Künstliche Intelligenz
Europas erster HPC-ARM-Prozessor landet bei TSMC
Lange hat’s gedauert, jetzt scheint es in großen Schritten bei SiPearls erstem Prozessor Rhea1 voranzugehen: Die Firma berichtet, dass sie vor Wochen ihr CPU-Design an den Chipauftragsfertiger TSMC nach Taiwan geschickt hat – der sogenannte Tape-out-Prozess. TSMC erstellt jetzt Belichtungsmasken und produziert daraufhin die ersten Prozessoren zum Testen. SiPearl ist die wichtigste Firma aus der European Processor Initiative (EPI) zur Entwicklung von CPUs für europäische Firmen und Forschungseinrichtungen.
Anfang 2026 will SiPearl Muster an Partner verschicken. Der größte Abnehmer ist das deutsche Jülich Supercomputing Centre (JSC), das mehr als 2600 Rhea1-Prozessoren in gut 1300 Server-Nodes einbauen will. Sie kommen in ein zusätzliches CPU-Modul des Supercomputers Jupiter. Das komplette fertige System schafft mehr als eine Trillion FP64-Rechenoperationen pro Sekunde (ein Exaflops), allerdings machen die Rhea1-CPUs nur einen winzigen Anteil davon aus: mit gut 5 Petaflops rechnet das JSC, also fünf Billionen Rechenoperationen pro Sekunde beziehungsweise 0,005 Exaflops.
Jahrelang verspätet
Mit der Bemusterung Anfang 2026 ist SiPearl reichlich spät dran: Ursprünglich sollte Rhea1 schon 2021 verfügbar sein und Europas Abhängigkeit von US-amerikanischer Hardware senken. Zwischenzeitlich gab es offenbar mehrere Anpassungen am Design mit Abwägungen zwischen 64 und 80 CPU-Kernen.
Final sind es jetzt 80 ARM-Standardkerne vom Typ Neoverse V1, gepaart mit 64 GByte HBM2e-Stapelspeicher plus bis zu 512 GByte DDR5-RAM pro Prozessor. SiPearl soll den Fertigungsprozess N6 aus TSMCs 7-Nanometer-Klasse verwenden – eine leicht verbesserte 7-nm-Version.
Damit gilt Rhea1 schon zum Start als veraltet, weshalb das Interesse derzeit gering ist. Sowohl die Fertigungstechnik als auch der Neoverse V1 stammen noch aus dem Jahr 2020. AMD und Intel verkaufen bereits Prozessoren mit mehr CPU-Kernen, die jeweils schneller sind. SiPearls Fokus dürfte auf Rhea-2 mit Chiplet-Aufbau liegen.
130 Millionen Euro neues Kapital, auch aus Taiwan
Für die weitere Entwicklung hat die Firma jüngst ihre sogenannte Serie-A-Finanzierung abgeschlossen. Insgesamt 130 Millionen Euro bekommt SiPearl von Investoren zugesichert. Dazu zählen ARM, Atos, Cathay Venture, die Europäische Investitionsbank, der Europäische Innovations-Rat, der französische Staat (French Tech Souveraineté) und ein Bankenkonsortium unter Führung der Caisse d’Epargne Rhône-Alpes.
Cathay Venture stammt aus Taiwan und ist damit SiPearls erster nicht europäischer Investor. SiPearl will laut eigenen Aussagen die Beziehungen nach Taiwan verbessern, um die Prozessorentwicklung voranzutreiben.
SiPearl beschäftigt derzeit 200 Mitarbeiter in Frankreich, Spanien und Italien.
(mma)
Künstliche Intelligenz
Top 10: Das beste günstige Smartphones bis 300 Euro im Test – Honor siegt
Samsung Galaxy A36 5G
Das Samsung Galaxy A36 ist ein Smartphone für den schmalen Geldbeutel, überrascht aber mit guter Ausstattung. Wie sich das Handy im Alltag schlägt, zeigt der Test.
- tolles OLED-Display
- gute Kamera bei Tag
- lange Akkulaufzeit
- wasserdicht nach IP67
- für 6 Jahre Updates
- schwache Fotos bei Dunkelheit
- keine Telelinse
- mäßige Weitwinkel- und Makrolinse
- kein microSD-Slot
Samsung Galaxy A36 5G im Test
Das Samsung Galaxy A36 ist ein Smartphone für den schmalen Geldbeutel, überrascht aber mit guter Ausstattung. Wie sich das Handy im Alltag schlägt, zeigt der Test.
Wer auf Prestige aus ist, wählt die S-Klasse von Samsung – doch für die großen Verkaufszahlen sorgt die A-Serie. Das Galaxy A36 positioniert sich dabei genau zwischen dem Galaxy A56 (Testbericht) und dem besonders günstigen Galaxy A26. Es richtet sich an Nutzer mit einfachen Ansprüchen, die in erster Linie Inhalte konsumieren oder Apps nutzen wollen. Wer durch Social Media scrollt, Videos streamt oder gelegentlich Fotos macht, bekommt hier ein solides Gesamtpaket – mit einem klaren Fokus auf Alltagstauglichkeit.
Auf einen Metallrahmen wie beim A56 muss man zwar verzichten, dafür überzeugt das A36 mit hochwertigem Display, zuverlässiger Performance und edlem Design. Wie viel Smartphone man für knapp 300 Euro bekommt und wo Samsung den Rotstift angesetzt hat, zeigt unser Testbericht.
Design
Beim Galaxy A36 folgt Samsung dem aktuellen Design der A-Serie. Besonders auffällig sind die drei Kameralinsen, die in ein schwarzes, ovales Modul eingebettet sind – ein klarer Bruch zu den drei einzelnen Kameraringen früherer Modelle und ein Schritt hin zu einem eigenständigen Look.
Optisch ist der Unterschied zum Metallrahmen des Galaxy A56. Der Rahmen besteht allerdings aus Kunststoff statt aus Metall, was sich haptisch bemerkbar macht. Man erkennt den Unterschied nur, weil die typischen Antennenlinien fehlen. Die Rückseite besteht aus Glas und wirkt hochwertig, ist allerdings rutschig und anfällig für Fingerabdrücke. Eine Schutzhülle empfiehlt sich dennoch, um das Gerät im Alltag vor Stürzen und Kratzern zu bewahren.
Mit Abmessungen von 162,9 × 78,2 × 7,4 mm und einem Gewicht von 195 g liegt das A36 gut in der Hand, ist aber zu groß für eine einhändige Bedienung. Die seitlich angebrachten Tasten bieten einen klaren Druckpunkt. Die Verarbeitung ist tadellos. Das Galaxy A36 ist ebenfalls nach IP67 zertifiziert und damit gegen Staub und zeitweiliges Untertauchen in Wasser geschützt – in dieser Preisklasse keine Selbstverständlichkeit.
Display
Das Galaxy A36 übernimmt nahezu unverändert das Display des A56. Die AMOLED-Anzeige misst 6,7 Zoll in der Diagonale und bietet eine Auflösung von 2340 × 1080 Pixeln, was zu einer hohen Pixeldichte von 385 PPI führt. Inhalte werden gestochen scharf dargestellt.
Die Bildwiederholrate passt sich dynamisch zwischen 60 und 120 Hz an, was für flüssige Animationen und geschmeidiges Scrollen sorgt. Auch HDR10+ wird unterstützt. Wie bei Samsung üblich überzeugt das Panel mit hohen Kontrasten, tiefem Schwarz und einer natürlichen Farbdarstellung. Die maximale Helligkeit wurde im Vergleich zum Vorgänger erhöht: Im HDR-Modus sind laut Hersteller bis zu 1900 Nits möglich. In der Praxis bleibt der Bildschirm auch bei direkter Sonneneinstrahlung ablesbar.
Kamera
Das Kamerasystem des Galaxy A36 orientiert sich weitgehend am A56. Die Hauptkamera bietet wie beim größeren Modell eine Auflösung von 50 Megapixeln bei einer Blende von f/1.8. Zudem ist die Kamera optisch stabilisiert (OIS). Sie liefert bei Tageslicht detailreiche, scharfe Bilder mit natürlicher Farbwiedergabe und gutem Dynamikumfang. Sie kann gefühlt nicht ganz mit dem Galaxy A56 mithalten, ist dennoch überzeugend für die Preisklasse. Auch zweifacher Digitalzoom ist noch brauchbar, eine Telelinse fehlt jedoch – wie in dieser Preisklasse üblich.
Videos mit der Hauptkamera lassen sich in 4K bei 30 FPS oder in Full-HD mit bis zu 60 FPS aufnehmen. Die elektronische Bildstabilisierung arbeitet zuverlässig, die Farben werden natürlich wiedergegeben, und die Schärfe stimmt. Für Alltagsaufnahmen reicht das Setup aus, ambitionierte Ansprüche erfüllt es nicht.
Ein kleiner Rückschritt zeigt sich bei der Ultraweitwinkelkamera: Statt 12 Megapixel wie im A56 kommt hier ein 8-Megapixel-Sensor mit f/2.2 zum Einsatz. Das macht sich in der Bildqualität bemerkbar. Farben weichen sichtbar von denen der Hauptkamera ab, Details wirken verwaschen und die Ränder sind oft unscharf – besonders bei komplexeren Motiven.
Das Makroobjektiv mit 5 Megapixeln (f/2.4) bleibt gleich. Für gelegentliche Nahaufnahmen reicht es aus, liefert aber keine besondere Bildschärfe. Die Auflösung ist zu gering, um echte Detailtiefe zu erzeugen. Eigentlich könnte man auch darauf verzichten.
Bei Nachtaufnahmen stößt das Galaxy A36 gegenüber dem A56 allerdings an seine Grenzen. Die Hauptkamera erzeugt beim Aufhellen deutliches Bildrauschen. Feinere Strukturen gehen verloren, insgesamt wirken Nachtaufnahmen etwas matschig und zu dunkel. Die Ultraweitwinkelkamera ist bei Dunkelheit kaum sinnvoll nutzbar.
Die Frontkamera löst 12 Megapixel (f/2.2) auf und bietet eine gute Bildqualität für Selfies und Videoanrufe. Bei Tageslicht wirken die Aufnahmen scharf, mit ordentlicher Farbwiedergabe und brauchbarem Bokeh im Porträtmodus. Videos sind in Full-HD bei 30 FPS möglich.
Samsung Galaxy A36 – Originalaufnahmen
Ausstattung
Im Galaxy A36 kommt der Snapdragon 6 Gen 3 von Qualcomm zum Einsatz – ein Achtkern-Prozessor mit vier leistungsstärkeren Kryo-Gold-Kernen (Cortex-A78, 2,4 GHz) und vier stromsparenden Kryo-Silver-Kernen (Cortex-A55, 1,8 GHz). Unterstützt wird das SoC von einer Adreno-710-GPU. Gegenüber dem Galaxy A35 fällt der Leistungszuwachs gering aus, und auch im direkten Vergleich mit dem Galaxy A56 ist das A36 schwächer aufgestellt.
In den Benchmarks erreicht das Galaxy A36 bei PCmark Work rund 13.500 Punkte. Bei grafikintensiven Tests wie 3Dmark Wild Life erzielt es 3500 Punkte, im Wild Life Extreme sind es 900 Punkte. Damit liegt die GPU-Leistung etwa ein Drittel unterhalb des A56. Für alltägliche Aufgaben, Social Media, Streaming und gelegentliches Gaming reicht die Leistung dennoch aus. Anspruchsvollere 3D-Spiele geraten allerdings an ihre Grenzen.
Das A36 wird mit 8 GB RAM ausgeliefert, wahlweise mit 128 oder 256 GB internem Speicher. Eine Speichererweiterung via microSD-Karte ist nicht mehr vorgesehen – der Schacht bietet nur Platz für zwei Nano-SIMs. Support für Dual-SIM ist auch via eSIM möglich. Wer viele Fotos, Videos oder Apps speichert, sollte daher direkt zur größeren Variante greifen.
Zur Konnektivität sind beim Galaxy A36 etwa Wi-Fi 6, Bluetooth 5.4, NFC und 5G an Bord. Der USB-C-Anschluss arbeitet allerdings nur nach dem 2.0-Standard, was maximale Datenübertragungsraten von 480 Mbit/s bedeutet – für diese Preisklasse noch üblich, aber beim Übertragen größerer Datenmengen spürbar langsamer.
Die Standortbestimmung funktioniert zuverlässig, auch wenn die Genauigkeit im Vergleich zu höherklassigen Geräten etwas geringer ausfallen kann. Die Sprachqualität beim Telefonieren ist ordentlich, die Stereolautsprecher liefern einen soliden Klang, wirken allerdings etwas flach. Der Fingerabdrucksensor ist direkt im Display verbaut und reagiert zuverlässig auf Eingaben.
Software
Auf dem Galaxy A36 läuft ab Werk Android 15 mit One UI 7.0, Samsungs hauseigener Bedienoberfläche. Wer bereits ein Galaxy-Gerät genutzt hat, wird sich sofort zurechtfinden. Nutzer anderer Hersteller – etwa von Google Pixel oder Xiaomi – müssen sich zunächst an die umfangreichen Menüs und vorinstallierten Apps gewöhnen. Samsung installiert wie gewohnt eine Reihe eigener Anwendungen sowie einige Drittanbieter-Apps vor.
Im Gegensatz zur Galaxy-S-Serie und dem A56 bietet das Galaxy A36 nicht das vollständige Galaxy-AI-Paket. Einige ausgewählte Funktionen sind dennoch enthalten – Samsung nennt sie „Awesome Intelligence“. Dazu zählen etwa der Objektradierer für Fotos, Circle to Search oder Musikerkennung für Songs in der Umgebung. KI-gestützte Übersetzungsfunktionen oder Live-Transkription fehlen hingegen.
Positiv: Samsung garantiert auch für das Galaxy A36 sechs Jahre lang Sicherheitsupdates und Android-Upgrades – ein in dieser Preisklasse außergewöhnlich langer Zeitraum. Theoretisch wird das Gerät also bis 2031 mit neuen Funktionen und Patches versorgt. Zum Testzeitpunkt Anfang April lief das Gerät allerdings noch mit dem Sicherheitspatch vom Januar 2025 – ein Update steht also bald an.
Akku
Der 5000-mAh-Akku des Galaxy A36 liefert eine ziemlich gute Laufzeit. Im PCmark Battery Test erreicht das Gerät etwa 13 Stunden – damit liegt es knapp hinter dem Galaxy A56, übertritt aber den Vorgänger. Verantwortlich dafür dürfte vor der Snapdragon 6 Gen 3 sein, der im Vergleich zum Exynos-Chip weniger effizient zu sein scheint.
Im Alltag kommt man gut durch den Tag, bei zurückhaltender Nutzung sind auch zwei Tage ohne Netzteil denkbar. Wer jedoch viel streamt oder spielt, benötigt zwischendurch ein Ladegerät (Bestenlisten).
Auch das A36 unterstützt nun schnelleres Laden mit bis zu 45 Watt – ein Fortschritt gegenüber dem Galaxy A35. In rund einer Stunde ist der Akku vollständig geladen. Drahtloses Laden bleibt wie bei allen Modellen der A-Serie aber nicht möglich.
Preis
Das Samsung Galaxy A36 gibt es mit 128 GB oder 256 GB Speicher, jeweils mit 8 GB RAM. Zur Auswahl stehen vier Farben: Awesome Black, Awesome White, Awesome Lavender und Awesome Lime.
Zum Marktstart lag die UVP bei 379 Euro für das Modell mit 128 GB Speicher sowie 449 Euro für 256 GB Speicher. Inzwischen ist das Galaxy A36 aber deutlich günstiger. Die 128-GB-Version startet aktuell bei etwa 240 Euro, die 256-GB-Variante kostet 278 Euro. Damit bietet das A36 ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis in der Mittelklasse.
Fazit
Das Samsung Galaxy A36 punktet mit einem hellen AMOLED-Display, guter Alltagsleistung, IP67-Zertifizierung und langfristigen Software-Updates – in dieser Preisklasse keine Selbstverständlichkeit. Auch die Verarbeitung wirkt hochwertig, trotz Kunststoffrahmen. Praktisch sind Features wie Wi-Fi 6, NFC und das schnellere Laden mit 45 Watt.
Abstriche gibt es bei der Ultraweitwinkelkamera sowie bei Nachtaufnahmen. Die Leistung ist zudem schwächer als beim A56 – gerade im Grafikbereich merkt man das. Das A36 eignet sich besonders für Nutzerinnen und Nutzer, die ein preiswertes Smartphone für den Alltag suchen: zum Surfen, Streamen, Messaging und gelegentlichen Fotos. Wer auf einen Metallrahmen und stärkeren Prozessor verzichten kann, bekommt mit dem Galaxy A36 einen preiswerten und guten Kompromiss.
Künstliche Intelligenz
EU plant sechs weitere KI-Fabriken in Europa
Die EU plant den Bau von sechs weiteren großen KI-Fabriken in Europa. In Tschechien, Litauen, Polen, Rumänien, Spanien und den Niederlanden sollen nun sogenannte KI-Fabriken entstehen, wie die EU-Kommission mitteilte. Sie sollen demnach Start-ups, kleinen und mittleren Unternehmen sowie der Industrie direkten Zugang zu KI-optimierten Supercomputern bieten.
Dafür investieren die Mitgliedsstaaten zusammen mit der EU laut Mitteilung mehr als 500 Millionen Euro. Die EU möchte beim Thema KI aufholen und sich von technischen Abhängigkeiten befreien. Die USA gelten als Marktführer bei der Technologie und auch China hat eine Vorreiterrolle.
Zunächst kein weiterer deutscher Standort
Für noch größere von der EU unterstützte KI-Fabriken — sogenannte „Gigafactories“ — ist eine Entscheidung noch nicht gefallen. Aus Deutschland hatten die Deutsche Telekom, der Cloudanbieter Ionos und die IT-Tochter der Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) Interesse angemeldet. Den Zuschlag für eine KI-Fabrik gab es hingegen im vergangenen Jahr bereits für das KI-Projekt „HammerHai“ in Stuttgart. Insgesamt hat die EU bisher 19 Standorte für KI-Fabriken ausgewählt.
(nen)
Künstliche Intelligenz
Big Brother Awards: Preise unter anderem für Amazon, Dobrindt und weitere
Zur Stunde werden in Bielefeld die Big Brother Awards verliehen. Was im Jahre 2000 in einem kleinen Keller begann, ist mittlerweile eine Gala mit „geschliffener Rede und Musik“, wie der Veranstalter Digitalcourage schreibt. Inmitten vieler Umbrüche bleibt man sich treu: Mit Alexander Dobrindt erhält der 14. Innenminister den Negativpreis, dieses Mal für ein „Sicherheitspaket“ voller Überwachungstechniken. Den Anfang machte vor 25 Jahren der Berliner Innensenator Eckart Werthebach mit dem Ausbau der Telefonüberwachung durch sogenannte IMSI-Catcher.
Zum Jubiläum gibt es aber auch Veränderungen: Jugendliche von Teckids präsentieren in der Kategorie „Jung und überwacht“ in Sketchen die Datenkraken aus ihrer Lebenswelt. Der Einsatz von iPads in Schulen und der Messanger WhatsApp werden deshalb ausgezeichnet, weil beide auf ihre Weise Nichtnutzer ausgrenzen. Die heutige Preisverleihung wird als Livestream übertragen.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) ist mit der Neuauflage eines „Sicherheitspakets“ der unglückliche Gewinner in der Kategorie „Behörden und Verwaltung“. Mit dem Gesetz sollen Maßnahmen wie die biometrische Datensuche per Gesichtserkennung im Internet und in den sozialen Medien durch die Bundespolizei und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ermöglicht werden. Preistreibend ist auch die von Dobrindt veranlasste Prüfung, ob die Software Gotham des US-Unternehmens Palantir bundesweit von dem Bundeskriminalamt eingesetzt werden kann.
Damit befindet sich Dobrindt in guter Gesellschaft: im Jahre 2019 erhielt der hessische Innenminister Peter Beuth einen Big Brother Award, weil er die Palantir-Software unter dem unverfänglichen Namen „Hessendata“ für 0,01 Euro zuzüglich 600.000 Euro Schulungskosten angeschafft hatte. Großes Lob für die Auszeichnung von Beuth kam von der damaligen SPD-Abgeordneten Nancy Faeser – bevor sie Bundesinnenministerin wurde und ihr eigenes „Sicherheitspaket“ schnürte, Gesichtserkennung inklusive.
Mittlerweile gibt es einen Big Brother Award in der Kategorie „Neusprech“. Zum 25. Jubiläum ist es der „Bürokratieabbau“, mit dem Firmen eine Deregulierung in ihrem eigenen Interesse fordern. Ob es der Datenschutz ist oder der Umweltschutz, der Verbraucherschutz oder das Lieferkettengesetz, immer muss der Bürokratieabbau als Deckmäntelchen für die unterschiedlichsten Gängelungsversuche herhalten, argumentieren die Preisverleiher. Das gelte auch für die Politik, wie in den USA zu sehen sei. Dort würden im Namen des Bürokratieabbaus ganze Behörden geschleift und auf Trump-Kurs gebracht. Deshalb geht der Big Brother Award an kein Unternehmen oder eine Behörde, sondern wird unter dem Stichwort „Was mich wirklich wütend macht“ zu einem Plädoyer für digitale Souveränität in Europa mit 450 Millionen Menschen und 23 Millionen Unternehmen. „Wir müssen verdammt noch einmal Ernst machen mit der digitalen Souveränität! Bundesbehörden und alle wichtigen Institutionen, Schulen, Universitäten, Stadtwerke, Verbände und Firmen müssen schnellstmöglich weg von Microsoft, Google, Amazon“, sagte Laudatorin Rena Tangens.
Arbeitswelt: Big Brother Award für Amazon
Einen Big Brother Award für Amazon in der Kategorie „Arbeitswelt“ dürfte niemanden verwundern. Tatsächlich bekam Amazon Logistik Bad Hersfeld im Jahre 2015 den Preis für Klauseln in den Arbeitsverträgen, die die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeitenden verletzten, und für die Speicherung von Gesundheitsdaten in den USA. 2025 geht der Arbeitswelt-Preis erstmals an deutsche Gerichte, die zugunsten von Amazon urteilten.
2017 wandte sich der Amazon-Betriebsrat des Logistikzentrums in Winsen an der Luhe an den niedersächsischen Datenschutzbeauftragten. Dieser befand, dass die Leistungsmessung der „Picker“ auf „schwerwiegende Art und Weise in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ eingreife. Der Fall ging vor das Verwaltungsgericht Hannover. Es kam zur Gerichtsverhandlung – in den Räumlichkeiten des Konzerns. Amazon gewann das Verfahren, weil die Leistungsmessung ein „objektives Feedback“ ermögliche. Die dauerhafte Speicherung der Daten sei „für die permanente Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erforderlich“ und daher „im Eigeninteresse“ der Beschäftigten.
Neben der 10. Kammer des Verwaltungsgerichtes Hannover darf sich auch der 1. Senat des Bundesarbeitsgerichtes über einen Big Brother Award freuen. Er hatte als letzte Instanz über die Nutzung der Software „People Engine /New HCM“ zu entscheiden, die Personaldaten in den USA verarbeitet, ohne dass der Betriebsrat eine Kontrolle über die Datenverarbeitung habe. Der Fall ging zunächst vor das Arbeitsgericht Fulda und dann zum Landesarbeitsgericht Hessen. Beide Gerichte entschieden, dass die Einführung der Software nicht mit Datenschutzargumenten untersagt werden darf. Das Landesgericht versuchte sogar, den Gang zum Bundesarbeitsgericht zu verbieten, was eine weitere Klage zur Folge hatte. Schließlich landete der Streit doch vor dem höchsten Gericht. Das urteilte kurz und knapp, dass die Beschwerde unzulässig sei und man von einer weiteren Begründung absehe.
Auch Google hat bereits zwei Big Brother Awards in seinem virtuellen Schrank, einmal für das „globale Datensammeln“ und einmal für die „massive Manipulation“ des Internet-Werbemarktes. Den nächsten Award könnte sich Google Ireland Limited in der Kategorie „Technik“ für die „Zwangs-KI Gemini in Android-Mobiltelefonen“ abholen. Gegenüber dem alten Google-Assistenten bewertete die Preis-Jury es als besonders kritisch, dass sich der neue Chatbot über die Update-Funktion in die Mobiltelefone einschleicht und nur schwer deaktiviert beziehungsweise datenschutzfreundlich eingestellt werden kann. Genüsslich zitiert Laudator Frank Rosengart vom Chaos Computer Club in seiner Rede, dass man bei Google eigentlich derselben Meinung ist, wenn es in den Datenschutzhinweisen heißt: „Geben Sie in Ihren Unterhaltungen keine vertraulichen Informationen und keine Daten an, die Prüferinnen und Prüfer nicht sehen sollen oder die nicht zur Verbesserung der Produkte, Dienste und Technologien für maschinelles Lernen von Google verwendet werden sollen.“ Mit „Prüferinnen und Prüfer“ sind Tausende von schlecht bezahlten Raters gemeint, die bei Google-Dienstleistern wie GlobalLogic, die Fragmente der in die Cloud kopierten Chatbot-Unterhaltungen vor dem KI-Training lesen und einordnen.
25 Jahre und kein Ende
Die ersten Big Brother Awards wurden 1998 in Großbritannien von Privacy International vergeben. Im Zuge der Enfopol-Recherchen erhielt die britische Abhörstation Menwith Hill einen „Lifetime Award“. In Deutschland übernahm der Verein zur „Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs“ (FoeBuD) ab 2000 die Aufgabe, die von einer Jury ausgewählten Preisträger zu präsentieren. In der Jury saßen Mitglieder anderer IT-kritischer Vereine wie dem Chaos Computer Club oder dem Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft FITUG.
25 Jahre später hat sich vieles verändert, doch die Preise sind geblieben: Den FITUG gibt es nur noch im Web, aus FoeBuD wurde Digitalcourage und bei den Preisen kamen neue Kategorien wie „Social Media“ zu den Klassikern „Arbeitswelt“ und „Technik“ hinzu. Während in anderen Ländern die Vergabe von Big Brother Awards längst wieder eingestellt wurde, lief die Bielefelder Gala weiter und weiter, mitunter gekoppelt an weitere Aktionen: 2006 zogen rund 300 Demonstranten vor der Preis-Gala unter dem Motto „Freiheit statt Angst“ durch die Bielefelder Innenstadt. In 25 Jahren wurde übrigens nur ein einziges Mal ein Positiv-Preis für den Datenschutz vergeben. Der Whistleblower Edward Snowden erhielt 2014 den “Julia-und-Winston-Award“.
(mack)
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