Datenschutz & Sicherheit
Medienwächter wollen noch mehr Netzsperren für Pornoseiten
Die deutsche Medienaufsicht will nicht, dass Menschen in Deutschland einfach so eine Pornoseite besuchen können. Stattdessen sollen die Seiten die Ausweise der Besucher*innen kontrollieren oder ihre Gesichter biometrisch scannen lassen. Viele Pornoseiten weigern sich aber, das zu tun. Darunter sind Pornhub und xHamster, die zu den weltgrößten Pornoseiten gehören.
Mehrfach schon hat die Medienaufsicht versucht, widerspenstige Pornoseiten in Deutschland sperren zu lassen. Das heißt, Internet-Provider wie Vodafone, 1&1 oder Telekom sollten verhindern, dass Kund*innen eine Website wie gewohnt abrufen können. Aber diese Netzsperren hatten keinen Erfolg. Die Seitenbetreibenden hatten einfach alternative Domains eingerichtet.
Ab dem 1. Dezember erhält die Medienaufsicht zwei neue Instrumente, um Pornoseiten stärker unter Druck zu setzen. Die Grundlage dafür ist die Novelle des Gesetzes, auf dessen Basis die Behörde arbeitet: der Jugendmedienschutzstaatsvertrag, kurz JMStV.
Das sind die neuen Instrumente
Das erste neue Instrument sind Netzsperren für Ausweichdomains. Bisher hat es eine Weile gedauert, bis die Medienaufsicht eine neue Netzsperre anordnen konnte. Der Grund dafür waren aufwendige Verwaltungsverfahren. Nun soll es deutlich schneller gehen, wenn betroffene Angebote nur eine alternative Domain einrichten.
Mit dem zweiten neuen Instrument soll die Medienaufsicht Pornoseiten den Geldhahn abdrehen. Die Behörde soll Dienstleister anweisen können, keine Zahlungen mehr für eine bestimmte Seite zu erlauben. Solche Dienstleister sind zum Beispiel Visa, Mastercard, Klarna oder PayPal.
Die neuen Instrumente sind eine direkte Folge des bislang vergeblichen Vorgehens gegen Pornoseiten. Die Medienaufsicht hatte damit bewiesen, dass sie mit ihren bisherigen Mitteln keine Ergebnisse erzielt – und deshalb mehr Mittel bekommen. Nun will sie diese Macht auch einsetzen, wie der Evangelische Pressedienst (epd) berichtet. Im Visier sind demnach Pornhub und YouPorn, beides Angebote des Konzerns Aylo. Die Seiten dienen als Präzedenzfälle für die deutsche Medienaufsicht. An ihnen ackert sich die Behörde schon seit Jahren ab.
Geldhahn abdrehen: So soll das ablaufen
Die neuen Abläufe hat die Behörde auf Anfrage von netzpolitik.org näher erklärt. Um Pornoseiten den Geldhahn abzudrehen, ist ein formelles Verwaltungsverfahren vorgesehen. Ein Zahlungsdienstleister würde zunächst die Möglichkeit zur Stellungnahme bekommen, wie eine Sprecherin erklärt. Danach würde die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) als zentrales Organ der Medienanstalten eine Entscheidung treffen. Zum Beispiel: Ein bestimmter Dienstleister soll keine Zahlungen mehr für eine bestimmte Pornoseite durchführen. Das erfährt der Dienstleister dann über ein formelles Schreiben, einen sogenannten Verwaltungsbescheid.
Zahlungsdienstleister sind eine Achillesferse für Pornoseiten. Auch wenn viele Inhalte kostenlos sind, fließt Geld etwa für Werbeanzeigen oder Premium-Angebote. Davon abhängig sind auch die teils prekär beschäftigen Darsteller*innen, die oft als Selbstständige ihre Inhalte im Netz anbieten. Maßnahmen der Medienaufsicht könnten sie besonders hart treffen.
Theoretisch könnten sich betroffene Zahlungsdienstleiter vor Gericht gegen eine Anordnung der Medienaufsicht wehren. Das dürfte aber weniger wahrscheinlich sein, wenn man sich das bisherige Verhalten großer Anbieter wie Visa, Mastercard oder PayPal anschaut. Bereits in der Vergangenheit haben sie auf öffentlichen Druck ihre Dienstleistungen für Pornoseiten eingestellt.
Gerade Pornhub hat in dieser Hinsicht nicht mehr viel zu befürchten: Die großen Zahlungsdienstleister hat die Plattform schon verloren. Wer aktuell etwa ein Premium-Abo bei Pornhub abschließen möchte, kann nur noch per SEPA-Lastschrift oder Kryptowährung zahlen.
Ausweichdomains sperren: Das ist geplant
Wenn es um Netzsperren geht, haben sich Angebote wie xHamster und Pornhub bisher ein Katz-und-Maus-Spiel geleistet. Auf angeordnete Sperren haben die Seiten schlicht mit alternativen Domains reagiert. Dadurch hatten die Sperren keinen Effekt. Das kann auch mit dem neuen Instrument der Medienaufsicht so weitergehen. Zwar kann die Medienaufsicht künftig schnell neue Sperren anordnen. Aber auch neue Ausweichdomains lassen sich schnell einrichten.
Wie viele Netzsperren möchte die Medienaufsicht in diesem Katz-und-Maus-Spiel also verhängen: Dutzende? Hunderte? Eine Sprecherin schreibt hierzu: „Eine entsprechende Prognose ist angesichts auch der von Ihnen beschriebenen Dynamik nur schwer zu stellen.“
Selbst wenn die Medienaufsicht mit Netzsperren um sich schießt, muss sich für Nutzer*innen nicht viel ändern. Denn Netzsperren lassen sich kinderleicht umgehen, zum Beispiel mit VPN-Diensten. KJM-Vorsitzender Marc Jan Eumann hat versucht, das gegenüber dem epd herunterzuspielen: „Nicht jeder minderjährige Nutzer richtet sich so einen Tunnel ein“.
Das mag stimmen, immerhin kann niemand seriös sagen, was ausnahmslos jeder Nutzer tut. Wenn sich Jugendliche jedoch für Pornos interessieren, dann werden sie einen Weg dorthin finden. Neben VPN-Diensten gibt es noch alternative DNS-Server oder den Tor-Browser, beides kostenlos.
Die Mühen der Medienaufsicht haben also wenig Aussicht darauf, Minderjährige praktisch und wirksam vor Pornos zu schützen. Aber das hat die Behörde auch bisher nicht aufgehalten. „Wir werden die neuen Instrumente erst einmal anwenden und dann sehen wir weiter, ob es noch weiterer Befugnisse bedarf“, erklärt eine Sprecherin.
Kritik: „Instrumente wie aus autoritären Regimen“
Netzsperren anordnen, Zahlungen untersagen: Beides sind scharfe Schwerter. Die Maßnahmen greifen in Grundrechte wie Netzneutralität, Informationsfreiheit und Berufsfreiheit ein. Sie müssen gut begründet sein.
Paulita Pappel ist davon nicht überzeugt und lehnt die neuen Instrumente vehement ab. Sie ist Buchautorin, Porno-Regisseurin, -Produzentin und -Darstellerin und setzt sich für die Interessen der Branche ein. „Netzsperren und das Blockieren von Zahlungsströmen sind Instrumente, wie wir sie sonst nur aus autoritären Regimen kennen“, schreibt sie auf Anfrage von netzpolitik.org. Sie befürchtet, dass die Pornoindustrie nur ein Testfeld ist. „Was hier etabliert wird, kann später auch gegen andere Branchen oder Inhalte eingesetzt werden.“
Tatsächlich sind die neuen Instrumente der Medienaufsicht nicht an Pornoseiten geknüpft. Sie lassen sich ebenso auf weitere Online-Angebote anwenden, die unter Aufsicht der Behörde stehen. Das Vorgehen gegen Pornoseiten ist also auch ein Werkzeug, um der Behörde neue Instrumente zu verschaffen.
Weiter schreibt Pappel von einem „weltweit besorgniserregenden Trend“. Immer mehr Länder, darunter Großbritannien, Frankreich oder US-Bundesstaaten würden auf verpflichtende Alterskontrollen setzen. „Das wirft massive Datenschutzfragen auf und diskriminiert die Pornoindustrie unverhältnismäßig, bis wirtschaftlich tragfähige Modelle kaum noch möglich sind.“
Pornhub hält neue Instrumente für nicht anwendbar
Pornhub wehrt sich schon jetzt vor Gericht gegen die von der Medienaufsicht angeordneten Netzsperren. Das Argument: Die Medienaufsicht sei inzwischen nicht mehr für Pornhub zuständig, sondern die EU-Kommission. Grundlage hierfür ist das Gesetz über digitale Dienste (DSA), das grundsätzlich gegenüber nationalen Vorschriften wie dem JMStV Vorrang hat. Als EU-Verordnung hat der DSA nämlich den Zweck, Internet-Regulierung europaweit zu harmonisieren. Auch die EU-Kommission pocht darauf und kritisiert den deutschen JMStV dahingehend.
Aber gilt der Anwendungsvorrang des DSA auch im konkreten Streit zwischen Pornhub und Medienaufsicht? Genau das will Pornhub gerade vor Gericht klären lassen. Pornhub müsste zwar auch mit Alterskontrollen rechnen, wenn Brüssel das Sagen hätte. Allerdings würde Pornhub durch einen Wechsel von Zuständigkeiten mindestens Zeit gewinnen.
Wir haben Pornhub-Mutter Aylo gefragt, wie sie die neuen Instrumente der Medienaufsicht bewertet. Auch in diesem Fall hält der Konzern die deutschen Behörden für nicht zuständig. Die Regelungen in Bezug auf Zahlungsdienstleister seien „nicht auf nicht-deutsche Plattformen wie Pornhub anwendbar“, erklärt ein Sprecher auf Anfrage von netzpolitik.org. Darüber hinaus seien Zahlungssperren „hochgradig invasiv“. Dienstleister müssten massenhaft Transaktionen prüfen. Es käme zu Overblocking, also dem irrtümlich Sperren von unverfänglichen Zahlungen. Nutzer*innen würden bloß auf andere Pornoseiten ausweichen.
KJM-Chef irritiert mit irreführender Aussage
Beim Konflikt zwischen Pornoseiten und Medienaufsicht geht es vor allem um die Wahl der Mittel. Wie viel muss, wie viel darf passieren, um Minderjährige im Netz vor Pornos zu schützen? Während Behörden zunehmend strengere Maßnahmen ergreifen, sind bereits ganze Generationen mit jederzeit verfügbaren Online-Pornos groß geworden.
Teils argumentiert die Medienaufsicht unsauber. So schürte KJM-Chef Marc Eumann jüngst gegenüber dem epd Ängste. „Untersuchungen zeigen nach Angaben von Eumann, dass Minderjährige Pornografie viel mehr verstört als beispielsweise eine nicht sexuell motivierte Gewaltdarstellung in einem Fernseh-Krimi“, berichtet die Agentur.
Wir haben die Pressestelle der Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen gefragt, auf welche Untersuchungen sich das Zitat beziehe. Eine Sprecherin verwies auf die KIM-Studie 2024 zum Medienumgang von 6- bis 13-Jährigen. Das Problem: Nach „verstörenden“ Inhalten wurden die Kinder in dieser Studie nicht befragt. Stattdessen ging es um Inhalte, für die Kinder „zu jung“ waren, die ihnen „Angst“ gemacht haben oder die ihnen „unangenehm“ waren.
„Jugendliche brauchen Angebote für sexuelle Bildung“
Der Studie zufolge sind Erotik-, Sex- und Pornoseiten der häufigste Inhalt für Ältere, den die befragten Kinder gesehen haben (35 Prozent). Angst gemacht hat den Kindern das aber offenbar nicht. Bei dieser Frage nannten die Kinder gruselige und gewaltsame Inhalte. Erotik-, Sex- und Pornoseiten führen allerdings die Liste der Inhalte an, die befragte Kinder „unangenehm“ fanden (56 Prozent).
Sind Pornos für Kinder also verstörender als Gewalt? Das lässt sich aus der KIM-Studie nicht seriös ableiten. Die irreführende Aussage des KJM-Chefs erzeugt ein Framing. Pornos werden als Extremfall potenziell schädlicher Inhalte für Minderjährige dargestellt. Die Vorstellung besonders verstörter Kinder weckt Emotionen. Das kann ein außergewöhnlich hartes Vorgehen der Behörde gegen die Seiten legitimieren.
Stattdessen macht es aus Sicht des Kinder- und Jugendschutzes wenig Unterschied, ob Inhalte brutal oder pornografisch sind, denn in beiden Fällen ist Schutz gefragt. So spiegelt es sich auch in einschlägigen EU-Gesetzen wider. In der Richtlinie über audiovisuelle Medien (AVMD-RL) gibt es keine nähere Abstufung. Dort gelten Pornos ebenso wie „grundlose Gewalttätigkeiten“ als „schädlichste“ Inhalte, die „den strengsten Maßnahmen“ unterliegen. Wie viel Strenge das genau ist, werden Unternehmen wie Pornhub wohl vor Gericht erfahren.
Datenschutz & Sicherheit
„Abkehr von der grundrechtsfreundlichen Politik“
Die Berliner schwarz-rote Koalition will ein neues Polizeigesetz beschließen, das in Berlin unter dem Namen Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) firmiert. Berlin folgt damit einer ganzen Reihe von Bundesländern, die ihre Polizeigesetze in den letzten Jahren verschärft haben. An der Berliner Gesetzesnovelle gibt es breite Kritik sowohl von der demokratischen Opposition im Parlament wie auch von der Berliner Datenschutzbeauftragten und Menschenrechtsorganisationen wie der GFF.
Anlässlich der Sachverständigenanhörung am Montag protestieren vor dem Roten Rathaus Lilly und Kiki. Sie verteilen Flyer mit der Aufschrift „Nein zu Massenüberwachung und der Kriminalisierung von Protesten“. Sie sind Teil eines Bündnisses zivilgesellschaftlicher Gruppen wie Amnesty International oder dem Komitee für Grundrechte und Demokratie.
„Überall werden Gelder gekürzt, aber für Videoüberwachung ist dann plötzlich Geld da. Dabei verhindert die keine Straftaten, sondern kriminalisiert marginalisierte Gruppen und spaltet den öffentlichen Raum“, sagt Lilly. Dass die Unverletzlichkeit der Wohnung durch die Gesetzesnovelle eingeschränkt wird, sehen die beiden ebenso kritisch.
„Abkehr von der grundrechtsfreundlichen Politik“
Auch in der Sachverständigen-Anhörung hagelt es Kritik für den Entwurf. So sieht die Berliner Datenschutzbeauftragte Meike Kamp eine Vielzahl neuer Datenverarbeitungsermächtigungen und eine erhebliche Ausweitung der Befugnisse der Polizei. Aufgrund der Detailtiefe – die Gesetzesnovelle ist 700 Seiten stark – habe ihre Behörde nicht einmal alle Vorschriften analysieren können.
Das Volumen der geplanten Änderungen kritisiert auch Innenpolitiker Niklas Schrader von der Linken. Denn so umfangreich wie der Gesetzentwurf sei auch der Überarbeitungsbedarf: „Ich bin mir nicht sicher, ob das in dem kurzen Zeitplan, den Sie uns gegeben haben, schaffbar ist“, sagt er bei der Anhörung.
Eine „Abkehr von der grundrechtsfreundlichen Politik“ in Berlin beklagte der Jurist David Werdermann von der GFF sowohl in seiner Stellungnahme (PDF) wie auch in der Anhörung. Zwar versuche der Entwurf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nachzuzeichnen, das gelinge allerdings nicht immer.
Ein Hauptkritikfeld an dem Gesetz ist laut Werdermann das Festhalten am Konstrukt der „krininalitätsbelasteten Orte“. An diesen dürfen in Zukunft nicht nur anlasslose Kontrollen durchgeführt werden, sondern auch Videoüberwachungsmaßnahmen. Das Gesetz erlaube zudem die Videoüberwachung von öffentlichen Veranstaltungen und die Auswertung des Videomaterials mit sogenannter KI. Werdermann warnt hier vor einem höheren Überwachungsdruck auf Menschen mit atypischen Verhalten wie beispielsweise Wohnungslosen oder Personen mit körperlichen Einschränkungen.
Berliner Senat will Verhaltenscanner gegen Bevölkerung einsetzen
Kritik hat die GFF auch am Einsatz von Staatstrojanern und daran, dass die Polizeibehörden in Zukunft heimlich Wohnungen betreten dürfen, um diese zu installieren. „Ich habe da große Bauchschmerzen mit“, sagt Werdermann. Insgesamt wird durch das neue ASOG die Schwelle zum Einsatz der Staatstrojaner und zur Überwachung von Wohnungen deutlich herabgesetzt.
Ebenso kritisch sieht Werdermann den nachträglichen biometrischen Abgleich mit öffentlich zugänglichen Daten: „Jedes Foto, das möglicherweise ohne das Wissen und Einverständnis der betroffenen Person ins Netz gestellt wird, kann zu Überwachungszwecken genutzt werden“, sagt Werdermann. Es sei nach der neuen Gesetzeslage nicht mehr möglich, an einer Versammlung teilzunehmen, ohne damit rechnen zu müssen, dass Fotos, die beispielsweise von der Presse veröffentlicht werden, anschließend von der Polizei für einen Abgleich genutzt würden.
„Freifahrtschein für Massenüberwachung“
„Die Vorschrift schließt zudem weder den Aufbau einer biometrischen Referenzdatenbanken auf Vorrat noch die Nutzung von kommerziellen Datenbanken aus“, schreibt Werdermann in seiner Stellungnahme. Beides sei jedoch mit der KI-Verordnung und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht vereinbar.
Werdermann verweist in der Stellungnahme darauf, dass der Aufbau einer umfassenden biometrischen Referenzdatenbank – bestehend aus öffentlich zugänglichen Lichtbildern, Videos und Tonaufnahmen aus dem Internet – unverhältnismäßig in Grundrechte eingreift. Das Bundesverfassungsgericht habe mehrfach herausgestellt, dass biometrische Daten besonders schutzwürdig seien. „Durch den Aufbau einer Datenbank, um biometrische Daten vorzuhalten, wären Grundrechte von Millionen, wenn nicht Milliarden von unbeteiligten Personen betroffen, die keinen Anlass für polizeiliche Überwachung gegeben haben“, so Werdermann weiter.

Statt konsequent gegen rechtswidrige Angebote wie PimEyes vorzugehen, schaffe der Senat mit dem Entwurf eine Grundlage für biometrische Massenüberwachung durch die Berliner Polizei, schreibt Werdermann. Diese kritisiert auch die grüne Innenpolitikerin Gollaleh Ahmadi. Sie sieht in der Gesetzesnovelle einen „Freifahrtschein für Massenüberwachung“.
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Berlins Datenschutzbeauftragte Meike Kamp kritisiert auch die Verarbeitung von Daten zum Training von KI-Systemen. Hier dürfe zuviel Material ohne Eingriffsschwelle und Löschfristen genutzt werden, sie gehe zudem davon aus, dass auch nicht-anonymisierte Klardaten verarbeitet würden. Daten, die einmal zum Training von Künstlicher Intelligenz genutzt wurden, ließen sich nicht mehr löschen, betont Kamp. Zudem vermute sie, dass solche Daten auch in automatisierten Analyseplattformen landen, deren Nutzung der Berliner Polizei künftig erlaubt sein soll. Zu solchen Plattformen gehört auch die Software „Gotham“ vom umstrittenen US-Unternehmen Palantir.
Präventive Funkzellenabfrage
Ebenso zu wenig geregelt seien die Funkzellenabfragen, wo die Eingriffsschwellen zu niedrig seien. Hier sei auch davon auszugehen, dass Funkzellendaten für KI-Training genutzt werden. „Durch die Verknüpfung der erhobenen Daten mit automatisierten Analyseplattformen lassen sich detaillierte Bewegungsprofile erstellen. Dies ermöglicht Rückschlüsse auf politische Aktivitäten, soziale Beziehungen und persönliche Gewohnheiten der Betroffenen“, schreibt die Berliner Datenschutzbeauftragte in ihrer Stellungnahme (PDF).
Der grüne Innenpolitiker Vasili Franco kritisiert, dass die Funkzellenabfragen in Zukunft auch gegen Personen gerichtet sein können, die nur vermutlich an einer Straftat teilnehmen werden. Damit verschiebt das neue Polizeigesetz die Funkzellenabfragen von der nachträglichen Ermittlung in den präventiven Raum.
Sowohl Sachverständige wie auch Oppositionspolitiker:innen verwiesen in der Anhörung darauf, dass man das verschärfte Polizeigesetz auch vor dem Hintergrund des Rechtsrucks sehen müsse – und dass man damit einer möglichen autoritären Regierung Werkzeuge in die Hand gebe.
Dokumente
Stellungnahmen von Sachverständigen zur Novelle des Berliner ASOG
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Berliner Senat will Verhaltenscanner gegen Bevölkerung einsetzen
Diese Software erkennt, was du tust. Sie bestimmt anhand von Videobildern, was auf dem überwachten Areal gerade passiert. Sie untersucht, ob jemand steht, sitzt, kniet, läuft, rennt, tanzt, taumelt, liegt, kämpft, würgt, etwas trägt, zieht oder schiebt, Fahrrad- und Roller fährt, eine andere Person umarmt oder festhält. Und in Zukunft soll die Liste noch erweitert werden.
Die Technologie ist in Mannheim seit sieben Jahren und in Hamburg seit Anfang September im testweisen Einsatz und noch fern davon, wirklich praktischen Nutzen zu entfalten. Weiterhin müssen Menschen die Bildschirme kontrollieren und die Alarme der KI werden hauptsächlich zu ihrer Weiterentwicklung genutzt, so die Mannheimer Polizei auf netzpolitik.org-Anfrage.
Dennoch zieht das System deutschlandweit das Begehren zahlreicher Kommunen auf sich. Berlin will sich ebenfalls der Runde der testenden Städte anschließen, das bekannte der Senat gerade in einer Anhörung des Innenausschusses. Dort hieß es mit Bezug auf Mannheim und Hamburg: „Wir hoffen, in das Kooperationsprojekt einsteigen zu können, um das System mit den anderen Partnern zu entwickeln.“
KI-Kameras am Görlitzer Park
Dabei bieten die beteiligten Städte nur die Testumgebung und die Laborratten – meist arglose Passant*innen der Überwachungskameras. Entwickelt wird das System vom Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung. Dieses hat auch das alleinige Recht zur kommerziellen Vermarktung der Verhaltenserkennungs-KI, sich allerdings dazu bereit erklärt, vorläufig noch darauf zu verzichten.
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Nach dem neuen Berliner Polizeigesetz, das unter anderem die rechtliche Grundlage für das KI-Training liefern und noch dieses Jahr im Abgeordnetenhaus beschlossen werden soll, kann die KI mit verschiedenen Arten von Videobildern gefüttert werden. Vor allem wären da Bilder von Überwachungskameras, die Berlin künftig an sogenannten kriminalitätsbelasteten Orten – wie zum Beispiel dem Görlitzer Park – erlauben will. Dazu können aber auch Videos von öffentlichen Veranstaltungen und Ansammlungen und Aufnahmen von gefährdeten Gebäuden und Objekten, sowie Übersichtsaufnahmen zur Vorbereitung, Lenkung und Leitung von Einsätzen, wie sie aktuell aus Hubschraubern und künftig auch aus Drohnen aufgenommen werden können, per Algorithmus nach bestimmten Verhaltensmustern durchsucht werden dürfen.
„Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen, dass dann große Teile der Berliner Innenstadt nicht mehr unüberwacht passiert werden können“, sagte Meike Kamp, Berliner Datenschutzbeauftragte bei der Sachverständigenanhörung im Berliner Abgeordnetenhaus. David Werdermann, Jurist von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) fügte hinzu: „Es ist zu befürchten, dass Menschen, die sich atypisch im öffentlichen Raum verhalten – wie wohnungslose oder körperlich eingeschränkte – von der Software als gefährlich erkannt werden und damit erhöhtem Überwachungsdruck ausgesetzt sind.“
„Lieber einmal zuviel“
Die Polizeipräsidentin Barbara Slowik Meisel verteidigte den geplanten KI-Einsatz. Ihr Hauptargument: Effizienz. Die Aufgaben der Polizei würden wachsen, während die Nachwuchsgewinnung schwierig sei. „Ohne technologische Unterstützung werden wir die Sicherheit der Stadt nur noch immer begrenzter gewährleisten können.“ Deshalb wünsche sie sich das „Mannheimer System“, „das bestimmte Szenarien erkennt um dann Internventionskräfte zu alarmieren. Das ist deutlich ressourcenschonender.“
Dabei übersieht Slowik Meisel, dass die Technologie in Mannheim aktuell keinerlei Arbeitserleichterung bringt, sondern eher Kräfte bindet. Slowik Meisel würde die KI zudem so kalibrieren, dass sie viele falschpositive Ergebnisse liefern, die dann gegebenenfalls zu erhöhtem Arbeitsaufwand und Überwachungsdruck auf Unschuldige führen. „Lieber kommen wir einmal zu viel, wenn das System zu schnell anschlägt, als einmal zu wenig“, sagte sie.
Datenschutz & Sicherheit
Cyberangriff: Milliardenkredit für Jaguar Land Rover
Die britische Regierung hilft dem durch einen Cyberangriff angeschlagenen Autobauer Jaguar Land Rover mit der Garantie für einen Milliardenkredit aus. Mit bis zu 1,5 Milliarden Pfund (umgerechnet 1,7 Mrd. Euro) solle die Lieferkette des Unternehmens abgesichert werden, teilte Wirtschaftsminister Peter Kyle mit. Der Kredit kommt von einer Geschäftsbank.
Am Montag wurde überdies bekannt, dass der Autobauer einen Kredit in Höhe von 2 Milliarden Pfund von globalen Banken aufnimmt. Die Citigroup, Mitsubishi UFJ Financial Group und Standard Chartered Bank haben sich laut der Economic Times (via Bloomberg) bereit erklärt, einen 18-monatigen, betragsmäßig Kreditrahmen zu gewähren, wie mit der Angelegenheit vertraute Personen mitteilten. Die Produktion wird sich voraussichtlich erst bis November normalisieren.
Der Autobauer war am 31. August Ziel einer Cyberattacke geworden, die Produktion in den Werken im Vereinigten Königreich steht noch bis mindestens zum 1. Oktober still. Es werde rund um die Uhr gemeinsam mit Spezialisten, dem Nationalen Zentrum für Cybersicherheit in Großbritannien und der Polizei zusammengearbeitet, um den Betrieb auf sichere Weise wieder aufzunehmen, hatte Jaguar Land Rover mitgeteilt.
„Dieser Cyberangriff war nicht nur ein Angriff auf eine ikonische britische Marke, sondern auch auf unseren weltweit führenden Automobilsektor und auf die Frauen und Männer, deren Lebensunterhalt davon abhängt“, sagte Kyle.
Wer hinter der Cyberattacke steckt, ist weiterhin unklar. Der in Großbritannien ansässige Autobauer, der zum indischen Tata-Konzern gehört, hatte mitgeteilt, es seien „einige Daten“ gestohlen worden, nannte aber keine Details.
Update
29.09.2025,
14:44
Uhr
Informationen zum zusätzlichen Kredit ergänzt.
(afl)
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