Datenschutz & Sicherheit
Die fossile Industrie liebt KI
Deutschland soll „KI-Nation“ werden und dadurch ungeahnte „Wirtschaftskräfte freisetzen“ – zumindest, wenn es nach der neuen Bundesregierung geht. Dafür sollen deutlich mehr Rechenzentren gebaut werden, was einen rapide ansteigenden Energiebedarf einschließt.
Prognosen für die EU zeigen, dass dieser so groß werden könnte, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht mithalten kann – doch die fossile Industrie steht bereits in den Startlöchern.
Der Hype um generative KI liefert ihnen die perfekte Begründung für den Ausbau fossiler Infrastruktur. Tech- und Fossilkonzerne investieren massiv in neue Gaskraftwerke für energiehungrige Datenzentren. Wir erleben derzeit eine fossile Gegenoffensive im Gewand digitaler Versprechen.
Fossile Industrie in den Startlöchern
RWE-CEO Markus Krebber freut sich öffentlich über die steigende Stromnachfrage durch KI und kündigt an, das Stromangebot auch durch neue Gaskraftwerke liefern zu wollen. Der Energiekonzern E.ON realisiert bereits mit dem Rechenzentrumsentwickler CyrusOne ein gasbetriebenes Stromversorgungssystem für ein Rechenzentrum in Frankfurt am Main.
Und Siemens Energy bietet neuerdings gemeinsam mit dem Maschinenbau-Unternehmen Eaton Rechenzentren im Paket mit Gasturbinen an, die nur optional mit erneuerbaren Energien ausgestattet werden. Derweil meldet Siemens Energy einen neuen Verkaufsrekord für Gasturbinen – allein im laufenden Fiskaljahr wurden 100 davon in den USA unter anderem zur Stromversorgung von Datenzentren installiert oder reserviert.
Siemens-Energy-CEO Christian Bruch bekräftigte den hohen Stellenwert eines ausreichenden Stromangebots für KI vor kurzem in einem Spiegel-Interview: „Eines der wichtigsten Ziele der Amerikaner ist die Marktführerschaft bei künstlicher Intelligenz. Dafür werden die USA viel Strom brauchen.“ Dort nimmt der Ausbau von gasbetriebenen Datenzentren richtig Fahrt auf.
Ein Beispiel dafür ist das Projekt Homer City Energy Campus in Pennsylvania, in dessen Rahmen 4,4 Gigawatt an Gaskraftwerkskapazität geschaffen werden sollen, um den dortigen KI-Stromhunger zu stillen – fast ein Achtel der gesamten installierten Gaskraftwerkskapazität Deutschlands.
Auch die Techkonzerne selbst rücken immer häufiger in den Fokus der Recherchen für die Global Oil & Gas Exit List (GOGEL), eine Industriedatenbank von urgewald, die unter anderem Expansionspläne in der Öl- und Gasindustrie erfasst. So wurde Microsoft auf der GOGEL 2024 von urgewald als fossiler Konzern gelistet, weil er ein eigenes 170-Megawatt-Gaskraftwerk für den Betrieb eines Rechenzentrums in Irland gebaut hat.
Wirtschaftswunder KI?
Für die neue Bundesregierung mit ihrem im Koalitionsvertrag erklärten Ziel, Deutschland zur „KI-Nation“ zu machen, spielen die ökologischen Kosten von KI offenbar keine Rolle. Das Energieeffizienzgesetz soll „vereinfacht und auf EU-Recht“ zurückgestutzt werden.
Mit Blick auf Rechenzentren drohen Vorgaben für die Erhebung von Energieverbrauch, Abwärme und Energieeffizienz auf Kosten des Klimaschutzes verwässert zu werden. KI-Investitionen sollen unterdessen den „Wohlstand für alle mehren“. Unter dieser Losung sind massive Investitionen in die Cloud- und KI-Infrastruktur sowie eine Förderung von KI-Start-ups und eine „Verwaltungsrevolution“ durch „KI-Sprunginnovation“ geplant.
Welche KI-Systeme die Bundesregierung auf dem Weg zur „KI-Nation“ konkret im Auge hat, bleibt – wie im gesamten politischen Diskurs – vage. Es könnten etwa generative KI-Modelle gemeint sein, die enorme Rechenkapazitäten benötigen. Auch wie die freigesetzten „Wirtschaftskräfte“ wirken sollen, bleibt nebulös.
Die bisherige wirtschaftliche Bilanz großer KI-Unternehmen ist durchwachsen: OpenAI verzeichnete 2024 Verluste in Höhe von fünf Milliarden US-Dollar, KI-Unternehmen wie Perplexity gelten zunehmend als überbewertet.
Hohe Gewinne mit dem KI-Hype fahren vor allem andere ein: Der Chip-Hersteller Nvidia etwa gilt mit seinen Hochleistungschips als Flaschenhals der Industrie und ist aktuell der größte Profiteur des Hypes – 2024 machte Nvidia 72,9 Milliarden US-Dollar Gewinn.
Gleichzeitig profitieren Cloud-Anbieter von den energieintensiven Modellen, allen voran Microsoft, Amazon und Google, deren Computing Power in der Cloud die Grundlage für die Entwicklung und Betrieb der großen KI-Modelle bilden. Allein im ersten Quartal 2025 machte Microsoft über 25 Milliarden US-Dollar Gewinn mit seiner Cloud-Infrastruktur.
Steigender Energiebedarf – steigende Emissionen
Während der konkrete gesellschaftliche Nutzen der generativen KI-Systeme bislang unklar ist, hat der Energieverbrauch durch generative KI wie GPT 4, Gemini oder Claude 3 bereits schwindelerregende Höhe erreicht.
Laut einer aktuellen Studie des Öko-Instituts im Auftrag von Greenpeace werden sich die globalen Treibhausgasemissionen von KI-gestützten Rechenzentren von 2023 bis 2030 fast versechsfachen – von 29 auf 166 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente.
Die EU-Kommission kündigte indes jüngst eine KI-Kontinent-Strategie an, die eine Verdreifachung der Rechenzentrumskapazitäten vorsieht.
Die europäische NGO Beyond Fossil Fuels warnt deshalb vor einer Beschleunigung dieser Entwicklungen. Der hohe Energiebedarf der Rechenzentren Europas gefährde die angestrebte Klimaneutralität, da der Ausbau der erneuerbaren Energien hier nicht mithalten könne.
Gasausstieg statt Gas für KI
Wenn die benötigte Energie stattdessen fossil erzeugt wird, ist das fatal: Die Betriebsdauer von Gaskraftwerken etwa beträgt 25 bis 40 Jahre. Wer also heute baut, schreibt fossile Abhängigkeiten bis in die 2050er-Jahre fest. Auch eine häufig von Industrie und Politik vorgebrachte spätere potenzielle Umstellung auf ebenfalls fossilen „blauen Wasserstoff“ bringt wegen hoher vorgelagerte Emissionen aus Produktion und Transport keine Besserung.
Die Umstellung auf durch erneuerbare Energieträger erzeugten „grünen Wasserstoff“ ist zweifelhaft, denn dieser wird absehbar nur in sehr geringen Mengen verfügbar sein. Hinzu kommt, dass die Verbrennung von Wasserstoff zur Stromerzeugung äußerst ineffizient ist.
Unter dem Strich bedeutet der Bau neuer Gaskraftwerke also eine langfristige Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Dabei muss die EU bereits bis 2035 aus fossilem Gas aussteigen, um das 1,5 °C-Limit einzuhalten.
Statt die rasante Entwicklung der Stromnachfrage zum Anlass für mehr Einsparmaßnahmen sowie massive Investitionen in Speichertechnologien, Netzausbau und Effizienz zu nutzen, setzt die Bundesregierung aktuell – ganz im Sinne der fossilen Industrie – auf Vollgas.
Das Wirtschaftsministerium unter Katherina Reiche, Ex-Cheflobbyistin des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU) und Ex-CEO des Strom- und Gasnetzbetreibers Westenergie, plant zurzeit die Ausschreibung von 20 Gigawatt neuer Gaskraftwerkskapazität bis 2030. Offizielle Begründung: die Absicherung der Energiewende. Ein denkbarer weiterer Grund: die Förderung von Big Tech.
KI als Klimaretter?
Open-AI-Chef Sam Altman verharmlost den hohen Energieverbrauch generativer KI durch Rechenzentren immer wieder mit Argumenten wie: KI werde selbst eine Lösung für den Klimawandel finden oder der Nutzen der KI übersteige ihre ökologischen Risiken. Für beide Aussagen gibt es aus heutiger Sicht keine Belege.
Bei spezifischen KI-Anwendungen in kontroversen Bereichen wie der fossilen Industrie ist der gesamtgesellschaftliche Nutzen ohnehin mehr als fraglich, die Profiteure jedoch eindeutig. So kooperiert Microsoft beispielsweise seit längerem mit dem US-amerikanischen Öl- und Gaskonzern ExxonMobil zur Optimierung der Ölförderung mittels KI.
Erst seit kurzem unterstützt Microsoft auch den deutschen Konzern Uniper etwa bei der KI-gestützten Steuerung fossiler Kraftwerke. Zu befürchten ist, dass solche KI-Projekte dem Klimaschutz nicht helfen, sondern höhere Profitmargen ermöglichen und letztlich noch mehr Anreiz für fossile Projekte bieten.
Auf der anderen Seite fordern Open-Source-Initiativen wie Small-Scale AI oder Projekte wie Green AI Effizienz und Bedarfsgerechtigkeit statt Wachstumslogik um jeden Preis. Schon seit Jahren gibt es vielfältige sinnvolle Anwendungsfälle für KI-Modelle, von denen der Umwelt- und Klimaschutz profitiert. Dabei handelt es sich selten um große generative Sprachmodelle, sondern um kleine Berechnungen mit vergleichsweise überschaubarem Energiebedarf, um beispielsweise Umwelt-, Verkehrs- oder Energiedaten auszuwerten.
Aber auch wenn diese Datenauswertung das Monitoring, die Steuerung und Prognosen vereinfacht, kann die Technologie ambitionierte politische Entscheidungen nicht ersetzen: Gute Daten zu Verkehrsströmen sind noch keine Mobilitätswende und Prognosen zum Sterben der Korallenriffe kein ambitionierter Meeresschutz.
Suffizienz statt Superintelligenz
Zoom-Out zum Big Picture: Die Pläne der Bundesregierung Deutschland zur KI-Nation zu machen, stehen auf wackligen Füßen: Es ist mehr als fraglich, ob die Hoffnung auf KI als Wirtschaftswunder Realität wird. Sicher ist jedoch, dass der Hype hohe Kosten hat.
Global regen sich bereits Proteste gegen Hyperscale-Rechenzentren – zuletzt verklagten beispielsweise Umweltorganisationen in der US-Metropole Memphis Elon Musks Unternehmen xAI, weil die Gasturbinen des dortigen Rechenzentrums die Luft stark verschmutzen.
Auch in Deutschland und Europa gibt es Proteste von Umweltgruppen, beispielsweise gegen ein geplantes Microsoft-Rechenzentrum im Rheinischen Braunkohlerevier.
Wir brauchen einen grundlegend neuen Ansatz: Wer Energie mit KI verbraucht, muss den dafür nötigen Ökostrom selbst erzeugen. Eine Verpflichtung zur zusätzlichen Produktion erneuerbarer Energie für KI-Betreiber wäre ein wichtiger Schritt, um Verdrängungseffekte zu vermeiden. Denn aktuell wird produzierter grüner Strom oft nicht zusätzlich bereitgestellt, sondern anderen Sektoren entzogen – mit verheerenden Klimaeffekten.
Statt unreflektiert den KI-Hype mit fossilem Strom zu bedienen, müssen Bundesregierung und Unternehmen Lösungen finden, die sich dem klimagerechten Umbau der Volkswirtschaften unterordnen. Denn fossil erzeugter Strom ist NI – nicht intelligent.
Friederike Hildebrandt ist Ökonomin, beschäftigt sich mit Klima- und Stadtpolitik und koordiniert das „Bits & Bäume“-Bündnis. Das Bündnis hat Anfang des Jahres Forderungen zu Digitalisierung und Nachhaltigkeit vorgelegt und wird auf dem diesjährigen System Change Camp einen Vortrag zu Rechenzentrumsausbau & Klimagerechtigkeit halten.
Moritz Leiner ist Sozialwissenschaftler und organisiert bei der Umwelt- und Menschrechtsorganisation urgewald Kampagnen zu deutschen Energie- und Finanzkonzernen. Auf urgewalds öffentlich zugänglicher Industriedatenbank „Global Oil and Gas Exit List“ spielen neue Gaskraftwerksprojekte für Datenzentren eine zunehmende Rolle. Moritz nimmt hierzu gerne Hinweise entgegen.
Datenschutz & Sicherheit
Dropbox stellt seinen Passwortmanager ein
Dropbox Passwords wird eingestellt: Der Passwortmanager ist bereits zum 28. Oktober 2025 abgekündigt. Dann verlieren Anwender jeglichen Zugriff auf alle gespeicherten Passwörter, Benutzernamen und Zahlungsinformationen. Dropbox löscht sie direkt, eine Option zur Wiederherstellung gibt es nicht. Allerdings werden bereits am 28. August die Autofill-Funktionen eingestellt, Dropbox Passwords geht dann in den schreibgeschützten Modus über. Am 11. September schaltet der Anbieter außerdem die App für Smartphones ab.
Nutzer müssen folglich unmittelbar ihre Daten exportieren; sie erhalten hierbei eine CSV-Datei mit ihren bei Dropbox gespeicherten Informationen. Das funktioniert sowohl mit der Browser-Erweiterung als auch in der mobilen App. Der Anbieter empfiehlt als Ersatz den Dienst 1Password, allerdings lassen sich CSV-Dateien genauso bei anderen kommerziellen Passwortmanagern oder der freien Alternative KeePass importieren.
Viel Aufwand für Admins
Wer in Unternehmen Dropbox Passwords einsetzt, muss zudem deutlich mehr Aufwand betreiben: Jeder Nutzer muss nämlich seine Daten selbst exportieren, eine zentrale Funktion hierfür gibt es nicht. Administratoren können lediglich überprüfen, welche ihrer Anwender den Dienst nutzen. Ist das der Fall, ist für sie in der Unternehmenskonsole ein Score vergeben. Abschließend müssen sie ihre betroffenen Nutzer über die Änderungen informieren und einen Ersatz bereitstellen. Zudem gibt es „einige Wochen“ vor der Einstellung des Dienstes eine E-Mail von Dropbox an die Anwender, die ihre Daten weiterhin nicht exportiert haben.
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Gleichzeitig stellt Dropbox die Dark-Web-Überwachung ein. Sie war Teil von Passwords und sollte im Darknet „Anzeichen von Kontodaten“ des Nutzers finden. Wurde der Dienst fündig, wurde der Anwender benachrichtigt und konnte über den Passwortmanager neue Anmeldedaten vergeben.
Als Grund für den Schritt gibt Dropbox in der Ankündigung an, dass man sich auf „die Verbesserung anderer Features in unserem Kernprodukt […] konzentrieren“ wolle. Der Anbieter hatte den Passwortmanager erst 2020 eingeführt, ein Jahr später folgte die Ausrichtung auf Business-Kunden. Als Teil der kommerziellen Tarife sollte der Dienst die Abonnements aufwerten, außerdem gab es eine funktionell beschnittene Gratisvariante. Zum Erfolg von Dropbox Passwords auf dem stark umkämpften Markt für solche Programme gab es nie Zahlen.
(fo)
Datenschutz & Sicherheit
Künstliche Intelligenz: Die Hype-Tech-Agenda der Bundesregierung
Mehr Wettbewerbsfähigkeit, Wertschöpfung und Souveränität – das verspricht die „Hightech-Agenda Deutschland“, die das Bundeskabinett gestern verabschiedet hat.
Der Entwurf stammt aus dem Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) von Dorothee Bär (CSU). Die gute Nachricht: Flugtaxis will die Ministerin offenbar nicht länger in die Luft bringen. Stattdessen liegt ihr Augenmerk nun auf sechs „Schlüsseltechnologien“: Quantentechnologien, Mikroelektronik, Biotechnologie, Fusion und klimaneutrale Energieerzeugung, Technologien für die klimaneutrale Mobilität – und Künstliche Intelligenz.
Vor allem bei dem „Megathema“ KI strebt Bär für Deutschland eine Spitzenposition an. Ihre Hightech-Agenda ist durchzogen von der Vorstellung, dass sich mit KI ökonomische und wissenschaftliche Wunder vollbringen lassen. Diese Glaubensfestigkeit überrascht. Denn anderswo werden die Verheißungen des KI-Hypes längst hinterfragt und Kehrtwenden eingeleitet.
Mehr Wirtschaftsleistung durch KI?
In ihrer Hightech-Agenda spart die Regierung selbst nicht mit vollmundigen Versprechungen. Gleich zu Beginn formuliert sie das Ziel, „mit einer KI-Offensive bis 2030 zehn Prozent unserer Wirtschaftsleistung KI-basiert [zu] erwirtschaften“.
An keiner Stelle verrät das knapp 50-seitige Papier, wie das Ministerium zu dieser Zielmarke gelangt ist – oder wie es herausfinden will, dass dieses Ziel erreicht wurde.
„Die Formulierung ist äußerst vage“, sagt Florian Butollo gegenüber netzpolitik.org. Er ist Professor für Soziologie der digitalen Transformation und Arbeit an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main und leitet das Forschungsprojekt „Generative KI in der Arbeitswelt“ am Weizenbaum-Institut. Sollen in fünf Jahren zehn Prozent aller Unternehmen KI einsetzen? Das wäre sehr wenig, sagt Butollo. Oder soll tatsächlich zehn Prozent der Bruttowertschöpfung auf KI zurückgehen? Dann aber müsste die Regierung berücksichtigen, dass die Arbeit mit KI meist in einer dynamischen Interaktion zwischen Mensch und Technologie erfolgt. Hier den Beitrag von KI seriös zu messen, sei kaum möglich, so der Soziologe.
„Nicht vom KI-Hype treiben lassen“
Auch andere trauen den wirtschaftlichen Verheißungen der Hightech-Agenda nicht. Sie befürchten vielmehr, dass der KI-Einsatz zulasten von Arbeitnehmer:innen geht. Die Sorge ist begründet: Gut ein Viertel der Unternehmen geht davon aus, dass der KI-Einsatz in den kommenden fünf Jahren zu einem Stellenabbau führen wird.
„Es darf nicht darum gehen, die Personalkosten zu senken“, warnt die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Yasmin Fahimi. Vielmehr müsse eine höhere Qualität der Arbeit und mehr Mitbestimmung der Mitarbeitenden im Fokus stehen.
Und der europäische Betriebsratschef von SAP, Andreas Hahn, fordert, sich nicht vom KI-Hype treiben zu lassen. Wer glaube, „dasselbe mit weniger Ressourcen liefern zu können“, drohe von Konkurrenten überholt zu werden, die mit einer nicht geschrumpften Belegschaft mehr und bessere Produkte liefern.
Hahn widerspricht damit auch SAP-Vorstandschef Christian Klein. Der hatte behauptet, die Entwickler:innen seines Softwarekonzerns seien dank KI um dreißig Prozent produktiver geworden. Bereits Anfang vergangenen Jahres hatte Klein eine KI-Offensive und Streichung mehrerer tausend Stellen angekündigt.
Erst investieren, dann verstehen?
Solche Effizienzversprechen ziehen erste Studien in Zweifel. So kommt eine aktuelle Untersuchung der Cornell University sogar zu dem Schluss, dass erfahrene Programmierer nicht weniger, sondern mehr Zeit benötigen, wenn sie mit Hilfe von KI Code entwickeln. Darüber hinaus räumen erste Unternehmen ein, das die Angebotsqualität durch den KI-Einsatz leidet. So setzt etwa das schwedische Fintech-Unternehmen Klarna in seinem Kundendienst inzwischen wieder auf Menschen statt auf KI.
Florian Butollo überrascht das nicht. „Nicht die KI macht etwas, sondern Menschen machen etwas mit KI. Unternehmen schaden sich also selbst, wenn sie am menschlichen Arbeitsvermögen sparen, ohne das die KI nicht sinnvoll eingesetzt werden kann.“
Gründe für das erratische Verhalten von Unternehmen hat eine internationale IBM-Studie gefunden. Demnach neigen etwa zwei Drittel der CEOs dazu, in Technologien zu investieren, noch bevor sie deren ökonomischen Wert vollständig verstanden hätten. Ihre große Sorge: Dass sie hinter der Konkurrenz zurückfallen könnten.
KI als Forschungstreiber?
Die Sorge, abgehängt zu werden, treibt auch Forschungsministerin Bär an. Bei der Präsentation der Hightech-Agenda zeigte sie sich überzeugt, dass die deutsche Wirtschaft international nur dann „wieder an die Wettbewerbsspitze“ gelangen könne, wenn die Rahmenbedingungen für die Forschung stimmen. Etliche Wissenschaftsbereiche sollen deshalb von Künstlicher Intelligenz profitieren – von der Gesundheits- und Materialforschung über die Klima- und Biodiversitätsforschung bis zur Energie- und Nachhaltigkeitsforschung.
Doch auch für die Wissenschaft wird die KI keine Wunder vollbringen können. Denn die Fähigkeiten selbst aktueller Spitzenmodelle sind offenkundig ziemlich beschränkt und damit nicht vertrauenswürdig.
Der neueste Schrei auf dem KI-Hype-Markt sind sogenannte Large Reasoning Models (LRMs). Das sind fortgeschrittene KI-Modelle, die auf der Architektur großer Sprachmodelle (Large Language Models, LLMs) basieren, aber speziell darauf trainiert sind, mehrschrittige und vermeintlich strukturierte Schlussfolgerungen zu ziehen. Sie sollen somit nicht nur Texte „verstehen“ und erzeugen, sondern auch menschenähnliches Denken imitieren können, was insbesondere auch der Forschung zugutekommen soll.
Dass die Ergebnisse der LRMs jedoch nur mit Vorsicht zu genießen sind, hat jüngst eine Forschungsgruppe des Konzerns Apple herausgefunden. Laut der Studie „The Illusion of Thinking“ arbeiten etwa die Sprachmodelle von OpenAI mit zunehmender Komplexität der Aufgaben immer ungenauer – bis zum „complete accuracy collapse“, einem kompletten Genauigkeitskollaps. Warum es dazu kommt, können die Forschenden nach eigenen Angaben nicht erklären, sie gehen aber von einem grundlegenden Problem der KI-Technologie aus.
Und auch eine Studie, an denen unter anderem KI-Forschende aus dem Hause Google beteiligt waren, bewertet die Begründungen von LRMs als „irreführend“ und deren Resultate als wenig vertrauenswürdig.
Im besten Fall könne KI Software-Code oder Texte schreiben, so das Fazit des KI-Forschers Gary Marcus. Aber selbst dann seien die Ergebnisse alles andere als zuverlässig. Vielmehr könnte die KI „dir vorgaukeln, dass sie eine richtige, verallgemeinerbare Lösung entwickelt habe, obwohl das nicht der Fall ist.“
Bundesregierung will AI-Gigafactory bauen
Derlei Erkenntnisse halten die Bundesregierung nicht davon ab, KI auch baulich in übergroßen Dimensionen zu denken. „Wir holen mindestens eine der europäischen AI Gigafactories nach Deutschland“, heißt es in der Hightech-Agenda. Eine solche Ankündigung fand sich auch im Koalitionsvertrag.
Die gigantischen Rechenzentren dienen dem Training großer Sprachmodelle und verfügen über mindestens 100.000 spezielle Hochleistungsprozessoren, sogenannte GPU. Derzeit verfügen die größten Anlagen hierzulande über rund 25.000 GPU.
Insgesamt fünf dieser Rechenzentren will EU-Kommission europaweit bauen. Die Kommission schätzt, dass die Kosten pro Gigafabrik bei drei bis fünf Milliarden Euro liegen – die ökologischen Kosten mal außen vorgelassen. Ein europäischer Fonds soll deren Bau mit insgesamt 20 Milliarden Euro bezuschussen. Voraussichtlich 35 Prozent der Gesamtkosten werden die europäischen Steuerzahler:innen tragen, den Rest müssen die beteiligten Firmen und Investmentfonds aufbringen.
Das Interesse ist offenkundig groß: Bis Ende Juni haben Unternehmen und Forschungseinrichtungen bei der Kommission insgesamt 76 sogenannte Interessensbekundungen für den Bau einer Gigafactory eingereicht. Darunter sind einige deutsche Konzerne wie Telekom oder Ionos, auch wenn diese vom deutschen Staat noch mehr finanzielle Unterstützung wie zum Beispiel Steuererleichterungen fordern.
Der Hype ebbt ab
Die Bundesregierung zeigt sich optimistisch. Laut ihrer Hightech-Agenda soll die erste AI Gigafactory in Deutschland schon Mitte 2027 in Betrieb gehen.
Selbst wenn diese Frist gehalten wird, ist das mit Blick auf die KI-Forschung eine langer Zeitraum. Vor gut einem halben Jahr veröffentlichten chinesische Entwickler:innen das KI-Modell DeepSeek. Ihnen zufolge könne DeepSeek mit der Konkurrenz mithalten. Das Training der KI benötige im Vergleich aber nur ein Bruchteil der Rechenkraft und erheblich weniger Zeit.
Die Tech-Welt zeigte sich aufgeschreckt: „Wir sollten die Entwicklungen in China sehr, sehr ernst nehmen“, sagte Microsoft-CEO Satya Nadella damals auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Trotzdem gab Microsoft im April bekannt, einige seiner Rechenzentrumsprojekte „zu verlangsamen oder zu pausieren“. Beobachter gehen davon aus, dass sich der Konzern „im Eifer des Gefechts um Künstliche Intelligenz höchstwahrscheinlich zu viel vorgenommen“ hatte. Auch Marktführer Amazon hat mehrere Bauprojekte für Rechenzentren auf Eis gelegt.
Selbst in China ebbt der KI-Hype offenkundig ab. In den Jahren 2023 und 2024 wurde landesweit der Bau von mehr als 500 Rechenzentren angekündigt. Bis Ende 2024 waren zwar 150 von ihnen gebaut. Doch 80 Prozent dieser Rechenzentren sind chinesischen Medien zufolge nicht in Gebrauch. „KI-Projekte scheitern, Energie wird verschwendet und Rechenzentren sind zu ’notleidenden Vermögenswerten‘ geworden, die Investoren gerne zu Preisen unter dem Marktwert loswerden möchten“, beschreibt die MIT Technology Review die Lage in China.
Dass die Frage der Wirtschaftlichkeit in der deutschen Debatte nur am Rande vorkommt, könnte auch mit dem schwarz-roten Koalitionsvertrag zusammenhängen. Darin steht, dass der Staat bei Vorhaben der Hightech-Agenda auch als „Ankerkunde“ tätig wird. Mit anderen Worten: Die Bundesregierung sichert zu, mit Steuergeldern für eine Mindestnachfrage bei den Gigafactories zu sorgen. Offenbar ist sie selbst also nicht allzu fest davon überzeugt, dass der KI-Hype aus sich heraus Früchte trägt.
Datenschutz & Sicherheit
Schnell installieren: Apple fixt Zero-Day-Angriff in WebKit
Apples in der Nacht zum Mittwoch erschienene Updates für iOS, iPadOS und macOS sollten dringend schnell eingespielt werden: Wie nun erst bekannt wurde, wird damit auch ein WebKit-Bug gefixt, für den es bereits einen Exploit gibt. Dieser wird allerdings bislang nur verwendet, um Chrome-Nutzer anzugreifen, wie es in der zugehörigen NIST-Meldung heißt (CVE-2025-6558). Der Fehler wird mit „Severity: High“ bewertet. Verwirrend: Apple warnt in seinen Sicherheitsunterlagen nicht vor bekannten aktiven Angriffen – offenbar, weil es für den Apple-Browser Safari noch keine entsprechenden Berichte gibt.
Crasht Safari nur?
Laut Google, dessen eigene Threat Analysis Group (TAG) den Fehler entdeckt hat, hat man in Chrome Versionen vor 138.0.7204.157 beobachtet, wie es einem entfernten Angreifer über eine manipulierte Website gelang, einen Sandbox-Ausbruch durchzuführen, der dann zu weiteren Problemen führt. Grund ist die Verarbeitung nicht verifizierter Inputs in den Modulen GPU und ANGLE.
Apple selbst schreibt nur, dass CVE-2025-6558 zu einem „unerwarteten Absturz“ in Safari führen könne, von einem Sandbox-Ausbruch ist dort nicht die Rede. Es könnte also sein, dass der Schweregrad auf Apple-Plattformen geringer ist – eine Bestätigung dazu gibt es bislang aber nicht. Apple schreibt weiter, es handele sich um eine Lücke „im Open-Source-Code“ und Apples eigene Software sei „unter den betroffenen Produkten“.
Update für ältere macOS-Versionen
Der WebKit-Bug wird – zusammen mit zahlreichen weiteren Fehlern – sowohl in iOS 18.6 als auch in iPadOS 18.6 und macOS 15.6 behoben. Weiterhin erschien um einen Tag verzögert auch ein Update für macOS 13 (Ventura) und 14 (Sonoma): Safari 18.4 als Einzeldownload. Warum Apple den Browser für die älteren Systeme hier zunächst verzögert hatte, ist bislang unklar. Den Fix enthält weiterhin auch iPadOS 17.7.9, das Apple parallel zu iOS 18.6 und Co. veröffentlicht hatte. iOS 17 wird vom Hersteller hingegen nicht weiter gepflegt.
Der Vorgang zeigt, dass man bei Sicherheitsupdates genau hinschauen muss. Googles TAG hat bislang noch nicht verraten, wer die Angreifer waren und wie verbreitet der Exploit auf Chrome ist. Wer den Browser (oder darauf aufbauende mit Chromium) nutzt, sollte auch diesen dringend aktualisieren – gegen den Exploit hilft die Installation einer aktuellen Safari- oder macOS-Version nämlich nicht.
(bsc)
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