Connect with us

Datenschutz & Sicherheit

Grundrechte: Gericht stoppt Massenüberwachung des Schweizer Geheimdienstes


Die weitgehende Praxis des Schweizer Nachrichtendienstes des Bundes (NDB), die grenzüberschreitende Kommunikation mittels Funk- und Kabelaufklärung flächendeckend zu erfassen, steht vor dem Aus. Das eidgenössische Bundesverwaltungsgericht (BVGer) hat in einem Urteil vom 19. November entschieden, dass die aktuelle Informationsbeschaffung nicht mit der Bundesverfassung und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vereinbar ist (Az.: A-6444/2020). Hauptgrund: Die in der Schweiz praktizierte Form der „strategischen Fernmeldeaufklärung“ (Sigint) biete keinen ausreichenden Schutz vor Missbrauch und verletze so die Grundrechte der Bürger.

Weiterlesen nach der Anzeige

Der NDB beschafft mit dem Abschnorcheln von Telekommunikation Informationen über sicherheitspolitisch bedeutsame Vorgänge im Ausland. Dazu wird die gesamte grenzüberschreitende Kommunikation erfasst und automatisiert anhand von Suchbegriffen (Selektoren) durchsucht. Rein schweizerische Kommunikation – also jeglicher Austausch, bei dem sich Sender und Empfänger in der Alpenrepublik befinden – darf zwar nicht verwendet werden. Doch die Erfassung breiter Datenströme als solche wurde bereits vom Bundesgericht (BGer) als Massenüberwachung eingestuft. Tatsächlich räumte der NDB auch selbst das Vornehmen einer verdachtsunabhängigen Rasterfahndung bereits ein.

Geklagt hatten der Verein Digitale Gesellschaft sowie mehrere Privatpersonen, darunter Journalisten und ein Rechtsanwalt. Sie monierten eine Verletzung ihrer Grundrechte: Aufgrund der anlasslosen Überwachung bestehe das Risiko, dass auch ihre Daten verarbeitet und möglicherweise ausgewertet würden. Das BGer hatte bereits 2019 festgestellt, dass die Beschwerdeführenden berechtigt sind, die Unterlassung der Funk- und Kabelaufklärung zu verlangen. Es wies das BVGer an, das System umfassend auf seine Konformität mit Verfassung und EMRK zu prüfen.

Das BVGer unterzog das Spionageregime einer strengen Überprüfung, orientiert an den Anforderungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Dieser verlangte im Urteil Big Brother Watch vs. Großbritannien durchgehende Garantien zum Schutz vor Missbrauch. Der EGMR legte dabei besonderes Gewicht auf die vorgängige unabhängige Genehmigung, die durchgehende Aufsicht durch eine unabhängige Behörde und das Bestehen eines wirksamen Rechtsmittels zur nachträglichen Überprüfung.

In seinem jetzt veröffentlichten Urteil hält das BVGer zwar fest, dass die Umstände, unter denen Kommunikation überwacht werden darf, hinreichend vorhersehbar seien. Es goutierte auch, dass die Kabelaufklärung vorab durch ein unabhängiges Gericht genehmigt werden muss. Dennoch kommt das Gericht zum Schluss, dass das anwendbare Recht keinen ausreichenden Schutz vor Missbrauch bietet. Insbesondere sei nicht gewährleistet, dass der NDB nur erhebliche und richtige Daten bearbeite.

Gravierend ist laut dem Beschluss, dass das Gesetz keine Instrumente zum Schutz journalistischer Quellen und anderer besonders schützenswerter Kommunikation wie etwa zwischen Rechtsanwalt und Mandant enthält. Ferner sei weder eine hinreichend effektive Kontrolle der Informationsbeschaffung sichergestellt, noch stehe Betroffenen ein tatsächlich wirksames Rechtsmittel für einen nachträglichen Check zur Verfügung. Die Beeinträchtigung der Grund- und Konventionsrechte der Beschwerdeführenden sei damit nicht gerechtfertigt.

Weiterlesen nach der Anzeige

Mit diesem Ergebnis müsste die Funk- und Kabelaufklärung eigentlich als Ganzes unterlassen werden. Das Gericht gab dem Gesetzgeber aber eine großzügige Frist von fünf Jahren: Vor dem Hintergrund der Bedeutung der Aufklärung für die Informationsbeschaffung des NDB und der laufenden Gesetzesrevision sollen die Mängel bis dahin behoben werden. Sollte bis 2030 kein rechtskonformer Zustand bestehen, ist die Funk- und Kabelaufklärung zwingend einzustellen. Das Urteil kann beim Bundesgericht noch angefochten werden.

Die Digitale Gesellschaft zeigte sich erfreut über den Erfolg ihrer Beschwerde. Sie wertet das Urteil als historischen Entscheid. Nach Auffassung der Bürgerrechtsorganisation ist die Massenüberwachung durch den Geheimdienst ein Eingriff in die Freiheit, der sofort eingestellt werden müsse. Die gesetzlichen Fehler seien zu groß, um die Praxis aufrechtzuerhalten.

Der NBD erfüllt in der Schweiz die Aufgaben eines Auslandsgeheimdienstes sowie die eines Inlandsnachrichtendienstes zum Schutz der Verfassung. Er ist am ehesten mit einer Kombination aus dem deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) und dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) vergleichbar. Hierzulande erklärte das Bundesverfassungsgericht den vom BND für Sigint-Zwecke verwendeten Datenstaubsauger im Nachgang der Snowden-Enthüllungen für verfassungswidrig. Der Bundestag hielt das Werkzeug aber prinzipiell für unverzichtbar und reformierte nur die Einsatzbedingungen.


(mki)



Source link

Datenschutz & Sicherheit

Raue Storys für glatte Zeiten


Beim Anblick der die Hollywood-Version von Leonidas und seiner legendären „300“ überkommt mich die Lust nach einem Work-out. Und wenn König Théoden und der Waldläufer Aragorn, beides Charaktere aus „Herr der Ringe“, auf die feindliche Ork-Armee losstürmen, stellen sich Zuschauern die Nackenhaare auf.

Todesverachtenden Heldenmut zeigt auch Achilles in der amerikanischen Adaption der Troja-Sage, als er seinen Myrmidonen vor dem selbstmörderischen Angriff auf die Stadt die „Unsterblichkeit“ verspricht. Etwas feingeistiger, doch nicht weniger archaisch, nimmt Feldherr Julius Cäsar durch seinen viel zitierten Spruch „Ich kam, ich sah, ich siegte“ einen Platz in der Geschichte verwegener Männer ein.

„WARNING: watching this will increase your testosterone level by 300%”, lautet der Top-Kommentar für Leonidas auf YouTube. Auch im Silicon Valley, wo der Bedarf an Testosteron offenbar besonders hoch ist, fallen die Heldenerzählungen auf überaus fruchtbaren Boden. Dort lassen sich Tech-Jünger von ihren Idolen gar zu neuen Unternehmen inspirieren.

Fantasy als Vorbild

Palmer Luckey ist Erfinder der Virtual-Reality-Brille Oculus Rift. Gemeinsam mit Trae Stephens, ehemals Mitarbeiter beim Überwachungsunternehmen Palantir, hat er 2017 das Verteidungs-Start-up „Anduril“ gegründet. Benannt ist es nach Aragorns Schwert Andúril. Übersetzt aus der fiktiven Quenya-Sprache bedeutet der Name „Flamme des Westens“.

Peter Thiel, Mitgründer von Palantir, dessen Name ebenfalls aus dem Herr-der-Ringe-Kosmos stammt, investiert in Technologie für „Unsterblichkeit“, sich selbst stilisiert er zum furchtlosen Kämpfer gegen den „Antichristen“. Curtis Yarvin, ein im Silicon Valley beliebter Blogger, wünscht sich gar einen „neuen Cäsar“ an der Spitze der USA.

Mark Zuckerberg, Leser und Bewunderer von Yarvin, hat seiner Frau Priscilla „nach römischem Brauch“ eine Statue im hauseigenen Garten gewidmet. Die Namen ihrer Kinder – Maxima, August, Aurelia – sind an römische Kaiser angelehnt.

Schwarz-weiße Welt

Fantasy-Epen wie 300 oder Herr der Ringe zeichnen sich durch eine verlässliche Einteilung der Welt in Gut und Böse aus. „Wir lieben die alten Geschichten wegen ihrer Unveränderlichkeit“, stellte die Fantasy-Autorin Ursula K. Le Guin einst fest. Hier finden Menschen Beständigkeit und alte Weisheiten – seltene Schätze in unserer flüchtigen Gegenwart.

Oft sind es gerade jüngere Menschen, die sich an der Vorstellung von glorreichen Königen oder unbezwingbaren Herrschern – und damit auch an antidemokratischen Erzählungen – ergötzen. Schließlich waren es Cäsar und sein Nachfolger Augustus, die das Ende der Republik besiegelten und den Weg zum römischen Kaiserreich ebneten. Und in Sparta, das im Film 300 als „freies Griechenland“ porträtiert wird, herrschte eine kleine Elite über den Großteil der Bevölkerung. Nachdem der Staat im Peloponnesischen Krieg seinen langjährigen Rivalen Athen besiegt, bricht dort umgehend die Oligarchie an.

Im zahlen- und umsatzgetriebenen Silicon Valley können die Unternehmer so ihre vergleichsweise kurze Kulturgeschichte erweitern und dabei etwaige Komplexe ausgleichen. Womöglich suchen sie auch einen passenden ideologischen Rahmen für ihre aggressiven Geschäftsmodelle – oder streben genau danach, was ihre Idole ihnen vorleben: Ruhm, Oligarchie, Sixpack.



Uns fehlen dieses
Jahr noch 302.429 Euro.


Bist Du auch Feuer und Flamme für Grundrechte?
Dann unterstütze jetzt unsere Arbeit mit einer Spende.


Bist Du auch Feuer und Flamme für Grundrechte?
Dann unterstütze jetzt unsere Arbeit mit einer Spende.

Die glatte Tech-Welt sehnt sich offenbar nach den rauen Erfahrungen, die das analoge Leben noch bereithielt. Dafür muss sie „Kämpfe“ inszenieren, die eigentlich keine sind. Elon Musk etwa bekämpft die eigenen Komplexe mit Haartransplantationen, Botox und Wangenknochenverstärkung. Derweil hat Zuckerberg sich zum Kampfsportler hochpäppeln zu lassen. Beim Podcaster Joe Rogan spricht er betont „männlich“ über Jagd, Töten und Mixed Martial Arts.

Widersprüche und Allmachtsfantasien

Führen Heldensagen ins nächste Fitnessstudio, ist das erst mal keine schlechte Sache. Die Weltanschauung und das eigene Unternehmen rund um ambivalenzbefreite Allmachtsfantasien aufzubauen, ist hingegen brandgefährlich.

Dabei ist es Zuckerberg selbst, der mit seinen Unternehmen und „sozialen“ Medien unermüdlich das Fundament einer schönen Welt ruiniert und ihre Bewohner in die digitale Entfremdung treibt. Den Erfolg Zuckerbergs garantiert ein werbe- und effizienzorientiertes System, das sich durch die wachsende Unzufriedenheit seiner Mitglieder und den Ruf nach „alter“ Stärke schließlich gewaltsam selbst abschafft.

Und was passiert, wenn eine kleine Gruppe in Widersprüchen gefangener Männer die Macht übernimmt und die Wut der Menschen für ihre eigenen Zwecke instrumentalisiert, zeigt die Geschichte. Dass ebenjene nur als Karikaturen ihrer verherrlichten antiken Ideale dienen, ist ein kleiner, überaus bitterer Witz. Denn das große Leid tragen später wie üblich die Schwächsten einer Gesellschaft und nicht die Profiteure an der Spitze.



Source link

Weiterlesen

Datenschutz & Sicherheit

Die Woche, in der wir zurück ins Jahr 1986 reisten


Liebe Leser:innen,

das Wort des Jahres ist „KI-Ära“. Das Thema Künstliche Intelligenz „ist aus dem Elfenbeinturm der wissenschaftlichen Forschung herausgetreten und hat die Mitte der Gesellschaft erreicht“, begründet die Gesellschaft für deutsche Sprache ihre Wahl.

Die Bundesdruckerei hockt derweil in ihrer ganz eigenen Abgeschiedenheit. Sie setzt den Datenatlas um, der „souveräne Datenkatalog für die Bundesverwaltung“. Mitarbeitende verschiedener Ministerien und Behörden sollen hier nachschlagen können, wo welche Daten liegen.

Eigentlich eine gute Sache. Doch das Projekt ist offenbar Lichtjahre von der technischen Gegenwart, geschweige denn von irgendeiner „KI-Ära“ entfernt. Zu diesem Schluss kommt zumindest der Wissenschaftler David Zellhöfer in einem Gutachten, über das meine Kollegin Esther diese Woche berichtet hat. Demnach biete der Datenatlas weniger Funktionen als Datenbanken aus dem Jahr 1986, so das markige Urteil. Damals war das Wort des Jahres übrigens „Tschernobyl“. So lange ist das her.

Auf Platz 2 kam vor knapp vierzig Jahren das Wort „Havarie“, was so viel wie Fehler oder Schaden bedeutet. Den will die Bundesdruckerei nun offenbar noch vergrößern. Als wir sie mit den Ergebnissen des Gutachtens konfrontieren, schrieb die bundeseigene GmbH zurück, gegebenenfalls rechtliche Schritte gegen Zellhöfer einzuleiten.

Zellhöfer nahm sein Gutachten daraufhin offline, um sich rechtlich abzusichern. „Ich war unmittelbar eingeschüchtert“, sagte er gegenüber netzpolitik.org, „obwohl die Antwort der Bundesdruckerei in keiner Weise sachlich nachvollziehbar ist.“

Inzwischen ist das Gutachten wieder abrufbar. Und Zellhöfer kann mit mehr Humor auf die Sache schauen. Positiv gesehen könne der Datenatlas auch „als Projekt eines Retro-Computing-Enthusiasten“ durchgehen, sagt er.

Ein bisschen mehr Humor wünsche ich auch der Bundesdruckerei. Dann trägt sich die Atlas-Last gleich leichter.

Habt ein schönes Wochenende!

Daniel

 

 



Uns fehlen dieses
Jahr noch 303.302 Euro.


Bist Du auch Feuer und Flamme für Grundrechte?
Dann unterstütze jetzt unsere Arbeit mit einer Spende.


Bist Du auch Feuer und Flamme für Grundrechte?
Dann unterstütze jetzt unsere Arbeit mit einer Spende.



Source link

Weiterlesen

Datenschutz & Sicherheit

Weltweites CDN: Offenbar wieder Störung bei Cloudflare


Am Freitagvormittag gibt es offenbar erneut Probleme beim CDN-Anbieter Cloudflare. Verschiedene Webseiten sind nicht verfügbar – sie liefern lediglich einen HTTP-Fehler 500 aus. Die Ursache ist unklar, der Anbieter spricht von „API-Problemen“.

Weiterlesen nach der Anzeige


Cloudflare kaputt

Cloudflare kaputt

Fehler 500 beim Besuch von cloudflare.com

Stichproben einiger Webseiten wie cloudflare.com, aber auch die beliebten Störungsmelder downdetector.com und allestoerungen.de sind fehlerhaft oder komplett defekt: Mal fehlt die Startseite komplett, in anderen Fällen lediglich die per Cloudflare-CDN ausgelieferten Assets wie Bilder und Stylesheets

Cloudflares Statusseite hingegen ist, anders als beim vorherigen Ausfall im November, noch immer verfügbar. Sie spricht von Fehlern bei der Cloudflare API und dem Dashboard. „Customers using the Dashboard / Cloudflare APIs are impacted as requests might fail and/or errors may be displayed.“

Wie Cloudflare nun erläuterte, handelte es sich beim Ausfall um eine Auswirkung der kürzlich bekannt gewordenen kritischen „React2Shell“-Sicherheitslücke im React-Framework. Das Unternehmen habe für die Web Application Firewall, die neben Kundendomains offenbar auch die eigene Webseite schützt, eine Änderung eingespielt, um vor CVE-2025-55182 zu schützen. Was genau schiefgegangen sei, werde man später bekanntgeben, so das Unternehmen. Ein Cyberangriff liege nicht vor.

Weiterlesen nach der Anzeige

Der Cloudflare-eigene DNS-Resolver 1.1.1.1 war für viele Telekom-Kunden offenbar am Abend des 3. Dezember nicht erreichbar. Wie Betroffene auf Reddit beklagten, führte das zu Internetausfällen – weil auch die Alternative 1.0.0.1 nicht funktionierte. Mittlerweile scheint diese Störung jedoch behoben, die Ursache ist unklar.


RIPE Atlas: Cloudflare-DNS 1.1.1. nicht erreichbar

RIPE Atlas: Cloudflare-DNS 1.1.1. nicht erreichbar

Am Abend des 3. Dezember erreichte keiner der 150 Messpunkte des Monitoringnetzes „RIPE Atlas“ im Netz der Telekom den DNS-Server 1.1.1.1.

(Bild: Reddit-User lordgurke)


Update

05.12.2025,

10:16

Uhr

Cloudflare hat laut eigenen Angaben Problembehebungen vorgenommen und beobachtet die Störung weiter.


Update

05.12.2025,

11:08

Uhr

Erste Fehleranalyse seitens Cloudflare ergänzt.


(cku)



Source link

Weiterlesen

Beliebt