Datenschutz & Sicherheit
Ägyptens Präsident prüft Begnadigung von berühmtem Blogger
Im Fall des bekanntesten politischen Häftlings Ägyptens gibt es nach Jahren erstmals wieder Hoffnung, dass er freigelassen wird. Wie die Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch berichtet, hat der ägyptische Machthaber al-Sisi die Behörden am Dienstag angewiesen, die Begnadigung des Aktivisten und Bloggers Alaa Abd el-Fattah zu prüfen. Das gehe auf ein Appell des ägyptischen Nationalrats für Menschenrechte zurück, in der el-Fattahs Name neben sieben anderen Gefangenen genannt werde, berichtet die Nachrichtenagentur. Der Nationalrat ist eine Institution des ägyptischen Regimes.
Tarek al-Awady, Mitglied des ägyptischen Präsidialbegnadigungskomitees, erklärte gegenüber Reuters, dass die Entscheidung über die Freilassung des Gefangenen voraussichtlich innerhalb „weniger Tage“ getroffen werde.
Der 1981 geborene el-Fattah befindet sich nach Angaben seiner Mutter Laila Soueif seit dem 1. September in einem Hungerstreik, um gegen seine Inhaftierung zu protestieren. Die Familie des Aktivisten, der auch einen britischen Pass besitzt, setzt sich seit Jahren für seine Freilassung ein. Sie hatte dabei zuletzt auch die Unterstützung der britischen Regierung erhalten. Eine Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen hatte die Haft von el-Fattah als rechtswidrig und willkürlich eingestuft.
„Das ist wirklich vielversprechend. Wir hoffen, dass die Behörden dies dringend umsetzen und dass Alaa bald zu uns zurückkehren kann“, sagte seine Schwester Sanaa laut Reuters auf X.
Prominentes Gesicht der demokratischen Revolte
El-Fattah war eine der zentralen Figuren und prominenten Gesichter des Arabischen Frühlings in Ägypten. Seit nunmehr fast 20 Jahren ist el-Fattah immer wieder im Fokus der ägyptischen Repression. Schon vor der arabischen Revolution war er im Jahr 2006 für zwei Monate verhaftet worden. Nach dem arabischen Frühling 2011 saß er ab 2015 für mehr als vier Jahre im Gefängnis, weil ihm vorgeworfen wurde, politische Proteste organisiert zu haben.
Im September 2019 wurde el-Fattah erneut festgenommen, vermutlich weil er den Tweet eines politischen Gefangenen teilte. Ein ägyptisches Staatssicherheitsgericht hat ihn im Dezember 2021 zu einer Gefängnisstrafe von fünf Jahren wegen angeblicher Verbreitung von Falschnachrichten verurteilt. Während seiner Haft trat er zuletzt im Jahr 2022 in Hungerstreik, um konsularischen Zugang zur britischen Botschaft zu erhalten.
Am 29. September 2024 hätte Alaa Abd el-Fattah eigentlich wieder auf freiem Fuß sein sollen. Dann wäre eigentlich die fünfjährige Haftstrafe abgelaufen. Doch die ägyptische Justiz weigert sich – entgegen der eigenen Strafprozessordnung – ihn aus dem Gefängnis zu entlassen, indem sie die zweijährige Untersuchungshaft nicht anrechnete.
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Datenschutzreform: Kommt der Kahlschlag?
Schwarz-Rot hat weitreichende Reformen beim Datenschutz angekündigt. „Im Sinne der Wirtschaft“ soll unter anderem die Aufsicht neu geregelt werden. Inzwischen liegen zahlreiche konkrete Vorschläge vor, unter anderem von SPD und Landesdatenschützer:innenn, nur die Union gibt sich verschlossen.

Die schwarz-rote Koalition hat sich für die nächsten Monate einiges vorgenommen. Ein „Herbst der Reformen“ soll es werden, sagt der Bundeskanzler, und meint dabei vor allem Einsparungen beim Sozialstaat. Eine andere Reform steht weniger im Fokus der Öffentlichkeit, führt aber in Fachkreisen seit Monaten zu intensiven Debatten. Es geht um den Datenschutz, auch hier hat die Koalition sich weitreichende Maßnahmen vorgenommen.
So haben CDU/CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag (PDF), verabredet, sich auf europäischer Ebene für umfassende Ausnahmen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) „für nicht-kommerzielle Tätigkeiten (zum Beispiel in Vereinen), kleine und mittelständische Unternehmen und risikoarme Datenverarbeitungen (zum Beispiel Kundenlisten von Handwerkern)“ einzusetzen. Auf nationaler Ebene sollen Spielräume der DSGVO genutzt werden, und für mehr Kohärenz und „Vereinfachungen für kleine und mittlere Unternehmen, Beschäftigte und das Ehrenamt“ zu sorgen.
Besonders intensiv debattiert werden Pläne zur Veränderung der Aufsichtsstruktur im nicht-öffentlichen Bereich, also bei nicht-staatlichen Akteur:innen. So strebt Schwarz-Rot hier „im Interesse der Wirtschaft“ eine Bündelung von Zuständigkeiten und Kompetenzen bei der Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI) an. Die Bundesbehörde soll zudem umbenannt werden und künftig auch Beauftragte für Datennutzung heißen. Zudem soll die Datenschutzkonferenz (DSK), in der die Datenschutzbehörden von Bund und Ländern sich informell koordinieren, gesetzlich verankert werden.
Überlastete Aufsicht
Da CDU-Chef Friedrich Merz im Wahlkampf mit markigen Worten einen Kahlschlag beim Datenschutz angekündigt hat, lassen diese Vorhaben bei vielen Datenschützer:innen die Alarmglocken läuten. Allerdings: Dass sich in Sachen Aufsicht etwas tun muss, dafür plädiert längst nicht mehr nur die Wirtschaft. So spricht auf Anfrage auch Frederick Richter, Vorstand der (staatlichen) Stiftung Datenschutz von einer „überlasteten regionalen Datenschutzaufsicht“ und Problemen mit uneinheitlicher Auslegung der Datenschutzgesetze.
Die Datenschutzbehörden selbst weisen zwar in der Regel den Vorwurf der Uneinheitlichkeit von sich, bringen sich jedoch auch mit eigenen Vorschlägen in die Debatte ein. „Die Rechtsanwendung muss vereinheitlicht, eine zentrale Koordinierung geschaffen werden“, heißt es beispielsweise in der Überschrift eines Gastbeitrages, den Thomas Fuchs, Meike Kamp und Alexander Roßnagel kürzlich in der FAZ [€] veröffentlichten. Das sind die Datenschutzbeauftragen von Hamburg, Berlin und Hessen. Meike Kamp ist derzeit zudem die Vorsitzende der Datenschutzkonferenz.
Die große Frage ist allerdings, wie genau die im Koalitionsvertrag beschriebene „Bündelung von Zuständigkeiten und Kompetenzen“ aussehen soll.
Entsteht eine Riesenbehörde beim Bund?
Die nur vermeintlich einfachste Lösung wäre eine umfassende Zentralisierung. Also: Die Landesbehörden verlieren die gesamte Aufsichtskompetenz über die Wirtschaft und den sonstigen nicht-öffentlichen Bereich. Zuständig wäre dann die Bundesbeauftragte, die bislang neben Bundesbehörden lediglich ein paar staatliche Unternehmen und Telekommunikationskonzerne überwacht. Laut geleakter Zwischenstände der Koalitionsverhandlungen favorisierten CDU und CSU diese Variante.
Wenn die Zentralisierung nicht zu einem Freifahrtschein für die Wirtschaft werden soll, ginge das wohl nur mit erheblichem Personalausbau bei der BfDI. Fuchs, Kamp und Roßnagel berichten von etwa 70.000 Fällen, die die Landesbehörden im nicht-öffentlichen Bereich pro Jahr bearbeiten. Tendenz: steigend. Um mit dieser Last fertigzuwerden, müsste die Behörde der Bundesbeauftragten ihrer Schätzung nach von 430 auf etwa 900 Stellen anwachsen. Eine neue Mega-Behörde also? „Dass sehr große Behörden unbürokratischer arbeiten, wäre mir neu“, kommentiert Meike Kamp gegenüber netzpolitik.org.
In jedem Fall müssten bei einer Zentralisierung auch die Bundesländer mitspielen, deren Aufsichtsbehörden um Kompetenzen beschnitten würden. Frederick Richter betont, dass die dadurch freiwerdenden Stellen nicht wegfallen dürften. „Denn sämtliche Behörden sind strukturell unterausgestattet, und die vorhandenen Belegschaften könnten sich dann komplett auf die Aufsicht im öffentlichen Bereich konzentrieren, sodass dort sofort die Unterausstattung behoben wäre.“ Ob die Bundesländer das wollen?
Weniger Zentralisierung, mehr Bündelung
Für Kamp jedenfalls steht fest, dass die föderale Struktur der Datenschutzaufsicht zahlreiche Vorteile habe. Sie sichere nicht nur Nähe zu den Betroffenen und der lokalen Wirtschaft, sondern verhindere auch, „dass Datenschutz durch Druck auf eine einzige Stelle ausgehebelt wird“, so die Berliner Datenschutzbeauftragte. Ihr ist wichtig zu betonen, dass Datenschutzaufsicht nicht nur Beratung von Unternehmen bedeute, „sondern vorrangig Grundrechtsschutz durch Hilfestellungen für betroffene Personen sowie Prüfungen vor Ort.“ Dies falle in der aktuellen Debatte manchmal unter den Tisch.
Gemeinsam mit Thomas Fuchs und Alexander Roßnagel macht sie deshalb eine Reihe anderer Vorschläge für eine verbesserte Aufsichtsstruktur. So wünschen sie sich eine Institutionalisierung der Datenschutzkonferenz, die bislang informell arbeitet und künftig verbindliche Beschlüsse fassen könnte. Für eine zentrale Koordination der DSK sollte ihrer Meinung nach eine Geschäftsstelle bei der BfDI eingerichtet werden. Außerdem schlagen sie ein zentrales Online-Portal vor, über das Beschwerden und Datenpannen gemeldet und dann verteilt werden können. Bislang müssen Bürger:innen und Unternehmen sich je nach Bundesland mit unterschiedlichen Meldewegen herumschlagen.
Darüber hinaus regen die drei Datenschützer:innen an, die Potenziale zur Entbürokratisierung zu nutzen, die die DSGVO bereits vorsieht. Dazu gehören etwa Zertifizierung und verbindliche Verhaltensregeln von Verbänden, die bislang kaum genutzt werden und künftig von der BfDI koordiniert werden könnten. Auch Standardisierung und Normierung könnten entlastend wirken; die BfDI sollte stellvertretend für alle Behörden in entsprechenden Gremien mitwirken. Und auch die Technologieberatung sollte zentral von der BfDI übernommen werden, so Fuchs, Kamp und Roßnagel.
Ihr wohl weitgehendster Vorschlag: Für überregionale Unternehmen und Forschungsvorhaben soll nur eine einzige Behörde zuständig sein. Außerdem soll ein „Einer-für-alle-Prinzip“ gelten, bei dem eine Aufsichtsbehörde Prüfungen vornimmt, deren Ergebnis auch für die anderen Behörden verbindlich sind. Das wäre ein Modell der Bündelung, bei dem die Aufsicht für den Großteil der Unternehmen bei den Landesbehörden bleibt, schließlich machen kleine und mittlere Unternehmen laut Fuchs, Kamp und Roßnagel 99,3 Prozent der Wirtschaftsakteure aus.
In diese Richtung denkt auch Frederick Richter von der Stiftung Datenschutz, geht jedoch etwas weiter. Auch er hält eine umfassende Zentralisierung der Aufsicht beim Bund für keine gute Lösung, weil regionale Unternehmen und Vereine von regionaler Beratung und Aufsicht profitieren würden. Stattdessen spricht er sich aber für eine alleinige Zuständigkeit der BfDI für überregionale und internationale Unternehmen aus, also eine Teilzentralisierung.
SPD legt Fokus auf verbesserte Zusammenarbeit
Welche Richtung wird die Bundesregierung einschlagen? Derzeit will sie sich nicht in die Karten blicken lassen. Auf Anfrage schreibt uns das Innenministerium lediglich: „Die Bundesregierung beabsichtigt, in Umsetzung der Vorgaben aus dem Koalitionsvertrag diese Legislaturperiode das Bundesdatenschutzgesetz zu reformieren.“ Die betroffenen Stellen innerhalb der Regierung stünden dazu im Austausch; Zwischenstände laufender Abstimmungen zu Gesetzgebungsvorhaben teile man grundsätzlich nicht.
Auch Johannes Schätzl, digitalpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, schreibt uns, dass sich die Reformvorhaben derzeit noch in laufenden Abstimmungsprozessen befinden. „Ein konkreter Zeitplan zur Umsetzung liegt noch nicht vor.“
Immerhin macht Schätzl deutlich, wo die Prioritäten seiner Meinung nach liegen sollten. „Unser wichtigstes Ziel in den Koalitionsverhandlungen war es, die Kohärenz und Einheitlichkeit der Auslegung der Datenschutzregelungen seitens der Aufsichtsbehörden zu stärken und die institutionelle Verankerung der Datenschutzkonferenz gesetzlich festzuschreiben.“ Sie müsse rechtlich verankert und durch eine zentrale Geschäftsstelle gestärkt werden. Außerdem müsse sie verbindliche Schlüsse fassen können.
Der Schritt, Aufsichtskompetenzen zur BfDI zu verlagern, habe dahingegen „tiefgreifende Folgen, da er eine umfassende Neuorganisation erfordern und die Arbeit der Datenschutzbehörden für längere Zeit noch herausfordernder gestalten würde“, so Schätzl weiter. „Zudem würden Unternehmen ihre vertrauten Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner in den Ländern verlieren, während die BfDI erst erhebliche neue Kapazitäten aufbauen müsste.“
Die SPD plädiere stattdessen für „eine sinnvolle Kompetenzbündelung, die tatsächliche Erleichterung etwa durch schnellere Bearbeitung ähnlich gelagerter und landesübergreifender Anfragen ermöglicht, ohne die Beratungsbedürfnisse lokaler Unternehmen zu vernachlässigen.“
Ob das auch der Koalitionspartner so sieht? Wir haben dem Sprecher der AG Digitales und Staatsmodernisierung der CDU/CSU-Fraktion, Ralph Brinkhaus, mehrere Fragen geschickt. Als einziger von uns angefragter Bundestagsabgeordneter hat er keine einzige davon beantwortet, sondern teilt lediglich vage mit, man arbeite an den von uns genannten Themen.
Auch Opposition will Datenschutzkonferenz stärken
Klar fallen hingegen die Antworten der demokratischen Oppositionsparteien im Bundestag aus. Eine mögliche Zentralisierung „käme einer Entmachtung der bisher zuständigen Landesbeauftragten gleich“, schreiben Lukas Benner und Konstantin von Notz von den Grünen. Es ist sei „nicht im Interesse der vielen kleinen und mittleren Unternehmen, wenn sie keine Ansprechpartner für Datenschutzfragen und Beratung mehr in ihrer Nähe haben“, teilen der Obmann der Grünen im Innenausschuss und der Fraktionsvize mit. „Am Ende einer solchen Politik stünde weniger Datenschutz für alle und weniger Service und unabhängige Beratung für die Unternehmen.“
Dass die Reform „im Interesse der Wirtschaft“ stattfinden soll, lässt auch Sonja Lemke von der Linkspartei misstrauisch werden. Die Sprecherin für Digitale Verwaltung und Open Government fürchtet einen Abbau der Landesdatenschutzbehörden und einen „Grundrechteabbau zugunsten von Profitinteressen“.
Grundsätzlichen Reformbedarf bei der Aufsicht sehen allerdings auch Linke und Grüne. Die Kohärenz müsse durch eine verbesserte Zusammenarbeit der Behörden im Rahmen der Datenschutzkonferenz erreicht werden. Sie sollte gesetzliche verankert werden und verbindliche Mehrheitsentscheidungen treffen.
Im Sinne der Bürger:innen
Durchweg kritisch sehen Grüne und Linke hingegen die weiteren Reformvorhaben von Schwarz-Rot. Fast wortgleich antworten sie uns, dass sie „pauschale Ausnahmen“ für kleinere und mittlere Unternehmen sowie Vereine ablehnen. „Das würde in der Realität zu weniger Datenschutz und Datensicherheit für Millionen von Bürger*innen in Deutschland führen“, so Benner und von Notz. Sonja Lemke wiederum erinnert daran, dass auch kleine Unternehmen wie etwas Medizin-Start-ups oder auch Selbsthilfevereine hochgradig sensible Daten verarbeiten. Eine Umbenennung der BfDI sehen beide Parteien kritisch.
Auch Johannes Schätzl von der SPD betont: Bei den angedachten Vereinfachungen gehe es nicht darum, „Datenschutzvorgaben und bewährte Instrumente wie die betrieblichen Datenschutzbeauftragten zur Risikominimierung grundsätzlich in Frage zu stellen“. Vielmehr sollten Spielräume der DSGVO genutzt werden, um neben der Kohärenz auch Vereinfachungen für kleinere und mittlere Unternehmen und das Ehrenamt zu erreichen. Details dazu, wie dies im bestehenden rechtlichen Rahmen aussehen könnte, nennt er nicht. Die genaue Ausgestaltung werde noch verhandelt.
Unklar bleibt auch, ob die Koalition mit ihren Reformen nicht nur für Erleichterungen „im Sinne der Wirtschaft“ sorgen wird, sondern auch bestehende Probleme bei der Durchsetzung des Datenschutzes angeht. Denn dass es auch dort Handlungsbedarf gibt, zeigen immer wieder Recherchen nicht nur unseres Mediums. Sei es beim Werbe-Tracking, beim Datenhandel oder bei Einwilligungen im Handy-Shop oder in der Sparkasse – an vielen Stellen funktioniert der Datenschutz für Bürger:innen nicht. Jede Reform wird daran zu messen sein, ob sie auch daran etwas ändert.
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Patchday Microsoft: Azure, Office, Windows & Co. sind angreifbar
Angreifer können an mehrere Sicherheitslücken in unter anderem Azure, Defender, Hyper-V, Office, Windows und einem Xbox-Service ansetzen. Im schlimmsten Fall kann Schadcode auf Computer gelangen und Systeme vollständig kompromittieren. Eine Windows-Schwachstelle ist öffentlich bekannt und es können Attacken bevorstehen. Bislang gibt es aber noch keine Berichte zu Angriffen.
Sicherheitslücken geschlossen
Die bekannte Lücke (CVE-2025-55234 „hoch„) betrifft die SMB-Komponente von Windows. Daran können Angreifer für eine Relay-Attacke ansetzen. Dabei fangen Angreifer oft Anmeldedaten ab. In diesem Fall können sich Angreifer Microsoft zufolge höhere Nutzerrechte verschaffen. Davon sind unter anderem Windows 10, 11 und verschiedene Windows-Server-Versionen bedroht. Neben der Installation des Sicherheitsupdates empfiehlt Microsoft, Funktionen wie SMB Server signing gegen Relay-Attacken zu aktivieren.
Am gefährlichsten gilt eine Schwachstelle (CVE-2025-55232 „kritisch„) in Microsofts Computercluster-Verwaltung High Performance Computer (HPC). Nutzen Angreifer die Lücke erfolgreich aus, können sie über ein Netzwerk Schadcode ausführen.
Microsoft stuft noch weitere Lücken als „kritisch“ ein. Darunter unter anderem welche in Hyper-V (CVE-2025-55224 „hoch„), Windows Graphics Component (CVE-2025-55228 „hoch„) und Windows NTLM (CVE-2025-54918 „hoch„). In diesen Fällen können sich Angreifer primär höhere Nutzerrechte verschaffen. Über eine Office-Lücke (CVE-2025-54910 „hoch“) kann Schadcode auf Systeme gelangen.
Eine Lücke (CVE-2025-55245 „hoch„) betrifft die App Xbox Gaming Services. Hier können Angreifer nach erfolgreichen Attacken Dateien auf einem System löschen.
Weiterführende Informationen zu den Sicherheitslücken und Patches führt Microsoft im Security Update Guide auf.
(des)
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„Passwort“ Folge 40: Probleme mit Widerrufen, Verbindungsabbrüchen und anderem
Es bleibt spannend in der IT-Sicherheitswelt – und abwechslungsreich, wie Sylvester und Christopher feststellen. Erneut haben sie so viele Themen auf dem Zettel, dass unmöglich alle in eine Folge passen. In der vierzigsten Ausgabe von „Passwort“ sprechen sie nicht nur wie üblich ausgiebig über verschiedene Aspekte der WebPKI, sondern schauen sich auch zwei interessante Sicherheitsfehler im Detail an.
Feedback und Ergänzungen zu vergangenen Folgen kommen zu verschiedenen Themen: Angesichts der schlampig gestalteten und sicherheitstechnisch sehr fragwürdigen Marketing-Mail einer großen CA rauft sich Sylvester am Mikrofon das Haupthaar und bittet die Hörer um Mithilfe: Wer E-Mails von Dienstleistern, Online-Shops oder digitalen Plattformen erhalten hat, die von Phishing nicht zu unterscheiden sind, melde sich gern mit Beweisfoto per E-Mail. Sylvester sammelt für einen Vortrag im Spätherbst und möchte möglichst viele gruselige Beispiele sammeln.
Viel Web und viel PKI
In einem Gutteil der Folge geht es ums Web und die zugehörige PKI: So ergänzen die Podcaster Informationen und Diskussionen um Let’s Encrypt und Certificate Transparency und führen erstmals ein kleines Theaterstück auf. Christopher (in seiner Rolle als Microsoft-CA) und Sylvester (das Chrome-Root-Programm verkörpernd) interpretieren einen Disput zwischen den beiden Akteuren, den diese coram publico ausgetragen hatten. Grund des Streits: Microsofts Zögern, über 70 Millionen TLS-Zertifikate wegen eines Schreibfehlers in den Zertifikatsrichtlinien zurückzuziehen.
Nur durch massiven Druck der Konkurrenz aus Mountain View hatte Microsoft sich überzeugen lassen, das für alle Zertifizierungsstellen geltende Regelwerk einzuhalten. Zwar hatte Microsoft erst in der vergangenen Folge reichlich Kritik der Hosts abbekommen, aber auch dem Vorgehen des Softwareriesen im aktuellen Fall können sie wenig Positives abgewinnen. Denn Microsofts merkliche Unlust rührte offenbar auch daher, dass die CA mit den Widerrufen technisch überfordert war – ein böses Omen.
Gewiss, eine derart gewaltige Zertifikatszahl zurückrufen und teilweise neu ausstellen zu müssen, ist kein Pappenstiel. Doch „pacta sunt servanda“, musste auch Microsoft einsehen und widerruft nun so schnell langsam, wie es ihr aktuelles Set-up erlaubt. In Zukunft soll das besser werden, nicht nur bei Microsoft, denn wer im Fall eines eher unbedeutenden Dokumentationsfehlers nicht widerrufen kann, kann es auch bei einer massiven Sicherheitslücke nicht. Jetzt muss jede CA bis zum 1. Dezember 2025 einen Plan für Fälle von „Mass Revocation“, also massenhaftem Zertifikatswiderruf, erarbeiten und veröffentlichen. So profitiert immerhin das gesamte Ökosystem von dem Vorfall.
Auch die „MadeYouReset“-Lücke greift das Web an, allerdings nicht seine Verschlüsselung, sondern seine Leistungsfähigkeit. Israelische Forscher haben eine Lücke in der Zustandsmaschine des Protokolls HTTP/2 gefunden und können diese unter bestimmten Bedingungen für einen „Denial of Service“-Angriff nutzen. Doch das Internet wird deswegen nicht abbrennen, beruhigt Christopher: Viele populäre Webserver sind offenbar gar nicht von „MadeYouReset“ betroffen. Interessant ist MadeYouReset dennoch.
Schwatzhafte Coredumps
Einen Fehler im „Coredump“-Handler von systemd erläutert Sylvester ausführlich. An CVE-2025-4398 interessiert die beiden Hosts besonders, wie verschiedene Forscher den zunächst als schwer ausnutzbar geltenden Fehler doch zuverlässig reproduzieren konnten und darüber recht zuverlässig an geschützte Informationen aus dem Speicher von Linuxprozessen gelangten. Denn die plauderte systemd-coredump aus, wenn der Angreifer den Handler mit geschickter Prozessmanipulation aufs Glatteis führte. Und je leichter eine Lücke auszunutzen ist, desto gefährlicher wird sie – daher stieg der CVSS-Wert von 4,7 auf 7,1.
Die neueste Folge von „Passwort – der heise security Podcast“ steht seit Mittwochmorgen auf allen Podcast-Plattformen zum Anhören bereit.
(cku)
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