr kümmern. Als konkrete Gefahren nennt der Kodex etwa Diskriminierung, das Abfließen sensibler Daten, die Erstellung illegaler Inhalte oder auch der Einfluss auf die öffentliche mentale Gesundheit. All das sind Aspekte, die beispielsweise Nachrichtenmedien mit Blick auf ChatGPT und ähnliche Modelle längst diskutieren.

Sind Leitlinien und Kodex verpflichtend?

Nein, die KI-Leitlinien und der Verhaltenskodex sind nicht verpflichtend – aber wer sich nicht daran hält, kann trotzdem Probleme bekommen. Das klingt paradox, lässt sich aber erklären, wenn man die Funktion der Regelwerke genauer betrachtet.

Die Grundlage für alles ist die KI-Verordnung, auf die sich Kommission, Rat und Parlament im legislativen Prozess geeinigt haben. Sie ist das Gesetz. Ob jemand gegen dieses Gesetz verstößt oder nicht, das entscheiden im Zweifel Gerichte. Die KI-Verordnung ist aber, wie so viele Gesetze, sehr allgemein formuliert und deutungswürdig.

Hier kommen die Leitlinien ins Spiel. Die EU-Kommission schreibt: Die Leitlinien „verdeutlichen“, wie die Kommission das Gesetz auslegt. Schließlich ist es die Kommission – genauer gesagt: das KI-Büro (AI Office) – das als Regulierungsbehörde über etwaige Verstöße wacht und entsprechende Verfahren einleitet. Doch selbst die Leitlinien sind noch recht allgemein formuliert.

Hier kommt der KI-Verhaltenskodex ins Spiel. Er buchstabiert genauer aus, welche Anforderungen betroffene KI-Systeme erfüllen sollen. Doch auch das ist zunächst freiwillig. Auf die Bedeutung des Kodex geht die EU-Kommission in ihren Leitlinien näher ein. Demnach „können“ betroffene Anbieter die Einhaltung ihrer Verpflichtungen aus der KI-Verordnung nachweisen, indem sie dem Kodex folgen. Wer das lieber nicht tun möchte, müsste auf anderen Wegen den Beweis erbringen, das Gesetz einzuhalten.

Man kann sich diesen Kodex also wie eine Musterlösung vorstellen – für alle, die sich möglichst nicht mit Aufsichtsbehörden anlegen wollen. Der Meta-Konzern will sich anscheinend mit Aufsichtsbehörden anlegen und hat bereits angekündigt, den Kodex nicht befolgen zu wollen. Schon während der Kodex entstand, beklagten Beobachter*innen, wie Konzern-Lobbyist*innen die Regeln zu ihren Gunsten verwässern.

Sind nun alle Fragen geklärt?

Überhaupt nicht. Die Leitlinien zeigen eher auf, auf welchen Ebenen es Konflikte geben wird. Gerade Unternehmen mit starken Rechtsabteilungen dürften versuchen, sich gegen Auflagen und Verpflichtungen zu wehren.

  • Bevor ein Mensch ein KI-System nutzt, war oftmals eine Reihe von Akteur*innen beteiligt: vom Training des KI-Modells über den Betrieb eines konkreten Dienstes wie ChatGPT bis hin zu spezifischen Anwendungen, die mittels Schnittstellen funktionieren. Wer genau muss sich nun an die Leitlinien und den Kodex halten? Die EU-Kommission versucht das in den Leitlinien anhand von Beispielen zu verdeutlichen. Konflikte um konkrete Einzelfälle dürften unvermeidbar sein.
  • Manche KI-Modelle mit allgemeinem Verwendungszweck will die EU-Kommission besonders ins Visier nehmen. Sie gelten zusätzlich als „systemisches Risiko“ und stehen deshalb unter verschärfter Aufsicht. Entscheidend für diese Einstufung ist laut Leitlinien etwa, ob ein KI-Modell zu den „fortschrittlichsten“ gehört. Durch diese vage Formulierung kann die EU-Kommission zwar flexibel auf technologischen Wandel reagieren. Aber sie gibt widerspenstigen Unternehmen auch Gelegenheit, sich gegen eine unliebsame Einstufung zu wehren.
  • Die Leitlinien weisen selbst darauf hin, dass harmonisierte Standards noch fehlen. Dieser Prozess ist komplex und wird dauern. Der Verhaltenskodex sei nur ein temporäres Werkzeug. Gerade wenn Regulierungsstandards den wirtschaftlichen Interessen von Konzernen im Weg stehen, ist eine jahrelange Lobbyschlacht um jedes Detail zu erwarten.

Welchen Zeitplan gibt es für Leitlinien und Kodex?

Wer EU-Regulierung verfolgt, braucht viel Geduld. Es gibt drei wichtige Stichtage über die nächsten drei Jahre:

  • Schon sehr bald, am 2. August 2025, treten die Verpflichtungen der KI-Verordnung für Anbieter von KI-Modellen mit allgemeinem Verwendungszweck in Kraft, wie die EU-Kommission auf einer Infoseite erklärt. Das ganz ist aber eher eine Übergangsphase.
  • Denn erst ein Jahr später, ab dem 2. August 2026, treten auch die Durchsetzungsbefugnisse der EU-Kommission in Kraft. Das heißt: Erst ab dann müssten säumige Unternehmen damit rechnen, eventuell Ärger von der Regulierungsbehörde zu bekommen, etwa durch Geldbußen.
  • Für bereits verfügbare KI-Modelle – von ChatGPT bis Meta AI – gibt es eine noch längere Schonfrist. Denn wer sein KI-Modell schon vor dem 2. August 2025 auf den Markt gebracht hat, muss die Verpflichtungen aus der KI-Verordnung erst in zwei Jahren erfüllen, also ab dem 2. August 2027.



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Bundesregierung darf bei Zuckerberg bleiben


Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung darf seine „Facebook-Fanpage“ weiterbetreiben. Dies hat das Verwaltungsgericht Köln aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. Juli 2025 entschieden und damit den gegen die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationssicherheit (BfDI) gerichteten Klagen des Bundes und vom Konzern Meta stattgegeben.

Der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hatte im Juni 2023 dem Bundespresseamt untersagt, eine Facebook-Fanpage für die Bundesregierung zu betreiben. Dagegen haben sich sich sowohl das Amt wie auch der Meta-Konzern gewehrt – und geklagt. Der Fall wurde vor dem Verwaltungsgericht Köln verhandelt.

Das Gericht hat nun entschieden, dass nicht das Bundespresseamt, sondern allein Meta zur Einholung einer Einwilligung der Endnutzenden für die Platzierung von Cookies verpflichtet sei. „Es besteht kein ausreichender Ursachen- und Wirkungszusammenhang zwischen dem Betrieb der Fanpage durch das Bundespresseamt und dem mit der Speicherung und dem Auslesen der Cookies verbundenen Fernzugriff auf die Endgeräte der Nutzer“, so das Gericht. Die Cookies könnten zwar bei Gelegenheit des Besuches einer Fanpage, ebenso jedoch bei dem Besuch einer jeden anderen „Facebook-Seite“ platziert werden.

Auch nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) seien Meta und das Bundespresseamt nicht gemeinsam für die beanstandeten Datenverarbeitungen verantwortlich, heißt es weiter. Der Beitrag des Bundespresseamtes zur Speicherung und zum Auslesen der Cookies erschöpfe sich in dem Betrieb der Fanpage. Insbesondere könne das Bundespresseamt keine Parameter für die Platzierung der Cookies und die Auswertung der erhobenen Daten vorgeben. Die bloße Ermöglichung einer Datenverarbeitung begründet nach Auffassung der Kammer indessen nicht die notwendige gemeinsame Festlegung der Mittel der Datenverarbeitung.

Datenschutzbeauftragte hatten Deaktivierung gefordert

Fanpages sind Webseiten auf dem sozialen Netzwerk Facebook, die technisch vom Meta-Konzern betrieben werden – mit all den Datenschutz-Nachteilen, die das auf einer Plattform wie Facebook so mit sich bringt.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte ging davon aus, dass ein datenschutzkonformer Betrieb von Facebook-Fanpages nicht möglich ist. Das sahen auch die unabhängigen Datenschutzbehörden der Länder so und haben schon 2022 einen Kurzgutachten (PDF) verfasst, in dem sie die Deaktivierung von offiziellen Behördenseiten fordern, wenn diese einen datenschutzkonformen Betrieb nicht nachweisen können. Behörden hätten eine Vorbildfunktion und müssten sich an den Datenschutz halten, so der Tenor.

Der ehemalige Datenschutzbeauftragte Kelber ging wie schon der Europäische Gerichtshof davor davon aus, dass nicht nur Facebook, sondern auch die Bundesregierung für die Verarbeitung der Daten verantwortlich sei. Das liege daran, dass Facebook den Betreibern von Fanpages Statistiken, so genannte Insights, zur Verfügung stellt.


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Diese Funktion stellte jedoch das Bundespresseamt ab. Kelber ließ das nicht gelten und sah weiterhin eine Verantwortung der Bundesregierung. Seine Nachfolgerin Louisa Specht-Riemenschneider hatte im Spiegel-Interview aber angedeutet, dass das Ausschalten der Statistik ausreichen könnte.

Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Sitz in Münster entscheiden würde, wenn die Beteiligten dieses Rechtsmittel einlegen.

Politisch verbiete sich die Fanpage

Kelber sieht die Nutzung der Fanpages des US-Konzerns weiterhin kritisch. Er bezweifelt, dass dort nur die Daten eingesammelt werden, „die für den Service notwendig sind“. Es ginge auch nicht nur um die Frage der geteilten Verantwortung.

Es müsse nämlich auch zwischen datenschutzrechtlicher und politischer Bewertung unterschieden werden, so Kelber. Er fragt etwas provokant: „Kein Koalitionspolitiker gibt z.B. der Jungen Freiheit ein Interview. Aber auf X und Meta präsent sein, das soll ok sein?“

Er schreibt, dass schon die Tatsache, „dass Meta Daten über Bürger:innen sammelt, die mit der Regierung kommunizieren“, kritisch sei. Politisch verbiete dies den Betrieb der Fanpage. „Und keine Bundesregierung hat bisher wirklich Druck ausgeübt, dass dies unterbleibt“, so Kelber. Das sei unverständlich.

Update 17:18 Uhr:
In einer Pressemitteilung schreibt die Bundesdatenschutzbeauftragte Louisa Specht-Riemenschneider: „Ich werde mir die Urteilsbegründung sehr gründlich ansehen und entscheiden, ob ich die Sache der nächsthöheren Instanz, dem Oberverwaltungsgericht Münster, zur Entscheidung vorlege.“



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Senat prescht vor: Hamburg will Bezahlkarten ausweiten


Hamburg plant, das Modell von Bezahlkarten auszuweiten. Wie aus einer Antwort des Senats auf eine parlamentarische Frage der Linken-Abgeordneten Carola Ensslen hervorgeht, bereitet die Finanzbehörde der Stadt „ein Vorprojekt in Hamburg vor, in dem die Prozesse in den bezirklichen Dienststellen mit Barauszahlungen an den Zahlstellen aufgenommen werden sollen“.

Eingeführt hatte Hamburg zunächst Bezahlkarten für Geflüchtete Anfang des Vorjahres. Dabei handelt es sich um eigens geschaffene Zahlungskarten, üblicherweise geknüpft an restriktive Bedingungen, etwa Limits für Bargeldabhebungen. Inzwischen gibt es seit dem Asylbewerberleistungsgesetz eine bundesweite Regelung, Bundesländer haben jedoch weitreichenden Gestaltungsspielraum.

In Hamburg ist etwa der maximale Abhebebetrag auf 50 Euro im Monat beschränkt, zudem sind Online-Käufe mit der dortigen Bezahlkarte nicht möglich. Das Modell ist umstritten, weil es diskriminiert und den „Charakter einer Schikanemaßnahme“ hat, wie die Grundrechteorganisation Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) ausführt.

Bezahlkarte als „Verwaltungsmodernisierung“

Ob und mit welchen Einschränkungen eine ausgeweitete Bezahlkarte verknüpft wäre, steht noch nicht fest. Allerdings prüfe die Stadt Hamburg seit 2023, wie „die Bargeldausgabe durch die Stadt an Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfänger aber auch für andere Prozesse durch den Einsatz moderner Zahlungsmittel reduziert werden kann“, teilt die hamburgische Behörde für Finanzen auf Anfrage mit. Generell gehe es um „Bürokratieabbau und Verwaltungsmodernisierung“, indem Menschen nicht mehr in die Zahlstellen kommen müssten, um ihr Geld zu erhalten, so ein Sprecher der Behörde.

Tatsächlich hat der Prozess bereits begonnen. „Auch wenn aktuell die Nutzung dieser Karten für Asylbewerbende im Fokus steht, wurden erste Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter bereits mit Karten ausgestattet, um darüber zum Beispiel Taschengeld an Jugendliche in betreuten Einrichtungen auszahlen zu können“, so der Sprecher weiter. In den nächsten Monaten werde die Behörde nun „weitere geeignete Prozesse und Leistungen gemeinsam mit den Bezirken und der Sozialbehörde aufnehmen und die Kartennutzung sukzessive ausrollen“.


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Davor warnt Carola Ensslen, die die Anfrage gestellt hatte. „Es war absehbar, dass die repressive Bezahlkarte auch auf andere Leistungsempfänger*innen ausgedehnt würde“, schreibt die Abgeordnete in einer Pressemitteilung. Bei der Ausdehnung auf die Altersgrundsicherung und Sozialhilfe werde es nicht bleiben, vermutet sie. „Was harmlos mit der Abschaffung von Bargeldauszahlungen beginnt, schafft die Möglichkeit für Einschränkungen der Geldnutzung wie bei Geflüchteten“, sagt Ensslen.

„Möglichkeit für Einschränkungen der Geldnutzung“

Dabei sei bisher völlig unklar, was mit einer kostspieligen Bezahlkarte in der Sozialhilfe bezweckt werden soll, sagt Lena Frerichs von der GFF. Schließlich würden vor allem Menschen Sozialhilfeleistungen beziehen, die nicht erwerbsfähig sind oder schon das Rentenalter erreicht hätten. „An der fehlenden Erwerbsfähigkeit oder gar dem Alter wird eine Bezahlkarte nichts ändern“, sagt Frerichs. Die kostengünstigste, digitale Lösung mit geringem Verwaltungsaufwand sei es, die Geldbeträge – wie bisher auch – auf das normale Konto dieser Personen zu überweisen, damit sie ein selbstbestimmtes Leben führen können, sagt die Juristin.

Skandalös sei es, so Frerichs, wenn Sozialhilfeberechtigte durch solche Forderungen in ein schlechtes Licht gerückt werden. Es entstehe der Eindruck, als wären sie nicht in der Lage, selbstbestimmt mit Geld umzugehen oder hätten andere Optionen, ihren Lebensunterhalt zu decken. „Das ist diffamierend und gerade im Sozialhilferecht völlig fehl am Platz“, sagt Frerichs.

Außerdem bleibe ebenfalls offen, welche Beschränkungen eine Bezahlkarte im Sozialhilferecht haben soll. Aus rechtlichen Gründen kämen allenfalls Bezahlkarten ohne Bargeldbeschränkung in Betracht. „Das ist allerdings völlig sinnlos, denn diese kostet die Kommunen viel Geld, das gespart werden könnte, wenn die Sozialleistung einfach auf normale Konten überwiesen werden würde“, sagt Frerichs.



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Stadt Kenzingen zieht Rechnung für Demonstration zurück


Die südbadische Stadt Kenzingen zieht die Rechnung zurück, die sie einem Demo-Anmelder Ende Juni gestellt hatte. Der Familienvater hatte Anfang Juni eine Demonstration gegen höhere Kinderbetreuungsgebühren angemeldet, die Stadt hatte ihm danach die Kosten für die Verkehrsregelung in Rechnung gestellt. Der Fall, bei dem der Anmelder 374 Euro hätte zahlen sollen, hatte bundesweit Wellen geschlagen, weil Gebühren für Demonstrationen die Versammlungsfreiheit einschränken und eine einschüchternde Wirkung haben können.

Nun hat Dirk Schwier, der Bürgermeister der 11.000-Einwohner-Stadt, nach einer juristischen Prüfung seine Meinung geändert. „Nach der rechtlichen Einschätzung des Landratsamtes ist die Erhebung einer Gebühr für die Durchführung der Versammlung am 5. Juni nicht mit dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit vereinbar“, sagt er gegenüber netzpolitik.org. Die von der Stadt geltend gemachte Grundlage greife nicht, da es an einem dem Anmelder individuell zurechenbaren Gefahrentatbestand fehle, der die Erhebung einer Gebühr rechtfertigen würde.

„Wir werden die bestehende Rechnung stornieren“, sagt Schwier. Weil die Rechnung nicht zulässig sei, fielen die Kosten an die Allgemeinheit. Durch die jetzt erfolgte rechtliche Prüfung sei zudem klar, wie zukünftig mit den Kosten umgegangen werde, die bei Demonstrationen anfallen können.

Fall politisch noch nicht erledigt

„Mit der Rücknahme der Rechnung ist mein Fall juristisch erledigt, politisch jedoch nicht“, sagt der Anmelder der Demonstration, Alexander Feldberger, gegenüber netzpolitik.org. Der Fall habe eine strukturelle Schwäche im baden-württembergischen Recht offengelegt: Anders als in Berlin oder Bayern fehle hier eine klare gesetzliche Regelung, dass Demonstrationen nach Artikel 8 GG grundsätzlich kostenfrei sein müssen.

„Das führt zu großer Unsicherheit. Wer demonstriert, muss bei uns im Ländle jederzeit mit einem Gebührenbescheid rechnen. Das hat eine abschreckende Wirkung und schränkt die Versammlungsfreiheit faktisch ein“, so Feldberger weiter. Immerhin habe der Fall etwas angestoßen: Die Oppositionsparteien FDP und SPD hätten das Thema inzwischen aufgegriffen, im Landtag könnte nun über eine gesetzliche Klarstellung diskutiert werden. „So gesehen hat die unrechtmäßige Rechnung am Ende doch noch für dringend nötige Aufklärung gesorgt.“


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„Originäre Polizeiaufgabe“

Die Durchführung von Demonstrationen ist im Regelfall kostenlos – und das aus gutem Grund. Der Rechtsanwalt David Werdermann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hält es bereits für zweifelhaft, ob das baden-württembergische Gebührenrecht eine Grundlage für Kostenbescheide an Versammlungsleiter:innen enthält. Aus seiner Sicht könnten Versammlungsleiter:innen nur in Anspruch genommen werden, wenn sie selbst für eine Gefahr verantwortlich sind, die durch eine polizeiliche Maßnahme abgewehrt wird.

„Das ist hier erkennbar nicht der Fall“, sagt Werdermann gegenüber netzpolitik.org. „Der Aufbau der Absperrungen sollte offenbar den reibungslosen Ablauf der Versammlung gewährleisten. Das ist eine originäre Polizeiaufgabe“, so der Jurist weiter.

„Einschränkende und einschüchternde Wirkung“

Bisher sei die Pflicht für Nichtverantwortliche, entstehende Kosten zu tragen, nur ausnahmsweise bei kommerziellen Großveranstaltungen anerkannt, insbesondere bei Fußballspielen. Hier dürfen die Veranstalter auf Grundlage einer speziellen gesetzlichen Grundlage auch für Polizeikosten herangezogen werden, wenn sie selbst nicht für die Gefahren verantwortlich sind, erklärt Werdermann. Das habe das Bundesverfassungsgericht Anfang des Jahres entschieden – das sei aber nach wie vor sehr umstritten.

„Auf Versammlungen ist das nicht übertragbar. Im Gegenteil: Das Bundesverfassungsgericht betont an mehreren Stellen, dass sich aus speziellen Freiheitsrechten strengere Anforderungen ergeben“, so Werdermann weiter. Das Bundesverfassungsgericht verweist zudem auf eine Entscheidung von 2007. Darin heißt es: „Eine grundsätzliche Gebührenpflicht für Amtshandlungen aus Anlass von Versammlungen würde dem Charakter des Art. 8 Abs. 1 GG als Freiheitsrecht widersprechen“.

Auch der Staats- und Verwaltungsrechtsprofessor Clemens Arzt hält die Gebührenerhebung mindestens für umstritten. Zwar habe der Verwaltungsgerichtshof Mannheim 2009 eine Gebührenerhebung für zulässig erklärt, dem stünden jedoch andere Urteile entgegen, so Arzt gegenüber netzpolitik.org. „Ein Rückgriff auf das Landesgebührenrecht, in dem Artikel 8 des Grundgesetzes nicht zitiert wird, ist mit Blick auf die faktischen Auswirkungen einer Gebühr und deren einschränkender und einschüchternder Wirkung mit Blick auf die Versammlungsfreiheit aus Sicht des Verwaltungsgericht Karlsruhe nicht zulässig.“



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