Digital Business & Startups
Bayerns VC-Beschluss ist mehr als Symbolpolitik – jetzt ist der Bund dran
Bayern erlaubt gemeinnützigen Stiftungen erstmals, bis zu fünf Prozent ihres Vermögens in VC-Fonds zu investieren. Ein großer Schritt, meint Carsten Puschmann.
Manchmal reicht ein kleiner Schritt, um ein großes Signal zu senden. Was der Bayerische Landtag am 23. Juli 2025 auf Antrag von CSU und Freien Wählern beschlossen hat, könnte genau das sein: Ein Wendepunkt für die deutsche Innovationspolitik – und ein Weckruf an den Rest der Republik.
Konkret geht es um einen Beschluss, der es öffentlichen und privaten Stiftungen in Bayern erlaubt, bis zu fünf Prozent ihres Vermögens in Venture-Capital-Fonds zu investieren. Kein symbolischer PR-Gag, keine Appelle an die „Start-up-Nation Deutschland“, sondern eine rechtlich belastbare Öffnung eines bisher blockierten Finanzpfads. Das war aus meiner Sicht überfällig.
Was genau ist neu?
Bislang herrschte in Deutschland große Unsicherheit darüber, ob gemeinnützige Stiftungen überhaupt in Venture-Capital investieren dürfen, ohne ihre Gemeinnützigkeit zu gefährden. Das Problem: Investments in Start-ups galten häufig nicht als „satzungsgemäß“ im Sinne der Abgabenordnung – selbst wenn sie gesellschaftlich sinnvoll waren. Aus Angst vor steuerlichen Nachteilen oder Reputationsrisiken hielten sich viele Stiftungen komplett raus.
Bayern schafft nun einen klaren rechtlichen Rahmen: Bis zu fünf Prozent des Stiftungsvermögens dürfen über Fondsstrukturen (nicht direkt in Start-ups) in Venture Capital fließen – ohne dass das die Gemeinnützigkeit gefährdet. Das macht Investitionen planbar, revisionssicher – und vor allem endlich möglich.
Der Geist des Koalitionsvertrags – endlich umgesetzt
Schon im Koalitionsvertrag von CDU und SPD auf Bundesebene hieß es vollmundig, man wolle die Kapitalbasis für Startups stärken, institutionelle Investoren für Wagniskapital mobilisieren, die Rahmenbedingungen modernisieren. Passiert ist bisher: wenig. Viel Gespräch, viele Absichtserklärungen – aber keine mutige Tat.
Bayern hat nun gezeigt, wie es geht. Und zwar nicht nur mit Förderprogrammen oder Start-up-Zentren, sondern mit einer echten systemischen Änderung: Die Stiftung als Kapitalquelle für Innovation. Wer mit US-Venture-Capital-Fonds oder skandinavischen Pensionsfonds gesprochen hat, weiß, wie wichtig es ist, langfristiges, geduldiges Kapital für Tech und DeepTech bereitzustellen. Genau das war in Deutschland bisher blockiert – durch veraltete Anlagevorschriften, steuerliche Unsicherheit und Risikoaversion.
Kein Experiment – eine Notwendigkeit
Wichtig ist: Die Entscheidung ist kein waghalsiges Experiment, sondern entspricht gängiger Praxis in anderen Innovationsstandorten. Dass deutsche Stiftungen bisher gezwungen waren, ihr Vermögen größtenteils in festverzinsliche Papiere oder Immobilien zu stecken, ist volkswirtschaftlich fast schon fahrlässig – besonders in Zeiten von Inflation, Technologiewandel und geopolitischer Konkurrenz.
Wer heute mit jungen Gründern spricht, hört immer wieder das gleiche Problem: Kapital ist da – aber es findet den Weg nicht zu ihnen. Gerade in der Wachstumsphase fehlen den meisten Startups institutionelle Investoren, die mit Augenmaß und Weitblick agieren. Wenn Stiftungen nun über VC-Fonds investieren dürfen, eröffnet das nicht nur einen neuen Kapitalstrom – es schafft auch Vertrauen und Signalwirkung.
Bayern darf nicht das bessere Deutschland bleiben
Was jetzt nicht passieren darf: Dass Bayern zum Innovationseinzelfall wird und der Rest der Republik weiter zaudert. Die anderen Bundesländer müssen dringend nachziehen. Denn wenn nur ein Bundesland ernst macht mit zukunftsgerichteter Kapitalpolitik, dann wird Bayern zum besseren Deutschland – und das wäre gefährlich für den Zusammenhalt der Innovationslandschaft.
Wir brauchen in allen Regionen die Möglichkeit, dass Kapital dorthin fließt, wo neue Technologien entstehen, Arbeitsplätze geschaffen werden und gesellschaftlicher Fortschritt möglich ist. Und wir brauchen ein gemeinsames Verständnis dafür, dass Risikokapital kein Feind der Stabilität ist – sondern ihre Voraussetzung im digitalen Zeitalter.
Der Schritt war klein, das Signal ist groß
Die Investitionsfreigabe für bayerische Stiftungen ist kein Gamechanger im engeren Sinn – sie wird nicht über Nacht Milliarden freisetzen. Aber sie ist ein dringend nötiger Paradigmenwechsel. Sie zeigt: Der Staat kann handeln, wenn er will. Und er muss es auch, wenn wir den Anschluss an die USA oder China nicht vollends verlieren wollen.