Datenschutz & Sicherheit
Die fossile Industrie liebt KI
Deutschland soll „KI-Nation“ werden und dadurch ungeahnte „Wirtschaftskräfte freisetzen“ – zumindest, wenn es nach der neuen Bundesregierung geht. Dafür sollen deutlich mehr Rechenzentren gebaut werden, was einen rapide ansteigenden Energiebedarf einschließt.
Prognosen für die EU zeigen, dass dieser so groß werden könnte, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht mithalten kann – doch die fossile Industrie steht bereits in den Startlöchern.
Der Hype um generative KI liefert ihnen die perfekte Begründung für den Ausbau fossiler Infrastruktur. Tech- und Fossilkonzerne investieren massiv in neue Gaskraftwerke für energiehungrige Datenzentren. Wir erleben derzeit eine fossile Gegenoffensive im Gewand digitaler Versprechen.
Fossile Industrie in den Startlöchern
RWE-CEO Markus Krebber freut sich öffentlich über die steigende Stromnachfrage durch KI und kündigt an, das Stromangebot auch durch neue Gaskraftwerke liefern zu wollen. Der Energiekonzern E.ON realisiert bereits mit dem Rechenzentrumsentwickler CyrusOne ein gasbetriebenes Stromversorgungssystem für ein Rechenzentrum in Frankfurt am Main.
Und Siemens Energy bietet neuerdings gemeinsam mit dem Maschinenbau-Unternehmen Eaton Rechenzentren im Paket mit Gasturbinen an, die nur optional mit erneuerbaren Energien ausgestattet werden. Derweil meldet Siemens Energy einen neuen Verkaufsrekord für Gasturbinen – allein im laufenden Fiskaljahr wurden 100 davon in den USA unter anderem zur Stromversorgung von Datenzentren installiert oder reserviert.
Siemens-Energy-CEO Christian Bruch bekräftigte den hohen Stellenwert eines ausreichenden Stromangebots für KI vor kurzem in einem Spiegel-Interview: „Eines der wichtigsten Ziele der Amerikaner ist die Marktführerschaft bei künstlicher Intelligenz. Dafür werden die USA viel Strom brauchen.“ Dort nimmt der Ausbau von gasbetriebenen Datenzentren richtig Fahrt auf.
Ein Beispiel dafür ist das Projekt Homer City Energy Campus in Pennsylvania, in dessen Rahmen 4,4 Gigawatt an Gaskraftwerkskapazität geschaffen werden sollen, um den dortigen KI-Stromhunger zu stillen – fast ein Achtel der gesamten installierten Gaskraftwerkskapazität Deutschlands.
Auch die Techkonzerne selbst rücken immer häufiger in den Fokus der Recherchen für die Global Oil & Gas Exit List (GOGEL), eine Industriedatenbank von urgewald, die unter anderem Expansionspläne in der Öl- und Gasindustrie erfasst. So wurde Microsoft auf der GOGEL 2024 von urgewald als fossiler Konzern gelistet, weil er ein eigenes 170-Megawatt-Gaskraftwerk für den Betrieb eines Rechenzentrums in Irland gebaut hat.
Wirtschaftswunder KI?
Für die neue Bundesregierung mit ihrem im Koalitionsvertrag erklärten Ziel, Deutschland zur „KI-Nation“ zu machen, spielen die ökologischen Kosten von KI offenbar keine Rolle. Das Energieeffizienzgesetz soll „vereinfacht und auf EU-Recht“ zurückgestutzt werden.
Mit Blick auf Rechenzentren drohen Vorgaben für die Erhebung von Energieverbrauch, Abwärme und Energieeffizienz auf Kosten des Klimaschutzes verwässert zu werden. KI-Investitionen sollen unterdessen den „Wohlstand für alle mehren“. Unter dieser Losung sind massive Investitionen in die Cloud- und KI-Infrastruktur sowie eine Förderung von KI-Start-ups und eine „Verwaltungsrevolution“ durch „KI-Sprunginnovation“ geplant.
Welche KI-Systeme die Bundesregierung auf dem Weg zur „KI-Nation“ konkret im Auge hat, bleibt – wie im gesamten politischen Diskurs – vage. Es könnten etwa generative KI-Modelle gemeint sein, die enorme Rechenkapazitäten benötigen. Auch wie die freigesetzten „Wirtschaftskräfte“ wirken sollen, bleibt nebulös.
Die bisherige wirtschaftliche Bilanz großer KI-Unternehmen ist durchwachsen: OpenAI verzeichnete 2024 Verluste in Höhe von fünf Milliarden US-Dollar, KI-Unternehmen wie Perplexity gelten zunehmend als überbewertet.
Hohe Gewinne mit dem KI-Hype fahren vor allem andere ein: Der Chip-Hersteller Nvidia etwa gilt mit seinen Hochleistungschips als Flaschenhals der Industrie und ist aktuell der größte Profiteur des Hypes – 2024 machte Nvidia 72,9 Milliarden US-Dollar Gewinn.
Gleichzeitig profitieren Cloud-Anbieter von den energieintensiven Modellen, allen voran Microsoft, Amazon und Google, deren Computing Power in der Cloud die Grundlage für die Entwicklung und Betrieb der großen KI-Modelle bilden. Allein im ersten Quartal 2025 machte Microsoft über 25 Milliarden US-Dollar Gewinn mit seiner Cloud-Infrastruktur.
Steigender Energiebedarf – steigende Emissionen
Während der konkrete gesellschaftliche Nutzen der generativen KI-Systeme bislang unklar ist, hat der Energieverbrauch durch generative KI wie GPT 4, Gemini oder Claude 3 bereits schwindelerregende Höhe erreicht.
Laut einer aktuellen Studie des Öko-Instituts im Auftrag von Greenpeace werden sich die globalen Treibhausgasemissionen von KI-gestützten Rechenzentren von 2023 bis 2030 fast versechsfachen – von 29 auf 166 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente.
Die EU-Kommission kündigte indes jüngst eine KI-Kontinent-Strategie an, die eine Verdreifachung der Rechenzentrumskapazitäten vorsieht.
Die europäische NGO Beyond Fossil Fuels warnt deshalb vor einer Beschleunigung dieser Entwicklungen. Der hohe Energiebedarf der Rechenzentren Europas gefährde die angestrebte Klimaneutralität, da der Ausbau der erneuerbaren Energien hier nicht mithalten könne.
Gasausstieg statt Gas für KI
Wenn die benötigte Energie stattdessen fossil erzeugt wird, ist das fatal: Die Betriebsdauer von Gaskraftwerken etwa beträgt 25 bis 40 Jahre. Wer also heute baut, schreibt fossile Abhängigkeiten bis in die 2050er-Jahre fest. Auch eine häufig von Industrie und Politik vorgebrachte spätere potenzielle Umstellung auf ebenfalls fossilen „blauen Wasserstoff“ bringt wegen hoher vorgelagerte Emissionen aus Produktion und Transport keine Besserung.
Die Umstellung auf durch erneuerbare Energieträger erzeugten „grünen Wasserstoff“ ist zweifelhaft, denn dieser wird absehbar nur in sehr geringen Mengen verfügbar sein. Hinzu kommt, dass die Verbrennung von Wasserstoff zur Stromerzeugung äußerst ineffizient ist.
Unter dem Strich bedeutet der Bau neuer Gaskraftwerke also eine langfristige Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Dabei muss die EU bereits bis 2035 aus fossilem Gas aussteigen, um das 1,5 °C-Limit einzuhalten.
Statt die rasante Entwicklung der Stromnachfrage zum Anlass für mehr Einsparmaßnahmen sowie massive Investitionen in Speichertechnologien, Netzausbau und Effizienz zu nutzen, setzt die Bundesregierung aktuell – ganz im Sinne der fossilen Industrie – auf Vollgas.
Das Wirtschaftsministerium unter Katherina Reiche, Ex-Cheflobbyistin des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU) und Ex-CEO des Strom- und Gasnetzbetreibers Westenergie, plant zurzeit die Ausschreibung von 20 Gigawatt neuer Gaskraftwerkskapazität bis 2030. Offizielle Begründung: die Absicherung der Energiewende. Ein denkbarer weiterer Grund: die Förderung von Big Tech.
KI als Klimaretter?
Open-AI-Chef Sam Altman verharmlost den hohen Energieverbrauch generativer KI durch Rechenzentren immer wieder mit Argumenten wie: KI werde selbst eine Lösung für den Klimawandel finden oder der Nutzen der KI übersteige ihre ökologischen Risiken. Für beide Aussagen gibt es aus heutiger Sicht keine Belege.
Bei spezifischen KI-Anwendungen in kontroversen Bereichen wie der fossilen Industrie ist der gesamtgesellschaftliche Nutzen ohnehin mehr als fraglich, die Profiteure jedoch eindeutig. So kooperiert Microsoft beispielsweise seit längerem mit dem US-amerikanischen Öl- und Gaskonzern ExxonMobil zur Optimierung der Ölförderung mittels KI.
Erst seit kurzem unterstützt Microsoft auch den deutschen Konzern Uniper etwa bei der KI-gestützten Steuerung fossiler Kraftwerke. Zu befürchten ist, dass solche KI-Projekte dem Klimaschutz nicht helfen, sondern höhere Profitmargen ermöglichen und letztlich noch mehr Anreiz für fossile Projekte bieten.
Auf der anderen Seite fordern Open-Source-Initiativen wie Small-Scale AI oder Projekte wie Green AI Effizienz und Bedarfsgerechtigkeit statt Wachstumslogik um jeden Preis. Schon seit Jahren gibt es vielfältige sinnvolle Anwendungsfälle für KI-Modelle, von denen der Umwelt- und Klimaschutz profitiert. Dabei handelt es sich selten um große generative Sprachmodelle, sondern um kleine Berechnungen mit vergleichsweise überschaubarem Energiebedarf, um beispielsweise Umwelt-, Verkehrs- oder Energiedaten auszuwerten.
Aber auch wenn diese Datenauswertung das Monitoring, die Steuerung und Prognosen vereinfacht, kann die Technologie ambitionierte politische Entscheidungen nicht ersetzen: Gute Daten zu Verkehrsströmen sind noch keine Mobilitätswende und Prognosen zum Sterben der Korallenriffe kein ambitionierter Meeresschutz.
Suffizienz statt Superintelligenz
Zoom-Out zum Big Picture: Die Pläne der Bundesregierung Deutschland zur KI-Nation zu machen, stehen auf wackligen Füßen: Es ist mehr als fraglich, ob die Hoffnung auf KI als Wirtschaftswunder Realität wird. Sicher ist jedoch, dass der Hype hohe Kosten hat.
Global regen sich bereits Proteste gegen Hyperscale-Rechenzentren – zuletzt verklagten beispielsweise Umweltorganisationen in der US-Metropole Memphis Elon Musks Unternehmen xAI, weil die Gasturbinen des dortigen Rechenzentrums die Luft stark verschmutzen.
Auch in Deutschland und Europa gibt es Proteste von Umweltgruppen, beispielsweise gegen ein geplantes Microsoft-Rechenzentrum im Rheinischen Braunkohlerevier.
Wir brauchen einen grundlegend neuen Ansatz: Wer Energie mit KI verbraucht, muss den dafür nötigen Ökostrom selbst erzeugen. Eine Verpflichtung zur zusätzlichen Produktion erneuerbarer Energie für KI-Betreiber wäre ein wichtiger Schritt, um Verdrängungseffekte zu vermeiden. Denn aktuell wird produzierter grüner Strom oft nicht zusätzlich bereitgestellt, sondern anderen Sektoren entzogen – mit verheerenden Klimaeffekten.
Statt unreflektiert den KI-Hype mit fossilem Strom zu bedienen, müssen Bundesregierung und Unternehmen Lösungen finden, die sich dem klimagerechten Umbau der Volkswirtschaften unterordnen. Denn fossil erzeugter Strom ist NI – nicht intelligent.
Friederike Hildebrandt ist Ökonomin, beschäftigt sich mit Klima- und Stadtpolitik und koordiniert das „Bits & Bäume“-Bündnis. Das Bündnis hat Anfang des Jahres Forderungen zu Digitalisierung und Nachhaltigkeit vorgelegt und wird auf dem diesjährigen System Change Camp einen Vortrag zu Rechenzentrumsausbau & Klimagerechtigkeit halten.
Moritz Leiner ist Sozialwissenschaftler und organisiert bei der Umwelt- und Menschrechtsorganisation urgewald Kampagnen zu deutschen Energie- und Finanzkonzernen. Auf urgewalds öffentlich zugänglicher Industriedatenbank „Global Oil and Gas Exit List“ spielen neue Gaskraftwerksprojekte für Datenzentren eine zunehmende Rolle. Moritz nimmt hierzu gerne Hinweise entgegen.
Datenschutz & Sicherheit
Klare Absagen zur Nutzung von Palantir in Sachsen
Über den US-Konzern Palantir und seine Polizeianalysesoftware wird gerade heftig gestritten. Anlass ist die Verfassungsbeschwerde gegen die bayerische Regelung zur automatisierten Datenanalyse in der letzten Woche sowie aktuelle Pläne von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) zur bundesweiten Nutzung von Palantir. In Sachsen kocht nun die Diskussion ebenfalls hoch.
Seit die Sächsische Zeitung berichtete, dass der dortige CDU-Innenminister Armin Schuster ebenfalls gern Palantir nutzen wolle, regt sich Widerstand. Der Ressortchef hatte sich für eine „Sicherheitsoffensive“ ausgesprochen, um die Möglichkeiten automatisierter Datenanalyse für die Polizei nutzen zu können.
Dabei gelten wegen eines Urteils aus Karlsruhe verfassungsrechtliche Anforderungen, die der polizeilichen Datenanalyse eigentlich quantitative und qualitative Grenzen setzen sollten. In den drei Bundesländern, die aktuell Palantir einsetzen, sind jeweils Verfassungsbeschwerden gegen die Polizeigesetze noch anhängig.
Die politischen Diskussionen und Beschlüsse in den restlichen Ländern sind durchwachsen: In Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt soll die Polizei die Palantir-Analysesoftware einsetzen dürfen, falls die dort aktuell diskutierten Polizeigesetze durch die Parlamente kommen. Dagegen hat Hamburg Palantir gestern der Überwachungssoftware eine deutliche Absage erteilt.
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Die politische Situation in Sachsen ist durch die Minderheitsregierung aus CDU und SPD geprägt, die bei Gesetzesänderungen mit anderen Parteien zusammenarbeiten muss. Ohne Zweifel wäre eine Nutzung von Palantir mit einer Änderung des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes verbunden, da in hohem Maße in Grundrechte eingegriffen wird. Das Polizeigesetz ist seit einem Urteil des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes (pdf) in Teilen verfassungswidrig und muss ohnehin bis Mitte 2026 überarbeitet werden.
Aber wird mit dieser Novellierung auch eine Regelung zur automatisierten Datenanalyse kommen? Auch wenn Sachsen über einen bestehenden Rahmenvertrag die in „VeRA“ umgetaufte Palantir-Software nutzen wollte, müsste eine Rechtsgrundlage im Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetz geschaffen werden. Wir haben daher nachgefragt, wie die Chancen für den nach Europa expandierenden US-Konzern in Sachsen stehen.
Klare Absage an Schuster

Der Sprecher für Polizeifragen bei der SPD und Vizepräsident des Sächsischen Landtags, Albrecht Pallas, erteilt Ressortchef Schuster eine klare Absage, wenn es um Verträge mit dem milliardenschweren US-Konzern geht, der seit 2020 an der New Yorker Börse gehandelt wird.
Die sächsische Regierung habe die Nutzung von „VeRA“ nicht geplant, es gäbe auch keine Absichtserklärung. Die Äußerungen des sächsischen Innenministers seien lediglich „als CDU-Debattenbeitrag einzuordnen“, so Pallas. Die SPD im Bund und den Ländern habe sich „bereits mehrfach gegen die Nutzung von Palantir ausgesprochen“.
Sachsen hatte im Bundesrat für den Einsatz einer technologieoffenen polizeilichen Analysemöglichkeit gestimmt. Als Zielrichtung hatte das sächsische Innenministerium im April gegenüber netzpolitik.org angegeben, „auf Bundesebene bis 2030 ein gemeinsames Datenhaus zu implementieren“. Auf die Frage, ob sich der sächsische Innenminister für die Nutzung von Palantir oder „VeRA“ für die Polizei in Sachsen einsetze, gibt ein Sprecher aus Schusters Haus nur eine ausweichende Antwort. Der Freistaat plane „gegenwärtig keine eigenständige Beschaffung“. Man sehe aber „den Bedarf einer bundeseinheitlichen Lösung, bei der es sich herstellerunabhängig nicht um Palantir handeln muss“.
Auf die Frage danach, ob bis 2030 auf eine Palantir-„Zwischenlösung“ gesetzt werden sollte, antwortet Pallas knapp, aber deutlich: „Das wäre nicht sinnvoll.“
Das sieht das sächsische Innenministerium etwas anders. Eine Palantir-„Zwischenlösung“ schließt ein Sprecher nicht aus, allerdings würden „die internen Prüf- und Abstimmungsprozesse“ noch laufen.
Töten auf Basis von Metadaten
Keine Daten an „fragwürdige US-Tech-Oligarchen“

Valentin Lippmann, der innenpolitische Sprecher der oppositionellen grünen Fraktion im Landtag, hatte gegenüber der Sächsischen Zeitung von einem „Irrweg“ gesprochen, den der Innenminister einschlage. Gegenüber netzpolitik.org nannte der Innenpolitiker besonders zwei Gründe, die gegen den Einsatz derartiger Analysewerkzeuge sprechen würden. Zum einen handele es sich „um massenhaftes Data-Mining“ durch die Polizei, bei dem „auch die Daten von Bürgerinnen und Bürgern nach unklaren Kriterien verarbeitet werden, die sich vollkommen unverdächtig verhalten“. Das leiste „der Massenüberwachung Vorschub“. Lippmann hält dies „für verfassungsrechtlich unzulässig“.
Zum anderen sieht der Grüne darin eine „gefährliche Aufgabe der digitalen Souveränität“, wenn die Daten der Bürgerinnen und Bürger „in die Hände fragwürdiger US-Tech-Oligarchen“ gelangen würden, „ohne klar zu wissen, was mit diesen Daten geschieht“.

Der Fraktionsvorsitzende und innen- und rechtspolitische Sprecher der Linken in Sachsen, Rico Gebhardt, lehnt Schusters Ansinnen zur Nutzung von Palantir ebenfalls ab. Er betont gegenüber netzpolitik.org: „Hochsensible Daten müssen besonders geschützt werden.“ Auch „unabhängig vom konkreten Anbieter“ gebe es weitere Fragen, etwa was genau solche Software leistet. Gebhardt gibt bei Software zur automatisierten Datenanalyse zu bedenken: „Gibt es über Marketing-Behauptungen hinaus einen Nachweis, dass sie bei der Kriminalitätsbekämpfung und der Strafverfolgung wirkt?“
Er erklärt, dass er zwar noch keinen Entwurf für das zu überarbeitende Sächsische Polizeivollzugsdienstgesetz kenne. „Aber es kann gut sein, dass der Innenminister mit neuen Befugnissen liebäugelt und die Gelegenheit nutzt, hier die KI-Nutzung einzubeziehen.“ Der Palantir-Konzern wirbt damit, in seiner Software auch Künstliche Intelligenz (KI) einzusetzen.
Auch Lippmann befürchtet, dass die notwendige Anpassung des Polizeivollzugsdienstgesetzes von der schwarz-roten Minderheitskoalition genutzt werden wird, um „auch die Rechtsgrundlage für Palantir zu schaffen“.
Dafür bräuchte Schuster allerdings Stimmen der Opposition. Die könne er seitens seiner Fraktion „aktuell nicht in Aussicht stellen“, sagt der Linke Gebhardt. Aber der Innenminister hätte bisher auch noch nicht darum geworben.
Milliardäre „mit zweifelhafter politischer Agenda“
SPD-Mann Pallas weiß über das neue Sächsische Polizeivollzugsdienstgesetz: „Aktuell wird ein Gesetzentwurf durch die Sächsische Staatsregierung erarbeitet.“ Danach gefragt, ob er die Nutzung von Palantir für die Polizei in Sachsen für sinnvoll hält, wird der SPD-Innenexperte deutlich: „Wenn es um die Sicherheit unseres Landes und den Schutz der Bevölkerung geht, lehnen wir den Einsatz kommerzieller Software grundsätzlich ab, auch weil der Staat keine effektive Kontrolle ausüben kann.“
Ein Vertragspartner wie der US-Konzern, der zweifellos kommerzielle Software anbietet, kommt also für Pallas nicht in Frage. Mit Bezug auf die zwei Milliardäre, nämlich Peter Thiel als Palantir-Mitgründer und Alexander Karp als Palantir-CEO, erklärt der SPD-Mann unzweideutig: „In diesen sensiblen Bereichen dürfen wir uns nicht von Milliardären mit zweifelhafter politischer Agenda abhängig machen.“
Innenminister Schuster muss wohl nicht nur um die Stimmen die Opposition buhlen, sondern auch um die des eigenen Koalitionspartners. Sein Ministerium erklärt gegenüber netzpolitik.org: „Eine Änderung der Rechtsgrundlage für eine Befugnis zur anlassbezogenen automatisierten Datenanalyse ist in Vorbereitung.“
SPD-Man Pallas hingegen betont gegenüber netzpolitik.org, dass für die Gesetzesnovellierung eine neue Rechtsgrundlage für eine solche Analysesoftware in der Minderheitskoalition aus CDU und SPD „nicht vereinbart“ sei.
Datenschutz & Sicherheit
NIS2: Kabinett überantwortet Bundestag offene Baustellen
Das Bundeskabinett hat sich auf einen Entwurf für die Umsetzung der überarbeiteten EU-Netzwerk- und Informationssicherheitsrichtlinie (NIS2) geeinigt. Damit verschiebt die Bundesregierung die meisten ungelösten Probleme der seit bald einem Jahr überfälligen deutschen Umsetzung zur weiteren Debatte in den Bundestag.
„Höheres Sicherheitsniveau“
„Mit dem neuen Gesetz schaffen wir ein deutlich höheres Sicherheitsniveau für unsere Wirtschaft und Verwaltung“, meint Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU). Diese würden durch die neuen Vorschriften widerstandsfähiger gegen Cyberangriffe. Damit sollen künftig fast 30.000 statt bisher 4500 Stellen verschärften Cybersicherheitsvorgaben unterliegen.
Während der gescheiterte Versuch der Ampel noch über die europäischen Vorgaben hinausgehen sollte, hat sich Schwarz-Rot auf die Fahne geschrieben, die EU-Richtlinie möglichst ohne jede Übererfüllung umsetzen zu wollen. „Wir setzen dabei auf klare Regeln ohne unnötige Bürokratie“, betont Dobrindt.
Allerdings sind viele der nun in dem Kabinettsentwurf enthaltenen Formulierungen keineswegs klar und unumstritten. So bemängelt etwa der Internetwirtschaftsverband Eco, dass „zentrale Fragen“ offen bleiben, etwa bei geplanten Ausnahmen für Unternehmen, deren kritische Rolle „vernachlässigbar“ ist. „Was politisch pragmatisch klingt, ist europarechtlich heikel“, kritisiert Ulrich Plate für den Eco-Verband.
China-Klausel viel breiter?
Weitere Kritik an der NIS2-Umsetzung übt etwa der Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko): Die Regelungen zu sogenannten „kritischen Komponenten“, die die Bundesregierung nun neu formuliert, können deutlich über das hinausgehen, was bislang unter dem „Huawei“-Paragrafen 9b des BSI-Gesetzes verstanden wurde. Breko-Chef Stephan Albers fürchtet, dass damit „nicht nur bei 5G-, sondern auch bei Glasfasernetzen eine Untersagungsmöglichkeit für den Einsatz von geplanten oder bereits in Betrieb befindlichen Bauteilen“ vorgesehen sei.
Sprich: Das Innenministerium könnte in Zukunft viel häufiger den Betrieb von Technologie aus dem nicht immer freundlich gesinnten Ausland untersagen – und Anbieter zum Austausch verpflichten. Allerdings sind die Kriterien für kritische Komponenten durchaus anspruchsvoll, dem Gesetzesentwurf zufolge müssen gleich mehrere erfüllt sein. Genauere Angaben zu der Frage, ob hier eine Ausweitung der Pflichten auf den letzten Millimetern vor dem Kabinettsbeschluss stattgefunden hat, konnte das Innenministerium am Mittag vorerst nicht machen.
Auch bei der Frage, welche öffentlichen Stellen am Ende tatsächlich unter die NIS2-Umsetzung fallen werden, dürften sich die Bundestagsabgeordneten in den kommenden Wochen noch einigen Auseinandersetzungen stellen müssen. Noch während der parlamentarischen Sommerpause sollen die zuständigen Abgeordneten vorarbeiten. Der Bundestag tagt offiziell erst ab dem 10. September wieder. Anschließend soll die deutsche NIS2-Umsetzung dann allerdings schnell durch das parlamentarische Verfahren gehen – ein Versprechen, das in der Vergangenheit bereits mehrfach an der Komplexität der Regelungsmaterie scheiterte.
Kritis-Dachgesetz soll bald folgen
Weiter auf diesen Zwischenschritt warten muss das Komplementärgesetz: Mit dem Kritis-Dachgesetz sollte die Richtlinie zum besseren physischen Schutz kritischer Einrichtungen (CER-Richtlinie) umgesetzt werden – also Vorschriften zu Zäunen, Videoüberwachung, Meldung von Vorfällen und anderen Sicherheitsmaßnahmen. An diesem Gesetz werde weiterhin unter Hochdruck gearbeitet, hieß es am Mittag von einem Sprecher des Bundesinnenministeriums.
(vbr)
Datenschutz & Sicherheit
Industrielle Kontrollsysteme: Updates schließen Schadcode-Schlupflöcher
Admins von industriellen Kontrollsystemen (ICS) sollten ihre Instanzen von Delta Electronics, National Instruments und Samsung zeitnah auf den aktuellen Stand bringen. In den jüngst veröffentlichten Versionen haben die Entwickler mehrere Sicherheitslücken geschlossen. Ohne die Patches können Angreifer im schlimmsten Fall Schadcode ausführen. Ob es bereits Attacken gibt, ist bislang nicht bekannt.
ICS steuern oft empfindliche Prozesse in kritischen Infrastrukturen. Attacken in diesem Bereich können schwerwiegende Folgen haben. Entsprechend sollten Admins zügig reagieren. Vor den Schwachstellen warnt die US-Sicherheitsbehörde Cybersecurity & Infrastructure Security Agency (CISA) in mehreren Beiträgen.
Die Gefahren
Konkret bedroht ist etwa das grafische Programmiersystem LabVIEW von National Instruments. Wie aus dem Sicherheitsbereich der Website es Anbieters hervorgeht, können Angreifer an fünf Lücken (CVE-2025-2633 „hoch„, CVE-2025-2634 „hoch„, CVE-2025-7361 „hoch„, CVE-2025-7848 „hoch„, CVE-2025-7849 „hoch„) ansetzen, um Schadcode auf Systeme zu schieben und auszuführen. Eine solche Attacke führt in der Regel zur vollständigen Kompromittierung von Computern.
Damit das gelingt, müssen Angreifer auf einem nicht näher ausgeführten Weg Speicherfehler provozieren, um dann eigenen Code ausführen zu können. Die Entwickler versichern, LabVIEW 2025 Q3 gegen solche Angriffe gerüstet zu haben.
Von Delta Electronics ist DTN Soft verwundbar. Auch an dieser Stelle kann Schadcode auf Systeme gelangen (CVE-2025-53416 „hoch„). Die Ausgaben DTN Soft 2.1.0 und DTM Soft 1.6.0.0 enthalten Sicherheitspatches.
Samsungs Softwaremanagementplattform HVAC DMS ist über mehrere Wege angreifbar. An diesen Stellen können Angreifer unter anderem Dateien löschen (CVE-2025-53082 „hoch„) und eigenen Code ausführen (CVE-2025-53078 „hoch„). Für Sicherheitspatches müssen Admins den Samsung-Support kontaktieren.
(des)
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