Connect with us

Datenschutz & Sicherheit

Tech-Ideologien und der neue Faschismus


Dieser Auszug stammt aus dem Buch Künstliche Intelligenz und der neue Faschismus von Rainer Mühlhoff, mit freundlicher Genehmigung vom Verlag Reclam und vom Autor. Rainer Mühlhoff wurde in Philosophie promoviert und arbeitet als Professor für Ethik der Künstlichen Intelligenz an der Universität Osnabrück. Sein Sachbuch über digitalen Faschismus erscheint am 16. Juli 2025. An diesem Tag diskutiert der Autor sein Buch mit Lisa Steigertahl, Philipp Ehmann und Constanze Kurz in der Urania in Berlin.


Die Ideologien hinter dem KI-Hype

Populäre KI-Narrative beruhen auf drei Grundelementen, nämlich auf der Anthropomorphisierung von KI-Systemen, affektiv überzeichneten Zukunftserwartungen (utopisch wie apokalyptisch) und kurzfristigen technologischen Lösungsversprechen für gesellschaftliche Probleme (Solutionismus). Diese Vorstellungen weichen oft deutlich vom tatsächlichen Entwicklungsstand der KI-Technik ab.

Doch was steht hinter dieser Hype-Dynamik, die das Potential von KI-Technologie dermaßen übertreibt? Gehen Politik und Öffentlichkeit einfach nur den wirtschaftlichen Interessen der KI-Industrie auf den Leim?

Es wird sich im Folgenden zeigen, dass das so einfach nicht ist. Zwar hat der KI-Hype sehr viel mit wirtschaftlichen Interessen zu tun, doch greift die imaginäre Überhöhung von KI auf länger bestehende intellektuelle Strömungen zurück, die in wissenschaftlichen und industriellen Milieus tief verankert sind und die man unter dem Oberbegriff Tech-Ideologien zusammenfassen könnte. Dazu zählen der technologische Determinismus in seinen verschiedenen Spielarten, Transhumanismus und bestimmte futuristische Auslegungen der utilitaristischen Ethik – insbesondere der Longtermismus. Indem sie als Ideologien bezeichnet werden, soll herausgestellt werden, wie in diesen Weltanschauungen die gegenseitige Befruchtung industrieller Interessen und öffentlicher Vorstellungen von KI als quasi natürliche Wahrheit aufscheint.

Rainer Mühlhoffs Buchcover von Reclam
„Künstliche Intelligenz und der neue Faschismus“ von Rainer Mühlhoff.

Technologischer Determinismus und Techno-Optimismus

Alle Tech-Ideologien, die nachfolgend vorgestellt werden, stehen zunächst im Zusammenhang mit der aggressiven Innovationskultur, die besonders im Silicon Valley vorzufinden ist. Diese Kultur ist eng mit einem unternehmerischen Risikokapitalismus verknüpft, der privatwirtschaftlich vorangetriebene technologische „Disruption“ als Triebkraft gesellschaftlichen Fortschritts versteht. Zugleich wird sie von einer libertären Ideologie geprägt, die staatliche Regulierung als Hemmnis für Innovation ansieht und der wirtschaftlichen – wie auch der sozialen – Auslesefunktion des Marktes eine fast uneingeschränkte Steuerungsfunktion zuschreibt. Hinzu kommt die enge Verzahnung von akademischer Forschung mit privatwirtschaftlicher Technologieentwicklung, durch die wirtschaftliche Interessen und unternehmerische Denkweisen den wissenschaftlichen Diskurs erheblich prägen. In diesem Umfeld werden technophile Gesellschaftsutopien besonders gefördert und weitergetragen.

Die Auffassung, dass technologische Entwicklung eine autonome Kraft darstellt, die gesellschaftliche Strukturen, Wohlstand und Fortschritt maßgeblich und zwangsläufig bestimmen, wird häufig als technologischer Determinismus bezeichnet. Ein prominenter Vertreter dieser Sichtweise ist der OpenAI-CEO Sam Altman, der 2015 auf einer Tech-Konferenz ausführte, „I think that AI will probably, most likely, lead to the end of the world. But in the meantime, there will be great companies“. In einem Blog-Post von 2021 erklärte er, dass die KI-Revolution „unstoppable“ sei und „phenomenal wealth“ erzeugen werde. Der technologische Determinismus kombiniert häufig eine vermeintlich deskriptive Theorie vom unaufhaltsamen Fortschritt mit einem geradezu verzückten Optimismus und messianischen Heilsversprechungen.

Einige einflussreiche Akteure legen diese Grundstruktur des technologischen Determinismus nicht nur deskriptiv, sondern unmittelbar normativ aus und inszenieren sich selbst als Propheten dieser Botschaft, so etwa der Silicon-Valley-Investmenbanker Marc Andreessen mit seinem einflussreichen Techno-Optimist Manifesto aus dem Jahr 2023. Darin heißt es:

Our civilization was built on technology. Our civilization is built on technology. Technology is the glory of human ambition and achievement, the spearhead of progress, and the realization of our potential. For hundreds of years, we properly glorified this – until recently. I am here to bring the good news. We can advance to a far superior way of living, and of being.

Die Techno-Optimisten im Silicon Valley vertreten offensiv die Überzeugung, dass technologischer Fortschritt nicht nur unausweichlich, sondern von Natur aus wünschenswert und moralisch geboten sei – dass er jedoch aktuell durch liberale und nachhaltigkeitsorientierte Politik behindert werde. Sie lehnen regulatorische Eingriffe als innovationsfeindlich ab und propagieren eine Weltanschauung, in der technologische „Disruption“ die Quelle für Wohlstand, gesellschaftlichen Fortschritt und eine paradiesische Zukunft ist.

Kunst und Kultur

Wir bei netzpolitik.org haben auch ein Feuilleton. Unterstütze unsere Arbeit!

Eine notorische Leerstelle dieser Denkweisen bildet die Auseinandersetzung mit Fragen der gesellschaftlichen Verteilung von Macht und Ressourcen oder der schon jetzt sichtbaren sozialen und ökologischen Schäden, die durch KI-Technologie verursacht werden. Auch wird die Tatsache ausgeblendet, dass von den techno-deterministischen und -optimistischen Narrativen vor allem die KI-Industrie selbst profitiert. Zugleich sind diese Narrative so konstruiert, dass sich die Protagonisten der Frage nach der gerechten Teilhabe der Gesamtgesellschaft am durch sie akkumulierten Wohlstand entziehen können. Ein zentraler Aspekt der Ideologieförmigkeit dieses Weltbildes besteht darin, dass diese Punkte systematisch verdunkelt werden.

Transhumanismus und seine Unterströmungen

In einem einflussreichen kritischen Artikel aus dem Jahr 2024 führen die Informatikerin, KI-Ethikerin und ehemalige Google-Mitarbeiterin Timnit Gebru sowie die US-amerikanische Philosophin Émile Torres das Akronym TESCREAL ein, um damit ein „Bündel“ aus miteinander verwobenen und sich überlappenden Ideologien und Lehren zu bezeichnen, die in bestimmten technologischen und wissenschaftlichen Kreisen, insbesondere im Silicon Valley, verbreitet sind.

Die Abkürzung TESCREAL steht für „Transhumanism, Extropianism, Singularitarianism, Cosmism, Rationalism, Effective Altruism, and Longtermism“. Obwohl es sich um keine geschlossene Ideologie handelt, sondern um eine lose Verknüpfung von teils jahrzehntealten, teils sehr neuen Ideen, argumentieren Gebru und Torres, dass diese weltanschaulichen Lehren maßgeblich die Narrative großer Technologieunternehmen, einflussreicher Investor:innen und Vordenker:innen in der KI-Forschung prägen. Als Ideologien vermitteln sie eine ontologische und ethische Orientierung, die Zukunftstechnologien wie KI, Nanotechnologie und Gentechnologie nicht nur als unumgänglich, sondern als moralisch wünschenswert und notwendig für das langfristige Überleben der Menschheit positioniert. Zudem dienen sie als ideologische Rechtfertigung für die technologischen und geopolitischen Strategien zahlreicher Unternehmen und Akteure in diesem Feld. Es zeigt sich, dass einige dieser Weltanschauungen direkte Fortführungen von Eugenik und Rassentheorie des 20. Jahrhunderts darstellen.

Der Transhumanismus bildet eine der zentralen ideologischen Wurzeln der TESCREAL-Ideologien. Seine Ursprünge reichen bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts zurück. Er basiert auf der Überzeugung, dass der Mensch durch den gezielten Einsatz von Technologie seine physischen, psychischen und intellektuellen Grenzen überwinden, in einer hybriden biologisch-technologischen Existenzform aufgehen und dabei ein gesteigertes Dasein erreichen könne, das insbesondere Krankheiten und die Sterblichkeit überwinden wird. Der Begriff Transhumanismus geht auf einen Essay aus dem Jahr 1957 des britischen Eugenikers und Evolutionsbiologen Julian Huxley, der außerdem der erste Direktor der UNESCO und Präsident der britischen Eugenik-Gesellschaft war, zurück. Dort beschreibt dieser die Idee des Transhumanismus als einen Prozess, durch den »die menschliche Spezies als Ganzes, als Menschheit« sich selbst überwindet. Dieses Hinauswachsen über sich selbst wird einerseits als eine evolutionäre Entwicklung begriffen, die im Sinne des technologischen Determinismus unaufhaltbar ist. Andererseits schreibt der Transhumanismus in seinen verschiedenen Unterströmungen den Menschen als Entwickler:innen von Technologie in unterschiedlichem Sinne aktive und mitgestaltende Rollen bei diesem Prozess zu (entsprechend leitet etwa der britische Futurist Max More in den 1990er Jahren als den moralischen Imperativ des Transhumanismus eine Verpflichtung der Menschheit zum Fortschritt ab). Ein solcher charakteristischer Umschlagspunkt von einer Beschreibung zu einem normativen und politischen Programm ließ sich bereits beim Techno-Optimistischen Manifest erkennen.

Rainer Mühlhoff
Sachbuchautor Rainer Mühlhoff. Foto: Felix Noak.

Als Unterströmungen des Transhumanismus haben sich seit Mitte des 20. Jahrhunderts einerseits unmittelbar nützliche Projekte ergeben, wie zum Beispiel die Entwicklung von Prothesen zur Funktionserweiterung oder Funktionserhaltung des menschlichen Körpers sowie Projekte der Nanotechnologie und des Bioengineerings, etwa in der regenerativen Medizin. Andererseits propagiert der Transhumanismus deutlich skurrile Tendenzen, die sich etwa der Entwicklung von Gehirn-Computer-Schnittstellen widmen, mit denen der menschliche Geist oder seine Bewusstseinsinhalte digital „ausgelesen“ und „in eine Cloud hochgeladen werden“ soll (diesem Ziel hat sich etwa das Unternehmen Neuralink von Elon Musk verschrieben).

Ein zentraler Akteur in der zeitgenössischen transhumanistischen Bewegung ist der schwedische Philosoph Nick Bostrom, der mit seinen Arbeiten zu künstlicher Superintelligenz, zu „existential risk“ und „human enhancement ethics“ weit über akademische Kreise hinaus wahrgenommen wird. Bostrom gründete 1998 zusammen mit David Pearce die transhumanistische Denkfabrik World Transhumanist Association (heute: Humanity+) und leitete bis zu seiner Auflösung im April 2024 das Future of Humanity Institute an der Universität Oxford, das durch finanzielle Unterstützung aus dem Silicon Valley und von Tech-Milliardären wie Elon Musk und Peter Thiel gefördert wurde. In seinem Buch Superintelligence: Paths, Dangers, Strategies (2014) vertritt Bostrom die These, dass die Entwicklung einer künstlichen Superintelligenz entweder den ultimativen Fortschritt zu einer neuen Stufe der Menschheit bedeuten oder zu ihrer vollständigen Auslöschung führen würde – eine oben bereits diskutierte utopisch-apokalyptische Überzeichnung, die für das zeitgenössische transhumanistische Denken typisch ist und von dort in den populären KI-Diskurs übertragen wurde.


Rainer Mühlhoff widmet sich auch den weiteren Ideologien hinter dem KI-Hype: dem Extropianismus und Singularitarianismus, der Eugenik 2.0, den Rationalisten und ihrer existenzial-futuristischen Ethik, dem Effektiven Altruismus, dem Longtermismus und der Säkularen Eschatologie. Nachzulesen in seinem Reclam-Buch: Künstliche Intelligenz und der neue Faschismus.



Source link

Datenschutz & Sicherheit

Verbraucherzentrale warnt vor Anlagebetrug in WhatsApp-Gruppen


In WhatsApp-Gruppen versuchen Betrüger, an das Geld potenzieller Opfer zu gelangen. Davor warnt aktuell die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Es handelt sich um Anlagebetrug.

Die Verbraucherzentrale gibt in ihrer Warnung an, zahlreiche Berichte von Betroffenen erhalten zu haben. Demnach wurden sie über WhatsApp-Gruppen in vermeintlich lukrative Geldanlagen gelockt. In den Chats werden sie aufgefordert, bestimmte Kryptowährungen zu erstehen oder auf Online-Handelsplattformen damit zu handeln, oder bestimmte Finanzprodukte zu kaufen. Die Opfer verlieren dabei viel oder alles eingesetzte Geld, anstatt die versprochenen Gewinne einzufahren.

Die Betrüger missbrauchen dabei bekannte Markennamen in den WhatsApp-Gruppen, etwa von bekannten Finanzunternehmen, Börsen- und Finanzexpertinnen und -Experten, Promis oder Politikern. Damit locken die Täter Opfer in die WhatsApp-Gruppen, erklärt die Verbraucherzentrale. Sie werden mit schönen Geschichten geködert: Ein Prominenter habe etwa großen Erfolg mit einem bestimmten Anlagemodell gehabt, oder eine vermeintliche Börsenexpertin erkläre, warum jetzt eine bestimmte Aktie gekauft werden soll. Die missbrauchten Namen haben nichts mit der WhatsApp-Gruppe und den dort beworbenen Angeboten zu tun. Betroffene können in der Regel nicht einmal nachvollziehen, wer tatsächlich hinter den WhatsApp-Gruppen steckt und die dubiosen Empfehlungen gibt.

Die Betrüger arbeiten mit weiteren psychologischen Tricks. So suggerieren sie etwa den Gruppenmitgliedern, zu einer exklusiven Gruppe mit nur begrenzter Mitgliederzahl zu gehören. Sie könnten sich glücklich schätzen, ausgewählt worden zu sein. Wenn die Mitglieder den Anweisungen der angeblichen Experten folgen, könnten sie hohe Gewinne erwarten. Die Gruppen betreut nach Erkenntnissen der Verbraucherzentrale eine Assistenz, es gebe einen regelmäßigen Austausch über Tage und Wochen. Sie beantwortet Fragen und stellt das vermeintliche Anlagemodell näher vor, es gebe sogar Trainings und Workshops dazu.

Die Betrügereien nutzen unterschiedliche Vehikel, den Opfern ihr Geld abzunehmen. Etwa unseriöse Tradingplattformen, auf denen Opfern gelegentlich zunächst sogar kleine Gewinne angezeigt werden, sodass sie größere Summen überweisen – die dann jedoch nicht angelegt werden, sondern bei den Betrügern landen. Eine weitere Variante bringt Opfer dazu, an einer seriösen Kryptobörse Geld in einen Stablecoin zu investieren – und diesen dann auf eine Wallet der Betrüger zu transferieren, womit das Geld ebenfalls futsch ist.

Eine dritte Masche verleitet Interessierte zum Kauf vorbörslicher Aktien, die an keiner Börse gelistet sind. Hier sollen die Opfer an zumeist ausländische IBANs überweisen und erhielten eine vermeintliche Bescheinigung über den Aktienkauf. Meist existieren diese Aktien jedoch überhaupt nicht. Als letzte Masche nennt die Verbraucherzentrale den Kauf von Aktien über den eigenen Broker der Opfer. Die Aktien böten angeblich hohe Renditechancen. Hierbei handelt es sich in der Regel um Pennystocks, die die Betrüger zuvor selbst eingekauft haben und dann in der WhatsApp-Gruppe bewerben, um für eine Art „Kursexplosion“ zu sorgen, nach der sie die Aktien wieder verkaufen. Die Opfer können ihre Aktien nicht rechtzeitig losschlagen und fahren dadurch erhebliche Verluste ein.

Verbraucher sollten zum eigenen Schutz hellhörig werden, wenn unaufgefordert Fremde Kontakt aufnehmen. Hohe Renditeversprechen sind ein Warnsignal, ergänzt die Verbraucherzentrale. Überweisungen an unbekannte Bankverbindungen und IBANs sollten Betroffene nicht vornehmen, auch, wenn die Gegenseite behauptet, alles laufe auf den Namen des Opfers. Dasselbe gilt für Kryptowährungen, die nicht an unbekannte Kryptowallets transferiert werden sollten. Wer Opfer eines solchen Betrugs wird, sollte Anzeige bei der Polizei erstatten. Das Bundesamt für Finanzaufsicht (BaFin) warnt vor konkreten WhatsApp-Gruppen und betrügerischen Webseiten.

Anfang des Monats hat WhatsApp eine Warnung bei Gruppenchat-Einladungen eingeführt. Diese soll helfen, solche Betrügereien zu entlarven und zu verhindern.


(dmk)



Source link

Weiterlesen

Datenschutz & Sicherheit

Auslegungssache 142: Der Data Act kommt!


Am 12. September wird der Data Act der EU wirksam. Es steht zu befürchten, dass viele Unternehmen darauf kaum vorbereitet sind. In Episode 142 des c’t-Datenschutz-Podcasts diskutieren Redakteur Holger Bleich und heise-Justiziar Joerg Heidrich mit Carolin Loy vom Bayerischen Landesamt für Datenschutzaufsicht über die weitreichenden Folgen der neuen Verordnung.



Carolin Loy von der bayerischen Datenschutzaufsicht in der Auslegungssache

Der Data Act soll Datensilos aufbrechen und Nutzern Zugang zu Daten verschaffen, die bei der Verwendung vernetzter Geräte entstehen, vom Auto über die Kaffeemaschine bis zur Solaranlage. Bisher kontrollieren viele Hersteller diese Daten exklusiv. Künftig müssen sie sie auf Verlangen herausgeben, auch an Dritte. Die EU-Kommission erhofft sich davon jährlich mehr als 200 Milliarden Euro zusätzliches Wirtschaftswachstum durch neue datenbasierte Geschäftsmodelle.

Die praktische Umsetzung stellt Unternehmen vor massive Probleme. Sie müssen ab sofort Datenlizenzverträge mit Nutzern schließen und Schnittstellen zur Datenherausgabe schaffen. Die von der EU-Kommission versprochenen Mustervertragsklauseln existieren zehn Tage vor dem Stichtag nur als Entwurf. „Das schadet vor allem denjenigen, die das Gesetz anwenden müssen“, kritisiert Loy die mangelhafte Vorbereitung.

Besonders komplex stellt sich die Abgrenzung von personenbezogenen und nicht-personenbezogenen Daten dar. Bei personenbezogenen Daten greift weiterhin die DSGVO mit Vorrang. Das heißt, Unternehmen benötigen eine Rechtsgrundlage für die Herausgabe. Dies führt zu einem Dilemma: Verweigern sie die Herausgabe mangels Rechtsgrundlage, verstoßen sie möglicherweise gegen den Data Act. Geben sie Daten ohne Rechtsgrundlage heraus, verletzen sie die DSGVO.

Weitere Unsicherheit schafft die fehlende Aufsichtsstruktur. Deutschland hat noch keine zuständige Behörde für nicht-personenbezogene Daten benannt. Ein Referentenentwurf vom Jahresanfang sah die Bundesnetzagentur vor, für personenbezogene Daten sollte die Bundesbeauftragte für Datenschutz zentral zuständig sein, was die föderale Aufsichtsstruktur der Datenschutzaufsicht aushebeln würde. Nach der vorgezogenen Bundestagswahl im Februar wurde der Entwurf der damaligen Ampelkoalition obsolet, ein neuer liegt noch nicht vor.

Expertin Loy empfiehlt Unternehmen dringend, ihre Datenbestände zu analysieren und zwischen personenbezogenen und anderen Daten zu trennen. Sie müssen Informationspflichten nach dem Data Act erfüllen und Verträge vorbereiten. Im Zweifel rät sie, vom Personenbezug auszugehen und Herausgabeanfragen zunächst kritisch zu prüfen.

Während die Diskutanten die Grundidee des Data Acts – mehr Datenzugang und Wettbewerb – durchaus begrüßen, kritisieren sie die Umsetzung. Gerade der Mittelstand sei mit der Flut neuer Digitalgesetze völlig überfordert, moniert Heidrich. Die komplexe Verzahnung mit der DSGVO schaffe mehr Rechtsunsicherheit als Klarheit.

Episode 142:

Hier geht es zu allen bisherigen Folgen:


(hob)



Source link

Weiterlesen

Datenschutz & Sicherheit

Wie Nordkorea Kryptowährung mit vermeintlichen Stellenangeboten ergaunert


Sicherheitsforscher weisen auf eine Kampagne offenbar nordkoreanischen Ursprungs hin, die das Ziel hat, an neuen Jobs interessierten Personen Kryptowährung zu stehlen. Dabei kontaktieren falsche Personalvermittler Beschäftigte der Kryptobranche, etwa auf der Plattform LinkedIn, und bieten diesen neue Stellen an. Doch es geht nur darum, Zugang zu den PCs der Interessenten zu erlangen, um diese um digitale Güter zu erleichtern.

Nordkorea wird schon seit Langem vorgeworfen, mit dem Diebstahl von Kryptowährung sein sanktioniertes Waffenprogramm zu finanzieren. Die Regierung in Pyongyang bestreitet dies jedoch regelmäßig. Überwiegend wird Nordkorea beschuldigt, dass Agenten des Landes als falsche IT-Fachkräfte in zahlreichen US-Firmen per Homeoffice arbeiten, um mit ihren Gehältern Einnahmen für die nordkoreanische Regierung zu generieren. Diese Kampagne wurde offenbar auch auf Europa ausgeweitet. Im Herbst letzten Jahres warnte der Verfassungsschutz deutsche Firmen vor angeblichen Freelancern aus Nordkorea.

Jetzt berichtet Reuters von einer anderen Kampagne Nordkoreas zur Finanzierung des Landes. Durch „Social Engineering“ werden potenziell wechselwillige Mitarbeiter von vermeintlichen Personalvermittlern angesprochen, die ihnen neue Jobs anbieten. Ziele sind vorrangig in der Kryptobranche beschäftigte Personen, sodass es sich oft um Stellen mit Bezug zur Blockchain handelt. Oft wird ein Kontakt über Netzwerke wie LinkedIn oder auch Telegram hergestellt.

Betroffene beschreiben den Prozess nach der ersten Kontaktaufnahme als zunächst typischen Austausch über Einzelheiten zur Tätigkeit und der Vergütung. Dann aber versucht der vermeintliche Personalvermittler, den Bewerber auf eine obskure Webseite zu leiten, um dort einen Eignungstest durchzuführen und ein Video aufzuzeichnen. Vielen Interessenten kam dies verdächtig vor. Warum kein Bewerbungsgespräch auf einer bekannten Videoplattform wie Teams oder Zoom?

Während die meisten der Betroffenen den Kontakt an dieser Stelle abgebrochen haben, berichtet ein Produktmanager einer US-Kryptofirma, der anonym bleiben wollte, dass er den Anweisungen des angeblichen Personalvermittlers gefolgt ist und das Video aufgenommen hat. Am Abend desselben Tages stellte er jedoch fest, dass seiner digitalen Wallet, die er auf seinem Computer speichert, Ethereum und Solana im Wert von rund 1000 US-Dollar fehlten. Das LinkedIn-Profil des angeblich bei der Blockchainfirma Ripple Labs beschäftigten Personalvermittlers war ebenfalls verschwunden.

Ripple Labs hat sich nicht zu dem Fall geäußert, aber das ebenfalls für diese Zwecke genutzte Finanzunternehmen Robinhood erklärte auf Anfrage, dass es sich „einer Kampagne Anfang des Jahres bewusst ist, bei der versucht wurde, sich als mehrere Krypto-Unternehmen auszugeben, darunter Robinhood“. Die Firma hat bereits verschiedene Domains abschalten lassen, die für diese Betrugsversuche genutzt wurden. LinkedIn schreibt in einer Stellungnahme, dass die bislang bekannten Profile der vermeintlichen Personalvermittler zuvor bereits gelöscht worden waren.

Lesen Sie auch

Die Idee dieser Kampagne ist allerdings nicht neu. Schon im November 2023 entdeckten die Sicherheitsforscher der Unit 42 der Palo Alto Networks eine als „Contagious Interview“ bezeichnete Kampagne. Dabei hatten sich böswillige Akteure als Arbeitgeber ausgegeben, zumeist anonym oder mit vager Identität, um Softwareentwickler im Rahmen des Bewerbungsprozesses zur Installation von Malware zu verleiten. Dadurch konnten Angreifer verschiedene Daten oder eben auch Kryptowährung stehlen. Schon damals waren sich die Sicherheitsforscher relativ sicher, dass Contagious Interview von einem staatlich unterstützten Akteur Nordkoreas betrieben wurde.


(fds)



Source link

Weiterlesen

Beliebt