Datenschutz & Sicherheit

Brüssel räumt ein: Substanzielle EU-Gelder sind an Spyware-Hersteller geflossen


Die EU-Kommission hat angekündigt, sie werde „unverzüglich“ die Finanzierung von Einzelpersonen oder Organisationen stoppen, die in „schwerwiegendes berufliches Fehlverhalten“ verwickelt sind. Hintergrund ist eine Recherche von Follow the Money (FtM), wonach in den vergangenen Jahren EU-Gelder in Millionenhöhe direkt an kommerzielle Spyware-Firmen geflossen sind.

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Das Portal FtM deckte im September in Zusammenarbeit mit anderen Medienpartnern auf, dass die Spyware-Industrie hohe Subventionen von der EU kassiert und gleichzeitig deren Bürger überwacht. Demnach hat etwa die Intellexa-Gruppe, die den Staatstrojaner Predator entwickelt, über mit ihr verbundene Firmen öffentliche Finanzspritzen insbesondere über Innovationsprogramme eingesackt. Cognyte, CyGate und Verint sollen als weitere Produzenten von Überwachungstechnologien wie Spyware ebenfalls finanzielle Unterstützung aus EU-Quellen erhalten haben. Deren Lösungen werden häufig im Kontext von Menschenrechtsverletzungen genannt.

39 EU-Abgeordnete aus vier Fraktionen forderten daraufhin in einem gemeinsamen Brief von der Kommission konkrete Antworten. Die Volksvertreter monierten, die EU finanziere – offenbar ungewollt – Instrumente, die in Mitgliedstaaten wie Polen, Griechenland, Ungarn sowie autoritären Drittländern für Repressionszwecke eingesetzt wurden beziehungsweise werden. Dies untergrabe die Grundrechte und die Demokratie.

Die Kommission hat es laut dem Schreiben offensichtlich versäumt, die Vertrauenswürdigkeit, Eigentümerstruktur und Menschenrechtskonformität der Unternehmen zu prüfen. Die geforderten Endnutzer-Klauseln oder Dual-Use-Kontrollen, ob ein Produkt sowohl zivil als auch militärisch und polizeilich missbraucht werden könne, würden anscheinend nicht wirksam durchgesetzt. Die Enthüllungen zeigten, dass die Brüsseler Regierungsinstitution Empfehlungen aus dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu den Spyware-Skandalen in dem hochsensiblen Bereich nicht ausreichend befolge.

In ihrer Stellungnahme erläutert die Kommission laut einem Newsletter von FtM, dass Strafverfolgungsbehörden und Geheimdienste Spyware „rechtmäßig für legitime Zwecke einsetzen“ dürften. Sie versäume es jedoch, alle EU-Programme aufzulisten, von denen Überwachungsunternehmen profitiert haben. Es fehlten insbesondere Angaben zu Zuschüssen aus dem Europäischen Sozialfonds und einem weiteren Finanztopf, die an die italienische Überwachungsfirma Area vergeben worden seien.

Auch Geldflüsse an den berüchtigten Spyware-Hersteller Hacking Team erwähne die Exekutivinstanz nicht, heißt es weiter. Selbst die jüngsten Überweisungen aus dem Europäischen Investitionsfonds (EIF) an die israelische Spyware-Firma Paragon Solutions, die derzeit im Zentrum eines Skandals in Italien steht, blieben unerwähnt. Anstatt neue Schutzmaßnahmen vorzuschlagen, verweise die Kommission nur auf den bestehenden Rechtsrahmen zum Schutz vor dem illegalen Einsatz von Spyware.

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Die EU-Exekutive „versteckt sich hinter vagen Verweisen auf ‚EU-Werte“, kritisiert Aljosa Ajanovic Andelic von der Initiative European Digital Rights (EDRi) die Antwort gegenüber FtM. Dabei gebe sie offen zu, „dass europäische Gelder Unternehmen finanziert haben, deren Technologien zur Spionage gegen Journalisten und Menschenrechtsverteidiger eingesetzt werden“. Das belege das völlige Fehlen effektiver Kontrollmechanismen. Die Grünen-Abgeordnete Hannah Neumann rügt, dass die Kommission dem Ausschussbericht in den vergangenen zwei Jahren kaum Taten habe folgen lassen.


(akn)



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