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Der wahre Bremsklotz der Elektromobilität
In Deutschland kommt man inzwischen mit dem E-Auto gut durch, findet unser Autor. Doch kaum fährt man über eine Grenze, wird es kompliziert.
Die Zahlen sehen auf den ersten Blick gut aus: Die EU verkauft so viele Elektroautos wie nie zuvor, der Marktanteil steigt, und nun gibt es auch endlich E-Autos, die weniger als 25.000 Euro kosten. Doch die Statistik erzählt nur die halbe Wahrheit. Denn während Europa offiziell Richtung Elektromobilität fährt, bewegt sich der Kontinent in vollkommen unterschiedlichem Tempo. Die eine Hälfte gibt Vollgas – die andere tritt auf die Bremse. Und genau diese Heterogenität ist das eigentliche Problem der Mobilitätswende, nicht die Technik.
Der Osten hängt hinterher
Schaut man genauer hin, zeigt sich ein tiefer Riss. In Skandinavien sind E-Autos längst Standard, in den Niederlanden oder Belgien wächst der Markt stabil, und selbst Irland überrascht mit hohen Zuwächsen. Doch in Süd- und Osteuropa bleibt die Nachfrage verhalten. In Ländern wie Griechenland, Rumänien oder Portugal dominieren weiterhin günstige Verbrenner, und selbst in Teilen Osteuropas sind Elektroautos eher Nischenprodukte als Massenmarkt. Kaufkraft, Ladeinfrastruktur und Preisgefüge trennen den Kontinent in Gewinner und Nachzügler – eine Art Zwei-Klassen-Mobilität.
Deutschland steht irgendwo dazwischen. Der Wegfall der Förderungen, hohe Preise und Unsicherheit über künftige Regulierung drücken auf die Nachfrage. Frankreich kämpft mit ähnlichen Problemen. Von einem einheitlichen europäischen Markt kann keine Rede sein. Das Ergebnis: Die Autoindustrie plant zweigleisig – nicht aus Nostalgie, sondern aus Notwendigkeit.
Der Verbrenner wird bleiben
Das führt zu einer unbequemen Erkenntnis: Der Verbrenner bleibt in der EU in den nächsten fünf bis zehn Jahren systemrelevant. Nicht aus ideologischen Gründen, sondern weil große Teile des Kontinents weder bereit noch in der Lage sind, ihren Fahrzeugbestand schnell zu elektrifizieren. Millionen Haushalte können sich ein neues E-Auto schlicht nicht leisten. Und die Ladeinfrastruktur wächst längst nicht schnell genug, um Alternativen real nutzbar zu machen.
Besonders auffällig wird das, wenn man Europa im Alltag erlebt – etwa auf einer Reise mit dem Elektroauto. Innerhalb Deutschlands funktioniert das Laden mittlerweile gut. Aber kaum fährt man über die Grenze, beginnt das Rätselraten: andere Ladetarife, andere Apps, andere Ladekarten.
Manche Stationen nehmen Roaming-Karten aus dem Ausland nicht an, andere verlangen absurd hohe Preise. Wer von Hamburg nach Bari oder von Lyon nach Warschau fährt, braucht nicht nur eine gute Routenplanung, sondern am besten auch ein zweites Smartphone voller Lade-Apps. Von einem echten europäischen Binnenmarkt spürt man auf der Straße nichts.
Ladechaos im Ausland
Dazu kommt die extrem unterschiedliche Ladesäulendichte. Während die Niederlande im Verhältnis zur Bevölkerung ein E-Mobilitätsparadies sind, wirkt Südeuropa wie ein weißer Fleck auf der Infrastrukturkarte. Und selbst innerhalb der Länder ist die Spaltung sichtbar: Metropolen rüsten auf, ländliche Räume hängen hinterher.
Die zentrale Frage ist deshalb: Wo steht Europa 2030 wirklich? Sicher ist: Technisch wird die E-Mobilität weiter dominieren. Aber politische Harmonie, Marktgleichheit und ein einheitliches Tempo sind nicht in Sicht. Europa fährt elektrisch – aber jeder Mitgliedstaat auf seiner eigenen Route. Das bremst nicht nur den Hochlauf der Elektromobilität, sondern auch die europäische Industrie, die eigentlich von Skaleneffekten lebt.
Die Mobilitätswende scheitert nicht an Reichweiten, Ladezeiten oder Batterien. Sie scheitert an der Fragmentierung des Marktes. Solange Europa als 27-teiliges Puzzle unterwegs ist, bleibt der Kontinent im Stau stecken – egal, wie modern die Autos sind.