Datenschutz & Sicherheit

Auslegungssache 143: Drei Urteile, viele Fragezeichen


In Episode 143 des c’t-Datenschutz-Podcasts widmen sich Redakteur Holger Bleich und heise-Justiziar Joerg Heidrich gemeinsam mit Professor Dr. Alexander Golland drei wichtigen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs, alle drei aus dem laufenden Monat September. Golland, Professor für Wirtschaftsrecht an der FH Aachen, ordnet die teils verwirrenden Urteile ein und erklärt deren praktische Auswirkungen.



Prof. Alexander Golland zugeschaltet im c’t-Podcast Auslegungssache

Im Mittelpunkt steht zunächst die Klage des französischen Abgeordneten Philippe Latombe gegen den Angemessenheitsbeschluss der EU-Kommission zum EU-US-Datentransfer, dem wiederum das EU-US Data Privacy Framework zugrunde liegt. Latombe wollte den Beschluss für nichtig erklären lassen. Das Europäische Gericht (EuG) wies die Klage ab, damit bleibt er als Rechtsgrundlage bestehen. Golland erläutert, warum das Gericht nur prüfte, ob die Kommission 2023 bei Erlass des Beschlusses korrekt handelte, nicht aber die heutige Situation unter veränderten politischen Vorzeichen bewertete.

Besonders praxisrelevant ist das SRB-Urteil des EuGH zur Pseudonymisierung. Die zentrale Frage: Sind pseudonymisierte Daten für Empfänger, die selbst (ohne Dritte) keinen Personenbezug herstellen können, anonym, oder bleiben sie personenbezogen? Der EuGH bestätigt in dem Revisionsverfahren zwar den sogenannten „subjektiven Ansatz“ – es kommt auf die Möglichkeiten des Empfängers an –, lässt aber entscheidende Detailfragen offen. Golland kritisiert die fehlende Rechtssicherheit: Unternehmen wissen weiterhin nicht genau, ob sie für solche Datenübermittlungen Auftragsverarbeitungsverträge benötigen. Die Richter machten wenig Vorgaben und verwiesen auf die Einzelfallprüfung. „Steine statt Brot“, resümiert Professor Golland.

Fall drei dreht sich um den immateriellen Schadenersatz. Ein Bewerber hatte gegen die Quirin-Privatbank geklagt, weil sensible Angaben versehentlich an einen Dritten gingen. Der EuGH bestätigte: Auch Ärger oder Schamgefühle können ein Schaden im Sinne der DSGVO sein. Ein Nachweis bleibt aber schwierig. Beim Thema Unterlassung urteilten die Richter restriktiv: Einen originären Unterlassungsanspruch sieht die DSGVO nicht vor. Allerdings könne das nationale Recht solche Ansprüche zulassen, hierzulande beispielsweise über das Wettbewerbsrecht. Für die Praxis bedeutet das: Betroffene müssen künftig eher auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht zurückgreifen.

Die Diskutanten zeigen sich ein wenig frustriert über die mangelnde Klarheit der Urteile. Statt eindeutiger Vorgaben liefern die Gerichte oft nur die klassische Juristen-Antwort: „Es kommt darauf an.“ Für Unternehmen und Betroffene bedeutet das weiterhin erhebliche Rechtsunsicherheit bei alltäglichen Datenverarbeitungen.

Episode 143:

Hier geht es zu allen bisherigen Folgen:


(hob)



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