Datenschutz & Sicherheit

Der Kampf um die Chatkontrolle ist noch nicht vorbei


Seit dreieinhalb Jahren streiten die EU-Institutionen über eine verpflichtende Chatkontrolle. Die Kommission will Internet-Dienste verpflichten, auf Anordnung die Inhalte ihrer Nutzer auf Straftaten zu durchsuchen und diese bei Verdacht an Behörden zu schicken. Das Parlament bezeichnet das als Massenüberwachung und fordert, nur unverschlüsselte Inhalte von Verdächtigen zu scannen.

Die EU-Staaten können sich im Rat bisher nicht auf eine gemeinsame Position einigen. Letzte Woche hat die dänische Ratspräsidentschaft einen neuen Kompromiss vorgeschlagen. Euractiv hat den Vorschlag veröffentlicht. Wir veröffentlichen das Dokument ohne Wasserzeichen.

Anderer Ansatz erforderlich

Dänemark erklärt darin den bisherigen Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens. Die EU-Staaten haben ganze 37 Mal in der Ratsarbeitsgruppe Strafverfolgung und mehrmals auf Ebene der Ständigen Vertreter verhandelt.

Einigen konnten sie sich nicht. Manche Staaten wollen eine weitreichende verpflichtende Chatkontrolle. Andere Staaten haben „Bedenken hinsichtlich des Schutzes der Grundrechte der Nutzer und der Cybersicherheit“ und „Zweifel hinsichtlich der Verfügbarkeit zuverlässiger und genauer Technologien zur Erkennung“ strafbarer Inhalte.

Deshalb ist Dänemark „der Ansicht, dass ein anderer Ansatz erforderlich ist“.

Verpflichtende Chatkontrolle streichen

Dänemark schlägt vor, im Gesetzentwurf den ganzen Abschnitt zu „Aufdeckungspflichten“ zu streichen, also Artikel 7 bis 11. Das sind die „Aufdeckungsanordnungen“, also die Verpflichtung zur Chatkontrolle.

Die „vorübergehende Ausnahme“ der Vertraulichkeit der Kommunikation will Dänemark hingegen „dauerhaft machen“. Laut Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation dürfen Internetdienste die Inhalte ihrer Nutzer:innen nicht „mithören, abhören, speichern oder auf andere Arten abfangen oder überwachen“.

Die freiwillige Chatkontrolle war seit 2002 verboten, ist seit 2021 vorübergehend erlaubt, mit dem Gesetz soll sie dauerhaft erlaubt werden.

Risiko für Straftaten mindern

Internet-Dienste sollen das Risiko mindern, dass ihre Dienste für Straftaten genutzt werden. Dazu zählt unter anderem eine Altersüberprüfung. Jetzt soll auch die freiwillige Chatkontrolle als mögliche Minderungsmaßnahme gelten.

Dienste, die ein „hohes Risiko“ haben, für Straftaten genutzt zu werden, sollten „weiterhin verpflichtet werden, Maßnahmen zur Entwicklung relevanter Technologien zu ergreifen, um das Risiko des sexuellen Missbrauchs von Kindern, das auf ihren Diensten festgestellt wurde, zu mindern“.

Sprungbrett für weitere Arbeiten

Dänemark will die verpflichtende Chatkontrolle aber nicht vollständig aufgeben. Die Ratspräsidentschaft will eine „Überprüfungsklausel“ einführen. Die fordert die EU-Kommission auf, „die Notwendigkeit und Durchführbarkeit der künftigen Aufnahme von Aufdeckungspflichten unter Berücksichtigung der technologischen Entwicklungen zu bewerten“. Das kann „zu einem neuen Legislativvorschlag der Kommission führen“.

Die EU-Kommission hat die verpflichtende Chatkontrolle überhaupt erst vorgeschlagen und treibt sie unermüdlich voran. Dänemark schlägt also vor, dass die Kommission die freiwillige Chatkontrolle bewerten soll. Wenn es ihr nicht reicht, soll sie nochmal ein EU-Gesetz mit verpflichtender Chatkontrolle vorschlagen.

Die Ratspräsidentschaft bezeichnet den Kompromissvorschlag „als Sprungbrett für weitere Arbeiten zum Schutz von Kindern im Internet“.

Zustimmung nicht absehbar

Ob die EU-Staaten diesen Kompromiss mitgehen, ist bisher nicht absehbar. Im ersten Halbjahr hat die polnische Ratspräsidentschaft einen sehr ähnlichen Vorschlag gemacht. Dieser Vorschlag fand nicht genug Zustimmung, die Mehrheit der EU-Staaten beharrte auf verpflichtender Chatkontrolle.

Morgen tagen die Ständigen Vertreter der EU-Staaten erneut und diskutieren den Vorschlag.



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