Online Marketing & SEO

„Cultural Marketing ist kein Hashtag“ – Wie Parasol Island Haltung und Hype verbindet



Kulturelle Verantwortung heißt für mich, Möglichkeitsräume zu schaffen. Räume, die verbinden, inspirieren, Relevanz haben. Und nie fertig sind.

Wie oft begegnet dir das Missverständnis, dass kulturelle Relevanz schon mit oberflächlicher Symbolik (etwa Pride-Logo im Juni) abgedeckt ist?

„Cultural Relevanz“ ist kein Filter, den man einmal im Juni drüber legt. Ich begegne diesem Missverständnis tatsächlich ziemlich oft – ob in Pitches, Gesprächen mit Kund:innen oder bei dem, was Marken gerade so treiben. Oft wirkt es, als würde im Social Team jemand sagen: „Komm, da machen wir was mit einem Pride-Logo – das ist doch wichtig heutzutage.“ Punkt.

Aber so funktioniert es nicht. Zumindest nicht nachhaltig. Wer kulturelle Relevanz ernst meint, muss klar definieren, wo und wie sie im Marketing Mix verankert ist – und ob man bereit ist, diesen Weg konsequent zu gehen. Denn halbherziges Engagement ist nicht nur rausgeworfenes Geld, es kann auch ganz schnell nach hinten losgehen. Die Communities, um die es geht, merken sofort, wenn etwas nicht „real“ ist. Sie sind längst keine stillen Zuschauer:innen mehr – sie kommentieren, widersprechen oder canceln.

Cultural Marketing funktioniert nicht punktuell wie ein Hashtag. Es braucht Haltung, echtes Interesse, einen inneren Kompass – und manchmal auch Mut, unbequeme Entscheidungen zu treffen. Sonst bleibt es bei Symbolik. Und Symbolik ohne Substanz verpufft lautlos.

Wie gelingt es euch, kulturell tiefgreifende Konzepte mit rationalisierter Markenführung großer Konzerne zu verbinden – ohne Verwässerung?

„Don’t ask for permission. Ask for forgiveness“. Konzerne neigen dazu, hohe Komplexität aufzubauen, mit einem unnatürlich ausgeprägten Ausmaß an „Ass-coverismus“ – das steht leider in einem eklatanten Gegensatz zu Culture Driven Campaigning. Denn gerade die Ecken und Kanten, die Culture und deren Charakter mitbringen, sind eben das, was es spannend macht. Wir arbeiten meist ganz Old-School aus dem Markenkern und zeigen Gemeinsamkeiten auf. Diese „Shared Values“ dienen uns als Leitstern durch die Konzeptions- und Publishing-Phase, auf die wir immer wieder zurückkommen.

Moritz, gibt es kulturelle Räume, in denen Marken nichts verloren haben – egal wie progressiv sie auftreten?

Ach, da gibt’s einiges und ich denke für Themen wie: Marginalisierte Identitäten, Religion, oder Politik liegen die Grenzen auf der Hand. Marken können auch zu schwierigen und komplexen Themen eine Haltung haben oder entwickeln, diese muss aber wirklich Teil des Markenkerns sein statt Lippenbekenntnisse. Vor allem wie das Auftreten der Marke in den Räumen stattfindet, ist meist entscheidend. Platze ich durch die Tür oder setze ich mich erst einmal an den Rand, höre zu und suche an geeigneter Stelle den Dialog?

Wie erkennt ihr Mikroimpulse in dezentralen Communities (zum Beispiel Reddit, Discord, TikTok), ohne nur Trends zu kopieren?

Wir beobachten nicht nur, wir sind Teil davon. Viele Kolleg:innen bei uns – vor allem aus den jüngeren Generationen – bewegen sich täglich ganz selbstverständlich in digitalen Bubbles wie TikTok, in Discord, Reddit Subthreads oder irgendwo zwischen Alt-Internet und Neo-Subkulturen. Das Entscheidende: Diese Leute suchen nicht  nach Trends, sie leben in diesen Realitäten. Und genau das kann zum Vorteil werden, wenn wir ihnen Vertrauen schenken und Verantwortung übergeben.

Nicht jedes Thema liegt direkt im Team – dann greifen wir auf unser Netzwerk zurück. Wir sprechen mit Creator:innen, Künstler:innen, Szene-Leuten. Nicht, um „Insights zu holen“, sondern um zuzuhören. Um zu verstehen, was etwas bedeutet, bevor wir entscheiden, ob und wie wir es übersetzen können. Und manchmal hören wir das auch in unseren Gastro-Outlets.

Wie erlebst du Moritz heute den Spagat zwischen kreativer Vision, Team-Führung und Stakeholder Management?

Die eigentliche Frage ist doch: Ist dieser Spagat heute ein anderer als früher? Und da ist die Antwort ganz klar: Ja – definitiv. Früher war das Spielfeld überschaubar: TV-Spot, eine Anzeige – lineare Kampagnen mit fokussierter Zielsetzung. Heute passiert alles gleichzeitig. Die Realität ist enorm schnell, fragmentiert, multi-channel und oft unübersichtlich. Ideen müssen sofort tragfähig sein – für Social, für Bewegtbild, für Live, für Retail, für Print, für alles. Und gleichzeitig müssen sie relevant und zielgruppengerecht bleiben, ohne an Qualität zu verlieren.

Trotz aller Komplexität bleibt das Ziel gleich: Probleme unserer Kund:innen zu lösen. Und das gelingt nur, wenn das gesamte Team vereint hinter der Vision unseres Unternehmens steht. Für mich als Gründer ist daher die zentrale Aufgabe, einen Raum zu schaffen, in dem wir exzellent arbeiten können, mit Haltung, Energie und einem klaren inneren Kompass. Stakeholder, Teams, Kund:innen – sie alle haben Erwartungen. Aber die Antwort darauf ist kein Spagat, sondern ein stabiles Fundament, auf dem wir gemeinsam stehen. Und das beginnt immer bei der Kultur im eigenen Haus.

Wie messt ihr Erfolg jenseits von KPIs – welche qualitativen Indikatoren nutzt ihr?

„Your Brand is not what you say it is. It’s what they (= The Audience) say it is.“ ist ein Leitsatz, den wir uns Mantra-artig immer wieder vorsagen. Die wichtigsten qualitativen KPIs liegen also in dem Zielgruppen Feedback/ Reactions:

  • Gibt es Antworten (zum Beispiel Reaction Videos, TikTok Remix Videos und mehr) die nicht durch die Aktivierung aktiv gepusht wurden?
  • Entsteht UGC, wie zum Beispiel Memes?
  • Wie ist die Response der Mitarbeitenden, wenn es im Office Chat gepostet wird?
  • Greift die (Fach-)Presse das Thema auf? Auch ohne Pressemitteilung?

Nur wenn diese Dinge tatsächlich ihren Gang nehmen, hat es wirklich einen Impact.


Was fehlt Podcasts heute noch, obwohl sie boomen? Sascha Lobo hat eine klare Antwort: ein echter Rückkanal. Mit CampfireFM will der Autor, Podcaster und Netzversteher das bislang unterschätzte Medium neu aufstellen – mit Fokus auf Community, KI und innovative Marketing-Integration. In der aktuellen Folge von TAP INTO MARKETING spricht OnlineMarketing.de-Redakteurin Larissa Ceccio mit Sascha über sein Projekt: eine Plattform, die Podcasts social macht. Jetzt reinhören!


Niklas, wann wird eine gute Idee zu einem relevanten kulturellen Beitrag?

Nils Hartmann: Die „Idee“ als Kernelement ist aus meiner Sicht nur eine Option und nicht mehr die alleinige Währung. Ich spreche lieber von „Vibe“ – generationsunabhängig. Es geht mehr um einen Style, also kulturelle und ästhetische Stimmung, mit der ich mich identifizieren kann und will. „Ich fühl das halt grad.“

Relevanz entsteht, wenn dieser Vibe Resonanz erfährt. Wenn er sich über die ursprüngliche Intention hinaus von selbst weiterentwickelt. Wenn Justus „Chabos wissen, wer der Babo ist“ schreit, ist das im Grunde nichts anderes als „Erstmal zu Penny“. Beide haben einen Nerv getroffen und sehr unterschiedliche Zielgruppen vereint. So wird aus einer Idee etwas Größeres. Planbar ist das selten. Deshalb stelle ich mir heute weniger die Frage nach dem Produktnutzen, sondern: „Wie fühlt sich das an?“ oder „Welche Energie strahlt das aus?“ statt „Welchen Produktbenefit will ich hier konkret kommunizieren“.

Was war der Moment, in dem du dachtest: „Dafür mache ich das“ – und wie oft kommt dieses Gefühl heute noch vor?

Ich bin mehr als Zufall in „der Werbung“ gelandet und konnte zu Beginn mich eigentlich überhaupt nicht damit anfreunden. WTF soll ich jetzt jemandem sagen, dass das eine Hundefutter besser als das andere Hundefutter ist? Alles wirkte verkopft, häufig verkrampft, wenig relevant.

So richtig „Klick“ hat es das erste Mal bei mir gemacht, als ich John Hunt und sein „Let the Idea lead. And it will be easy.“ wirklich verstanden und gefühlt habe. Und es für immer mehr zum „Let the Vibe lead. And it will be easy.“ geworden ist. Plötzlich hatte ich etwas, das zu allem passte. Nicht nur zur Arbeit, sondern zum Leben. Und plötzlich habe ich auch für mich verstanden, was mir an meiner Arbeit zuvor so viel Spaß gemacht hat und warum manche Ergebnisse eben gut geworden sind – und andere eben nicht.

Für den Moment, an dem nicht quantifizierbar Begeisterung entsteht, in dem einfach alles einfach so passiert, alles leicht von der Hand geht. Dieser Flow, fast Rauschzustand, ist wahrscheinlich für viele von uns etwas, dem wir immer wieder nachjagen. Aber ist das wirklich der Sinn der Arbeit? Sollten wir nicht höhere Ziele haben? Diese positive Energie ist genau das, was wir weitergeben und teilen müssen. Im Job wie im Alltag.

Wie unterscheidet ihr kurzfristige kulturelle Phänomene von nachhaltigen Bewegungen? Wie entwickelt ihr daraus tragfähige Konzepte?

Das ist wahrscheinlich die essentielle Frage. Der Kampf zwischen nachhaltiger Markenbildung und schnellem Impact.
Im Grunde sprechen wir nach Marketing Lehrbuch von „Brand Behavior“ Entscheidungen – oder in neu: der Vibe, den meine Marke ausstrahlen soll. Wenn wir einen neuen Trend entdecken, ist meist nicht absehbar, ob sich daraus wirklich eine Bewegung entwickelt. Wenn der Trend aber zum Vibe der Marke passt – let’s go! Ich halte nichts davon, jedem Trend hinterherzulaufen, nur weil er Reichweite verspricht. Wir müssen viel mehr langfristige Themenfelder und kleine Nischen besetzen. Sie verleihen der Marke erst die Ecken und Kanten, die sie benötigt.

Gibt es eine kulturelle Bewegung oder Subkultur, die du Niklas nicht verstehst, aber gern einmal durch eine Kampagne erfassen würdest?

Ich würde es nicht als kulturelle Bewegung sehen, aber was mich wirklich fasziniert, sind Reaction Videos. Warum zum Teufel schaut sich jemand 45 Minuten lang an, wie jemand ein 2:30 Minuten langes Musikvideo anschaut und kommentiert – oft ohne nennenswerte Zusatzinfos? Und trotzdem sind diese Formate extrem erfolgreich, was einiges aussagt:

a) Angeblich will niemand mehr Langformate, das Gegenteil ist der Fall!
b) Es gibt ein starkes Bedürfnis nach Kontext und Einordnung, selbst wenn nur informell.

Gerade deshalb finde ich Reaction Videos so spannend für die Markenarbeit.  Um Kampagnen sinnvoll zu erweitern und ihnen Tiefe zu geben. Und mehr noch: Wenn solche Reaction Videos ungeplant entstehen, ist das ein großartiger Indikator für kulturelle Relevanz der Kampagne. Sagt man überhaupt noch Kampagne?

Wie geht ihr mit dem Widerspruch um, wenn die Ansprüche an kulturelle Haltung größer sind als die Veränderungsbereitschaft von Marken?

Marken müssen nicht allen Ansprüchen gerecht werden. Das ist ein Irrglaube. Wenn eine Marke keine Haltung besitzt, ist sich raushalten immer eine Option. Vor allem die ehrlichste. Niemand mag Lügner:innen und der Bullshit Detector ist bei dem Publikum ausgeprägter als es so manchen bewusst ist. Das x-te Regenbogen Profilbild und Pseudo-diverse Casts kann man sich auch sparen. Sich als Marke weiterzuentwickeln kann man auch erst einmal intern ohne Linkedin Artikel.

Wie reagierst du auf Briefings wie: „Bitte authentisch, divers und mit Haltung – aber ohne politische Angriffsfläche“?

„Mir haben Rage Against the Machine und Finch besser gefallen, als sie unpolitisch waren.“ Authentizität („Divers“ würde ich authentisch integrieren) ist immer politisch. Ob Rezipient:innen das auch erkennen, ist eine ganz andere Frage. Also reagieren wir mit authentischer Kreation – und im Best Case schreiben wir ein Re-Briefing, das sich hohle Buzzwords spart.

Welche Themen oder Codes meidet ihr bewusst, weil sie zu fremd, instrumentalisiert oder unpassend erscheinen?

Neben den Usual Suspects wie rassistischen, sexistischen und faschistoiden Themen gibt es viele schwammige Grenzbereiche:
Wann beginnt kulturelle Aneignung? Und wer kann das beurteilen? Instrumentalisiere ich hier gerade eine (Jugend-)Kultur, in der ich und und meine Marke überhaupt nichts verloren hab?

Für mich ist der Maßstab immer das „Sampling“-Prinzip aus der Musik: wird ein Sample kreativ genutzt und entsteht daraus ein neues eigenständiges Werk, bin ich schon eher auf der richtigen Seite (zum Beispiel die frühen The Prodigy Alben, wo Songs anderer Künstler:innen zu eigenständigen Werken verwandelt werden). Missbrauche ich das Sample nur um einen billigen Effekt zu erzielen und mich an den Fame des Originals dranzuhängen: ganz dünnes Eis (Sowas wie RAF Camora der Falco sampled: „OUT OF THE DARK“ #cashgrab). Im Zweifel immer besser HdF.

Wie haltet ihr euer Team kulturell und konzeptionell wach – jenseits von Buzzwords und Feel-Good-Maßnahmen?

Wir begreifen jede:n Mitarbeitende:n als Expert:in – unabhängig von kultureller Herkunft oder Perspektive. Entscheidend ist, dass wir  sie motivieren und respektieren: „We listen, we don’t judge.“ Nicht alle gleich machen, sondern alle gleich respektieren – das ist unsere Grundhaltung.

So begreifen wir Parasol Island als durchlässige Membran, innerhalb derer wir uns gegenseitig inspirieren (auch im Rahmen von Feel-Good-Maßnahmen und den Standards wie „Creative Circle“, Trendreports und mehr) aber vielmehr, Einflüsse von außen zulassen und fördern. Kollaboration ist die am meisten unterschätzte Super Power. Unser Team ist oft unterwegs – an Drehorten, Studios, in verschiedenen Städten. Das bringt Vielfalt, aber auch Verantwortung: Am Ende müssen wir Wirkung erzeugen. Wir machen Werbung und werden dafür bezahlt, gefeiert oder gefeuert, dass irgendein KPI sich am Ende verbessert hat. Und um diesem Anspruch gerecht zu werden, müssen wir respektvolle Kollaboration als oberste Maxime durchsetzen. Das ist unser Vibe 😉

Niklas, Gibt es ein konkretes Projekt, das exemplarisch zeigt, wie Cultural Marketing heute funktionieren sollte?

Mainstream: Ich feiere gerade Arbeit von A$AP Rocky für Ray-Ban – die Puffer Wayfarer. Produktinnovation + einzigartiger Style + Brand Heritage = Relevanz. Wir werden die Brille überall sehen. Relevant ist sie jetzt auf jeden Fall.





Source link

1 Comments

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Beliebt

Die mobile Version verlassen