Künstliche Intelligenz

Wie Robinhood mit unechten OpenAI- und SpaceX-Anteilen für Unruhe sorgt 


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It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Der in den USA beliebte Neobroker Robinhood spielt wieder einmal mit Finanzinnovation – dieses Mal in Europa. Seit Anfang Juli bietet die Trading-Plattform europäischen Kunden sogenannte „tokenisierte Aktien“ an: digitale Derivate auf Anteile an privat gehaltenen Tech-Giganten wie SpaceX und OpenAI.

Das neue Angebot, das CEO Vlad Tenev am Dienstag öffentlichkeitswirksam in Cannes präsentierte, richtet sich explizit an Kleinanleger. Und es klingt durchaus verlockend: Zugang zu den wohl begehrtesten, aber bislang unzugänglichen Firmen der Welt zu erlangen, die am Sekundärmarkt, aber eben noch nicht an der Börse gehandelt werden. In der vergangenen Dekade sind Anlegern oft große Wertzuwächse privat geführter Unternehmen entgangen, die die kommenden Börsenstars vor ihrem Listing am Aktienmarkt erzielt haben – etwa bei Facebook, Airbnb oder Uber. Teilweise kamen begehrte Tech- und Internet-Unternehmen sogar überteuert an die Börse. Frühe Investoren, die den Zugang vor dem Börsengang erhalten, haben entsprechend weitaus größere Renditechancen.

Für eine solche Chancengleichheit möchte der boomende US-Neobroker, der an der Wall Street bereits mit einer Marktkapitalisierung von über 80 Milliarden Dollar gehandelt wird, nun mit neuen Anlagevehikeln sorgen. Doch was genau steckt hinter den neuen Robinhood-„Tokens“?

Laut Robinhood handelt es sich nicht um echte Unternehmensanteile, sondern um blockchainbasierte Instrumente, die über ein Vehikel – ein sogenanntes SPV (Special Purpose Vehicle) – den Wert bestimmter nicht börsennotierter Aktien abbilden sollen. Der Clou: Robinhood hält über das SPV Anteile an SpaceX oder OpenAI und „verbrieft“ Bruchteile dieser Beteiligung als digitale Tokens, die an Nutzer weitergegeben werden.

Das erinnert an synthetische Wertpapiere oder Optionsscheine – mit einem zentralen Unterschied: Die zugrunde liegenden Aktien sind nicht öffentlich, ihre Bewertung intransparent, und sie entziehen sich vollständig der klassischen Offenlegungspflichten. Was Robinhood hier also bietet, ist kein direkter Anteil, sondern eine Wette – ein Derivat auf eine illiquide Beteiligung, deren rechtlicher Rahmen höchst diffus ist.

Ein zentrales Problem liegt in der fehlenden Zustimmung der betroffenen Unternehmen. Entsprechend distanzierte sich OpenAI gestern umgehend. „Diese Tokens stellen keine OpenAI-Aktien dar. Wir haben keine Partnerschaft mit Robinhood. Wir sind nicht involviert – und wir unterstützen das nicht“, erklärte das Unternehmen in einem Statement auf X. Der Appell: Nutzer sollen vorsichtig sein.

Der eigentliche Grund, warum OpenAI und SpaceX – wie viele andere private Tech-Firmen – keine liquiden Sekundärmärkte für ihre Anteile schaffen wollen, ist offenkundig. In der Regel unterliegen Mitarbeiteraktien strengen Einschränkungen, inklusive Rückkaufrechten durch das Unternehmen selbst. Ziel ist es, Kultur und Kontrolle zu wahren und keine Dynamik zu erzeugen, in der Beschäftigte kurzfristige Kursgewinne über langfristige Produktentwicklung stellen. Sam Altman, CEO von OpenAI, formulierte das einmal drastisch: Zu viel Liquidität in Mitarbeiterhänden führe zu einem „Söldner-Mindset“ – eine Kultur, in der Loyalität durch Dollarzeichen ersetzt werde.

In den USA ist das neue Angebot Robinhoods wegen regulatorischer Beschränkungen nicht erlaubt – daher der Umweg über Europa, wo der regulatorische Rahmen weicher und die Aufsicht in Fragen tokenisierter Finanzprodukte noch nicht einheitlich greift. US-Behörden wie die SEC beobachten das Vorgehen zwar mit wachsender Skepsis, bleiben bislang aber vage. Paul Atkins, Vorsitzender der SEC, äußerte sich zurückhaltend. Sein Ziel sei es eher, die Attraktivität des öffentlichen Kapitalmarktes zu erhöhen, als neue Graumarktprodukte direkt zu verbieten.

Für Kritiker ist das zu wenig. Die fehlende Transparenz, die irreführende Vermarktung („Kauf dir OpenAI-Anteile!“) und die strukturelle Ähnlichkeit zu spekulativen Wetten werfen fundamentale Fragen auf: Wo endet Demokratisierung und wo beginnt finanzielle Täuschung?

Robinhood verteidigt das Projekt als „Zugangsoffensive“ für Kleinanleger. Man ermögliche Retail-Investoren erstmals, indirekt an Wachstumswerten wie SpaceX oder OpenAI zu partizipieren, die bislang ein Privileg institutioneller Investoren wie Andreessen Horowitz oder Peter Thiel waren. Die Argumentation: Warum sollte Kleinanlegern verwehrt bleiben, was der Silicon-Valley-Elite längst offensteht?

Doch genau hier liegt das ethische Dilemma. Denn tokenisierte Pseudo-Aktien schaffen keinen fairen Zugang, sondern bergen neue Risiken – ohne die nötige Aufklärung. Wer solche Produkte kauft, besitzt keinen Stimmrechtsanteil, kein verbrieftes Eigentum und keine garantierte Werthaltigkeit, sondern bestenfalls einen Tracker mit Derivatcharakter.


(mki)



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