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100-Stunden-Woche und null Work-Life-Balance: Diese Stellenanzeige polarisiert
Das junge Tech-Startup Forgis will nur die leistungsstärksten Talente – und verlangt dafür maximalen Einsatz mit bis zu 100 Stunden Arbeit pro Woche.
Kaum eine Woche waren die Stellenanzeigen online, da sorgten sie schon für Aufsehen: Das frisch gegründete Züricher Tech-Startup Forgis suchte über LinkedIn nach Verstärkung – allerdings mit ungewöhnlichen Bedingungen. Statt der üblichen Startup-Versprechen wie flachen Hierarchien oder flexiblen Arbeitszeiten wartete auf Bewerber etwas anderes: eine Arbeitswoche von bis zu 100 Stunden, „mit ein paar Sonntagen frei“.
Zuletzt hatte das Gründer-Trio Federico Martelli, Riccardo Maggioni und Camilla Mazzoleni Schlagzeilen mit einer Finanzierungsrunde in Höchstgeschwindigkeit gemacht: Forgis sammelt 4,5 Millionen Dollar ein – und zurrte den Deal mit VC Redalpine in nur 36 Stunden fest.
Gesucht wurden zuletzt Mitarbeitende für Marketing und Produktentwicklung – mit extrem hohen Anforderungen: Ein Master-Abschluss an einer Elite-Universität ist ausdrücklich erwünscht. Die Botschaft der Stellenanzeigen: Work-Life-Balance ist nicht vorgesehen. Stattdessen stehen 80 bis 100 Arbeitsstunden pro Woche auf dem Programm.
Intern setzt Forgis auf „Coopetition“ – ein Begriff, der hier einen ständigen Wettbewerb innerhalb des Teams beschreibt. Jeder solle anstreben, in seinem Bereich der Beste zu werden. Eigeninitiative und Flexibilität seien entscheidend: „Ergebnisse zählen – nicht Berichte!“
In der Stellenanzeige macht Forgis zudem deutlich, wie volatil die Arbeit abläuft: „Wir sind ein Startup und wachsen schnell – deshalb müssen wir extrem flexibel sein. In einer Woche arbeitest du vielleicht an einem Thema, in der nächsten kann die Richtung komplett wechseln. Prioritäten ändern sich ständig. Anpassungsfähigkeit ist der Job.“
Bis zu 100 Arbeitsstunden in der Woche
Im Gegenzug verspricht das Startup ein Aktienpaket von bis zu 1 Prozent, ein Jahresgehalt von 70.000 Schweizer Franken, umgerechnet rund 75.000 Euro, und eine Unterkunft im sogenannten Hacker-Haus in Schlieren. Wie genau dort die Wohnsituation aussieht, bleibt vage – bekannt sind solche Häuser vor allem aus den USA, meist als WG-ähnliche Communitys für gleichgesinnte Techies.
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Nur Highperfomer als Mitarbeiter?
Mitarbeiter, die wie Co-Gründer hustlen? Dieser Highperformer-Trend schwappt aus den USA nach Europa. Auch Dominik Roth, Headhunter im Executive Search, beobachtet diesen Trend. Ein vergleichsweise unterdurchschnittliches Gehalt, ein geringer virtueller Unternehmensanteil, der sich nur rentiert, wenn das Unternehmen erfolgreich ist und gleichzeitig ein hoher Performance-Druck.
„Das ist eine klare Diskrepanz“, sagt Roth im Gespräch mit Gründerszene und spricht von einer unverhältnismäßigen Anspruchshaltung der Gründer. „Sowas kann man als Arbeitgeber nicht erwarten,“ meint Roth – zumindest zu den angebotenen Konditionen.
Solche Stellenausschreibungen bewirken laut ihm im Arbeitsmarkt das Gegenteil – und ziehe eben nicht hoch qualifizierte Arbeitskräfte an.
Mehr als tausend Bewerbungen
Um gute Bewerber anzusprechen, brauche es laut dem Headhunter mehr als „Mission und Startup-Kultur.“ Den Arbeitnehmern müsse neben Möglichkeiten zur Weiterentwicklung, auch Job-Sicherheit geboten werden, um attraktiv zu wirken.
Ob die Stellenanzeigen von Forgis den gewünschten Erfolg hatten, ist unklar. Laut einem LinkedIn-Post von Forgis-CEO Federico Martelli gab es bereits nach drei Tagen über 1200 Bewerbungen. Eine Anfrage von Gründerszene blieb von Forgis unbeantwortet.