Nach mehr als drei Jahren haben sich die Vertreter:innen der EU-Länder im Rat auf eine gemeinsame Position zur „Chatkontrolle“ geeinigt. Nachdem das Parlament schon 2023 eine Position fand, geht die Verordnung nun in den Trilog, die Verhandlungen zwischen Kommission, Parlament und Rat.
Die Verordnung enthielt mit der verpflichtenden Chatkontrolle eines der gefährlichsten Überwachungsprojekte überhaupt, das vertrauliche, private und verschlüsselte Kommunikation aufs Spiel setzt. Bei derzeitigem Stand scheint zumindest diese Gefahr gebannt. Aber die Verordnung enthält weitere Probleme.
Wir erklären, wie es auf dem Weg zum fertigen Gesetz jetzt weiter geht.
Inhalt
Was hat die EU-Kommission vorgeschlagen?
Die EU-Kommission hat im Mai 2022 einen über 130-seitigen Gesetzentwurf vorgelegt. Erklärtes Ziel dessen ist es, Darstellungen sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen zu bekämpfen. Dafür will die Kommission Folgendes:
Anbieter von Hosting- und Kommunikationsdiensten sollen nach einer sogenannten Aufdeckungsanordnung die Kommunikation und Inhalte ihrer Nutzenden nach Darstellungen sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Anbahnungsversuchen („Grooming“) scannen müssen.
Wenn sie entsprechende Inhalte finden, müssen sie diese an ein EU-Zentrum melden. Das soll die Fälle prüfen und gegebenenfalls an Strafverfolgungsbehörden und Europol weiterleiten.
Anbieter sollen dabei nicht nur nach bereits bekannten Inhalten suchen, sondern auch nach bisher unbekanntem Missbrauchsmaterial.
Die Anordnungen beziehen sich auch auf verschlüsselte Kommunikation. Die müsste dafür umgangen werden – entweder indem bereits erfolgte Verschlüsselung gebrochen wird oder indem Inhalte auf den Geräten gescannt werden, bevor sie für den Versand verschlüsselt werden. Das nennt man Client-Side-Scanning.
Neben dem als Chatkontrolle bekannten Scannen von Inhalten sieht der Vorschlag auch verstärkte Alterskontrollen vor, mit denen Anbieter ihr „Risiko“ verringern können, dass ihr Dienst etwa für Grooming missbraucht wird. Auch App Stores sollen eine Altersüberprüfung vornehmen.
Wenn bei Hosting-Anbietern Missbrauchsdarstellungen gespeichert sind, soll es außerdem Netzsperren geben können, wenn diese trotz Anordnung nicht gelöscht werden.
Was ist die Position des EU-Parlaments?
Das EU-Parlament hat seine Position bereits im November 2023 festgelegt. Sie richtet sich in wichtigen Punkten gegen den Vorschlag der Kommission:
Das Parlament will keine anlasslosen Aufdeckungsanordnungen für eine Chatkontrolle. Das Scannen soll nur für einzelne Nutzer:innen oder spezifizierte Gruppen erlaubt sein. Vorher muss es einen begründeten Verdacht geben, dass eine Verbindung zu Darstellungen sexualisierter Gewalt besteht. Die Anordnungen sollen außerdem mit einem Richtervorbehalt versehen sein.
Verschlüsselte Kommunikation soll nicht gescannt werden dürfen. Damit lehnt das Parlament auch das sogenannte Client-Side-Scanning ab, bei dem Inhalte vor dem verschlüsselten Versand auf den Geräten der Nutzenden gescannt werden.
Das Parlament will auch die Arten des Materials einschränken, nach denen gesucht werden darf. Eine Grooming-Erkennung, bei der nach Anbahnungsversuchen von Erwachsenen an Kinder gesucht wird, nimmt die Parlamentsposition aus.
Bei der Altersüberprüfung setzt das Parlament auf Freiwilligkeit, außer bei Pornoseiten.
Über den Kommissionsvorschlag hinaus gehen die Abgeordneten bei Schutzmaßnahmen, die Diensteanbieter etwa durch Standardeinstellungen treffen müssen. Nutzende sollen nicht mehr direkt ungewollte Nachrichten von Unbekannten empfangen müssen. Das Teilen von persönlichen Kontaktdaten soll eingeschränkt werden. Dienste sollen ihren Nutzer:innen leicht zugängliche Mechanismen bereitstellen, um andere zu blockieren, stummzuschalten oder mögliches Missbrauchsmaterial zu melden.
Bei der Parlamentsposition ist es wichtig zu wissen, dass sie vor der letzten Europawahl entstand. Seitdem haben sich die Mehrheitsverhältnisse geändert, es gab schon Anzeichen, dass sich die Position des Parlaments ändern könnte.
Was ist die Position des Rats?
Die EU-Staaten haben sich im November 2025 nach jahrelangen Verhandlungen auf ihre Position geeinigt.
Die wichtigste Änderung: Internet-Dienste sollen nicht dazu verpflichtet werden, die Kommunikation ihrer Nutzer zu scannen. Der Rat streicht den ganzen Abschnitt zu „Aufdeckungspflichten“.
Internet-Dienste dürfen die Inhalte ihrer Nutzer jedoch freiwillig scannen, wenn es nach den Mitgliedstaaten geht. Die E-Privacy-Richtlinie von 2002 verbietet das eigentlich. Das neue Gesetz soll die freiwillige Chatkontrolle jedoch dauerhaft erlauben.
Das betrifft nicht nur Bilder und URLs, sondern auch Texte und Videos.
Andere Teile des ursprünglichen Gesetzentwurfs bleiben nur wenig verändert.
Wie im Kommissionsvorschlag sollen App Stores und Dienste für vertrauliche Kommunikation das Alter ihrer Nutzer prüfen und Kinder ausschließen.
Was ist der Trilog?
Bei informellen Trilog verhandeln Kommission, Rat und Parlament der EU. Ziel ist es, sich zwischen den drei EU-Organen auf eine gemeinsame Position zu einem Gesetzesvorhaben zu einigen. In der Regel haben sich Rat und Parlament vorher auf ihre jeweils eigenen Standpunkte zu einem Gesetzesvorschlag der Kommission geeinigt und gehen mit dem entsprechenden Verhandlungsmandat in die Gespräche.
Wichtiger Bestandteil des Trilogs sind die sogenannten Vier-Spalten-Dokumente. In den ersten drei Spalten sind die einzelnen Positionen der EU-Organe verzeichnet, die vierte Spalte enthält die aktuelle Einigung – sie wird beständig aktualisiert.
Bei den informellen Trilog-Verhandlungen gibt es erhebliche Transparenzprobleme, weil sie hinter verschlossenen Türen stattfinden. Die frühere EU-Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly rügte etwa nach einer Beschwerde im Jahr 2023 das Parlament, weil es die wichtigen Vier-Spalten-Dokumente auf Anfrage von Nichtregierungsorganisationen viel zu spät herausgab. Sie forderte, dass diese proaktiv veröffentlicht werden müssen, damit Bürger:innen Entscheidungen nachvollziehen und sich beteiligen können.
Welche Knackpunkte gibt es bei den Trilog-Verhandlungen?
Aus einer Grundrechtsperspektive werden folgende Punkte bei den Verhandlungen besonders wichtig sein:
Wird es ein verpflichtendes, freiwilliges oder anlassbezogenes Scannen geben?
Wenn es eine freiwillige Chatkontrolle geben sollte – wie groß sind die Anreize, diese durchzuführen?
Wonach sollen die Anbieter suchen dürfen? Nach bereits bekanntem Material oder mit fehleranfälligen Erkennungsmethoden auch nach unbekannten Darstellungen oder Anbahnungsversuchen?
Bleibt verschlüsselte Kommunikation geschützt?
Soll es Netzsperren für Darstellungen sexualisierter Gewalt geben oder setzt man auf konsequentes Löschen?
Wird es Alterskontrollen geben – und für welche Anbieter oder App Stores?
Kann es sein, dass die verpflichtende Chatkontrolle doch noch kommt?
Es gilt der alte Grundsatz: „Nothing is agreed until everything is agreed“. Das heißt, bis alles geklärt ist, ist nichts in Stein gemeißelt. Im Trilog gibt es nun drei verschiedene Positionen: Die EU-Kommission will die verpflichtende Chatkontrolle nach Anordnung. Das EU-Parlament will verpflichtende Chatkontrolle nach richterlichem Beschluss und begrenzt auf verdächtige Nutzer:innen- und -gruppen, ausgenommen sollen verschlüsselte Kommunikationen sein. Der Rat will eine freiwillige Chatkontrolle, die Anbieter durchführen können, um „Risiken zu mindern“.
Was ist eine freiwillige Chatkontrolle?
Bei einer freiwilligen Chatkontrolle können Dienste-Anbieter Inhalte ohne rechtliche Verpflichtung scannen. Ob Dienste eine Chatkontrolle für alle oder nur manche Nutzer:innnen einführen, ist ihnen überlassen. Ob Dienste-Anbieter ihren Nutzer:innen erlauben, die Chatkontrolle an- oder auszuschalten, ist ihnen ebenfalls überlassen.
Bislang haben Anbieter wie Facebook unverschlüsselte Kommunikation gescannt. Sie überprüfen zum Beispiel, ob in einer Datenbank enthaltene Hashes verschickt werden. Die US-Organisation NCMEC etwa sammelt solche Hashes zu bekannten Darstellungen sexualisierter Gewalt. Viele Hinweise zu Besitz oder Verbreitung entsprechender Inhalte, welche die Polizei erhält, stammen aus der freiwilligen Chatkontrolle.
Was ist das Problem an der freiwilligen Chatkontrolle?
Egal ob ein Anbieter die Inhalte seiner Nutzer:innen freiwillig oder nach einer Anordnung scannt: Es verletzt das Recht auf vertrauliche Kommunikation. Das verstößt unter anderem gegen die Regeln aus der ePrivacy-Richtlinie.
Der EU-Datenschutzbeauftragte forderte bei Ausnahmen von diesem Grundsatz „klare und präzise Regeln für die Tragweite und die Anwendung der betreffenden Maßnahme“ sowie Mindesterfordernisse.
Auch bei der freiwilligen Chatkontrolle kann es zu Fehlern kommen. Bekannt wurde der Fall eines Vaters, der eine Mail an den Arzt seines Sohnes schickte, die ein Foto des Genitalbereiches des erkrankten Kindes enthielt. Auf den Google-Servern schlug ein Erkennungsmechanismus an. Ein falscher Verdacht: Die Polizei ermittelte gegen den Vater, sein Google-Account samt aller Daten wurde gelöscht.
Ist der jetzt erreichte Stand ein Erfolg für die Grundrechte?
Das schlimmste Element des Kommissionsvorschlags, die verpflichtende Chatkontrolle für ganze Dienste, auch für verschlüsselte Kommunikation, wollen weder Parlament noch Rat. Dass diese Form der Chatkontrolle abgewehrt wurde, ist Menschen in Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Medien und Zivilgesellschaft zu verdanken. Sie haben zusammen an unterschiedlichen Stellen die Gefährlichkeit der Chatkontrolle sichtbar gemacht, dabei Bewusstsein geschaffen und einen öffentlichen Aufschrei ausgelöst.
Die Sache ist aber noch lange nicht ausgestanden: Es gibt weiterhin zahlreiche problematische Teile der Verordnung wie Netzsperren, freiwillige Chatkontrolle und Alterskontrollen, welche die Anonymität im Netz gefährden. Und es gibt neue Anläufe, um an verschlüsselte Kommunikation heranzukommen wie „Protect EU“.
Was kann ich als Einzelperson tun, um gegen problematische Vorhaben wie die Chatkontrolle aktiv zu werden?
Ein Schlüssel sind Information und Aufklärung: Erkläre in Deinem Umfeld in möglichst einfachen Worten und Bildern, was genau an diesen komplexen technischen Verfahren und Überwachungsprojekten gefährlich ist. Bei der Chatkontrolle war die Stärke, dass sachlicher Widerspruch in ungeahnter Breite von den unterschiedlichsten Akteur:innen und Allianzen vorgetragen wurde. Das macht Eindruck, wenn nicht nur die üblichen Verdächtigen „Alarm“ rufen. Eine solche gesellschaftliche Breite aufzubauen, liegt an jedem von uns und unseren Netzwerken.
Darüber hinaus kann man sich in Organisationen und Initiativen engagieren oder diesen Geld spenden, Petitionen unterschreiben, offene Briefe initiieren, Infoveranstaltungen machen, Abgeordnete anrufen, Aufkleber drucken oder auf der Straße protestieren gehen. Es gibt unzählige Möglichkeiten.
Sieben Werkzeuge für den Online-Rabatz
Wie lassen sich Kinder und Jugendliche vor sexualisierter Gewalt schützen?
Es ist wichtig, Kinder und Jugendliche vor sexualisierter Gewalt zu schützen. So sind Anlaufstellen für Kinder etwa im Netz möglich, damit sie einfach melden können, wenn sie sich beispielsweise in einem Spiele-Chat unwohl fühlen, weil ein Erwachsener sie bedrängt.
Viele Präventionsmöglichkeiten setzen jedoch in der analogen Welt an, damit es gar nicht erst zu den Taten kommt. Denn ein Großteil sexualisierter Gewalt findet im sozialen Nahfeld statt, also etwa in Familien, Schulen, Sportvereinen und an anderen Orten, wo sich Kinder aufhalten. Hier braucht es Schutzkonzepte, damit Erwachsene ihre Vertrauensverhältnisse zu Kindern nicht so leicht ausnutzen können und diese Ansprechpersonen haben.
Ein wichtiger Pfeiler der Präventionsarbeit sind auch Sozialarbeiter:innen und Jugendämter, damit jemand hinschauen und handeln kann, wenn ein Kind in Not gerät. Die sind jedoch unterbesetzt und nicht ausreichend finanziert.
Falls es zu sexualisierter Gewalt gekommen ist und Darstellungen davon im Netz verbreitet werden, gilt seit Jahren neben der konsequenten Strafverfolgung das Löschen der Inhalte als Erfolgsrezept. Fast alle Hosting-Anbieter sind dabei schnell und kooperativ. Es braucht eine Verpflichtung für Behörden, bei einem Fund von Gewaltdarstellungen immer auf deren Entfernung hinzuwirken, damit sich die Inhalte nicht weiter verbreiten.
Beim Anblick der die Hollywood-Version von Leonidas und seiner legendären „300“ überkommt mich die Lust nach einem Work-out. Und wenn König Théoden und der Waldläufer Aragorn, beides Charaktere aus „Herr der Ringe“, auf die feindliche Ork-Armee losstürmen, stellen sich Zuschauern die Nackenhaare auf.
Todesverachtenden Heldenmut zeigt auch Achilles in der amerikanischen Adaption der Troja-Sage, als er seinen Myrmidonen vor dem selbstmörderischen Angriff auf die Stadt die „Unsterblichkeit“ verspricht. Etwas feingeistiger, doch nicht weniger archaisch, nimmt Feldherr Julius Cäsar durch seinen viel zitierten Spruch „Ich kam, ich sah, ich siegte“ einen Platz in der Geschichte verwegener Männer ein.
„WARNING: watching this will increase your testosterone level by 300%”, lautet der Top-Kommentar für Leonidas auf YouTube. Auch im Silicon Valley, wo der Bedarf an Testosteron offenbar besonders hoch ist, fallen die Heldenerzählungen auf überaus fruchtbaren Boden. Dort lassen sich Tech-Jünger von ihren Idolen gar zu neuen Unternehmen inspirieren.
Fantasy als Vorbild
Palmer Luckey ist Erfinder der Virtual-Reality-Brille Oculus Rift. Gemeinsam mit Trae Stephens, ehemals Mitarbeiter beim Überwachungsunternehmen Palantir, hat er 2017 das Verteidungs-Start-up „Anduril“ gegründet. Benannt ist es nach Aragorns Schwert Andúril. Übersetzt aus der fiktiven Quenya-Sprache bedeutet der Name „Flamme des Westens“.
Peter Thiel, Mitgründer von Palantir, dessen Name ebenfalls aus dem Herr-der-Ringe-Kosmos stammt, investiert in Technologie für „Unsterblichkeit“, sich selbst stilisiert er zum furchtlosen Kämpfer gegen den „Antichristen“. Curtis Yarvin, ein im Silicon Valley beliebter Blogger, wünscht sich gar einen „neuen Cäsar“ an der Spitze der USA.
Mark Zuckerberg, Leser und Bewunderer von Yarvin, hat seiner Frau Priscilla „nach römischem Brauch“ eine Statue im hauseigenen Garten gewidmet. Die Namen ihrer Kinder – Maxima, August, Aurelia – sind an römische Kaiser angelehnt.
Schwarz-weiße Welt
Fantasy-Epen wie 300 oder Herr der Ringe zeichnen sich durch eine verlässliche Einteilung der Welt in Gut und Böse aus. „Wir lieben die alten Geschichten wegen ihrer Unveränderlichkeit“, stellte die Fantasy-Autorin Ursula K. Le Guin einst fest. Hier finden Menschen Beständigkeit und alte Weisheiten – seltene Schätze in unserer flüchtigen Gegenwart.
Oft sind es gerade jüngere Menschen, die sich an der Vorstellung von glorreichen Königen oder unbezwingbaren Herrschern – und damit auch an antidemokratischen Erzählungen – ergötzen. Schließlich waren es Cäsar und sein Nachfolger Augustus, die das Ende der Republik besiegelten und den Weg zum römischen Kaiserreich ebneten. Und in Sparta, das im Film 300 als „freies Griechenland“ porträtiert wird, herrschte eine kleine Elite über den Großteil der Bevölkerung. Nachdem der Staat im Peloponnesischen Krieg seinen langjährigen Rivalen Athen besiegt, bricht dort umgehend die Oligarchie an.
Im zahlen- und umsatzgetriebenen Silicon Valley können die Unternehmer so ihre vergleichsweise kurze Kulturgeschichte erweitern und dabei etwaige Komplexe ausgleichen. Womöglich suchen sie auch einen passenden ideologischen Rahmen für ihre aggressiven Geschäftsmodelle – oder streben genau danach, was ihre Idole ihnen vorleben: Ruhm, Oligarchie, Sixpack.
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Die glatte Tech-Welt sehnt sich offenbar nach den rauen Erfahrungen, die das analoge Leben noch bereithielt. Dafür muss sie „Kämpfe“ inszenieren, die eigentlich keine sind. Elon Musk etwa bekämpft die eigenen Komplexe mit Haartransplantationen, Botox und Wangenknochenverstärkung. Derweil hat Zuckerberg sich zum Kampfsportler hochpäppeln zu lassen. Beim Podcaster Joe Rogan spricht er betont „männlich“ über Jagd, Töten und Mixed Martial Arts.
Widersprüche und Allmachtsfantasien
Führen Heldensagen ins nächste Fitnessstudio, ist das erst mal keine schlechte Sache. Die Weltanschauung und das eigene Unternehmen rund um ambivalenzbefreite Allmachtsfantasien aufzubauen, ist hingegen brandgefährlich.
Dabei ist es Zuckerberg selbst, der mit seinen Unternehmen und „sozialen“ Medien unermüdlich das Fundament einer schönen Welt ruiniert und ihre Bewohner in die digitale Entfremdung treibt. Den Erfolg Zuckerbergs garantiert ein werbe- und effizienzorientiertes System, das sich durch die wachsende Unzufriedenheit seiner Mitglieder und den Ruf nach „alter“ Stärke schließlich gewaltsam selbst abschafft.
Und was passiert, wenn eine kleine Gruppe in Widersprüchen gefangener Männer die Macht übernimmt und die Wut der Menschen für ihre eigenen Zwecke instrumentalisiert, zeigt die Geschichte. Dass ebenjene nur als Karikaturen ihrer verherrlichten antiken Ideale dienen, ist ein kleiner, überaus bitterer Witz. Denn das große Leid tragen später wie üblich die Schwächsten einer Gesellschaft und nicht die Profiteure an der Spitze.
Die Woche, in der wir zurück ins Jahr 1986 reisten
Liebe Leser:innen,
das Wort des Jahres ist „KI-Ära“. Das Thema Künstliche Intelligenz „ist aus dem Elfenbeinturm der wissenschaftlichen Forschung herausgetreten und hat die Mitte der Gesellschaft erreicht“, begründet die Gesellschaft für deutsche Sprache ihre Wahl.
Die Bundesdruckerei hockt derweil in ihrer ganz eigenen Abgeschiedenheit. Sie setzt den Datenatlas um, der „souveräne Datenkatalog für die Bundesverwaltung“. Mitarbeitende verschiedener Ministerien und Behörden sollen hier nachschlagen können, wo welche Daten liegen.
Eigentlich eine gute Sache. Doch das Projekt ist offenbar Lichtjahre von der technischen Gegenwart, geschweige denn von irgendeiner „KI-Ära“ entfernt. Zu diesem Schluss kommt zumindest der Wissenschaftler David Zellhöfer in einem Gutachten, über das meine Kollegin Esther diese Woche berichtet hat. Demnach biete der Datenatlas weniger Funktionen als Datenbanken aus dem Jahr 1986, so das markige Urteil. Damals war das Wort des Jahres übrigens „Tschernobyl“. So lange ist das her.
Auf Platz 2 kam vor knapp vierzig Jahren das Wort „Havarie“, was so viel wie Fehler oder Schaden bedeutet. Den will die Bundesdruckerei nun offenbar noch vergrößern. Als wir sie mit den Ergebnissen des Gutachtens konfrontieren, schrieb die bundeseigene GmbH zurück, gegebenenfalls rechtliche Schritte gegen Zellhöfer einzuleiten.
Zellhöfer nahm sein Gutachten daraufhin offline, um sich rechtlich abzusichern. „Ich war unmittelbar eingeschüchtert“, sagte er gegenüber netzpolitik.org, „obwohl die Antwort der Bundesdruckerei in keiner Weise sachlich nachvollziehbar ist.“
Inzwischen ist das Gutachten wieder abrufbar. Und Zellhöfer kann mit mehr Humor auf die Sache schauen. Positiv gesehen könne der Datenatlas auch „als Projekt eines Retro-Computing-Enthusiasten“ durchgehen, sagt er.
Ein bisschen mehr Humor wünsche ich auch der Bundesdruckerei. Dann trägt sich die Atlas-Last gleich leichter.
Habt ein schönes Wochenende!
Daniel
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Weltweites CDN: Offenbar wieder Störung bei Cloudflare
Am Freitagvormittag gibt es offenbar erneut Probleme beim CDN-Anbieter Cloudflare. Verschiedene Webseiten sind nicht verfügbar – sie liefern lediglich einen HTTP-Fehler 500 aus. Die Ursache ist unklar, der Anbieter spricht von „API-Problemen“.
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Fehler 500 beim Besuch von cloudflare.com
Stichproben einiger Webseiten wie cloudflare.com, aber auch die beliebten Störungsmelder downdetector.com und allestoerungen.de sind fehlerhaft oder komplett defekt: Mal fehlt die Startseite komplett, in anderen Fällen lediglich die per Cloudflare-CDN ausgelieferten Assets wie Bilder und Stylesheets
API-Probleme?
Cloudflares Statusseite hingegen ist, anders als beim vorherigen Ausfall im November, noch immer verfügbar. Sie spricht von Fehlern bei der Cloudflare API und dem Dashboard. „Customers using the Dashboard / Cloudflare APIs are impacted as requests might fail and/or errors may be displayed.“
Wie Cloudflare nun erläuterte, handelte es sich beim Ausfall um eine Auswirkung der kürzlich bekannt gewordenen kritischen „React2Shell“-Sicherheitslücke im React-Framework. Das Unternehmen habe für die Web Application Firewall, die neben Kundendomains offenbar auch die eigene Webseite schützt, eine Änderung eingespielt, um vor CVE-2025-55182 zu schützen. Was genau schiefgegangen sei, werde man später bekanntgeben, so das Unternehmen. Ein Cyberangriff liege nicht vor.
Vorgestern DNS-Probleme für Telekom-Kunden
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Der Cloudflare-eigene DNS-Resolver 1.1.1.1 war für viele Telekom-Kunden offenbar am Abend des 3. Dezember nicht erreichbar. Wie Betroffene auf Reddit beklagten, führte das zu Internetausfällen – weil auch die Alternative 1.0.0.1 nicht funktionierte. Mittlerweile scheint diese Störung jedoch behoben, die Ursache ist unklar.
Am Abend des 3. Dezember erreichte keiner der 150 Messpunkte des Monitoringnetzes „RIPE Atlas“ im Netz der Telekom den DNS-Server 1.1.1.1.
(Bild: Reddit-User lordgurke)
Update
05.12.2025,
10:16
Uhr
Cloudflare hat laut eigenen Angaben Problembehebungen vorgenommen und beobachtet die Störung weiter.