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Datenschutz & Sicherheit

Bundestag beschließt doppelte Rolle rückwärts


Der Bundestag hat heute das „Gesetz zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege“ verabschiedet. Dabei hat das Plenum mehrheitlich auch einen Änderungsantrag der Fraktionen CDU/CSU und SPD angenommen, den der Gesundheitsausschuss gestern beschlossen hatte. Er enthält unter anderem zwei relevante Neuerungen bei der elektronischen Patientenakte.

Zum einen können künftig nur noch für die Versicherten selbst ihre Abrechnungsdaten in der elektronischen Patientenakte (ePA) einsehen. Bisher war das standardmäßig auch für Behandelnde möglich. Zum anderen dürfen Krankenkassen wieder mit dem Video-Ident-Verfahren die Identität von Versicherten bestätigen. Damit will Schwarz-Rot die Hürden bei den Versicherten senken, ihre ePA zu aktivieren.

Beide Änderungen stellen teilweise einen früheren Status wieder her. Das Echo darüber fällt geteilt aus. Während Verbraucherschützer:innen die eine Rolle rückwärts in Teilen begrüßen, kritisieren Sicherheitsfachleute die andere als risikoreich.

Zurück zu etwas mehr Selbstbestimmung

Dass Behandelnde in der ePA bislang standardmäßig auf die Abrechnungsdaten der Versicherten zugreifen konnten, hatten Verbraucherschützer:innen mit Nachdruck kritisiert.

Die Daten stammen von den Krankenkassen und fließen automatisch in die ePA ein. Aus ihnen gehen – ebenso wie aus der Medikationsliste mit den verordneten Medikamenten – sensible Diagnosen hervor. Das erschwert es Versicherten, Befunde vor den Blicken einzelner Behandelnder zu verbergen.

„Wir wollen, dass die Abrechnungsdaten künftig auch ausschließlich für die Versicherten selbst in der ePA sichtbar sind, nicht für die Leistungserbringenden“, sagt Simone Borchardt, gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, auf Anfrage von netzpolitik.org. „Damit stellen wir sicher, dass keine Informationen über Abrechnungsdetails, etwa zu Diagnosen oder Leistungsumfängen, ohne ausdrückliche Zustimmung des Patienten für Dritte zugänglich sind.“ So wolle man das Vertrauen der Versicherten in die digitale Infrastruktur des Gesundheitswesens stärken, sagt Borchardt.

Zuspruch und Forderungen nach mehr

Das Digital-Gesetz, das im März vergangenen Jahres in Kraft trat, hatte die Optionen hier deutlich eingeschränkt. Die Folgen sind nicht zuletzt für marginalisierte Patient:innengruppen spürbar, die auch im Gesundheitswesen Diskriminierungen erfahren. Die nun beschlossene Gesetzesänderung verfeinert das sogenannte Beschwerdemanagement für Versicherte wieder ein wenig.

Lucas Auer, Gesundheitsexperte im Verbraucherzentrale Bundesverband, begrüßt das. „Die Abrechnungsdaten drohen ungewollt Aufschluss über sensible Diagnosen zu geben. Zugleich ist ihre Aussagekraft für zukünftige Behandlungsbedarfe stark limitiert“, so Auer gegenüber netzpolitik.org. „Die enthaltenen Informationen sind häufig fehlerbehaftet, veraltet oder beruhen auf versehentlicher oder beabsichtigter falscher Kodierung.“

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Auch Manuel Hofmann, Referent für Digitalisierung bei der Deutschen Aidshilfe, wertet die Gesetzesänderung als Fortschritt. Nachholbedarf sieht er aber weiterhin etwa bei der Medikationsliste: „Aus verordneten Medikamenten lässt sich ebenfalls auf sensible Diagnosen schließen, etwa eine HIV-Infektion oder psychische Erkrankungen“, sagt Hofmann. „Die Medikationsliste generiert sich automatisch aus E-Rezepten und ist im Standard für alle sichtbar in der ePA eingestellt.“ Auch dafür könne man gemeinsam bessere Lösungen finden, ohne dass die Liste an Nutzen einbüße.

Als rein kosmetisch wertet Anne-Mieke Bremer, Sprecherin für Digitale Infrastruktur der Fraktion Die Linke im Bundestag, die Änderungen. Aus ihrer Sicht wird das ausgegebene Ziel der Datenhoheit für Versicherte weiterhin verfehlt. „Patient:innensouveränität erfordert, dass Versicherte über sämtliche Daten frei entscheiden, deren Freigabe aktiv steuern und deren Speicherung gegebenenfalls ablehnen oder löschen können“, sagt Bremer. Der Fokus auf die Sichtbarkeit verschleiere, dass eine feingranulare Steuerungsmöglichkeit der Versicherten über alle in der ePA gespeicherten Daten weiterhin fehle.

Video-Ident kehrt zurück

Die Wiederzulassung des Video-Ident-Verfahrens ist ebenfalls eine Rolle rückwärts, wird von Sicherheitsfachleuten allerdings skeptisch gesehen. Video-Ident ist ein Online-Verfahren zur Identitätsprüfung, bei dem eine Person ihre Identität per Video-Chat mithilfe eines Ausweises von einer geschulten Person prüfen lässt.

Bereits im August hatte die Gematik das Video-Ident-Verfahren „Nect Ident mit ePass“ des Hamburger Unternehmens Nect zugelassen. Aus sicherheitstechnischer Sicht darf es somit für die Freigabe einer Gesundheitskarte oder für die Ausgabe einer PIN für die elektronische Gesundheitskarte (eGK) genutzt werden. Mit der Karte lassen sich dann eine GesundheitsID und der Login in die elektronische Patientenakte erstellen.

Bislang mussten sich Versicherte, wenn sie die eigene ePA aktivieren wollten, digital mit der eGK oder die Online-Ausweisfunktion des Personalausweises ausweisen – inklusive PIN-Abfrage. Nun können sie das wieder ohne PIN tun.

Vor drei Jahren hatte die Gematik Video-Ident-Verfahren für unzulässig erklärt, nachdem Sicherheitsforschende des Chaos Computer Clubs mehrere gängige Video-Ident-Verfahren überlistet hatten – „mit Open-Source-Software sowie ein bisschen roter Aquarellfarbe“. Offenkundig geht die Gematik davon aus, dass bestimmte Video-Ident-Verfahren für die damals aufgezeigten Schwachstellen nicht mehr anfällig sind.

ePA soll endlich bei den Versicherten ankommen

Das wieder zugelassene Verfahren soll helfen, die Zahl der Versicherten zu erhöhen, die die elektronische Patientenakte aktiv nutzen. Zwar haben rund 70 Millionen der gut 74 Millionen gesetzlich Versicherten inzwischen eine ePA von ihrer Krankenkasse angelegt bekommen. Doch gerade einmal drei Prozent der Versicherten nutzen sie aktiv.

Unter anderem der Vorstandschef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas, hatte dafür den aus seiner Sicht zu komplizierten Registrierungsprozess verantwortlich gemacht. Anfang August forderte er, die rechtlichen Rahmenbedingungen so anzupassen, dass dafür Video-Ident-Verfahren wieder möglich sind.

„Eine Art 1,5-Faktor-Authentifizierung“

Die Sicherheitsforscherin Bianca Kastl, die auch eine Kolumne für netzpolitik.org verfasst, sieht die Rückkehr zum Video-Ident-Verfahren kritisch. Aus ihrer Sicht handele es sich dabei um eine Art 1,5-Faktor-Authentifizierung. „Es wird zumindest das Vorhandensein eines plausiblen Ausweises geprüft, der zweite Faktor ist aber eine Videoanalyse, die heute als nur halb sicher gelten muss.“ Kastl bezieht sich hier auf die Zwei-Faktor-Authentifizierung, bei der zwei unterschiedliche und voneinander unabhängige Komponenten geprüft werden.

Bei Video-Ident-Verfahren seien weiterhin Angriffsszenarien denkbar. „Der physikalische Zugriff zu Identifikationsmitteln wie dem Personalausweis stellt hier keine allzu große Hürde dar“, sagt Kastl. „Und die Haltbarkeit von KI-Identifikationsverfahren gegenüber KI-Bildsynthese dürfte perspektivisch eher begrenzt sein.“

Die Linken-Abgeordnete Anne-Mieke Bremer sieht die Entscheidung ebenfalls kritisch und befürchtet, dass sie Schule macht: „Es ist zu erwarten, dass diese risikoreichere Option zum Standard erhoben und als ‚Willen der Versicherten‘ deklariert wird“, sagt Bremer. „Statt erneut risikoreiche Verfahren zuzulassen und die Verantwortung auf unzureichend informierte Versicherte abzuwälzen, braucht es eine Strategie, die Datensicherheit, Transparenz und Mitbestimmung konsequent in den Mittelpunkt stellt.“

Es gibt eine sichere Alternative: der PIN-Rücksetzbrief

Eine sichere Alternative zum Video-Ident-Verfahren gibt es bereits. Um diese zu nutzen, bräuchte es nur eine weiteren Rolle rückwärts – indem die Bundesregierung den „PIN-Rücksetz- und Aktivierungsdienst per Pin-Brief“ reaktiviert.

Bis Anfang 2024 konnten Bürger:innen mit diesem Dienst einen Code auf dem Postweg bestellen. Mit dessen Hilfe konnten sie dann die Onlinefunktion ihres Personalausweises nachträglich aktivieren oder eine vergessene PIN erneuern.

Im Dezember 2023 verkündete die Ampel-Regierung jedoch überraschend das Aus für den Dienst. Als Grund gab sie „unkalkulierbare Kosten“ in zweistelliger Millionenhöhe an. Außerdem sei ein wesentlicher Teil der versandten PINs nicht eingesetzt worden.

Diese Gründe sollten zurückstehen, wenn es um die Sicherheit der sensiblen Gesundheitsdaten von Millionen Versicherten geht. Und obendrein ist der PIN-Rücksetzbrief inzwischen noch attraktiver als vor zwei Jahren. Denn er könnte nun nicht nur beim ePerso und der ePA zum Einsatz kommen, sondern bald auch für die EUDI-Wallet.



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„Karvi-geddon“: Mangelhafte Sicherheitsarchitektur bei Lieferdienst-Plattform


Hunderte Restaurant-Websites der Firma Karvi Solutions weisen weiterhin zahlreiche Sicherheitslücken auf. Dadurch werden Daten von zehntausenden Kunden öffentlich zugänglich – von Anfang 2024 bis heute. Betroffen sind vollständige Namen, Adressen, E-Mail-Adressen, Handynummern und Bestelldetails, wie „!!!!!! Ohne Jalapenos !!!!!!!!!“. Trotz mehrfacher Hinweise scheint das Unternehmen die Lücken nicht angemessen zu beheben.

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SMS von der API

SMS von der API

Über eine ungesicherte API lassen sich nach wie vor SMS verschicken.

(Bild: heise medien)

Die Analyse des Quellcodes „Karvi-geddon: How a Restaurant Ordering Platform Became a Security Catastrophe“ zeigt grobe Mängel in der Sicherheitsarchitektur. Am 15. Dezember 2025 ist wohl eine SMS an Betroffene verschickt worden zu sein, mit dem Hinweis auf ein Git-Repository, das eine Analyse der Schwachstellen enthält: „Es gibt ein Datenleck bei Karvi Solutions. Erneut. Mehr Details auf GitHub“. Noch immer lassen sich SMS über eine ungesicherte API an Kunden verschicken. Auch aktive API-Schlüssel für die von Karvi eingesetzten Cloud-Plattformen Twilio und AWS sind weiterhin zugänglich.

Experten bezeichnen die Sicherheitsarchitektur als fahrlässig abgesichert. Das System speicherte laut Codeanalyse zudem möglicherweise vollständige Kreditkartennummern, Ablaufdaten und die dreistelligen Prüfnummern (CVV), wobei letzteres gegen die Sicherheitsstandards der Kreditkartenindustrie (PCI DSS) verstößt.


Fazit des Sicherheitsexperten

Fazit des Sicherheitsexperten

„Was wir hier festgestellt haben, geht über Inkompetenz hinaus. Die völlige Weigerung, auf Sicherheitsmeldungen zu reagieren, in Verbindung mit der dokumentierten Historie von Sicherheitsmängeln lässt auf ein Unternehmen schließen, das sich einfach nicht um die Sicherheit oder den Schutz der Daten seiner Kunden kümmert.“

(Bild: Github)

Die Software enthält Schwachstellen, die SQL-Injection erlauben. Nutzereingaben werden so ungefiltert in Datenbankabfragen eingefügt. So können Angreifer die Datenbank vollständig auslesen oder manipulieren. Ferner ermöglicht eine fehlerhafte Funktion zur Sprachdateiverwaltung eine vollständige Übernahme des Servers: Angreifer laden ohne Anmeldung beliebigen PHP-Code hoch und führen ihn aus.

Untersuchungen zeigen, dass eine Website Bestellbestätigungen als ungeschützte Textdateien auf dem Server speichert. Die Dateinamen sind leicht zu erraten. Dadurch lassen sich Bestelldetails wie Name, Adresse, Telefonnummer und Zahlungsinformationen einfach abrufen. Zwischenzeitlich war auch der komplette Quellcode als zip-Archiv öffentlich erreichbar.

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Wegen der anhaltenden Sicherheitsmängel bereitet der Hamburgische Datenschutzbeauftragte, Thomas Fuchs, rechtliche Schritte vor. Eine Sprecherin erklärte: „Wir befinden uns mit Karvi Solutions in einem bereits länger laufenden Prozess, in dem es darum geht, Sicherheitslücken zu schließen, und der auch zu gewissen Verbesserungen geführt hat. Trotzdem stellen wir weiterhin Schwachstellen fest, die einen Zugriff auf personenbezogene Daten von Kund:innen ermöglichen. Wir bereiten daher jetzt rechtliche Schritte gegen das Unternehmen vor, um die erforderlichen Maßnahmen durchzusetzen.“

Bereits Anfang 2025 machte der Chaos Computer Club auf gravierende Sicherheitslücken aufmerksam. Sie betrafen über 500 Restaurants, die Software von Karvi Solutions einsetzten. Schon zu diesem Zeitpunkt reichten die Probleme von ungeschützten Backends über SQL-Injection bis zu frei zugänglichen Backups mit Quellcode und Kundendaten. Geschäftsführer Vitali Pelz erklärte damals, alle Lücken seien geschlossen.

Karvi Solutions weist die Vorwürfe zurück. Das Unternehmen spricht, wie schon im Sommer, von einer gezielten Kampagne zur Rufschädigung. Nach eigener Darstellung wurden die Daten über Schwachstellen bei Drittanbietern oder über Restaurant-APIs abgegriffen. Die Kernsysteme seien laut Karvi Solutions nie kompromittiert worden.

Auch die Speicherung von Kreditkartendaten bestreitet die Firma. Zahlungen würden ausschließlich über Pop-ups von Zahlungsdienstleistern erfolgen. Die gefundene SQL-Injection-Lücke sei ein Einzelfall auf einer alten Kundenwebsite. Die GitHub-Analyse bezeichnet das Unternehmen als „übertrieben“ und „manipuliert“. Man habe sämtliche Websites überprüft. Nach eigenen Angaben bestehen seit Mitte des Jahres keine Sicherheitslücken mehr. Diese Darstellung widerspricht jedoch sowohl unseren technischen Analysen als auch den Aussagen der Datenschutzbehörde.


(mack)



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Festplattenfunde im Heizungskeller: Gemeinde erklärt sich


Mitte Dezember hatte heise online über einen Datenschutzvorfall in der bayerischen Gemeinde Markt Kipfenberg berichtet. Zweimal binnen zwei Jahren waren dort kommunale Datenträger mit mutmaßlich sensiblen Einwohnerdaten in offen zugänglichen Kellerräumen eines Wohnhauses aufgetaucht. Ein Anwohner hatte die Ereignisse dokumentiert und uns davon berichtet.

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Nachdem wir deshalb Ende November bei der Gemeinde angefragt hatten, kamen offenbar einige Dinge ins Rollen. Am 11. Dezember besuchten Mitarbeiter des bayerischen Landesdatenschutzbeauftragen zusammen mit dem Bürgermeister den Ort. Die Aufsichtsbehörde hatte uns bereits zuvor bestätigt, eine Vor-Ort-Prüfung durchführen zu wollen.

Am 17. Dezember, also einen Tag, nachdem der Artikel auf heise online erschienen war, äußerte sich Christian Wagner, Bürgermeister von Markt Kipfenberg, auf der Homepage der Gemeinde zu den Vorfällen: „Aufgrund des Rathausumbaus“ seien „im Jahr 2023 Kartons mit Datenträgern fälschlicherweise im Heizraum eines Mietshauses der Gemeinde gelagert“ worden, erläutert er. Auch danach sei versäumt worden, „die Datenträger zu entsorgen und so kam es im Herbst dieses Jahres erneut dazu, dass die Datenträger von einem Mitarbeiter in den Heizraum gestellt wurden, da in dem Raum, in dem die Datenträger versperrt gelagert wurden, von einem Techniker Arbeiten ausgeführt werden mussten“.

Der folgende Satz ist etwas missverständlich geraten, soll aber mutmaßlich bedeuten, dass die Gemeinde einen Abfluss der Daten in Richtung Unbefugte nicht ausschließen kann: „Dadurch, dass der Heizraum teilweise nicht abgesperrt wurde, kann nicht zu 100 Prozent gewährleistet werden, dass Daten in die Hände Dritter gelangt sind. Leider befanden sich auf den Datenträgern auch personenbezogene Daten der Bürgerinnen und Bürger von Kipfenberg.“

Diese Ausführungen lassen vermuten, dass ein „voraussichtlich […] hohes Risiko für die persönlichen Rechte und Freiheiten natürlicher Personen“ gemäß Art. 34 DSGVO besteht. Daraus würden Informationspflichten der Gemeinde gegenüber den Bürgern folgen. Die Meldung auf der Homepage würde da eher nicht genügen, denn laut Art. 34 Abs. 2 DSGVO müsste die Gemeinde als Verantwortlicher „den Namen und die Kontaktdaten des Datenschutzbeauftragten oder einer sonstigen Anlaufstelle für weitere Informationen“ nennen, sowie „eine Beschreibung der wahrscheinlichen Folgen der Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten“ (Art. 33 DSGVO, Abs. 3b und 3c) liefern. Beides fehlt in der Meldung an die Einwohner.

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Bereits Ende November hatten wir einige Fragen an die Gemeinde zu den Vorfällen geschickt. Silvia Obermeier, Geschäftsleiterin der Gemeinde Markt Kipfenberg, hatte uns erklärt, man wolle erst Stellung beziehen, wenn die Sachlage mit dem Landesdatenschutzbeauftragten geklärt sei. Am 18. Dezember, also nach dem Vor-Ort-Termin im Heizungskeller, haben wir sie daran erinnert, bis heute aber keine Antwort erhalten.


(hob)



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Justizministerium veröffentlicht Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung


Die Bundesregierung nimmt den dritten Anlauf für eine Vorratsdatenspeicherung in Deutschland. Das Justizministerium von SPD-Ministerin Stefanie Hubig hat einen Gesetzentwurf erarbeitet und heute veröffentlicht.

Erneut versucht die Bundesregierung, den Begriff „Vorratsdatenspeicherung“ zu vermeiden. Das Justizministerium nennt den Gesetzentwurf „IP-Adressspeicherung“. Tatsächlich geht es wieder um eine verpflichtende und anlasslose Speicherung von Daten aller Internet-Nutzer in Deutschland auf Vorrat. Und es geht um weit mehr Daten als nur IP-Adressen.

Die Vorratsdatenspeicherung ist ein zentraler Streitpunkt in der deutschen Netzpolitik. Vor 20 Jahren haben zehntausende Menschen dagegen protestiert.

Anlasslose Vorratsdatenspeicherung

Das neue Gesetz soll Internet-Zugangs-Anbieter verpflichten, IP-Adressen und Port-Nummern sämtlicher Nutzer drei Monate lang zu speichern. Das betrifft jeden Internet-Anschluss in Deutschland, ohne Anlass und ohne Verdacht auf eine Straftat.

Ermittler sollen anhand dieser Daten die Endnutzer identifizieren und ihre Bestandsdaten erhalten. Das passiert auch ganz ohne Vorratsdatenspeicherung. Im vergangenen Jahr hat allein die Deutsche Telekom fast 290.000 Abfragen zu IP-Adressen bekommen – wegen mutmaßlicher Urheberrechtsverletzungen im Internet.

Das Justizministerium hat beim Erarbeiten des Gesetzes mit den vier großen Mobilfunk-Netz-Betreibern gesprochen. Es gibt aber viel mehr Anbieter für Internet-Zugänge. Das Gesetz spricht von „circa 3.000 Verpflichteten, eine Marginalgrenze ist nicht vorgesehen“. Lokale WLAN-Anbieter wie Hotel-Betreiber sind ausgenommen. Ob öffentliche WLAN-Netze wie Freifunk betroffen sind, wird der weitere Gesetzgebungsprozess zeigen.

Kein Nachweis für Notwendigkeit

Die Vorratsdatenspeicherung ist ein Zombie der Netzpolitik. Es gab bereits eine EU-Richtlinie und zwei deutsche Gesetze. Alle Gesetze haben behauptet, die Vorratsdatenspeicherung sei notwendig und verhältnismäßig. Alle Gesetze waren unverhältnismäßig und rechtswidrig und wurden von höchsten Gerichten gekippt.

Statt die Daten aller Menschen ohne Anlass zu speichern, könnte man auch potentiell relevante Daten schnell einfrieren. In Österreich gibt es ein solches „Quick Freeze“-Verfahren. In Deutschland wurde das nie ausprobiert. Vor einem Jahr hat die Ampel-Regierung ein solches Gesetz vorgeschlagen. Es wurde jedoch nie beschlossen.

Das Justizministerium behauptet erneut, dass ihre anlasslose Vorratsdatenspeicherung notwendig sei. Dafür gibt es jedoch keinen wissenschaftlichen Nachweis. Das Max-Planck-Institut für Strafrecht hat Strafverfolgung in Deutschland mit und ohne Vorratsdatenspeicherung untersucht. Das Ergebnis: Es gibt ohne Vorratsdatenspeicherung keine Schutzlücken in der Strafverfolgung.

Kein Nachweis für Verhältnismäßigkeit

Selbst wenn die anlasslose Datenspeicherung notwendig wäre, müssen Umfang und Dauer der gespeicherten Daten auch verhältnismäßig sein. Das Gesetz schreibt eine Speicher-Dauer von drei Monaten vor. Diese Frist wird im Gesetz nicht konkret begründet.

Drei Monate sind ein politischer Kompromiss. In den Koalitionsverhandlungen wollte die Union sechs Monate, die SPD einen Monat, also haben sie sich auf drei Monate geeinigt. Laut Bundeskriminalamt „wäre eine Speicherverpflichtung von zwei bis drei Wochen regelmäßig ausreichend“.

Die neue Vorratsdatenspeicherung soll nicht überprüft werden: „Eine eigenständige Evaluierung ist nicht erforderlich.“

E-Mails, Messenger und Apps

Das neue Gesetz geht weit über IP-Adressen bei Internet-Zugangs-Anbietern hinaus. Ermittler sollen auch Internet-Dienste dazu verpflichten dürfen, Verkehrs- und Standortdaten mit einer „Sicherungsanordnung“ zu speichern. Das Gesetz spricht explizit von Over-The-Top-Diensten wie Messengern und Sprachanruf-Apps als Nachfolger von SMS und Telefonanrufen.

Zu den verpflichteten Diensten gehören auch E-Mail-Anbieter. Die sollen beispielsweise speichern, wann sich welche IP-Adresse bei welchem E-Mail-Postfach eingeloggt hat, die E-Mail-Adressen von Sender und Empfänger einer E-Mail sowie „die Daten aus dem Header der E-Mail“.

Eine solche „Sicherungsanordnung“ soll schon greifen, wenn die Ermittler diese Daten noch gar nicht „erheben“ dürfen. Die Dienste sollen diese Daten auf Zuruf bereits extra abspeichern, damit Ermittler die später abrufen können, auch wenn beispielsweise „der Kunde seinen Account […] selbst löscht“.

Funkzellenabfrage ohne Bundesgerichtshof

Darüber hinaus ändert das Gesetz auch die Vorgaben für die Funkzellenabfrage. Bei einer Funkzellenabfrage erhalten Ermittler alle Verbindungsdaten aller Mobilfunkgeräte, die in bestimmten Funkzellen eingeloggt waren.

Der Berliner Datenschutzbeauftragte hatte 2012 festgestellt, dass die Funkzellenabfrage regelmäßig Gesetze verletzt. Der Bundesgerichtshof hat vergangenes Jahr geurteilt, dass die Funkzellenabfrage nur noch bei besonders schweren Straftaten eingesetzt werden darf.

Das Gesetz dreht jetzt das Urteil des Bundesgerichtshofs zurück. Die Funkzellenabfrage soll wieder bei „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ eingesetzt werden dürfen. „Dies entspricht dem Verständnis der Praxis, bis die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ergangen ist.“

Mehr Regulierung als EU

Das erste deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung hatte die Bundesregierung damals noch mit einer EU-Richtlinie begründet. Diese gilt seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht mehr.

EU-Kommission und EU-Staaten arbeiten aktuell an einer Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung. Die deutsche Bundesregierung hätte die EU-Gesetzgebung abwarten können, statt kurz vorher ein deutsches Gesetz zu machen.

In anderen Politikbereichen fordert die Regierung weniger Bürokratie und weniger Regulierung für Unternehmen. Nun aber schafft die Bundesregierung neue Regulierung und neue Belastung – gegen den expliziten Willen aller beteiligten Unternehmen und Anbieter.

SPD steht für Vorratsdatenspeicherung

Die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland steht und fällt mit der SPD. Das erste deutsche Gesetz 2007 verantwortete SPD-Justizministerin Brigitte Zypries. Das Bundesverfassungsgericht hat es 2010 gekippt. Das zweite deutsche Gesetz 2015 verantwortete SPD-Justizminister Heiko Maas. Das Bundesverfassungsgericht hat es 2023 gekippt.

Jetzt versucht es SPD-Justizministerin Stefanie Hubig zum dritten Mal. Erneut behauptet das Justizministerin, das Gesetz stehe „in Einklang mit Verfassungsrecht“ und sei „mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar“.

Das Gesetz geht jetzt ins Kabinett, dann in den Bundestag – und dann wieder vor das Bundesverfassungsgericht.



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