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„Anno 117“ im Test: Rom für Zuckerbäcker


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Wenn eine Aufbauserie so altbekannt ist, dass Fans schon vorher wissen, welche Quersumme sie aus den Zahlen im Titel bilden können, was soll eine Fortsetzung dann noch Neues bieten? Bei der Beantwortung dieser Frage hat sich die Anno-Serie schon einmal verirrt. „Anno“ steht wie kaum eine andere Serie für den Aufbau malerisch schöner, historischer Welten, wie vom Konditor aus Lebkuchen gezaubert und ins Schaufenster gestellt.

Doch nach erfolgreichen Spielen zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert erschienen Fortsetzungen, die in der Zukunft spielten oder während der Industrialisierung. Sie näherten sich aktuelleren gesellschaftlichen Problemen von der Umweltzerstörung bis zu sozialer Gerechtigkeit an. Ein Widerspruch aber wurde nie so richtig aufgelöst: Soll das immer noch eine interaktive Postkartenidylle sein?

Schon durch das antike Rom als Szenario wirkt das neue „Anno 117“ wie eine Rückkehr zu alten Stärken. Es ist das erwartet große Spiel, ein üppiges Buffet, das man auch nach knapp 20 Stunden Spielzeit nicht abschließend beurteilen kann. Die wendungsreiche Kampagne ist zwar wieder eine Art Tutorial, bietet aber gewichtige Entscheidungen und zwei verschiedene Hauptcharaktere. Multiplayermöglichkeiten auch mit Koop, ein Endlosmodus mit vielen Einstellungsmöglichkeiten und zwei Regionen ergeben eine große Auswahl der Spielmöglichkeiten. Gebaut wird nicht nur im römischen Latium, sondern auch im fernen Albion, wo die unheimlichen Kelten im Sumpfland siedeln und Aale verschlingen.

Die schroffen Inseln im Norden funktionieren vor allem als andere Tapete für den virtuellen Urlaub: hier mediterran mit warmer Sonne, dort üppig grün mit spannendem Wetter. Stürmisch und versumpft sind die Inseln im fernen Norden. Doch trotz aller Witze über den Achselschweiß der romanisierten Wilden ist das neue „Anno“ immer idyllisch. Die meiste Zeit blickt man von weit oben auf eine Siedlung wie aus dem Modellbau. Sie wird wunderschön detailliert gerendert, von kleinen Menschlein durchwuselt und von dynamischen Wettereffekten in ein immer neues Licht gerückt.


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Zumindest die Kampagne ist auch in „Anno 117“ wieder ein besseres Tutorial, bleibt aber durch viele Entscheidungen interessant. (Bild:

Jan Bojaryn

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Die Reibung beim Aufbau wirkt altbekannt. Man muss ein Netzwerk aus Produktionsketten knüpfen, platziert Holzfäller, Sägewerk und Lagerhaus wie an einer Perlenschnur, puzzelt Fischhütte, Bauernhof und Marktplatz mit Wohnhäusern ins Raster. Dabei müssen die Abstände zueinander stimmen, die Zahl der Arbeiter muss zu den Gebäuden passen, und in den ersten Stunden jeder Partie gibt es immer noch eine Produktionskette, die man nebenbei errichtet. Später geht es dann eher um Reparaturen am laufenden Motor, wenn Handel oder Krieg die Karten neu mischen.

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Dass stinkende Gewerbe jetzt auch Abwertungen bringen oder dass im Forschungsbaum zahlreiche Wahlmöglichkeiten stecken, ändert nicht viel am Spielgefühl. In der Grundeinstellung spielt sich „Anno 117“ sehr zugänglich und der Aufbau erlebt eher sanfte Bodenwellen statt großer Hindernisse. Auch wenn die ersten Siedler jetzt „Liberti“ heißen: Wer Anno kennt, für den ist dieses Spiel ein Wiedersehen mit einem alten Bekannten.

Auch wenn Anno seine besten Zeiten zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert hatte: Das neue Spiel sieht dermaßen klassisch aus, dass man beim Spielen noch einmal schauen muss, ob es das nicht doch schon gab. Gab es aber nicht; antiken Städtebau haben diverse andere Serien bedient, an die man sich hier auch erinnert fühlen kann.

Ob im fein einstellbaren Endlosmodus oder der Kampagne, alles beginnt mit einer weitgehend leeren Insel. In der Kampagne hat ein Vulkanausbruch für Neuland mit hübsch herumstehenden Ruinen gesorgt. Der Anfang ist bescheiden, mit einem kleinen Vorrat an Ressourcen, aus dem Wohnhäuser, Holzfäller, Sardinenhütte, Haferhöfe und Lagerhäuser errichtet werden. Wer die Bedürfnisse der ersten Siedler befriedigt, kann sie zu Plebejern hochstufen. Dadurch können sie neue Jobs erledigen, mehr Geld abwerfen, haben aber auch neue Bedürfnisse. Schnell wird die erste Praetorenvilla gebaut, Wachstationen zur Abwehr von Feuer und Verbrechen, ein personalhungriges Militär und allerlei Deko-Objekte.

Die Ressourcen sind mechanisch austauschbar, aber stimmungsvoll. Früh in der Kampagne schwärmt der Kaiser so ausgiebig vom Aroma des Garum, dass man den vergorenen Fisch fast riechen kann. Unangekündigt losquatschende Charaktere gibt es auch im Endlos-Modus, doch mehr Sinn ergeben sie in der Kampagne. Hier wird eine launische und bewegte Geschichte inszeniert, die nicht beim Klischeebild der Antike stehenbleibt, sondern von Rom als zerfahrenem Weltreich erzählt. Der eigene Praetor kommt aus Ägypten und darf sich nur kurz in Latium beweisen, bevor es abrupt nach Albion geht.

Die Charaktere sind hinterlistig oder arrogant, hasenfüßig oder frech. Ihre Auftritte erinnern allerdings weniger an Hollywood, eher an Bilderbücher oder Terra-X-Dokus. Neben einigen kurzen Videos müssen Bildtafeln, sprechende Porträts und Multiple-Choice-Menüs reichen. Interessant wird die Erzählung vor allem durch zahlreiche Entscheidungen. Sie sorgen dafür, dass man auch in der linear erzählten Kampagne das Gefühl behält, am Steuer zu sitzen.

Die Grundeinstellung der Kampagne ist eher einfach. Allerdings lässt sich die Schwierigkeit auch in Details nachregeln. Vor allem im Endlosmodus darf man auch mit knappen Ressourcen gegen kriegerische Nachbarn antreten.



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