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Künstliche Intelligenz

Super-Eliza oder Soziopath? Über die Gefahren der KI-Anthropomorphisierung


Im aktuellen Diskurs zur Rolle generativer KI zeigt sich: Therapie und Companionship – also Anwendungen, bei denen KI als Gesprächspartner, Begleiter oder unterstützende Instanz fungiert – werden inzwischen als wichtigster Anwendungsfall betrachtet, noch vor klassischen Produktivitäts- oder Kreativzielen.

Diese Beobachtung war Kern des Top100 GenAI Use Case Report auf Harvard Business Review und basiert auf öffentlich zugänglichen Daten. Nun hat die US-Handelsaufsicht FTC im September eine Untersuchung eingeleitet, die erstmals gezielt KI-gestützte Chatbots ins Visier nimmt, die als „Companions“ (also als Freunde oder Begleiter) auftreten. Geklärt werden soll, ob diese Systeme Nutzer manipulieren, intime Daten abgreifen oder insbesondere in psychisch verletzlichen Situationen ausgenutzt werden könnten. Die Untersuchung ermächtigt eine Kommission weitreichende Studien durchzuführen, betroffen sind die Unternehmen:




Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.

Darum hat die US-Handelsaufsicht FTC im September eine Untersuchung eingeleitet, die erstmals gezielt KI-gestützte Chatbots ins Visier nimmt, die als „Companions“ (also als Freunde oder Begleiter) auftreten. Geklärt werden soll, ob diese Systeme Nutzer manipulieren, intime Daten abgreifen oder insbesondere in psychisch verletzlichen Situationen ausgenutzt werden könnten. Die Untersuchung ermächtigt eine Kommission, weitreichende Studien durchzuführen – betroffen sind die Unternehmen:

  • Alphabet
  • Character Technologies
  • Instagram
  • Meta Platforms
  • OpenAI OpCo
  • Snap und
  • X.AI

Auch in Europa ist der zunehmende Einsatz von Chatbots im therapeutischen Kontext ein Thema. John G. Haas ist stellvertretender Leiter der Arbeitsgruppe Digitalisierung und Mental Health im Berufsverband Österreichischer Psychologinnen und Psychologen (BPÖ) vertritt er den BPÖ auf europäischer Ebene in der AG zur Digitalisierung der European Federation of Psychologists‘ Associations (EFPA).


John Haas

John Haas

John G. Haas ist Medienpsychologe und beschäftigt sich mit der Frage, wie KI die Kognition, das Verhalten und die psychische Gesundheit beeinflusst.

(Bild: Gerald Riedler)

Heise online sprach mit Haas über die Mensch-Maschine-Beziehung zu Chatbots, die als Begleiter in der Hosentasche ständig verfügbar sind und von einigen Menschen auch als Therapeuten-Ersatz genutzt werden. Warum die Chatbots hilfreich erscheinen, aber kein Ersatz für eine menschliche Therapie sein können und was es mit der „AI Psychosis“ auf sich hat, erklärt Haas im Gespräch.

Was halten Sie von ChatGPT als Therapeuten in der Hosentasche?

Der Mensch ist ein soziales Wesen und es geht ihm besser, wenn sich jemand oder etwas um ihn kümmert. Es gibt den Effekt, dass durch diese Mensch-Maschine-Beziehung, die sich hier entwickelt hat, ein Gefühl entsteht, dass sich eine Entität – in dem Fall eine maschinelle – um einen kümmert.

Es ist natürlich ein Wettbewerbsvorteil, wenn ein depressiver Nutzer um 2:30 Uhr in der Früh vielleicht mit einem getrübten Befinden sich an diese Maschine wendet, um nach Rat zu fragen. Das können wir von einem Menschen als Ansprechpartner nicht verlangen. Die Arbeitsgruppe Digitalisierung und e-Mental Health, deren stellvertretender Leiter ich bin, beschäftigt sich mittlerweile seit einigen Jahren mit dem Thema, welche Rolle künstliche Intelligenz im Behandlungsbereich einnehmen kann.

Large language models (LLM) sind Konversationsmaschinen, die auf Anfrage reagieren, also auf einen Input mit einem Output antworten. Und vielleicht sind die Antworten von LLMs aufgrund der Modellbildung auch teilweise verständlicher, als das „Therapeuten-Deutsch“ mancher Psychologen oder Psychotherapeuten. Aber die Maschinen haben nicht so viel Autorität und Kompetenz, wie sie aufgrund ihrer elaborierten Sprache vielleicht vermuten lassen. Und diesen technischen Systemen fehlt es an wichtigen Faktoren, wie dass sie in einem Körper beheimatet sind (Embodiment), es fehlt ihnen an Emotion, an Intuition, an Spiritualität und vielleicht der wichtigste Faktor: Es fehlt ihnen auch an Willensbildung. Von dem fehlenden Bewusstsein möchte ich gar nicht erst sprechen.

Wenn es darum geht, den Verlauf einer Therapie zu steuern, gezielte Rückfragen zu stellen, diese mit evidenzbasierten Interventionen und therapeutischer Erfahrung und Intuition abzugleichen, da kann ein LLM derzeit sicherlich nicht mithalten. ChatGPT als general purpose LLM ist prinzipiell nicht als Therapeut geeignet, es ist kein Expertensystem und es gibt keine Evidenz, also wissenschaftlich nachgewiesene Wirksamkeit, dafür.

In Europa gibt es noch keine allgemeine Psychologie- oder Psychotherapie-KI, die regulatorisch zugelassen ist oder deren Wirksamkeit nachgewiesen ist. Der aktuelle Standpunkt ist, dass KI-Technik durchaus unterstützende Vorteile bieten kann, aber dass sie die menschliche Behandlung nicht in absehbarer Zeit ersetzen kann.

Die therapeutische Beziehung stellt schon mehr als die halbe Miete dar für den Therapieerfolg. Und der Faktor Mensch muss in der Therapie stets den Lead, also die Führerschaft, behalten, da bei einer Therapie auch zwei menschliche Entitäten in einem hochkomplexen Prozess und in einem mindestens ebenso komplexen Umfeld interagieren. Der Therapieerfolg wird über viele Fälle und auf lange Sicht betrachtet mit einem menschlichen Gegenüber größer sein, wenn auch digitale Companionship eine zunehmend wichtigere Rolle einnehmen wird.

Wirkt der Eliza-Effekt heute stärker, weil die Maschine so sprachgewandt ist, also kann man ChatGPT als eine Art „Super-Eliza“ bezeichnen?

Der gemeinsame Nenner bei Eliza und ChatGPT, Gemini, Claude und Co. ist definitiv die Sprache. Allerdings gilt: Eine elaborierte Sprache oder eine Sprache, die für uns angemessen, hilfreich und korrekt wirkt, erzeugt für uns das Bild von Autorität, möglicherweise sogar einer unermesslichen Autorität. Die Fehlerrate und die Art oder der Grad der unangepassten Antworten sind bei den LLMs wesentlich geringer geworden.

Ich glaube aber nicht, dass eine Maschine selbst eine Theory of Mind entwickelt hat, sondern dass sie durch den umfangreichen Datenbestand und durch die komplexen Formen der Verarbeitung und Ausgabe ein Muster präsentiert, das uns auf eine Theory of Mind rückschließen lässt.

Der Modellwechsel auf GPT-5 hatte im August einen Aufschrei in den sozialen Medien ausgelöst, als Nutzer das neue Modell zu „kalt“ oder „nüchtern“ empfanden.

Da kommt es zu einer subjektiv wahrgenommenen Wesensveränderung der maschinellen Identität. Das ist dann wie ein menschliches Gegenüber, das vielleicht eine Substanz eingenommen hat, wie ein Aufputschmittel oder Drogen. Vor allem ohne starke Begründung und ohne dass man es vorher überhaupt weiß. Das findet einfach statt. Wenn Menschen ihre Meinung ändern, dann sind ja Vorboten sichtbar, wie dass sich die Situation verändern wird oder der Zustand der Person, aber bei der Maschine sind wir letzten Endes den Betreiber-Tunings ausgeliefert.

Ich möchte hier aber ausdrücklich vor der sogenannten Anthropomorphisierung von Technologien warnen. Wir können einer Maschine keinen Charakterzug unterstellen und maschinell gezeigte Outputs auch nicht mit menschlichen Handlungen vergleichen, da weder die Grundlagen noch die Verarbeitung vergleichbar sind. Diese Anthropomorphisierung macht vielleicht für uns vieles leichter erklärbar, allerdings macht es uns auch anfälliger für Trugschlüsse. Nämlich dass wir die Erwartungen, die wir gegenüber Menschen haben, auch auf Maschinen übertragen.

Was sagen Sie zur Bezeichnung von ChatGPT als Soziopath in der Hosentasche?

Es ist durchaus möglich, dass sich ein allgemeines Sprachmodell quasi-soziopathisch benimmt, weil es heute auf irgendeine Weise oder aufgrund irgendeines Settings zu einem Verhalten kommt, das wir als soziopathisch interpretieren.

Wie ist es mit dem Auslösen psychischer Krisen, wie der sogenannte „AI Psychosis“ oder „KI Psychose“?

Wenn eine GPT-Architektur auf Menschen trifft, die vielleicht schon eine Disposition zu abergläubischem Verhalten haben oder eine Neigung zu Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis in sich tragen, dann kann sich so etwas, wie die in den Medien genannte „KI-Psychose“ – bei der es sich aber um keinen Fachausdruck handelt – entwickeln. Ich halte die Berichterstattung in Bezug auf „KI-Psychosen“ aber eher für einen Medienhype und nicht für die größte Gefahr schlechthin.

Natürlich können GPTs psychotische Zustände begünstigen, aber das kann menschliche Kommunikation auch. Bei Wahnstörungen haben neue Technologien stets die den Wahnthemen innewohnende Kreativität, gefördert. Und das hat in der neueren Zeit schon mit dem Radio, TV und dem Internet seine Vorläufer gehabt. Ich glaube, dass sich das, ich nenne es einmal „das psychotische Potenzial“, in der allgemeinen Bevölkerung vielleicht stärker auf Maschinen verlagert wird, also die Wahnthemen verändern sich, der Spiegel der Wahnthemen oder die Zusammensetzung, ich glaube aber, dass die Fallzahlen nicht exorbitant steigen werden. Denn die Inzidenz und Prävalenz von Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis bzw. von Wahnstörungen sind in den letzten Jahren nicht gestiegen.

Denken Sie, ChatGPT ist eine Resonanzmaschine?

Ich sehe die ganzen GPTs als Maschinen, die auf der Basis von Sprachinput, der Abbildung des der Sprache innewohnenden Konstrukts in hochdimensionalen Vektorräumen, letztlich selbstähnliche Relationen herstellen, weil wir es darauf angelegt haben. GPTs sind sogar aufgrund ihrer Ausrichtung dazu gezwungen, auch wenn es so etwas wie Freiheitsgrade gibt, die beeinflussbar sind.

In einem zweiten Schritt ist es dann der Ausrichtung, sprich dem menschlichen Tuning der jeweiligen GPT-Instanz geschuldet, wie informativ, zuträglich, gefällig oder auch unterhaltsam diese dann agiert. Und wenn eine Maschine das macht und das ist aber eine Frage des Tunings und nicht des Kerns der Maschine, dann könnte man sie als Resonanzmaschine bezeichnen.

Aber ich sehe Resonanz hier nicht zwingend positiv konnotiert, sondern ich sehe dann Effekte kommen, die es ja schon in den sozialen Medien gibt, mit der algorithmischen Reihung von Postings und Priorisierung von Inhalten. Wenn sie zu stark resoniert, die Maschine zu wenig kritisch fragt, keine Diversität herstellt oder gedankliche oder kommunikative Diversität erlaubt, dass es dann einfach zu Millionen individuellen Mensch-Maschine-Blasen kommen wird, die aber letzten Endes nicht so stark den Interessen der Nutzer, die ja auch immer Kunden sind, zugutekommt, sondern viel stärker den Interessen der Anbieter. Und es gibt letzten Endes vielleicht nur weltweit zwei, drei große Anbieter von GPTs, auch wenn Europa an einem eigenen Modell („OpenEuroLLM“) arbeitet.

Der Wettkampf ist schon lange eröffnet und wir haben die großen Sieben, die teilen sich den Markt schon untereinander auf und versuchen natürlich auch gefällige Produkte zu liefern. Ziel ist, dass diese Produkte möglichst stark, möglichst lange und möglichst intensiv genutzt werden, weil die Nutzung den Anbietern ja wieder Rückschlüsse und Hinweise zur Produktverbesserung und damit wieder einen Wettbewerbsvorteil bietet.

Sind wir auf dem Weg in eine neue Ära der Mensch-Maschine-Beziehung?

Seit 2022, also als ChatGPT hervorpreschte bzw. andere Formen generativer KI, wie damals Midjourney, sind wir in eine neue Ära der Mensch-Maschine-Beziehung eingetreten.

Wir sind in der neuen Ära, weil wir in einer mächtigen Sprache mit Maschinen auf einem hohen Niveau interagieren – nämlich auf Basis der mittlerweile größten Programmiersprache der Welt, der menschlichen Sprache, in der wir auch denken oder die zumindest unseren Gedanken äquivalent gesehen werden kann. Insofern ist ein Traum wahr geworden.

Tatsächlich nutzen viele Menschen diese LLMs oder generative KI im Allgemeinen, und wir sind quasi mitten drin in einer Entwicklung, in der wir aktiv Stellung beziehen müssen, welche Rolle in der Entscheidungsfindung, in der Erkenntnisgewinnung, aber auch in unserem inneren Gefüge wir diesen Entitäten überlassen wollen. Und die Zeit vergeht vielleicht schneller, als wir denken, weil diese Entwicklungen wenig Raum für ein Veto oder Modifikationen lassen.


(mack)



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The Frame Pro im Test: Bilderrahmenfernseher von Samsung


Ein großer Fernseher soll beeindruckende Bilder zeigen, sich aber auch möglichst nahtlos ins Interieur einfügen. Samsung hat mit The Frame eine clevere Lösung im Programm: Der smarte Fernseher ist zugleich ein digitaler Wechselrahmen für Kunst.

Dank seiner ausgelagerten Elektronik hängt der mattierte Bildschirm flach an der Wand und zeigt Kunstwerke oder eigene Fotos an, solange er nicht als TV-Gerät dient oder ausgeschaltet ist. Der Eindruck lässt sich durch austauschbare Rahmenleisten und eingeblendete Passepartouts noch verstärken, Sensoren halten den Energiebedarf im Zaum.

Mit The Frame Pro bringt Samsung nun das lange erwartete Upgrade des Neo QLED Art TV. Wir prüfen, was es verbessert und ob sich die Mehrausgabe gegenüber der Standardversion lohnt.


Das war die Leseprobe unseres heise-Plus-Artikels „The Frame Pro im Test: Bilderrahmenfernseher von Samsung“.
Mit einem heise-Plus-Abo können Sie den ganzen Artikel lesen.



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Stromausfall: Waymos in San Francisco bleiben massenhaft auf der Straße stehen


Ein Stromausfall in San Francisco hat am Samstag indirekt auch die selbstfahrenden Waymo-Taxis lahmgelegt: Weil auch die Ampeln keinen Strom mehr hatten, fehlte den autonomen Fahrzeugen offenbar die Orientierung, sie stoppten allesamt mitten auf der Straße.

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Zahlreiche Videos in sozialen Medien zeigen die schräge Situation: Haltende Waymos mit eingeschalteten Warnblinkern versperren an Kreuzungen und Einmündungen mit Ampeln den Weg.

Übereinstimmenden lokalen Medienberichten zufolge stellte Waymo kurz danach vor Ort den Beförderungsbetrieb ein – zum Schutze der Fahrgäste und damit Rettungskräfte nicht blockiert würden. Unfälle im Zusammenhang mit den plötzlichen Waymo-Stopps sind derzeit noch nicht bekannt.

Über die genaue Ursache der plötzlichen Waymo-Probleme machte das Unternehmen am Samstag noch keine Angaben. Sehr wahrscheinlich ist aber, dass dem autonomen Fahrsystem der Waymos ohne funktionierende Ampeln eine entscheidende Orientierungsgrundlage fehlt.

Der Stromausfall betraf nach Angaben des Energieversorgers Pacific Gas & Electric (PG&E) am Samstag zwischenzeitlich rund 130.000 Stromkunden. Knapp ein Drittel der Gesamtzahl in der nordkalifornischen Metropole.

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Vor allem der Nordwesten von San Francisco mit den Vierteln Richmond und Presidio ist derzeit immer noch ohne Strom.

(Bild: PG&E)

Um 23.30 Uhr (Ortszeit) – etwa zehn Stunden nach Beginn des Problems – waren demnach noch rund 35.000 Anschlüsse ohne Strom, aktuell sind es noch rund 21.000 (Stand: 21. Dezember, 11:43 Uhr). Zur Ursache gab es zunächst keine Angaben.


(nen)



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Gutachter: EU-Kommission will eine „uferlose Sonderrechtszone“ für KI


Die EU-Kommission verspricht mit dem geplanten Paket für einen „digitalen Omnibus“ einen Befreiungsschlag gegen Bürokratie. Doch der Widerstand gegen das Vorhaben wächst ständig. Rechtsexperten der Kanzlei Spirit Legal warnen in einem Gutachten im Auftrag des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv) nun eindringlich davor, dass der Entwurf einen systematischen Bruch mit den Prinzipien der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) darstelle und die Privatsphäre von hunderten Millionen Verbrauchern gefährde.

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Im Zentrum der Kritik steht der vorgesehene Artikel 88c, der spezielle Erleichterungen für die Datenverarbeitung im Kontext von Künstlicher Intelligenz (KI) vorsieht. Die Gutachter Peter Hense und David Wagner warnen hier vor einer „uferlosen Sonderrechtszone“. Da der Begriff des KI-Systems extrem weit gefasst sei, könnten Unternehmen künftig fast jede automatisierte Datenverarbeitung als KI-relevant deklarieren, um strengen Datenschutzregeln zu entgehen. Damit würde die technikneutrale Logik der DSGVO durch ein technologiespezifisches Privileg ersetzt, das vor allem Diensteanbietern nütze.

Für alarmierend halten die Juristen die geplante Aufweichung beim Umgang mit sensiblen Daten wie Gesundheitsinformationen oder politischen Ansichten. Der Entwurf suggeriere, dass deren Verarbeitung umso eher gerechtfertigt sei, je größer die Datenmengen sind. Das verkehre den Grundsatz der Datensparsamkeit ins Gegenteil: Massenhaftes Absaugen von Informationen werde belohnt, solange es dem Training von KI-Modellen diene. Die Gutachter sehen darin gefährliche Vorrechte für Big-Tech-Konzerne.

Die Autoren bemängeln zudem, dass wesentliche Schutzmechanismen lediglich in die rechtlich unverbindlichen Erwägungsgründe verschoben würden. Ein Beispiel sind technische Opt-out-Verfahren, mit denen Nutzer der Verwendung ihrer Daten widersprechen können. Ohne Verankerung im verbindlichen Normtext fehle den Aufsichtsbehörden die Handhabe, Verstöße effektiv zu sanktionieren. Gerade beim Web-Scraping würden so Daten von Personen erfasst, die oft gar keine Möglichkeit hätten, von ihrem Widerspruchsrecht überhaupt Kenntnis zu erhalten.

Um diesen Fehlentwicklungen entgegenzuwirken, bringen die Gutachter eine spezifische Rechtsgrundlage fürs KI-Training ins Spiel. Unternehmen sollten erst dann auf personenbezogene Informationen zugreifen dürfen, wenn sie nachweisen können, dass ihr Ziel nicht auch mit anonymisierten oder synthetischen Daten erreicht werden könne. Zudem müsse gewährleistet werden, dass KI-Modelle keine persönlichen Informationen in ihren Antworten reproduzieren („Data Leakage“). Dafür seien strenge technische Standards bereits im Trainingsprozess nötig.

Ein Kapitel widmet sich dem Schutz vulnerabler Gruppen. Da Minderjährige die Tragweite der Datenverarbeitung für KI oft nicht überblicken könnten, plädieren die Verfasser für eine ausdrückliche Einwilligungspflicht der Eltern. Zudem sollten Betroffene mit Erreichen der Volljährigkeit ein voraussetzungsloses Recht erhalten, die weitere Nutzung ihrer Daten in bestehenden Modellen zu untersagen. Ohne solche Leitplanken drohe die digitale Souveränität der nächsten Generation dauerhaft verloren zu gehen.

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Die politische Dimension dieser Erkenntnisse ist laut vzbv-Vorständin Ramona Pop enorm. Sie warnt davor, dass die Kommission unter dem Deckmantel der Innovation vor allem US-amerikanischen Plattformen einen Freibrief ausstellen wolle. Big Tech könnte juristische Grauzonen leicht ausnutzen, während europäische Firmen und Verbraucher das Nachsehen hätten. Echte Rechtssicherheit entstehe nur durch klare Regeln. Brüssel schlage dagegen vage Ausnahmetatbestände vor, die erst über Jahre gerichtlich geklärt werden müssten.

Dass Datenschutz kein Hemmschuh, sondern ein Wirtschaftsfaktor ist, belegen aktuelle Ergebnisse einer repräsentativen Online-Befragung für den vzbv. Für 87 Prozent der Verbraucher ist demnach Vertrauen die Grundvoraussetzung für die Nutzung digitaler Dienste. Die DSGVO fungiert dabei als wichtiger Anker: Über 60 Prozent der Befragten vertrauen Unternehmen eher, wenn diese nachweislich europäische Vorschriften einhalten. Eine Verwässerung dieser Standards riskiert so auch die gesellschaftliche Akzeptanz neuer Technologien.

Der Digital-Omnibus wird nun im EU-Rat und im Parlament beraten. Die Einwände aus der Zivilgesellschaft sind kaum überhörbar. Das Paket steht im Verdacht, primär auf massiven Druck der US-Regierung zurückzugehen, anstatt europäische Bürger- und Wirtschaftsinteressen zu vertreten. Betroffenenrechte würden unter dem Deckmantel von „Vereinfachungen“ abgeschwächt, heißt es. KI-Firmen wolle die Kommission einen Blankoscheck ausstellen, um europäische Daten abzusaugen.


(nen)



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