Künstliche Intelligenz
Bundesabwärmetagung: Abwärme aus Rechenzentren soll zum Mainstream werden
Der Startknopf für das AWANetz wurde auf der Bundesabwärmetagung (BAT) während der Heat Expo in Dortmund gedrückt. Dieses vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWE) geförderte Netzwerk will die Abwärme-Nutzung in Deutschland zum Mainstream machen. Aktuell ist Deutschland noch weit davon entfernt. „Nur 2 Prozent des Potenzials sind erschlossen, weil Gas billig war. Aber um unsere Dekarbonisierungsziele zu erreichen, bleibt uns kaum eine andere Wahl“, sagt Rüdiger Lohse auf der Tagung. Er ist Geschäftsführer von EDL_HUB, dem Zusammenschluss der Energiedienstleister in der Deutschen Unternehmensinitiative für Energieeffizienz DENEFF.
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EDL_HUB ist einer der Träger von AWANetz. Das Potenzial ist nun erfasst: Das sind die auf der bundesweiten Plattform für Abwärme (PfA) gemeldeten 244 Terawattstunden unvermeidlicher, nutzbarer Abwärme jährlich. Die Daten stammen von Unternehmen mit einem Gesamtenergieverbrauch von mehr als 2,5 Gigawattstunden pro Jahr.
Das AWANetz trägt Know-how und Best-Practice-Beispiele zu Wärmequellen aus Industrie, Rechenzentren und Abwasser zusammen, dient als Kontaktbörse und bietet Musterverträge sowie einen Wirtschaftlichkeitsrechner für die erste grobe Einschätzung eines konkreten Projekts. Das Abwärme-Netzwerk bereitet die PfA-Daten zu Energiemengen, Leistungsprofilen und Übergabemöglichkeiten auf und macht sie auf einer interaktiven Karte sichtbar. Passende Partner bringt es anhand einer Checkliste in Kontakt.
Gesprächsdruck bei Rechenzentren
Bei den Rechenzentren-Betreibern gibt es aktuell Gesprächsdruck, weiß Lohse: Sie sind ab einer bestimmten Größe durch das Energieeffizienzgesetz (EnEfG) verpflichtet, ihre Abwärme zur Verfügung zu stellen – die Wärmenetzbetreiber jedoch nicht, diese abzunehmen. Eine zusätzliche Wärmequelle einzubinden, kann die Kalkulation durcheinanderbringen, betont Ingbert Liebing vom Verband kommunaler Unternehmen auf der Bundesabwärmetagung.
„Hier treffen Partner mit völlig unterschiedlichem Mindset aufeinander“, schildert Lohse: „Einerseits die etwas verträumten Stadtwerke mit fünf Jahren Planungshorizont. Andererseits die megadynamischen Rechenzentrumsbetreiber, die unter Druck stehen“. Ein Leitfaden „Datacenter Heat“ erscheint Anfang 2026 beim AWANetz. DENEFF versuchte bereits im Jahr 2022, mit der Plattform Bytes2Heat Abwärmenutzung anzustoßen – ohne Erfolg. „Ein gewisser sanfter Druck durch die Regulatorik ist nötig“, ist Lohse überzeugt: „Deswegen wollen wir, dass das EnEfG stark bleibt“.
Rechenzentren seien verlässliche Wärmelieferanten für mindestens 15 Jahre. Bei manchen Industrieunternehmen hätte man dagegen die Sorge, ob der Standort in fünf Jahren noch existiert oder genug Abwärme abwirft. Schwierig sei es allerdings, geeignete Abnehmer für die Niedertemperatur-Wärme zu finden. Ältere städtische Wärmenetze brauchen hohe Temperaturen. Die Abluft oder das Kühlwasser aus den Serverfarmen ist nur 15 bis 60 Grad warm. In Kombination mit Wärmepumpen reicht das aber, um Bürogebäude, Hotels, Wohnblocks, Turnhallen, Gewächshäuser oder Siedlungen mit einem Nahwärme-Netz zu beheizen. Auf der BAT wird klar: Die Rechenzentren sind aufgeschlossen, wollen jedoch kein Netz selbst betreiben und die Wärme verschenken dürfen sie schon aus steuerlichen Gründen nicht.
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Empfehlungen für Rechenzentren-Neubau
Aus Pilotprojekten wie „Franky“ in Frankfurt, „Audi In Campus“ in Ingolstadt und „Heinrich des Löwen“ in Braunschweig leitet AWANetz Empfehlungen für RZ-Neubauten ab: etwa den elektrischen Anschluss für die Wärmepumpe einzuplanen und die räumliche Nähe zu Wärmeabnehmern für eine möglichst kurze Leitung zu suchen.
Paul Fay von der Landesenergieagentur Hessen war früher bei der Stadt Frankfurt beschäftigt, dem deutschen Rechenzentrum-Hotspot. Hotspot ist Frankfurt auch buchstäblich: Die Bankmetropole spürt die Auswirkungen der heißen Luft aus den großen Datenknotenpunkten in ihrem Mikroklima. Die Stadt hat aktuell mehr als 80 Rechenzentren, knapp 30 weitere sind in Planung oder im Bau. Das Ziel sei, so Fay, bis 2030 knapp ein Drittel des Wärmebedarfs der Stadt daraus zu decken. Nur: Kooperationen wie zwischen Telehouse und Mainova bei „Franky“ entstehen bislang eher zufällig und kommen nur langsam voran, schildert er bei der BAT. Bei der Nutzung von Abwärme aus Kanalisation und Klärwerk ist das anders: Die Kanäle sind meist in kommunaler Hand, die Akteure kennen sich.
„Man muss früh miteinander reden, noch im Vorfeld der Projektentwicklung. Ist das Rechenzentrum erbaut, ist es oft schon zu spät“, so Fay. Allein das Grundstück für die Wärmepumpe zu sichern, sei im dicht bebauten urbanen Raum nicht einfach. Fay regt an, die Betreiber in die kommunale Wärmeplanung einzubeziehen und ihnen entsprechende Flächen anzubieten. Die Abwärme des Bestands zu nutzen, sei relativ komplex, während bei Neubauten die Auskopplung schon vorgesehen sei.
Die riesigen Data Center entstehen nun auch häufiger außerhalb der Metropolen, etwa im Rheinischen Revier. „Das wäre ein Ansiedlungsfaktor für Gewerbe“, meint der Wirtschaftsingenieur Lohse: „Kommunen könnten gezielt Unternehmen einladen, die Temperaturen auf diesem Niveau brauchen“. Damit können etwa Fisch, Algen oder Gemüse im Urban Farming gezüchtet und Trocknungsanlagen bei Lebensmittel-, Papier- oder Möbelherstellern betrieben werden. Das Umweltbundesamt will bald mit Herkunftsnachweisen wie beim Ökostrom sicherstellen, dass die Abwärme wirklich als „grün“ gehandelt werden kann.
(ssi)