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Datenschutz & Sicherheit

Soziale Medien sollen für Postings von Nutzer:innen haften


Soziale Medien sollen künftig in Brasilien für Inhalte von Nutzer:innen haftbar gemacht werden können. Das hat am Mittwoch eine Mehrheit der Verfassungsrichter:innen entschieden, berichtet die Nachrichtenagentur AP. Formell abgeschlossen ist das Verfahren allerdings nicht, da noch nicht alle Richter:innen ihre Entscheidung bekannt gegeben haben. Unklar bleibt zudem, welche Art von Inhalten genau erfasst sein sollen.

Bislang konnten Online-Dienste in Brasilien nur dann zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie illegale Inhalte nach einer gezielten richterlichen Anordnung nicht gelöscht oder anderweitig moderiert haben. Das wird auch als „Notice and Takedown“ bezeichnet. Es entspricht grob dem Rechtsrahmen, der in weiten Teilen der Welt gilt und dem Internet in seiner heutigen Form zum Aufstieg verholfen hat. In der EU regelt der Digital Services Act (DSA) diese bedingte Haftungsfreiheit, auch als Providerprivileg bekannt.

AP zufolge geht es in dem brasilianischen Verfahren um zwei Fälle, die den Umgang des Landes mit Online-Inhalten wie Desinformation, Darstellungen von Kindesmissbrauch oder Gewalt unter Jugendlichen abstecken sollen. Zuletzt seien etwa Schießereien an Schulen von sozialen Medien befeuert und dort von Hassrede begleitet worden, sagte der Richter Flávio Dino. Dem setzte der vom rechtsextremen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro bestellte Richter André Mendonça entgegen, dass freie Meinungsäußerung in sozialen Medien öffentliche Institutionen wie Regierungen in Schach halten könne.

Hetze versus Meinungsfreiheit

Das südamerikanische Land ringt schon länger um das richtige Maß an Plattformregulierung. Spätestens seit massiven Desinformationskampagnen im Wahlkampf 2018 versucht das Land mit unterschiedlichen Ansätzen, das Problem rund um problematische Online-Inhalte in den Griff zu bekommen. Vor allem rechtsextreme und antidemokratische Kräfte nutzen inzwischen die Funktionsweise algorithmisch verstärkter Hetze zunehmend gekonnt aus, um damit ein „Klima des Misstrauens und der politischen Instabilität“ zu schüren, wie diverse brasilianische Wissenschaftler:innen ausführen.

Neue Fahrt hatte die Debatte Anfang 2023 aufgenommen, nachdem Anhänger:innen des frisch abgewählten Bolsonaro den Kongress, das Verfassungsgericht und den Präsidentenpalast gestürmt und zeitweise besetzt hatten. Auch hierbei spielten soziale Medien eine Rolle, zumal sich hetzerische Inhalte auf Online-Diensten wie YouTube leicht monetarisieren lassen. Allerdings zeigte sich damals schon, dass etwa automatisierte Moderationswerkzeuge kaum ein Hindernis für findige Nutzer:innen darstellen: Beispielsweise rief ein viral gegangenes Wortspiel statt zu einer harmlosen Party verklausuliert zur gewaltsamen Machtübernahme auf.


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Internationale Drohkulisse

Die aktuelle brasilianische Gesetzeslage stelle „einen Schleier der Verantwortungslosigkeit für digitale Plattformen“ dar, sagte der Verfassungsrichter Gilmar Mendes, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet. „Selbst wenn sie über Straftaten auf ihren Plattformen informiert werden, können sie (derzeit) nicht für Schäden haftbar gemacht werden, die durch die Verbreitung dieser Inhalte entstehen, außer im Falle einer gerichtlichen Anordnung“, so Mendes.

Zugleich stellt sich die Frage, wie Online-Dienste rechtssicher in Brasilien operieren können, wenn sie für die Inhalte Dritter unmittelbar haftbar gemacht werden können. Schließlich geht es um ein Land mit mehr als 210 Millionen Einwohner:innen. Umfragen zufolge verbringen sie im Schnitt mehr als 9 Stunden täglich im Netz. Proaktive, automatisierte Filtersysteme könnten zu Overblocking und Zensur führen; davor warnen insbesondere Minderheiten wie die LGBTIQ+-Community. Wirtschaftsverbände warnen wiederum davor, dass strenge Vorgaben nur von großen IT-Unternehmen umgesetzt werden könnten.

Am heutigen Donnerstag soll das Verfahren weitergehen. Dabei sollen Unklarheiten beseitigt werden, etwa, welche Online-Inhalte künftig als illegal behandelt werden sollen. Nach dem Urteil läge es am Parlament, ob es mit einem neuen Gesetz reagiert. Das könnte allerdings erneut vor dem Gericht landen, wenn Zweifel an seiner Verfassungsmäßigkeit bestehen.

Über all dem schwebt nicht zuletzt eine internationale Drohkulisse: So hatte US-Außenminister Marco Rubio angekündigt, Einreiseverbote gegen Menschen zu verhängen, die angeblich US-Amerikaner:innen oder Unternehmen zensieren würden. AP zufolge könnte dies unter anderem den Höchstrichter Alexandre de Moraes treffen, der sich wiederholt mit Bolsonaro und damit einem Verbündeten Donald Trumps angelegt hatte.



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Datenschutz & Sicherheit

Die Woche, in der sich die Überwachungspläne bei uns stapelten


Fraktal, generiert mit MandelBrowser von Tomasz Śmigielski

Liebe Leser*innen,

in Berlin ist zwar die Ferienzeit angebrochen. Sommerliche Ruhe will aber nicht so recht einkehren. Denn auf unseren Schreibtischen stapeln sich die neuen Gesetzesentwürfe der Bundesregierung. Und die haben’s in sich.

Beispiele gefällig?

  • Staatstrojaner: Künftig soll die Bundespolizei zur „Gefahrenabwehr“ Personen präventiv hacken und überwachen dürfen, auch wenn „noch kein Tatverdacht begründet ist“.
  • Biometrische Überwachung: Bundeskriminalamt, Bundespolizei und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sollen Personen anhand biometrischer Daten im Internet suchen dürfen. Auch Gesichter-Suchmaschinen wie Clearview AI oder PimEyes können sie dann nutzen.
  • Palantir: Bundeskriminalamt und Bundespolizei sollen Datenbestände zusammenführen und automatisiert analysieren dürfen. Das riecht gewaltig nach Palantir – was das Innenministerium in dieser Woche bestätigt hat.

Auch in vielen Bundesländern wird über Palantir diskutiert. In Baden-Württemberg sind die Grünen soeben umgekippt. Keine gewagte Prognose: Andere werden ihre Vorsätze auch noch über Bord werfen.

Die gute Nachricht: In allen drei Bundesländern, die Palantir einsetzen – Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen -, sind jeweils Verfassungsbeschwerden gegen die Polizeigesetze anhängig. Und auch die Überwachungspläne der Bundesregierung verstoßen ziemlich sicher gegen Grundgesetz und EU-Recht. Wir bleiben dran.

Habt ein erholsames Wochenende!

Daniel


2025-07-14
1074.12
88


– für digitale Freiheitsrechte!



Euro für digitale Freiheitsrechte!

 



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Datenschutz & Sicherheit

Bauarbeiten und wie das Bargeld auf Reisen geht


Drei Menschen machen ein Selfie am Tisch
Martin, Sebastian und Chris im Studio. CC-BY-NC-SA 4.0 netzpolitik.org


Diese Recherche hat für enorm viel Aufsehen gesorgt: Über Monate hinweg hat sich Martin damit beschäftigt, wie Polizeibehörden, Banken und Unternehmen unser Bargeld verfolgen und was sie über die Geldströme wissen. Die Ergebnisse überraschten auch uns, denn sie räumen mit gängigen Vorstellungen über das vermeintlich anonyme Zahlungsmittel auf. Die Aufregung um diese Recherche rührt vielleicht auch daher, dass Behörden nicht gerne darüber sprechen, wie sie Bargeld tracken. Martin selbst spricht von einer der zähsten Recherchen seines Arbeitslebens.

Außerdem erfahrt ihr, wie wir solche Beiträge auf Sendung-mit-der-Maus-Niveau bringen und warum man aus technischen Gründen besser Münzen als Scheine rauben sollte. Wir sprechen darüber, wie wir trotz schlechter Nachrichten zuversichtlich bleiben und warum wir weitere Wände im Büro einziehen. Viel Spaß beim Zuhören!

Und falls wir es in dieser Podcast-Folge noch nicht oft genug erwähnt haben sollten: Wir freuen uns über Feedback, zum Beispiel per Mail an podcast@netzpolitik.org oder in den Ergänzungen auf unserer Website.


In dieser Folge: Martin Schwarzbeck, Sebastian Meineck und Chris Köver.
Produktion: Serafin Dinges.
Titelmusik: Trummerschlunk.


Hier ist die MP3 zum Download. Wie gewohnt gibt es den Podcast auch im offenen ogg-Format. Ein maschinell erstelltes Transkript gibt es im txt-Format.


Unseren Podcast könnt ihr auf vielen Wegen hören. Der einfachste: in dem Player hier auf der Seite auf Play drücken. Ihr findet uns aber ebenso bei Apple Podcasts, Spotify und Deezer oder mit dem Podcatcher eures Vertrauens, die URL lautet dann netzpolitik.org/podcast.


Wir freuen uns auch über Kritik, Lob, Ideen und Fragen entweder hier in den Kommentaren oder per E-Mail an podcast@netzpolitik.org.

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Datenschutz & Sicherheit

Sicherheitsupdates: IBM Db2 über verschiedene Wege angreifbar


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This article is also available in
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It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Aufgrund von mehreren Softwareschwachstellen können Angreifer IBM Db2 attackieren und Instanzen im schlimmsten Fall vollständig kompromittieren. Um dem vorzubeugen, sollten Admins die abgesicherten Versionen installieren.

Am gefährlichsten gilt eine Sicherheitslücke (CVE-2025-33092 „hoch„), durch die Schadcode schlüpfen kann. Die Basis für solche Attacken ist ein von Angreifern ausgelöster Speicherfehler. Wie ein solcher Angriff konkret ablaufen könnten, ist bislang unklar. Davon sind einer Warnmeldung zufolge die Client- und Server-Editionen von Db2 bedroht. Das betrifft die Db2-Versionen 11.5.0 bis einschließlich 11.5.9 und 12.1.0 bis einschließlich 12.1.2.

Um Systeme gegen die geschilderte Attacke zu rüsten, müssen Admins in der Warnmeldung verlinkte Special Builds installieren.

Eine weitere Schwachstelle (CVE-2025-24970) ist mit dem Bedrohungsgrad „hoch“ eingestuft. Sie betrifft das Application Framework Netty. An dieser Stelle können Angreifer Abstürze provozieren. Auch hier soll ein Special Build Abhilfe schaffen.

Die verbleibenden Schwachstellen sind mit dem Bedrohungsgrad „mittel“ versehen. An diesen Stellen können Angreifer meist ohne Authentifizierung DoS-Zustände erzeugen, was Abstürze nach sich zieht. Die dagegen gerüsteten Versionen finden Admins in den verlinkten Warnmeldungen (nach Bedrohungsgrad absteigend sortiert):


(des)



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