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Datenschutz & Sicherheit

Der Digitalminister duckt sich weg


In wenigen Tagen steht die Entscheidung an, ob es in Europa eine verpflichtende Chatkontrolle geben wird oder ob sich erneut keine ausreichende Mehrheit im Rat der EU-Länder dafür findet. Die deutsche Haltung wird maßgeblich dafür sein, ob die Front der ablehnenden EU-Staaten gegen den Vorschlag der EU-Präsidentschaft Dänemarks stehenbleibt.

Hintergrund ist ein jahrelanger Streit über einen Entwurf der EU-Kommission für eine Verordnung zur massenhaften Chat-Überwachung, die dem Kampf gegen digitale Gewaltdarstellungen von Kindern dienen soll. Die geplante Chatkontrolle würde alle Anbieter von Messenger- und weiterer Kommunikationsdienste, auch solche mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, zum Scannen nach Missbrauchsfotos und -videos verpflichten. Betroffen wären auch Signal, Threema oder WhatsApp, die von vielen Millionen Menschen genutzt werden.

In den vergangenen Jahren hat sich Deutschland ablehnend gezeigt und sich gegen das automatisierte Scannen verschlüsselter Kommunikation, aber auch gegen die Umgehung von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und das Client-Side-Scanning positioniert. Ob die neue Bundesregierung das genauso hält, ist noch offen. Wir haben daher die Bundesregierung zu der Haltung befragt, die sie bei der anstehenden Entscheidung einnehmen wird.

Von diesen Ländern hängt ab, wie es mit der Chatkontrolle weitergeht

Das Bundesjustizministerium (BMJ) will sich gegenüber netzpolitik.org nicht in die Karten schauen lassen und antwortet auf die Frage nach der Chatkontrolle-Position nur: „Die Federführung“ liege „innerhalb der Bundesregierung beim Bundesministerium des Innern“. Da sollten wir uns doch hinwenden, meint das BMJ.

Das Bundesinnenministerium (BMI) hat jedoch auch nichts zu sagen: „Wir bitten um Verständnis, dass wir uns zu laufenden Abstimmungen innerhalb der Bundesregierung grundsätzlich nicht äußern.“

„Von der Seitenlinie“

Fragen wir doch die Digitalexperten in der Bundesregierung. Die schwarz-schwarz-rote Koalition hatte schließlich ein neues Ministerium aus der Taufe gehoben, das sich hauptsächlich mit Digitalisierung, digitaler Infrastruktur und Staatsmodernisierung befassen soll. Ein Sprecher des Digitalministeriums (BMDS) antwortet auf Fragen von netzpolitik.org nach der Position des Ministers zur geplanten verpflichtenden Chatkontrolle allerdings nur mit nur zwei Sätzen.

„Wir brauchen Maßnahmen, die wirksam und zugleich angemessen sind. Zu den derzeit auf EU-Ebene vorliegenden Vorschlägen erfolgt eine Positionierung der Bundesregierung unter Federführung des Bundesinnenministeriums.“

Auf weitere Fragen, etwa wie Minister Karsten Wildberger (CDU) zum Aufbrechen von Verschlüsselung oder zum Client-Side-Scanning im Rahmen einer Chatkontrolle steht, wird nicht geantwortet. Der seit Mai amtierende Digitalminister hat außerdem auch keine Position zur freiwilligen EU-Chatkontrolle und den damit verbundenen Risiken für die Privatsphäre.

Das Ministerium verweist stattdessen auf ein Gespräch mit Wildberger vom 11. September. Dort auf die Chatkontrolle angesprochen, äußert sich der Bundesminister folgendermaßen: Er wolle sich in diesen „politischen Prozess“ nicht „von der Seitenlinie“ einbringen. Er werde deswegen seine Meinung nicht dazugeben, da das „nicht hilfreich“ sei, denn dafür „gibt es jetzt einen Prozess“.

Das kann man natürlich anders sehen, ob es für die Diskussionen um eine europaweit verpflichtende Chatkontrolle „hilfreich“ wäre, wenn sich der amtierende Digitalminister von Deutschland nicht an die „Seitenlinie“ stellen, sondern dazu positionieren würde. Allerdings machen seine Äußerungen direkt im Anschluss klar, warum er vielleicht ganz richtig liegt.

Ein Offenbarungseid technischer und politischer Inkompetenz

Wildberger fügt hinzu: „Kinderpornographie“ in Chats, „das geht überhaupt nicht“, das seien Straftatbestände. Davon müsse man aber das Thema der Privatsphäre „säuberlich trennen“. Doch ein zentraler Streitpunkt in der langjährigen Debatte ist es gerade, wie weit man in die Privatsphäre und sogar Intimsphäre von Menschen eingreifen darf, um auf solche Inhalte in ihren Chats zu scannen.

Der Minister postuliert dann, dass er „persönlich eine klare Meinung“ dazu hätte. Die sagt er aber nicht sofort, sondern stellt erstmal folgende Frage in den Raum: „Wie stellen wir sicher, dass wir Rechtsordnung auch in diesem Rahmen sicherstellen?“ Den Versuch einer Antwort auf die wirre Frage macht er nicht. Stattdessen sagt Wildberger: „Wo es um Kinderpornographie geht, am Ende des Tages muss man auch über Deep Fakes reden, da hört bei mir der Spaß auf.“

CSAM

Wir berichten seit Jahren unter dem Stichwort CSAM (Child Sexual Abuse Material) über politische Vorhaben im Kampf gegen Missbrauchsdarstellungen von Kindern. Unterstütze unsere Arbeit!

Kein Mensch mit Herz und Hirn würde die digitalen Darstellungen von Gewalt gegen Kinder in die Kategorie Spaß einsortieren. Die Debatte um die Chatkontrolle dreht sich vielmehr um die Frage, zu welchen technischen Maßnahmen die Anbieter von Messenger-Diensten verpflichtet werden sollten, um solche Inhalte massenhaft zu scannen. Dass diese Inhalte verabscheuungswürdig und strafbar sind, stellt niemand in Abrede.

Auf die Nachfrage, ob Anbieter zur Chatkontrolle verpflichtet werden sollen, bemerkt Wildberger, dass seine Antwort darauf eine „nicht politisch gemeinte Formulierung“ sei: „Da muss es eine Lösung für geben.“ Die Luft brennt förmlich vor Spannung, welche technische Idee der Digitalminister nun favorisieren wird. Doch der oberste Digitalisierer murmelt: „Wie die Lösung jetzt hier genau aussieht, das sollen …“ Da endet sein Satz im Ungewissen. Vielleicht sollen es die Experten richten, vielleicht gibt es einen Prozess.

Zuletzt endet die kurze Passage in dem Gespräch mit dem Versprechen, er werde sich „in die Debatte natürlich“ einbringen, wenn es hilfreich und erforderlich wäre. Aber das Thema sei „ein bisschen komplex“, aber „von der Richtung her“ sei er „klar justiert“.

Dass seine Pressestelle auf die Fragen von netzpolitik.org danach, ob angesichts der gesellschaftlichen und auch wirtschaftspolitischen Bedeutung von sicheren Verschlüsselungsmethoden ein Aufbrechen der Verschlüsselung oder ein Client-Side-Scanning im Rahmen einer Chatkontrolle als probate Mittel gelten können, nicht nur keine Antworten gibt, sondern stattdessen einen Hinweis auf diesen Offenbarungseid technischer und politischer Inkompetenz sendet, spricht Bände über den Minister und die Bedeutung seines Hauses innerhalb der Bundesregierung. Das ist nicht mal „Seitenlinie“, das ist eher die Tribüne hinten oben.

Der falsche Weg

Man fragt sich, unter welchem Stein der Bundesdigitalminister in den letzten Jahren gelebt hat und ob es niemanden in seinem Haus gibt, der ihn dazu briefen konnte, worum es im Streit über die Chatkontrolle geht: um das absichtliche Unterminieren von IT-Sicherheitsmaßnahmen für massenhafte Chat-Scans und um fundamentale Grundrechte.

Wenn in Schutzmaßnahmen wie Verschlüsselung verpflichtende Hintertüren eingebaut werden müssen, tangiert das die Privatsphäre und den Kernbereich privater Lebensgestaltung von Millionen Menschen und unterminiert zudem auf gefährliche Weise die IT-Sicherheit. Darauf weisen seit Jahren alle hin, die beruflich und wissenschaftlich mit IT-Sicherheit zu tun haben. Chatkontrolle ist technisch gesehen schlicht der falsche Weg.

Aber juristisch ist er es auch. Denn dass eine massenhafte anlasslose Überwachung von individueller Kommunikation mit den europäischen Grundrechten konform geht, wird mit guten Argumenten bezweifelt: Der Juristische Dienst des EU-Rats schätzt den aktuellen Vorschlag als rechtswidrig ein. Die Rechtsexperten stützen sich auch auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) aus dem Jahr 2024. Darin heißt es unzweideutig, dass „eine Schwächung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, die alle Nutzer beträfe,“ gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt.

Dass der Digitalminister innerhalb und außerhalb der Bundesregierung zu so wichtigen Fragen in unser digitalisierten Welt keine Position einnimmt, macht ihn zum Komplizen der Befürworter der Chatkontrolle. Gleiches gilt übrigens für die Justizministerin Stefanie Hubig (SPD), deren Nicht-Positionierung angesichts der zweifellos erheblichen Grundrechtseingriffe ebenso blamabel ist.



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Wie die Bundesregierung das Fediverse fördern könnte


Das Zentrum für Digitalrechte und Demokratie schlägt vor, dass die Bundesregierung stärker in die Förderung digital souveräner und dezentraler Infrastrukturen einsteigen soll. Ausgehend davon, dass die digitale Öffentlichkeit fest in der Hand von ein paar wenigen Tech-Oligarchen sei, müssten jetzt Alternativen wie das Fediverse und auch das AT Protokoll gestärkt werden, damit man in Zukunft überhaupt noch „Wahlfreiheit sowie Souveränität über digitale Plattformen und Datenflüsse“ habe.

Dem Zentrum für Digitalrechte und Demokratie (ZDD) schwebt dabei ein strukturiertes Innovations-Förder-Programm vor. Dieses soll Bund und Länder befähigen, gezielt Strukturen für eine souveräne digitale Öffentlichkeit aufzubauen. Wenn es nach der Organisation geht, soll es schnell gehen: Schon am 18. November könnten Friedrich Merz und Emmanuel Macron beim Europäische Gipfel zur Digitalen Souveränität in Berlin den „Booster“ für offene Infrastruktur verkünden.

Sofortprogramm für digitale Souveränität

Angesiedelt werden sollte die Organisation nach dem Wunsch des Think Tanks bei der Sovereign Tech Agency oder dem Zentrum für Digitale Souveränität (ZenDiS). Alles solle schnell in Gang kommen, damit die Förderung schon 2027 oder 2028 starten könne. Für die Vergabe von Fördergeldern könnten Projekte wie der Prototype Fund als Vorbild dienen, schreibt Markus Beckedahl, der heute Geschäftsführer beim ZDD ist.

Parallel zu Fördergeldern solle es auch Beratungsstrukturen für Behörden, Medien, Bildungseinrichtungen und Zivilgesellschaft geben, abrunden soll das Programm begleitende Forschung. Neben diesen Maßnahmen solle auch die Bundesregierung mit gutem Beispiel vorangehen: Nach dem sogenannten +1-Prinzip sollten alle Ministerien mindestens eine gemeinwohlorientierte, dezentrale Plattform nutzen. Dies ließe sich auch einfach in der Geschäftsordnung verankern.

Zusätzlich könnte in Rundfunkstaatsverträgen verankert werden, dass öffentlich-rechtliche Sender immer auch im Fediverse publizieren müssen – und sich nicht auf kommerzielle Plattformen beschränken dürfen. Im Gemeinnützigkeitsrecht könne zudem verankert werden, dass Open Source gemeinnützig wird.

Das Zentrum für Digitalrechte und Demokratie geht davon aus, dass man schon mit einem zweistelligen Millionenbetrag eine digitale Infrastruktur gestärkt werden könne, die wirklich unabhängig, demokratisch und innovativ sei.



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IBM App Connect Enterprise Toolkit kann Daten leaken


Admins von IBM-Anwendungen sollten aus Sicherheitsgründen die aktuellen Updates installieren. Geschieht das nicht, können Angreifer Systeme attackieren und unter anderem Schadcode ausführen. Bislang gibt es keine Berichte zu laufenden Angriffen.

Am gefährlichsten gilt eine Lücke (CVE-2025-4949 „kritisch„) in der Eclipse-JGit-Komponente von IBM App Connect Enterprise Toolkit und Integration Bus for z/OS Toolkit. Werden von Angreifern präparierte XML-Dateien verarbeitet, kann es zu Fehlern kommen. Klappt solch eine Attacke, leaken etwa Daten oder es kommt zu DoS-Zuständen. Die Entwickler geben an, das Sicherheitsproblem in v13 Fix Pack Release 13.0.5.0 gelöst zu haben.

Eine Schadcode-Lücke (CVE-2025-36245 „hoch„) bedroht InfoSphere Information Server. Dafür muss ein Angreifer aber authentifiziert sein. Ist das gegeben, kann er eigene Befehle ausführen.

Die verbleibenden Schwachstellen sind mit dem Bedrohungsgrad „mittel“ eingestuft. An diesen Stellen können Angreifer etwa WebSphere Application Server über eine DoS-Attacke lahmlegen. Weiterführende Informationen zu den Lücken und Sicherheitsupdates finden Admins in den verlinkten Warnmeldungen.

Zuletzt haben IBMs Entwickler DoS-Lücken in der Datenanalyseplattform SPSS Analytic Server geschlossen.

Liste nach Bedrohungsgrad absteigend sortiert:


(des)



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Ungarn verbietet auch Pride in Pécs


Nach dem Verbot der Pride-Parade in Budapest im Juni gehen ungarische Behörden zum zweiten Mal gegen eine Demonstration für die Rechte queerer Menschen im Land vor. Diesmal trifft es die für Anfang Oktober geplante Pride in der südungarischen Stadt Pécs. Anfang September hat die Polizei die als Versammlung angemeldete Pride untersagt. Die Kúria, das höchste ungarischen Gericht, hat das Verbot inzwischen bestätigt.

Es ist ein Affront gegen Brüssel. Darauf weisen auch zivilgesellschaftliche Organisationen wie die Civil Liberties Union und die Ungarische Bürgerrechtsunion hin. In einem Brief von Anfang dieser Woche fordern sie von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, das nachzuholen, was die EU vor der Budapester Veranstaltung versäumt hat: ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn einzuleiten und beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) sofortige einstweilige Maßnahmen zu beantragen.

Per Gesichtserkennung identifizieren  – wegen einer Ordnungswidrigkeit

Die Verbote basieren auf einer queerfeindlichen Gesetzesänderung, die das ungarische Parlament Anfang dieses Jahres im Eilverfahren verabschiedet hat. Die Änderungen betreffen das Versammlungsgesetz, das Gesetz für Ordnungswidrigkeiten und das Gesetz über den Einsatz von Gesichtserkennungtechnologien.

Sie verbieten effektiv jegliche Veranstaltungen und Versammlungen im öffentlichen Raum, die für die Rechte von queeren oder trans Menschen eintreten und knüpfen an das berüchtigte „Kinderschutzgesetz“ an, mit dem Ungarn bereits seit 2021 queere Minderheiten zum Feindbild macht. Die Teilnahme an solchen Veranstaltungen gilt seither als Ordnungswidrigkeit, auf die ein Bußgeld von bis zu 500 Euro steht.

Weil zugleich das Gesetz für den Einsatz von Gesichtserkennung so verändert wurde, dass Personen nun schon im Fall von Ordnungswidrigkeiten per Gesichtserkennung identifiziert werden dürfen, bedeutet das: Teilnehmende der Demo müssen fürchten, gefilmt, biometrisch identifiziert und anschließend mit einem Ordnungsgeld belegt zu werden.

Eine Abschreckungsmaßnahme, die zumindest im Fall der Budapest Pride nach hinten losgegangen ist. Mehr als 150.000 Menschen kamen schätzungsweise zu der Großdemonstration im Juni, die nach einer Intervention des grünen Budapester Bürgermeisters unter dessen Schirmherrschaft stand. Menschen aus der ganzen Welt reisten an, spektakuläre Bilder von den Massen auf der Donaubrücke gingen um die Welt, die internationale Presse berichtete aus Budapest.

Die Rekordzahlen in Budapest ändern nichts an der Rechtslage

Schon damals war klar: Der Triumph über Viktor Orbáns queerfeindliches Verbot, so psychologisch wichtig er sein mochte, ändert nichts an der Rechtslage in Ungarn. Kommende Pride-Veranstaltungen würden vom neuen Gesetz ebenso betroffen sein. Für einige ist die Messlatte jetzt also: Wird sich für die verbotene Pride in Pécs, Ungarns fünftgrößte Stadt mit rund 140.000 Einwohner*innen, ebenso viel Aufmerksamkeit mobilisieren lassen.

Eine Rückendeckung des Bürgermeisters, wie in Budapest, ist in Pécs nicht zu erwarten. Attila Péterffy (parteilos) hatte vergangene Woche angekündigt, der Einladung der Veranstalter zu folgen und eine Rede auf der Eröffnung des parallel stattfindenden Festivals für Menschenrechte zu halten, was er auch tat. An der Demonstration selbst werde er hingegen nicht teilnehmen.

Die Pécs Pride wird seit 2021 von der Organisation Divers Youth Network ausgerichtet und findet traditionell als Abschluss des Festivals für Menschenrechte in der südungarischen Stadt statt. In der Vergangenheit war es eine überschaubare Demonstration. Die Zahl der Teilnehmenden bewegte sich um die Marke von etwa 1000 Teilnehmenden. Dieses Jahr werden jedoch, wie in Budapest, Rekordzahlen erwartet. Wieder wollen ausländische Politiker*innen und EU-Parlamentarier*innen teilnehmen. Die Veranstalter*innen haben angekündigt, die Versammlung werde trotz Verbot wie geplant stattfinden.

„Diese Entscheidung ist ein weiterer Beweis dafür, dass die Machthaber versuchen, mit rechtlichen Mitteln die Ausübung grundlegender Freiheitsrechte einzuschränken und das Recht auf friedliche Versammlung zu unterbinden“, schreiben sie auf Facebook zur Entscheidung des obersten Gerichtshofes. Nun gehe es darum, „gemeinsam für Gleichheit, Akzeptanz und Freiheit einzutreten“.

Auch die Ungarische Bürgerrechtsunion TASZ fordert zur Teilnahme auf und hat gemeinsam mit anderen Organisationen einen Leitfaden zu rechtlichen Fragen rund um die Demo veröffentlicht. Darin warnen die Jurist*innen auch vor dem Einsatz von Gesichtserkennung. In Ungarn gilt ebenso wie in Deutschland ein Vermummungsverbot, Masken oder Schals über dem Gesicht zu tragen ist daher verboten.

Gesichtserkennung in Ungarn verstößt gegen EU-Gesetze

Selbst in ihrer großzügigsten Auslegung lässt das KI-Regelwerk diesen Einsatz von Gesichtserkennung nicht zu

Zum Affront gegen die EU wird die Sache nicht nur, weil Orbáns Regierung mit dem Gesetz offensiv die Rechte von queeren Minderheiten im Land beschneidet und damit gegen die Grundrechtscharta der Union verstößt. Der Einsatz von Gesichtserkennung auf einer Demonstration zur Identifikation von Teilnehmenden ist auch ein klarer Verstoß gegen die neue KI-Verordnung, ein Gesetz, das erst im vergangenen Jahr verabschiedet wurde und dessen Verbote nun nach und nach greifen.

Die biometrische Identifikation aus der Ferne, vor allem in Echtzeit, war bei der jahrelangen Verhandlungen um das Gesetz einer der größten Streitpunkte. Kritiker*innen warnten vor den Gefahren für die Demokratie, wenn Staaten in die Lage versetzt werden, Menschen etwa auf Demonstrationen zu identifizieren.

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Am Ende stand ein Kompromiss, laut dem der Einsatz dieser Technologien für wenige Fälle erlaubt sein soll. Auf der Liste stehen etwa Terrorverdacht oder Straftaten, auf die mindestens vier Jahre Gefängnis stehen. Eine Ordnungswidrigkeit wie in Ungarn ist, wie man es auch dreht und wendet, davon nicht abgedeckt.

In ihrem Brief an die EU-Kommission gemeinsam mit der Civil Liberties Union weist die TASZ auf diesen Umstand hin: Das Gesichtserkennungssystem, mit dem die ungarische Polizei arbeite, sei in der Lage, Personen auch binnen kürzester Zeit zu identifizieren und falle deswegen klar in die Kategorie der Echtzeit-Systeme.

Die EU solle nun endlich das tun, was im Vorlauf der Budapester Veranstaltung nicht passiert ist: ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn einleiten und beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) einstweilige Maßnahmen beantragen.

„Es geht um die Freiheit“

Bald urteilt der Gerichtshof der Europäischen Union

In Brüssel brodelt es um den Fall, die Kommission prüft derzeit laut eigenen Angaben, ob das ungarische Gesetz gegen EU-Vorgaben verstößt. In einer Parlamentsdebatte im Juni sagte der Justizkommissar Michael McGrath, die Budapester Pride sei keine Gefahr für Kinder.

Vor einem anderen EU-Gericht, dem Gerichtshof der Europäischen Union, wird derweil das Urteil zur Klage gegen Ungarn queerfeindliches Gesetz von 2021 erwartet, das den Zugang zu Darstellungen von Queerness einschränkt. Die EU-Kommission, 16 EU-Länder und das EU-Parlament hatten Ungarn verklagt, Menschenrechtsorganisationen sprechen vom „größten Menschenrechtsfall in der Geschichte der EU“.

Im Juni gab die Generalanwältin des Gerichtshofs, Tamara Ćapeta, ihre Stellungsnahme ab, die als wegweisend für das finale Urteil der Richter*innen gilt. Sie sagt, Ungarn verstößt mit dem Gesetz gegen EU-Recht und die in den Verträgen verankerten Werte der EU. Folgt das Gericht ihrer Einschätzung, könnte es anordnen, das Ungarn das Gesetz zurücknimmt oder Strafen verhängen.



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